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Digimon - Suche nach Bestimmung

Digimon Frontier Alternative [Jetzt auch mit Trailer!]
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Auf Baggins Spuren

Kapitel 8: Auf Baggins Spuren


 

Für Bill fühlte es sich so an, als wäre er in dem Moment, in dem er eingeschlafen war auch schon wieder aufgewacht. Nichts hatte sich an seiner Müdigkeit geändert, sein Körper fühlte sich geschunden an.

Natürlich würde es noch immer finster im Dschungel sein, denn kaum ein Sonnenstrahl konnte es durch das Blätterdach schaffen. Und letztlich änderte sich die Tageszeit in der Digiwelt ja eh nicht.

Grummelnd rieb sich der junge Amerikaner die verschlafenen Augen und setzte sich an die Wand gelehnt hin.

François und Cat lagen in verschiedenen Ecken des komischen Raumes auf dem Boden und schliefen noch. Sollte er sich vielleicht auch noch einmal hinlegen?

Der Gedanke war verlockend, schließlich konnte er kaum die Augen offen halten und der Gummiartige Boden war äußerst gemütlich. Andererseits ...

Bill hatte das nagende Gefühl, etwas sehr wichtiges vergessen zu haben, doch er wollte einfach nicht darauf kommen was es war. Vielleicht wollte ihn sein Unterbewusstsein zur Weiterreise drängen? Schließlich mussten sie Taomon finden, um endlich Antworten auf so viele Fragen zu erhalten.

Wie konnte es sein, dass sie zu Digimon wurden? Sie als Menschen? Standen diese Digimon, zu denen sie digitieren konnten irgendwie in Verbindung? Wer hatte sie hierher gelockt?

Sein Blick viel auf François. Natürlich, eines wussten sie nun. Dieser Unbekannte, der ihnen die Briefe und die D-Tectoren geschickt hatte, wollte wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen und hatte sie sicherlich nicht ohne Grund in die Digiwelt geholt. Vielleicht hatte Taomon sogar eine Vermutung, wer hinter dem Geheimnis stecken könnte. Wenn der Franzose wenigstens die Stimme hätte beschreiben können ...

Seufzend stand Bill auf, nur um sich prompt den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen. Ein leiser Fluch entfuhr ihm und er bewegte sich auf das Steinbecken zu, während er sich den schmerzenden Hinterkopf hielt. Warum musste dieser Raum nur so klein sein?

Ohne besondere Erwartungen warf er einen Blick in das Becken. Die Flüssigkeit begann zu wabern und zeigte bald den düsteren Wald außerhalb dieser deplatzierten Gummizelle.

Bill hatte sich schon gefragt, ob dieser Unbekannte, der durch die D-Tectoren sprach, vielleicht einen komischen Humor hatte, weil er gerade den etwas gestört wirkenden François an diesen Ort gebracht hatte.

Irgendwie hatte Bill ja Mitleid mit dem Franzosen, aber andererseits war es extrem nervenaufreibend ihm zuzuhören. Er musste eine Nervenkrankheit oder so haben. Oder er war wirklich irre.

Solche Gedanken waren gemein, schallt sich Bill selbst und beobachtete genauer, was draußen vor sich ging. Bald wurde er dieser Tätigkeit überdrüssig, denn so wirklich passierte dort gar nichts.

"Na, was spannendes entdeckt?" fragte Cat von hinten.

Sie musste unbemerkt aufgestanden sein und sich ihm genähert haben.

Bill schüttelte gelangweilt den Kopf.

"Nichts besonderes."

Der Amerikaner trat von dem Becken weg und setzte sich zur Bequemlichkeit wieder hin, damit er keinen krummen Rücken mehr machen musste.

"Sag mal, Cat" begann er daraufhin "Ich bin mir ganz sicher, dass ich etwas echt wichtiges vergessen habe. Fällt dir vielleicht was ein? Das beschäftigt mich die ganze Zeit."

