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Amnesie

von

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eight

Erschrocken setzte ich mich in meinem Bett auf. Mein Herz schlug viel zu heftig in meiner Brust und ich fühlte, wie mir einige Schweißtropfen aus dem Nacken über den Rücken liefen. Ich hatte geträumt, doch als ich nun versuchte mir einige Szenen ins Gedächtnis zurückzuholen, verschwanden sie immer mehr.

Gähnend rieb ich mir die Augen, ehe ich mich zurück auf die Matratze fallen ließ. Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare und schob meinen Arm auf die andere Betthälfte – und drehte dann überrascht den Kopf zur Seite, als ich niemanden neben mir spürte. Wo war Uruha? Ich setzte mich wieder auf und schob die Bettdecke beiseite. War er schon gegangen? Aber warum? Ich stellte meine Füße auf den Boden und bemerkte dabei das Shirt, welches vor dem Bett auf dem Boden lag. Das gehörte doch Uruha… das hatte er gestern getragen. Dann war er doch noch nicht gegangen? Ich stand auf und jetzt hörte ich auch das leise Klappern von Geschirr und das Rauschen der laufenden Kaffeemaschine. Und nur wenig später wurde die Tür zu meinem Schlafzimmer leise geöffnet und Uruha stand im Türrahmen. Er sah mich überrascht an. „Oh? Du bist schon wach. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?“, sagte er und lächelte. Ich schüttelte den Kopf und hob Uruhas Shirt vom Boden auf und zog es mir über. Ich hatte keine Lust mir etwas aus dem Schrank zu holen und anscheinend schien es Uruha auch zu gefallen, denn er grinste mich nur an und nickte dann Richtung Küche. „Ich habe Frühstück gemacht. Kommst du mit?“ Ich zog das Shirt nach unten und folgte ihm dann.
 

In der Küche hielt ich kurz inne, als ich den reichlich gedeckten Tisch sah. Uruha musste noch Brötchen geholt haben und ich fragte mich einen Moment lang, wann er wohl aufgestanden sein musste. Daraufhin folgte ein zweiter Gedanke, dass ich morgens eigentlich gar kein Frühstück aß. Zumindest nicht in diesem Umfang. Eine große Tasse mit heißem Kaffee reichte mir. Wusste Uruha das nicht? Wir waren doch schon längere Zeit ein Paar, oder? Das dumpfe Gefühl in meiner Brust kehrte wieder zurück, aber ich ignorierte es. Vermutlich hatten wir bisher kaum zusammen gefrühstückt und er wusste das gar nicht und zur Feier, dass wir nun wieder in einer Beziehung waren, hatte er uns beiden ein Frühstück gemacht. „Ist alles in Ordnung, Aoi? Bist du noch müde?“, fragte Uruha und brachte mich so aus meinen Gedanken zurück. Ich lächelte und sah ihn beruhigend an. „Nein, alles okay. Ich freue mich nur über das Frühstück.“ Ich sollte endlich aufhören, zu viel in alles hinein zu interpretieren.
 

Ich trank den letzten Schluck von meinem bereits abgekühlten Kaffee und reichte Uruha dann die Tasse. Er stand an der Spüle und wusch das benutzte Geschirr ab. Ich hatte ihm nicht gesagt, dass ich normalerweise nur Kaffee trank und mich zum Essen gezwungen. Doch nach einem Brötchen hatte ich aufgegeben, mein Magen war es einfach nicht gewöhnt, morgens etwas zu essen. Ich beobachtete, wie Uruha das Geschirr abtrocknete und dann zurück in den Schrank stellte. Er tat das wie selbstverständlich. Vielleicht hatte er doch schon öfters bei mir gegessen?