Etwas desinteressiert rümpfte Cat die Nase, doch dann begann sie überraschenderweise doch zu grübeln.

"Kein Plan" meinte sie schließlich und ergänzte dann mit boshaftem Spott:

"Du hast zumindest nichts verloren, was denn auch?."

Das ließ Bill von sich abprallen. Solche Sprüche kannte er in- und auswendig, sodass sie ihm längst egal geworden waren.

Was zur Hölle hatte er wichtiges vergessen?

Er beschloss Impmon zu fragen. Das kleine Digimon hielt sich doch für so oberschlau und wusste immer alles besser. Bestimmt würde er auch von ihm eine komische Antwort erhalten, aber das war nebensächlich.

Plötzlich erstarrte er.

Impmon!

Hektisch sah er sich um. Tatsächlich war das kleine Großmaul nicht da.

Er hatte Impmon vergessen!

"Wo ist Impmon?" fragte Bill so laut, dass François erschrocken aus dem Schlaf hochfuhr, mit dem Kopf gegen die Wand prallte und dann benommen zurück auf den Boden sank.

Auch Cat schaute sich einige Male um und auch sie schien sich dumm vorzukommen.

"Verdammt, wie konnte das denn passieren? Wann war er zuletzt bei uns?" fluchte sie und trat wütend gegen die gepolzterte Wand.

Bill begann nachzudenken. Ja, wann war Impmon eigentlich bei ihnen gewesen? Er war sich gar nicht mehr sicher, ob Impmon überhaupt in den Wald mitgekommen war. Vielleicht war er ja schon von Megakabuterimon geladen worden, bevor die beiden Menschen wieder zur Besinnung gekommen waren. Oder hatte er es vor ihnen in den Wald geschafft?

"So ein Scheißdreck" schimpfte Cat noch immer ungehalten "Wie sollen wir den denn jemals wiederfinden, falls er überhaupt noch lebt?"

Darauf wusste Bill auch keine Antwort und der etwas verstört dreinblickende François traute sich scheinbar nicht etwas zum Thema beizutragen, wobei er so oder so wenig über Impmon wissen konnte.

Entschlossen lief Bill geduckt zu dem Ausgang der seltsamen Gummizelle.

"Bringt jedenfalls nicht hier rumzusitzen. Wir müssen ihn finden, sonst schaffen wir es niemals zu diesem Taomon."

Cat zuckte resigniert mit den Schultern und folgte ihm.

Als wäre das Vergessen anderer mittlerweile zur Gewohnheit geworden, ließen sie François wortlos zurück, während sie nacheinander durch das Loch schlüpften, das sowohl Ein- als auch Ausgang darstellte.

Der Franzose starrte noch eine Weile an die Stelle, wo die beiden anderen Menschen zuletzt gewesen waren und schüttelte dann unwillkürlich heftig den Kopf.

"W-w-wartet!"
 


 

Weit weniger gemütlich erwachte Impmon auf dem mit Moos bedeckten Waldboden. Sein Rücken schmerzte. Scheinbar hatte er teilweise auf einer Wurzel gelegen.

Stöhnend erhob sich das Rookie-Digimon und sah sich unsicher um.

Es war also doch kein verrückter Traum gewesen. Er steckte tatsächlich alleine in einem unbekannten Wald fest und hatte keine Ahnung wie er hier wieder rauskommen konnte.

Die einzige Lösung für das Problem war, sich einfach in Bewegung zu setzen. Irgendwann würde er schon automatisch aus dem Wald kommen oder aber unterwegs getötet werden, was weitaus wahrscheinlicher war. Gerade in solchen abgelegenen Wäldern, die weit von jeder Stadt entfernt lagen, wimmelte es nur so von angriffslustigen Digimon. Das Leben an solchen Orten war ein unerbittlicher Überlebenskampf.

"Oh verdammt, hätte ich doch damals nicht diesen Menschen angesprochen! Ich könnte wie immer auf Erkundungstour sein und mir aussuchen, wo es hingeht. Aber nein ..." Er seufzte schwer.

Das alles nur für diese beiden blöden Menschen, die ihm jetzt auch nichts mehr nützten.

Mit einem Ultralevel legte man sich halt nicht an, das sagte einem doch der gesunden Digimonverstand.

Mit sich und seinem Schicksal hadernd bahnte sich Impmon seinen beschwerlichen Weg durch das dichte Gestrüpp, das ihn schon auf Kopfhöhe ständig behinderte, da er so klein war.

Gerade schob er mit seiner rechten Hand ein besonders hartnächkiges Blatt von sich weg, als er mit einem Mal in etwas Klebriges hineinstolperte.

Eine dünne und zugleich widerstandsfähige Barriere war vor ihm. Sie bestand scheinbar aus mehreren weißen Fäden.

Verwundert wollte Impmon einen Schritt zurückmachen, doch seine Hand blieb an dem fremden Objekt haften und ließ sich einfach nicht lösen.

Leicht panisch begann Impmon mit aller Kraft zu ziehen und zu zerren, doch es half nichts, seine Hand blieb wo sie war.

"Was ist das denn für ein Zeug?" fragte sich Impmon laut und unternahm immer verzweifeltere Versuche sich von der klebirgen Substanz zu befreien.

Seine Beine begannen auf dem unebenen Untergrund des Waldbodens den Halt zu verlieren und er stolperte unwillkürlich nach vorne.

Es kam, wie es kommen musste: Nun hing er mit dem Gesicht vorran in dem Wirrwarr aus klebrigen Fäden. Scheinbar handelte es sich um eine Art Netz.

"Oh nein, Hilfe!" brüllte das Digimon ohne nachzudenken und besann sich dann eines besseren. Dieses Netz war doch offensichtlich eine Falle. Natürlich!

Wenn er jetzt weiter Lärm machte, würde er vielleicht das Digimon anlocken, dass dieses Netz gesponnen hatte.

Zappelnd versuchte er sich von den Fäden zu lösen, doch er hatte das Gefühl, dass er sich eher weiter in ihnen verfing.

Was sollte er bloß tun?

Angst machte sich in ihm breit.

"Na, ganz alleine?" säuselte plötzlich eine gehässige und sehr hohe Stimme von oben.

So weit es ging, folgte Impmon dem Geräusch mit seinem Blick und erspähte ein spinnenähnliches Digimon, dass sich an einem Faden von einem nahestehenden Baum heruntergleiten ließ.

Es war etwas kleiner als Impmon selbst, und besaß einen schwarz-gelb gestreiften Rumpf. Die acht Beine waren von schwarzem Haar bedeckt, nur die Spitzen waren blutrot.

Der Schädel bestand aus einer Art gelben Maske, welche mit mehreren smaragdgrünen Augen versehen war und aus welcher im Nacken braunes Haar hervorsah.

Am bedrohlichsten wirkte der mit vielen spitzen Zähnen versehene Kiefer.

Impmon kannte dieses Digimon. Das war ein Kodokugumon.*

Es war zwar nur auf dem Ausbildungs-Level, doch Impmon war sicherlich nicht in der Verfassung sich gegen das Spinnendigimon zu wehren, das sich nun über das gesponnene Netz bewegte und knapp über seiner Beute innehielt.

"Sehr sehr mutig für so einen kleinen Burschen wie dich."

Eine weitere, sehr ähnliche Stimme gesellte sich dazu und bald war die Luft von dem gehässigen Gesäusel dutzender Kodokugumon erfüllt, die über das Netz zu ihrem Artgenossen krabbelten und Impmon umzingelten.

Manche verließen das Netz und positionierten sich im Rücken des gefangenen Digimons.

"Lasst mich!" rief Impmon ängstlich, auch wenn es klar war, dass es keinen Sinn hatte zu betteln.

Sein letztes Stündlein hatte geschlagen. Jetzt würde er sterben.
 