„Hast du schon Pläne für heute?“, fragte Uruha und sah über seine Schulter zu mir. Pläne? Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich dachte, wir könnten heute vielleicht einfach mal nichts tun? Ich war die ganze Woche unterwegs und gegen einen Tag Ruhe hätte ich nichts einzuwenden.“ Uruha nickte und stellte die letzte Tasse in den Schrank zurück. „Da habe ich auch nichts dagegen. Ich würde aber gern noch duschen gehen. Was hältst du davon, wenn wir uns danach zurück ins Bett verkrümeln?“ Das war eine geniale Idee! Ich stimmte ihm begeistert zu. Nachdem Uruha sich ins Bad zurückgezogen hatte, nahm ich meine Zigaretten, die auf dem kleinen Schrank im Flur lagen und ging auf den Balkon. Das Wohnzimmer war genau wie das Schlafzimmer zum Meer ausgerichtet, sodass ich auch von hier einen perfekten Blick hatte. Durch den Bau des Hauses lag mein Balkon windgeschützt, doch anhand der hohen Wellen konnte ich erahnen, dass es heute sehr stürmisch sein musste. Vereinzelt konnte ich einige Surfer sehen. Unweigerlich musste ich an den Unfall denken. Dass meine Amnesie durch einen Schlag auf dem Hinterkopf mit einem Surfbrett verursacht wurde, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Ich? Auf einem Surfbrett? Ich konnte ja nicht einmal Skateboard fahren, wie sollte ich dann auf einem Brett solche Welle beherrschen? Je mehr ich darüber nachdachte, desto unwirklicher kam mir alles vor. Meine Erinnerungen von ganzen 5 Jahren waren ausgelöscht worden. Und in diesen 5 Jahren hatte sich so viel ereignet. Ich hatte neue Freunde gefunden, anscheinend mein Talent zum Surfen entdeckt und war sogar in einer Beziehung gelandet. Und an nichts davon konnte ich mich erinnern.

Ich zischte, als ein dumpfer Schmerz durch meinen Kopf zog. Ich sollte wohl aufhören, über diese Dinge nachzudenken.

Ich zog eine Zigarette aus der Schachtel und setzte mich auf einen der Stühle, die auf dem Balkon standen.
 

Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht gehört hatte, wie Uruha aus dem Bad und zu mir auf den Balkon gekommen war. Er stand hinter mir und legte seine Hände auf meine Schultern. „Du solltest nicht so viel rauchen“, sagte er leise und deutete auf die drei ausgedrückten Zigaretten in dem Aschenbecher. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich mittlerweile wohl schon die vierte in der Hand hielt. „Hm, wenn ich nachdenke, bekomme ich nicht viel mit von dem was ich tue“, meinte ich und lächelte. „Du solltest nicht so viel nachdenken, und lieber wieder mit reinkommen. Da wartet ein warmes Bett auf uns, nicht wahr? Oder willst du lieber auch noch duschen?“ Ich drückte die angefangene Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf. „Ja, ich gehe noch duschen. Du kannst das Bett ja schon mal anwärmen.“ Uruha lachte und folgte mir zurück ins Wohnzimmer und verschwand dann im Schlafzimmer. Ich ließ die Balkontür offen, damit noch ein bisschen von der salzigen Meeresluft hineinziehen konnte. Ich liebte den Geruch.

Im Bad warf ich Uruhas Shirt in den Wäschekorb und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser fühlte sich gut an und ich blieb einige Sekunden einfach nur unter dem Wasserstrahl stehen. Doch als ich nach dem Shampoo greifen wollte, fasste meine Hand ins Leere. Irritiert öffnete ich meine Augen und wischte meine Haare aus dem Gesicht. Wo war die Shampooflasche? Sie stand doch normalerweise immer hier in der Ablage. Ich drehte mich einmal um mich selbst, konnte sie aber nicht sehen. Hatte ich sie woanders hingestellt? Ich zog den Duschvorhang beiseite und entdeckte sie dann zwischen dem Rasierwasser und meinem Parfüm. Dort würde ich sie niemals ablegen. Uruha!, schoss es mir durch den Kopf. Er hatte vor mir geduscht und vermutlich das Shampoo falsch zurückgestellt. Aber sollte er nicht eigentlich wissen, wo ich meine Sachen normalerweise abstellte? Vielleicht sollte ich wohl nicht zu viel darüber nachdenken. Wir wohnten nicht zusammen und vermutlich hatte Uruha einfach noch nicht oft bei mir geduscht. Ich streckte mich und schnappte mir die Flasche, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, warum das dumpfe Gefühl in meiner Brust schon wieder zurückkehrte.
 

Als ich ins Schlafzimmer kam, stand Uruha an dem großen Panoramafenster und sah verträumt nach draußen. „Wolltest du nicht das Bett anwärmen?“, fragte ich grinsend und setzte mich an das Fußende. Uruha drehte sich zu mir und lächelte. „Das habe ich schon, aber dann hat mich die Aussicht so gefesselt, dass ich mir das nochmal genauer ansehen musste.“ Er trat zu dem Schalter für die elektrische Jalousie und sah mich an. „Soll ich die runterlassen oder wollen wir die Sonne hereinlassen?“ Ich schüttelte den Kopf und ließ mich nach hinten auf die Matratze fallen. „Mach sie ruhig runter, aber lass unten ein bisschen offen, dann können wir die Fenster aufmachen und frische Luft reinlassen. Ach, und wenn du schon stehst, könntest du mir vielleicht noch mein graues Shirt geben?“ Ich streckte mich und beobachtete ihn, wie er die Tür von meinem Schrank aufzog und einmal den Blick über die gesamte Auswahl gleiten ließ. Doch anders, als ich erwartet hatte, griff er nicht direkt zu, sondern sah beinahe schon hilflos jedes Fach durch. Da fiel mir wieder ein, wie Ruki damals nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus meinen Schrank wie selbstverständlich eingeräumt hatte und alles an dem Platz gelegen hatte, wie ich es wollte. Und Uruha sah aus, als würde er das erste Mal in meinen Schrank sehen.