 

Das grüne Meer schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Schon nach etwa einer Stunde Fussmarsch konnte Bill nicht einmal mehr sagen, aus welcher Richtung sie gekommen waren und ob sie sich tiefer in den Wald hinein oder eher wieder heraus bewegten.

Irgendwie sah doch alles so gleich aus hier.

Überall die gewaltigen Farngewächse und fast hüfthohe Gräser, die sich neben dichten Büschen aneinandereihten und das Vorankommen erschwerten. Erschwerend kamen die zahllosen Wurzeln hinzu, die man erst sah, wenn man über sie gestolpert war.

Bill hatte den Wald schon recht früh satt.

Mittlerweile war auch die winzige Hoffnung, Impmon noch zu finden, geschwunden.

Er für seinen Teil wäre schon froh, wenn sie überhaupt lebend aus diesem Gestrüpp wieder rauskämen.

Cat hielt auf einmal inne und drehte sich zu ihm um. Die ganze Zeit über war sie vorangegangen, obwohl Bill zunächst die Führung hatte übernehmen wollen. Irgendwie hatte es ihr nicht gepasst ihm zu folgen, auch wenn es völlig irrelevant war, da keiner von beiden genau wusste, wo sie langgehen sollten.

"Wir finden ihn nicht" sagte Jekaterina trocken. Sie zeigte keine emotionale Regung, die verraten könnte, ob es ihr etwas ausmachte, das Digimon endgültig aufzugeben.

Bill nickte bloß.

Natürlich hatte er den selben Gedanken schon lange gehabt. Sie hatten sich doch etwas vorgemacht. Dieser Wald war unüberschaubar. Wie hätten sie Impmon hier jemals wieder sehen sollen?

"Am besten, wir sehen zu, dass wir hier raus kommen. Aus diesem Wald meine ich."

Mit einer wagen Geste deutete Cat auf all die mittlerweile verhassten Pflanzen um sie herum.

Diesmal brummte Bill bloß seine Zustimmung.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war ihm der Verlust Impmons nicht völlig egal. Auch wenn er ihn für einige Stunden komplett vergessen hatte.

Seit er hier in der Digiwelt war, hatte das Digimon ihm stets mehr oder weniger hilfreich zur Seite gestanden. Zwar weniger aus Freundlichkeit als aus reiner Neugier, aber Impmon hatte ihn unterstützt. Der Gedanken, ihn nie mehr wiederzusehen und ihm vielleicht so gar einfach danken zu können, wurmte Bill.

So wirklich in sein Herz geschlossen hatte er Impmon nie. Aber irgendwie hatte die gemeinsame Zeit doch ihre Spuren hinterlassen.

"Wie..." begann er seufzend "Wie sollen wir denn jemals dieses Taomon finden? Wir wissen doch nichtmal wo dieser Berg Fortran liegt. Und aus diesem Wald müssen wir auch erstmal raus kommen."

Cat setzte ein verärgertes Gesicht auf.

"Wer sagt, denn, dass wir es unbedingt finden müssen? Vielleicht lassen sich ein paar unserer Fragen auch durch andere Digimon beantworten. Kann ja nicht sein, dass es hier nur einen Kerl mit Grips gibt."

Sie blickte ihm direkt in die Augen und setzte dann ein schiefes Lächeln auf.

"Im Übrigen sind wir doch eigentlich ein gutes Team, auch wenn du nervst. Als Duskmon hast du echt was auf dem Kasten. Irgendwie werden wir schon zurechtkommen."

Bill war erstaunt. Das war mit Abstand das freundlichste, was er jemals von der Russin gehört hatte.

So richtig kamen sie ja noch immer nicht miteinander aus, aber jetzt wo sie es sagte ...

Sie hatten doch alle Digimon besiegt, die sie getroffen hatten. Bis auf Megakabuterimon natürlich.

Und es waren nicht unbedingt wenige Feinde gewesen.

Er erwiderte das Lächeln zaghaft und meinte: "Vielleicht kein optimales Team, aber ein besseres soll erstmal gefunden werden!"

"Sehr putzig!" zischte plötzlich eine seltsam hohe Stimme aus einem der zahllosen Baumwipfel.

Erschrocken zuckten die beiden Menschen zusammen und versuchten die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen.

Ehe sie sich wappnen konnten, sprang eine riesige Spinne von den Ausmaßen eines kleinen Busses aus den Tiefen der Blätter hervor und stürzte aus über dreißig Metern auf sie herab.

"Giftiges Spinnennetz!" rief das Ungeheuer und ließ noch in der Luft aus seinem Hinterteil mehrere lange dünne Fäden schießen, die Bill und Cat umschlangen.

Innerhalb weniger Herzschläge waren sie bis auf den Kopf komplett von der klebrigen weißen Fesseln eingewickelt und fielen überrascht aufschreien zu Boden.

Kurz darauf landete das monströse Digimon, das einer riesigen Vogelspinne glich, neben ihnen im Gras, wobei ein dumpfer Aufschlag zu hören war.

"Na ihr seid ja ein paar unvorsichtige Digimon. Rookie-Level nehme ich an?" säuselte es mit seiner seltsamen Stimme, die auf ihre Art unangenehm zu hören war.

Bevor Bill oder Cat etwas erwidern konnten, spie es eine farblose Wolke aus seinem Maul aus, die die beiden Menschen einhüllte.

Verzweifelt versuchte Bill das unbekannte Gas nicht einzuatmen, doch schon nach wenigen Augenblicken schnappte er refelxartig nach Luft. Seine Augenlider wurden schlagartig schwer.

Er konnte noch erkennen, wie neben ihm Cat regungslos liegen blieb, dann umhüllte auch ihn traumlose Schwärze.
 


 

Als Cat erwachte, kam sie sich vor, als seien alle ihre Sinne leicht betäubt.

Alles sah verschwommen aus und sie hörte gedämpfte Geräusche, als würde Watte ihre Ohren verstopfen.

Vorsichtig wollte sie sich rühren, doch ihr Körper war von festen weißen Fesseln eingeschnürt und sie konnte weder Arme noch Beine bewegen.

Panik machte sich in ihr breit.

Was war denn hier los?

Fieberhaft versuchte sie sich an das letzte zu erinnern, was geschehen war.

Das Spinnendigimon!

Jetzt wusste sie es wieder.

Hastig sah sie sich um. Zwar konnte sie noch immer nicht alles ganz genau erkennen, doch sie meinte sich auf einer Lichtung zu befinden, in deren Mitte ein riesiger Baum stand, der sogar die vielen Exemplare aus dem Urwald selbst überragte.

Ein Blick nach oben verriet ihr, dass die Fäden, die sie festhielten an einen der Äste der großen Pflanzen angebracht worden war und sie etwa drei Meter in der Luft hing.

Auf dem Waldboden tummelten sich hunderte Spinnen, von der Größe eines Schäferhundes. Oder vielleicht waren sie auch ein wenig kleiner, sie konnte es noch immer nicht klar erkennen, obwohl die Betäubung des großen Spinnendigimons langsam nachzulassen schien.

Von Bill war weit und breit keine Spur.

Offenbar hatte man sie gefangen genommen, aber wozu?

Auch das große Digimon war nirgends zu erkennen. Vielleicht wollte es sich seine Opfer ja für später aufbewahren, oder Bill war bereits getötet worden und nur sie war übrig.

Aber dann mussten sie doch erkannt haben, dass sie keine Digimon, sondern Menschen waren und man sie nicht laden konnte!

Verzweifelt schwang Cat hin und her. Sie versuchte sich irgendwie von den Fesseln zu befreien.

Vergebens. Die Fäden waren zu fest und klebten außerdem noch.

Die Situation schien aussichtslos.