„Im obersten Fach, das zweite“, meinte ich dann, um ihm aus der misslichen Lage zu helfen. Er streckte sich und griff nach dem Shirt. „Warum legst du es auch immer woanders hin?“, beschwerte er sich und warf es mir zu, aber statt ihm zu widersprechen, dass es an demselben Platz wie immer lag, zuckte ich nur mit den Schultern und fing es auf. Er setzte sich neben mich und fuhr mir durch die noch feuchten Strähnen. „Warum föhnst du sie nicht? Du kannst dich erkälten, wenn du jetzt so schläfst.“ Er wollte das Handtuch nehmen, dass ich aus dem Bad mitgebracht hatte, aber ich schüttelte den Kopf. „Schon gut. Ich dachte, wir kuscheln etwas. Da wird mir schon warm genug, dass ich mich nicht erkälten werde.“ Ich zog mir das Shirt über und rutschte nach oben. Als ich mein Kissen zurechtrückte, legte sich Uruhas Arm über meine Hüfte und er zog mich an sich. Ich seufzte leise und schloss meine Augen. „Ich liebe dich“, flüsterte ich.
 

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, fühlte ich eine warme Hand auf meiner Brust und hörte das leise Klingeln meines Handys aus dem Flur. Vermutlich war es noch in meiner Jackentasche. Durch die heruntergelassene Jalousie konnte ich nicht erkennen, ob hell oder dunkel war und hatte auch keine Ahnung, wie spät es war. Ich gähnte und schob dann vorsichtig Uruhas Hand von mir. Er brummte leise, ließ seine Augen aber geschlossen. „Ich komme gleich wieder“, flüsterte ich, auch wenn ich nicht wusste, ob er mich überhaupt hörte. Ich schob mich aus dem Bett und schlich leise in den Flur, um mein Handy aus der Jacke zu holen. Wer rief mich denn jetzt an? Als das Display aufleuchtete, sprang mir zuerst die Uhrzeit entgegen. 17:32. Ich lächelte müde. Wir hatten den ganzen Tag verschlafen, aber dafür fühlte ich mich zum ersten Mal wieder richtig ausgeschlafen. Ich schaltete den Wecker aus, der mich an meine Tabletten erinnerte. Ich sollte wohl endlich mal meinen Klingelton wechseln, sonst würde ich immer meinen Wecker für einen Anruf halten. Nachdem ich den Sperrcode eingegeben hatte, leuchtete eine Erinnerung auf. Zwei verpasste Anrufe von Kai und eine Nachricht von Ruki. Ich hörte die Mailbox ab und musste bei Kais besorgter Stimme lachen. Er wollte wissen, wie es mir und Uruha ging. Im Hintergrund hörte ich Reitas Stimme, aber was genau er sagte, konnte ich nicht verstehen. Bevor ich die beiden zurückrufen wollte, öffnete ich Rukis Nachricht und las sie.

Ich hatte schon oft von diesen Momenten gehört, in denen einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Doch noch nie hatte ich das selbst erlebt – bis zu diesem Augenblick, als ich Rukis Nachricht las. Es war nur ein einziger Satz und wirklich schlau wurde ich daraus auch nicht. Und doch schienen so viel Informationen darin zu stecken, dass ich für einige Sekunden keine Luft bekam.
 

 > Wenn man Dinge nicht verändern kann, muss man sie beenden. <
 

Wie ein Film spielte sich der gestrige Abend nochmal in meinem Kopf ab. Reitas und Kais überraschte Blicke, als ich ihnen von Uruhas und meiner Beziehung erzählte, Rukis entsetzter Gesichtsausdruck und dann sein merkwürdiges Verhalten den restlichen Abend. Hatte er nicht auch ein Bier nach dem anderen getrunken? Ich wusste nicht, ob das normal für ihn war, aber er war so still und völlig anders gewesen, als wie an dem Tag, den wir miteinander verbracht hatten. Er war wie ausgewechselt gewesen, beinahe so, als hätte er nichts mehr zu verlieren. Und jetzt diese merkwürdige und irgendwie auch bedrohliche Nachricht. Warum hatte ich nur auf Uruha gehört, und Ruki nicht nach Hause begleitet oder ihm zumindest ein Taxi gerufen?