In die Masse an kleineren Spinnendigimon kam nun eine koordinierte gemeinsame Bewegung. Sie bildeten eine breite Gasse und schon bald trat das größere Exemplar aus dem Schatten des Waldes auf die etwas hellere Lichtung und marschierte mit klappernden Zähnen auf den hohen Baum in der Mitte zu.

Nun hatte Cat Zeit es etwas genauer in Augenschein zu nehmen.

Es war dick und schwarz. Auf seinem enormen Körper prangte ein unheilvoller Totenschädel, der fast wie eine Tätowierung oder Kriegsbemalung wirkte.

Der Kopf glich einer gelben Maske, mit zwei zur Seite zeigenden Hörnern, rostrotem Haar im Nacken, sowie neun funkelnd grüner Augen.

Das Digimon machte keinen freundlichen Eindruck*.

Den hässlichen Kopf in den Nacken legend blickte es zu seiner Gefangenen hinauf. Mit der bereits bekannten, unangenehm zischenden Stimme, rief es:

"Du hast die Ehre, von unserer erhabenen Königin höchst persönlich geladen zu werden, wenn sie von ihrer Jagd zurückkehrt! Freu dich."

Die Worte klangen gehässig und gar nicht so, als wäre dieses Schicksal besonders wünschenswert, was im Übrigen auch Cats Meinung entsprach.

Mit der ihr eigenen Direkt- und an Leichtsinn grenzenden Furchtlosigkeit erwiderte sie laut schreiend:

"Ich bin nicht mal ein Digimon, du fettes Riesenvieh!"

Wenn sie doch nur an ihren D-Tector käme. Sie würde diesen Spinnen schon Feuer unter ihren haarigen Hintern machen! Doch leider waren ihr die Hände buchstäblich gebunden.

Das Spinnendigimon ignorierte ihren Protest vorsätzlich und wandte sich ab.

Es ging mit einigen der kleineren Digimon davon und die anderen schienen ebenfalls einer Tätigkeit nachzugehen, auch wenn Cat nicht erkennen konnte, was sie genau taten.

Es mussten hunderte der Kleinen sein.

Selbst wenn sie digitieren könnte, wäre sie gnadenlos in Unterzahl.

Sie seufzte.

Mit Bill würde sie es vielleicht schaffen. Sie gab es nicht gerne zu, aber der nachdenkliche Obdachlose war zweifellos der bessere Kämpfer. Er handelte stets durchdacht und schien generell ein sehr cleveres Bürschchen zu sein.

Sympathischer machte ihn das für sie keinesfalls, doch ihr wurde in diesem Moment klar, dass ihre Worte im Wald ernst gemeint gewesen waren. Um zu überleben sollten sie unbedingt weiter zusammenbleiben, mit oder ohne ein Digimon, das ihnen den Weg wies.

Falls sie überhaupt jemals wieder irgendeinen Weg beschreiten würden, denn aktuell sah ihre Zukunft alles andere als rosig aus und sie wusste nicht mal ob Bill überhaupt noch lebte.

"C-cat!" stammelte eine bekannte Stimme von oben und ließ sie aufschrecken.

"François?" fragte die Russin verblüfft, als sie den nervös zuckenden Mann über sich auf dem Ast sitzen sah, an dem sie gefesselt hing.

"Was machst du denn hier?"

Sie hatte harscher geklungen als geplant.

Er versuchte wohl zu lächeln, scheiterte aber und kratze sich stattdessen intensiv am Kopf, was nicht geplant aussah.

"B-bin euch gefolgt, ja ja. Großer V-v-v ... Vorsprung. Konnte n-nicht helfen!"

Natürlich! Sie waren überstürzt aufgebrochen, um Impmon zu suchen und hatten den Franzosen dabei in seiner unterirdischen Zelle zurückgelassen.

Der Kerl war zwar scheinbar ziemlich kaputt im Kopf, aber er war drauf und dran ihr bereits zum zweiten Mal nicht unerheblich zu helfen. Äußerst selbstlos von ihm.