Ich hielt mein Handy fest in der Hand, als ich zurück ins Schlafzimmer lief und eilig meine Hose anzog. Dass ich dabei wie wild mit der Tür knallte und somit Uruha vermutlich weckte, interessierte mich nicht. Im Flur zog ich meine Schuhe an und rannte dann ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden aus meiner Wohnung. Im Fahrstuhl versuchte ich das erste Mal Ruki zu erreichen. Ich hatte das Gefühl, Minuten zu brauchen, um seine Nummer in meinem Telefonbuch mit zitternden Händen zu finden und umso mehr stieg der schmerzhafte Druck in meiner Brust, als ich die weibliche Stimme hörte, die mir verkündete, dass diese Nummer nicht länger erreichbar wäre. Ich rannte so schnell ich konnte aus dem Haus in den strömenden Regen hinein, welcher mich draußen erwartete. Der Himmel war mit schwarzen Wolken verhangen und in einiger Entfernung konnte ich das lautes Donnern eines herannahenden Gewitters hören.
 

Das zweite Mal rief ich ihn an, als ich vor der gläsernen Eingangstür zum dem Hochhaus stand, in welchem Ruki wohnte. Noch immer konnte ich ihn nicht erreichen und mit ungutem Gefühl ließ ich meinen Finger jetzt mehrere Sekunden auf dem Klingelknopf liegen. War er nicht Zuhause? Aber bei diesem Wetter würde doch niemand freiwillig das Haus verlassen, oder? Ich war völlig durchnässt und meine Haare klebten mir an der Stirn, aber das war mir im Moment völlig egal. Ich wollte zu Ruki; ich musste zu ihm! Ich drückte noch ein paar Mal auf die Klingel, doch nichts tat sich. Kein Knacken in der Sprechanlage, kein Summen des Türöffners. Umso erleichterter war ich, als eine ältere Dame die Tür öffnete und mich irritiert ansah. Ich dankte ihr flüchtig und schob mich an ihr vorbei in das Haus und lief zum Fahrstuhl. Ungeduldig drückte ich mehrmals auf die Taste mit der roten Zwölf bis sich endlich die Türen schlossen und der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. Die Fahrt dauerte viel zu lang! Sekunden kamen mir vor wie Minuten, als ich endlich die Etage erreichte.

Die Tür zu Rukis Wohnung war nur angelehnt, was mein schlechtes Gefühl nur verstärkte. Ich schob die Tür langsam auf und zuckte zusammen, als ich das klirrende Geräusch einer umfallenden Flasche hörte. Mein Blick richtete sich zu Boden und ich sog erschrocken die Luft ein, als ich die vielen Bierflaschen im Flur verteilt sah. Es war dunkel, die Jalousien heruntergelassen. „Ruki?“, rief ich, nachdem ich das Licht im Flur eingeschaltet hatte. „Ruki! Ich bin’s, Aoi! Geht es dir gut?“ Die Küche, das Bad und auch sein Schlafzimmer waren völlig verwüstet, als hätte jemand unter Zeitdruck nach etwas gesucht, doch von Ruki fehlte jede Spur. Ich lief in sein Wohnzimmer, wo ich schließlich Koron völlig verängstigt in seinem Körbchen fand. Ich hockte mich zu ihm und streichelte seinen zitternden Körper. „Hey, mein Kleiner. Wieso hast du denn solche Angst? Was ist hier bloß passiert?“ Unter meinen Füßen knisterte es leise. Ich hob einige Papierfetzen auf und betrachtete sie. Das waren Fotos oder zumindest das, was noch von ihnen übriggeblieben war. Hatte Ruki sie zerrissen? Ich sah mich um und entdeckte ein kleines Album unter dem Tisch. Ich zog es zu mir und blätterte einige Seiten um, bis ich Fotos fand, die Rukis Händen wohl entkommen waren. Sie zeigten ihn und mich an verschiedenen Orten. Im Kino, in einem Park und in einem Museum. Auf allen Fotos hielten wir Händen. Ich nahm das Foto, welches uns im Kino zeigte und betrachtete es ungläubig. Wir küssten uns und so wie ich meine Arm hielt, hatte ich das Foto dabei selbst geschossen. Was hatte das zu bedeuten?
 

Ich schreckte hoch, als ich ein lautes Scheppern und dann ein Fluchen hörte. Koron fiepte leise. Das kam aus dem Hausflur. „Bleib hier, hörst du?“, sagte ich zu Koron und lief in den Flur zurück. Ich nahm mir Rukis Schlüssel, der auf der Kommode lag und zog dann die Tür hinter mir zu.
 

Das dumpfe Knallen einer zugefallenen Tür hallte durch das Haus. Es kam von oben. Ich lief eilig die Treppe eine Etage höher. Hier gab es keine Wohnungen mehr, nur eine Tür die auf das Dach hinausführte. Ein Schild erinnerte daran, die Tür immer geschlossen zu halten und dass das Dach nur von beauftragten Personen betreten werden durfte. Mein Blick fiel auf die Flasche, welche neben der Tür lag und aus der noch ein paar Tropfen des bräunlichen Inhalts liefen. Ich schluckte. War Ruki bei diesem Wetter wirklich auf das Dach? Meine Hände zitterten, als ich den schweren Griff der Tür nach unten drückte und sie mit Mühe aufschob. Kaum hatte ich einen Schritt nach draußen gewagt, peitschte mir der starke Wind den Regen ins Gesicht. Ich wischte mir die Haare aus dem Gesicht und sah mich um. Wo war er?

„Ruki!“, schrie ich und lief weiter auf das Dach hinaus. „Ruki!“

Dann konnte ich ihn sehen. Er saß am Rand des Dachs, die Arme um den Oberkörper geschlungen und den Blick nach unten in die Tiefe gerichtet. Mein Herz setzte einen Schlag aus bei dem Anblick. Er war viel zu nah! Bei dem heftigen Wind brauchte er nur einen falschen Schritt zu machen und-

„Ruki!“, schrie ich so laut ich konnte und ging langsam auf ihn zu, damit er sich nicht erschreckte. Ich musste seinen Namen noch drei weitere Male rufen, bis er mich durch das laute Rauschen des Regens verstand. Sein Blick richtete sich auf mich, aber ich hatte den Eindruck, als könne er mich im ersten Moment nicht einordnen.

„Aoi?“, hörte ich seine leise Stimme. Oder bildete ich mir das nur ein?
 

Ich blieb einen guten Meter von ihm entfernt stehen, da er den Anschein machte, noch weiter an den Rand zu rutschen. Ich streckte meine Hand nach ihm aus. „Komm her. Wir sollten reingehen.“ Doch er schüttelte nur den Kopf. „Warum bist du hier?“, fragte er stattdessen. „Solltest du nicht bei Uruha sein und in seinen Armen liegen, wie zwei frisch Verliebte das tun?“ Ich ließ meinen Arm sinken und legte meine Hand auf meine Brust. Das dumpfe Gefühl. Es war viel stärker und kaum auszuhalten. „Es tut mir leid, dass ich deine Nachricht erst jetzt gelesen habe. Ich hätte dich gestern nicht einfach sitzen lassen sollen, aber Uruha meinte, dass du alt genug- ich hätte nicht auf ihn hören sollen, das tut mir leid!“ Ich trat einen Schritt auf ihn zu, doch er hob abwehrend die Hände. „Nein! Geh weg! Fass mich nicht an!“ Erschrocken hielt ich inne und sah ihn an. „Ruki, bitte! Komm, da weg. Das ist gefährlich. Du könntest- du könntest dich verletzen.“ Er hob den Kopf. „Du meinst, ich könnte runterfallen und sterben. Vielleicht habe ich das vor? Vielleicht bin ich aus genau diesem Grund hier oben.“ „Nein! Hör auf das zu sagen!“, unterbrach ich ihn und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich wollte ihn packen und an mich ziehen, weg von dem Rand, der die ganze Situation noch viel schlimmer machte. Aber er ließ mich nicht, und ich war dazu verdammt hier stehen zu bleiben. „Ruki, bitte, ich-!“

„Woran genau kannst du dich erinnern?“ Ich verstand nicht, aber er musste meinen fragenden Blick gesehen haben, denn er schüttelte den Kopf. „Gestern meintest du, du könntest dich nicht genau an alles erinnern, aber du wüsstest, dass Uruha dein Freund ist. Woher?“ Dann hatte ich doch richtiggelegen, dass sein Verhalten gestern Abend seltsam gewesen ist. Lag es an der Beziehung mit Uruha?
 

„Ich kann mich an nichts Genaues mit ihm erinnern. An keine Verabredungen, an keine gemeinsamen Abende, aber ich hatte diesen Traum. Da war dieser weiße Raum, und Uruha, und er hat mich geküsst und-“ Je mehr ich Ruki davon erzählte, desto idiotischer kam ich mir vor. War ich die Beziehung mit Uruha nur wegen eines lächerlichen Traums eingegangen? Aber in seiner Nähe hatte ich immer dieses starke Herzklopfen gehabt. Das hatte ich mir doch nicht eingebildet. Allerdings war da auch dieses dumpfe Gefühl in meiner Brust gewesen.