"Die S-stimme hat sich nicht gemeldet, a-aber ich wusste ... wusste, dass ich euch r-retten muss."

"Uns?" echote Cat.

François sah sie überrascht an.

"B-bill hängt auf der anderen Seite des B-Baums."

Dann hatte er also überlebt! Wenn François sie beide befreien konnte, würden sie vielleicht eine Chance gegen diese Viecher dort unten haben.

Zwar fragte sie sich, wie François es überhaupt geschafft hatte, unbemerkt hierher zu kommen und warum er Bill noch nicht geholfen hatten, wenn er ihn doch bereits gesehen hatte, doch sie wollte keine Zeit verschwenden und den Franzosen unnötig zulabern.

Dieser hatte sich derweil bereits an dem Faden zu schaffen gemacht, der sie an dem Ast festhielt.

Er zog mit aller Kraft an ihm und versuchte Cat auf den recht breiten Ast zu holen, um sich ihrer Fesseln annehmen zu können.

Zunächst sah das nach einem guten Plan aus, doch schon bald musste François sich eingestehen, dass er nicht stark genug war, auch wenn Cat keinesfalls viel wog.

"T-tut mir leid, ich b-bin zu schwach!" entschuldigte er sich überflüssigerweise und begann zu grübeln, wie er ihr sonst helfen konnte.

Unglücklicherweise hatte es nun eine Gruppe der kleinen Spinnendigimon für angebracht gehalten nach der Gefangenen zu sehen und so entdeckten sie unweigerlich auch François bei seinen Befreiungsversuchen.

Rasch stoben sie auseinander, einige um wohl das große Digimon zu alarmieren, andere , um den Baum hochzukrabbeln. Wahrscheinlich würden sie François gleich an Ort und Stelle ebenfalls gefangenen nehmen.

"Verdammt, mach dass du wegkommst, Idiot!" befahl Cat aufgebracht, da ihr nervöser Helfer keine Anstalten machte sich vor den von allen Seiten auf ihn zu krabbelnden Wesen in Sicherheit zu bringen.

Erschrocken machte er sich daran weiter den Baum hinaufzuklettern, was an sich eine schlechte Idee war, denn schließlich würde er dort unweigerlich in der Klemme sitzen.

Es kam wie es kommen musste.

Er hatte es gerade einmal zum nächstgelegenen Ast geschafft, als ihn die ersten Digimon erreichten.

Hastig stolperte der Franzose zurück, erkannte dann aber, dass er umzingelt war.

Cat war unwillkürlich wütend auf ihn.

Natürlich hatte er Mut bewiesen, überhaupt einen Rettungsversuch zu starten, aber dieser Fluchtversuch war doch wohl die dämlichste Variante von allen möglichen gewesen.

Eines der Spinnendigimon setzte gehässig grinsend zum Sprung auf sein in die Enge getriebenes Opfer, da ertönte auf einmal ein gewaltiger Knall und das Splittern von Holz war zu hören.

In der Nähe des Astes, auf dem François festsaß, war ein etwa vier Quadratmeter großes Loch aus dem Stamm des riesigen Baumes gesprengt worden und gleißendes Licht strömte aus der Öffnung.

Staunend beobachteten alle Anwesenden, wie etwas kleines schwebend aus der Rinde geflogen kam und auf den verdutzten François zuschwebte.

Dann verschwand das Objekt aus Cats Sichtfeld und der mit Spinnendigimon überrannte Ast war auf einmal von umherschwebenden Datenfragmenten umgeben. Schließlich ertönte François Stimme, die ungewöhnlich entschlossen klang.

"François - H-Spirit-Digitation zu - Beetlemon!"

Blitze zuckten über den als Schauplatz dienenden Ast und dutzende der kleinen Spinnendigimon fielen wie paralysiert vom Baum herunter.

Schon flog ein unbekanntes Digimon von dem Baum herunter und tauchte in Cats Blickfeld auf.