„Du kannst dich an nichts erinnern, weil es nichts gibt, woran du dich erinnern könntest!“, unterbrach mich Rukis laute Stimme. Er hatte sich mir zugewendet, und stand nun mit dem Rücken zum Rand. Sein Blick war starr auf mich gerichtet. Was meinte er? Es gab nichts, woran ich mich erinnern könnte?

„Du warst nie mit Uruha zusammen! Noch nie! Nicht einen einzigen Tag!“, rief er. „Wir waren ein Paar! Wir beide! Du und ich!“

Und mit einem Mal lösten sich das dumpfe Gefühl und der unangenehme Druck in meiner Brust auf. Ich sah Ruki wortlos an. Ich hörte den Regen jetzt viel deutlicher und auch das Donnern, welches immer näher kam, nahm ich bewusster war. „Aber wieso hast du nichts gesagt gestern?“
 

„Du sahst so glücklich aus, weil du dachtest, dass du endlich deinen Freund gefunden hattest und Uruha, er… Dein Unfall ist meine Schuld gewesen.“ Ich verstand nichts mehr. Der Unfall mit dem Surfbrett, der Grund, warum ich mein Gedächtnis verloren hatte, das sollte Rukis Schuld gewesen sein? „Wieso? Was genau ist passiert? Der Arzt meinte, ich hätte mein Gleichgewicht verloren und wäre dadurch von dem Brett gefallen.“ Ich konnte sehen, wie Rukis Schultern tiefer sanken, als wolle er sich kleiner machen, als er schon war. „Das stimmt. Aber ich bin der Grund, warum du dein Gleichgewicht überhaupt erst verloren hast. Es war wirklich windig an dem Tag und du wolltest unbedingt die Wellen ausnutzen. Uruha und ich wollten dich begleiten, aber du hast darauf bestanden, alleine zu gehen. Wie sonst eigentlich auch immer.“ Er machte einen Schritt nach vorne und stieg von dem Rand herunter, und allmählich fiel die Anspannung von mir ab. Jetzt befand er sich wenigstens nicht mehr in der Gefahr, womöglich vom Dach zu stürzen. „Ich war stattdessen mit Uruha einkaufen, aber ich konnte nicht aufhören, mir Sorgen zu machen. Sicher, du bist ein hervorragender Surfer, aber Unfälle passieren immer und… ich habe Uruha stehen lassen und bin zum Strand. Da waren noch andere mit ihren Brettern, aber nur du warst im Wasser. Es sah unglaublich aus, wie du…“ Er brach ab, als er lächelnd den Blick senkte. Vermutlich ging ihm der Moment noch einmal durch den Kopf. „Ich habe nach dir gerufen, und das war wohl der größte Fehler in meinem Leben, den ich je begangen habe. Du warst abgelenkt, hast die Welle hinter dir nicht kommen sehen und bist so gestürzt. Der Arzt meinte, das Brett wäre dir gegen den Kopf geknallt und hätte somit die Amnesie ausgelöst.“ Dann war er still und nur das stetige Rauschen des Regens um uns herum war zu hören. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das waren einfach zu viele Informationen auf einmal. Mein Kopf schmerzte. Nur langsam verstand ich nun einige Zusammenhänge. „Dann ist nicht Uruha mein Freund, sondern du?“, wiederholte ich noch einmal, da mir das alles so unwirklich erschien. Ruki nickte. „Aber warum hast du mir das nicht damals im Krankenhaus gesagt? Okay, warte, ich verstehe. So kurz nach dem Unfall, und dann ohne Erinnerung hätte ich dir womöglich sowieso nicht geglaubt, aber warum nicht später? Als wir den Tag miteinander verbracht haben, zum Beispiel. Ich habe dich geküsst, aber du hast mich von dir gestoßen.“ Er ballte die Hände zu Fäusten und hob den Kopf.
 

„Ich konnte nicht!“, rief er plötzlich, sodass ich ihn überrascht ansah. „Ich konnte einfach nicht! Nachdem du von dem Surfbrett gefallen warst, konnte ich nichts tun. Ich stand einfach da am Strand und rührte mich nicht. Wenn Uruha mir nicht gefolgt wäre und so schnell reagiert hätte, um dich aus dem Meer zu holen, wärst du ertrunken.“ Dann hatte Uruha mich gerettet? „Ich sollte mich schämen, hat er gesagt. Ich könnte nicht einmal meinen eigenen Freund retten und außerdem wäre ich auch noch schuld, dass es überhaupt erst soweit gekommen war. Uruha hat Recht. Es ist alles meine Schuld.“ Seine Stimme wurde wieder leiser und er wollte sich von mir abwenden. Ohne großartig weiter darüber nachzudenken, trat ich auf ihn zu und zog ihn fest an mich. Es war mir egal, ob er keine Umarmung wollte, aber ich brauchte sie. Ruki rührte sich nicht. Ich konnte spüren, dass sein ganzer Körper unter Anspannung stand. „Es ist mir egal“, meinte ich dann, was ihn erschauern ließ. „Es ist mir egal, ob der Unfall deine Schuld war oder ob ich mich nicht hätte einfach so ablenken lassen dürfen. Es ist mir auch egal, ob du einfach nur am Strand standest und dich nicht hattest rühren können. Ich werde dir nie einen Vorwurf machen, denn dazu habe ich kein Recht. Niemand hat das. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte.“ Je weiter ich sprach, umso kleiner wurde Ruki in meinen Armen. Er sackte immer weiter zusammen. Ich ließ ihn langsam los, um sein Gesicht in meine Hände zu nehmen. Ich wusste nicht wieso, aber auf einmal war da dieses Verlangen ihn einfach zu küssen. Und anders als bei Uruha war da nicht dieses dumpfe Gefühl in meiner Brust. Sein Blick richtete sich auf meine Lippen, die ich zu einem sanften Lächeln verzog. „Ich kann mich noch immer nicht an unsere Beziehung erinnern, aber das bedeutet nicht, dass wir es nicht noch einmal versuchen können.“
 

Rukis zitternder Atem traf leicht gegen meine Lippen, als ich mich zu ihm beugte. Seine Augen schlossen sich wie von selbst, als ich meine Lippen sanft auf seine legte. Das Rauschen in meinen Ohren übertönte den Regen und mein Herz raste in meiner Brust. Das hier war ganz anders als der Kuss mit Uruha. Ich war noch nie so nervös gewesen wie in diesem Moment. Langsam schloss ich meine Augen, um mich noch mehr auf diese intensiven Gefühle zu konzentrieren, doch eine laute Stimme holte mich unsanft zurück. Ich ließ von Ruki ab und sah zu der Tür, die auf das Dach hinausführte. Uruha stand dort. Seine Haare klebten an seiner Stirn. Wie lange stand er schon dort? Hatte er alles beobachtet?

Ruki schob meine Hände von seinem Gesicht und stellte sich neben mich. Seine Körperhaltung war jetzt völlig verändert. Er stand aufrecht, das Kinn herausfordernd nach oben gereckt. „Es ist vorbei, Uruha! Aoi weiß die Wahrheit! Ich habe ihm alles erzählt!“, rief er und ich konnte sehen, wie sich Uruhas Gesichtsausdruck veränderte. Seine Augen verloren an Glanz und seine Mimik war wie versteinert. Dann verzogen sich seine Lippen plötzlich zu einem spöttischen Lachen. Langsam kam er auf uns zu, seine Hände tief in den Jackentaschen vergraben.

„Die Wahrheit also? Dass du an seinem tragischen Unfall Schuld bist und es nicht einmal geschafft hast ihn selbst zu retten?“ Uruha lachte. Er war auf einmal völlig anders, als ich ihn kennengelernt hatte. Er sprach völlig ruhig und doch wirkte seine ganze Art bedrohlich. Mein Körper spannte sich an, als er immer weiter auf uns zu kam. Auch Ruki schien diese Veränderung zu bemerken, denn seine Schultern sackten wieder herab. „Ja, das hat er!“, meinte ich nun selbst und sah Uruha fest in die Augen. „Ich weiß, dass er nach mir gerufen hat und ich somit die Kontrolle über mein Surfbrett verloren habe. Und ich weiß auch, dass er sich nicht rühren konnte, um mich zu retten. Aber ich mache ihm keine Vorwürfe. Ich weiß nicht, wie ich in dieser Situation reagiert hätte. Vielleicht hätte ich mich auch nicht bewegen können.“
 

Uruha blieb einen knappen Meter vor mir und Ruki stehen. Sein Blick war auf mich gerichtet. „Du verzeihst ihm einfach? Obwohl er Schuld an deiner Amnesie ist?“ Ich atmete tief durch und nickte dann. „Ja, das tue ich.“

Das waren wohl die Worte, die alles verändern würden. Uruha sah mich einige Sekunden ausdruckslos an, bevor er plötzlich zu lachen begann. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Situation wurde immer absurder. Ich trat einen Schritt auf ihn zu, um nach seinem Arm zu greifen, als sich sein Körper mit einem Mal anspannte und er seine Hand aus der Tasche zog. Ich konnte etwas Längliches darin entdecken. Rukis erschrockenes Aufschreien hörte ich nur leise, obwohl er direkt hinter mir stand. Und auch Uruhas entsetzter Blick sagte mir, dass etwas nicht stimmte.
 