Es war etwas größer als Agunimon oder Duskmon und besaß breite Schultern. Dennoch hatte es einiges mit den beiden Digimon gemeinsam, zu denen Bill und Cat digitieren konnten. Es wirkte humanoid und doch irgendwie einem Käfer ähnlich.

Sein muskulöser Körper war einer blauen Panzerung bedeckt, die teilweise von gelben Elementen durchsetzt war. Auf dem Kopf ragte ein langes und breites Horn in die Höhe, das zusammen mit den sirrenden Flügeln auf dem Rücken den Eindruck eines Insekts verstärkte.

Die Unterarme waren sehr dick und mündeten in Handgelenken, die von grauen Ringen umschlossen waren. Auf den Ringen war jeweils ein Pluszeichen und ein Minuszeichen zu erkennen.*

"Ich bin ein Digimon!" ertönte François begeisterte Stimme aus dem Mund des Unbekannten.

"Beetlemon!" schrie er sinnbefreit und flog unkontrolliert durch die Lüfte.

Cat fiel die Kinnlade herunter.

François hatte eine von diesen Statuen gefunden! Oder hatte nicht die Statue vielmehr ihn gefunden? Es spielte keine Rolle, was genau geschehen war, doch nun hatten sie vielleicht eine Chance diese Lichtung lebend wieder zu verlassen.

Wichtig wäre dafür zunächst, dass Beetlemon sich besann und mit diesem Unfug aufhörte. François war schließlich wesentlich älter als sie oder Bill und die beiden Jüngeren hatten sich nicht so bescheuert aufgeführt, als sie zum ersten Mal digitiert waren.

"Ganz toll, jetzt befrei' mich endlich und Bill am besten auch!" forderte sie deshalb genervt, da Beetlemon zunächst seine Zeit damit verbracht hatte, die restlichen Spinnendigimon von dem Baum zu schuppsen.

"Ach äh, j-ja klar!" stammelte Beetlemon in gewohnter Weise, sich scheinbar etwas besinnend und flog zu der gefangenen Russin.

Beinahe mühelos zerriss er die klebrigen Fäden mit bloßen Händen und setzte Cat am Boden ab, der von panisch umherkrabbelnden Spinnendigimon überfüllt war.

Entschlossen holte Cat ihren D-Tector hervor.

"Jetzt seid ihr Drecksviecher fällig!"
 

Anmerkungen und Sonstiges:
 

* Kodokugumon

Level: Ausbildung

Art: Insektendigimon

Gruppen: (unbekannt)

Typus: Virus

Attacke: (unbekannt)

http://wikimon.net/Kodokugumon
 

*Dokugumon

Level: Champion

Art: Insektendigimon

Gruppen: Jungle Troopers ; Nature Spirits

Typus: Virus

Attacken: Giftiges Spinnennetz ; Giftfaden

http://wikimon.net/Dokugumon
 

*Beetlemon

Level: Hybrid

Art: Cyborgdigimon

Gruppen: Metal Empire

Typus: Variabel

Attacken: Blitzbombe ; Thors Hammer ; Gewitterfaust

http://wikimon.net/Blitzmon
 

Zum Titel des Kapitels:

Die Meisten werden es auf Anhieb verstehen, aber für den Rest erkläre ichs nochmal. Eine recht ähnliche Szene mit Riesenspinnen in einem dichten Wald und einem wagemutigen Retter findet man auch in Tolkiens "The Hobbit or There and Back Again", das seit ich es vor etwa fünf Jahren zum ersten Mal gelesen habe, zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehört, auch wenn es oft einen starken Kinderbuchcharakter hat. Die Verfilmung hab ich mir noch nicht angesehen, muss ich aber wohl mal^^

Naja, jedenfalls heißt der Held dieses Buches Bilbo Baggins. Da in diesem Kapitel meine Figuren eine recht ähnliche Situation durchmachen müssen, habe ich es mir erlaubt mit dem Titel auf das Vorbild zu verweisen.

:)



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