Ich riss die Augen auf, als ich mit einem Mal kaum noch Luft bekam. Ich schmeckte Blut in meinem Mund und als ich den Kopf senkte, sah ich Uruhas Hand an einem Griff liegen. Der Rest der Klinge steckte in meiner Brust. Ich sackte zusammen, als sich meine Beine wie taub anfühlten. Ich wollte husten, als sich immer mehr Blut in meinem Mund sammelte, doch mein Körper verweigerte jede Bewegung. Meine Sicht verschwamm langsam. Jemand beugte sich über mich und ich spürte warme Hände auf meinem Gesicht. Oder war mir einfach nur kalt? Ich hörte meinen Namen, mehrere Male, mal laut, dann wieder leiser. Ich war so müde und mein Körper fühlte sich an wie Blei. Das Atmen viel mir immer schwerer. Die Stimmen wurden lauter, aber ich konnte kein Wort verstehen.

Langsam schloss ich meine Augen.

Ich war so müde…
 


 

Es regnete. Schon den ganzen Tag zogen sich die Regentropfen wie lange Fäden vom Himmel hinab. Ich klappte meinen Regenschirm zusammen und schüttelte ihn einige Male, bevor ich die Tür von dem kleinen Blumenladen aufzog. Die Verkäuferin lächelte, als sie mich erkannte und sah dann auf ihren kleinen Kalender, welcher hinter ihr an der Wand hing. „Ist denn schon wieder Freitag?“, fragte sie und ging nach hinten in ein Zimmer, um das kleine Blumengesteck zu holen, welches sie nun schon seit einem Jahr jeden Freitag für mich anfertigte. Ich nahm es ihr dankend ab, das Geld hatte ich schon auf den Tresen gelegt. Doch als sie es sah, schüttelte sie den Kopf. „Nein, heute ist der Tag, nicht wahr? Dann ist das auch ein Geschenk von mir.“ Sie nahm das Geld und steckte es in meine Jackentasche. Ich lächelte nur und bedankte mich nochmal bei ihr, ehe ich den Laden wieder verließ. Ich blieb noch ein paar Minuten draußen unter der Markise stehen, und beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Der Himmel war verhangen von schwarzen Wolken, wie an dem Tag vor genau einem Jahr.

Ich öffnete den Regenschirm und machte mich auf den Weg. Es war nicht weit zu Fuß, vielleicht zehn Minuten und doch brauchte ich jedes Mal mindestens das doppelte an Zeit. Sobald ich den hohen Zaun und die Steinmauer sah, blieb mir die Luft weg und ich musste stehen bleiben, um mich zu beruhigen. Ein Jahr. Es war ein Jahr her und doch fühlte es sich an, als wäre es gestern gewesen.

Ich schob das eiserne Tor auf und betrat den Friedhof. Den Weg hatte ich mir schon seit meinem ersten Besuch verinnerlicht, ich würde ihn wohl auch mit geschlossenen Augen finden. Das Grab befand sich im südlichen Teil des Friedhofs. Es war das letzte in der zweiten Reihe. Meine Beine fühlten sich an wie Blei, als ich davor stehen blieb. Ich ließ den Kopf gesenkt, und sah auf das kleine Blumengesteck in meiner Hand.

„Ich bin hier“, flüsterte ich leise und ging in die Hocke um auf gleicher Höhe zu dem Grabstein zu sein. Erst dann hob ich den Kopf und las die mir so vertraute Inschrift.

„Ich habe dir wieder was mitgebracht.“ Ich legte das Gesteck auf das Grab und öffnete dann meine Tasche, um mein zweites Geschenk herauszuholen. Es war ein kleines Surfbrett, aus Glas gefertigt, damit es auch dem schlimmsten Gewitter standhalten konnte. Es war eine besondere Anfertigung von einem Freund. Ich hatte ihm kurz nach diesem Tag darum gebeten. Es hatte blaue Verzierungen in Form von Wellen auf der Oberseite. Darauf war sein Name eingraviert.

„Ich denke, dass es dir gefallen würde, wenn du es sehen könntest.“

Ich legte meine Hand auf den nassen Stein und strich über die kalte Oberfläche.

„Es ist jetzt ein Jahr her und es tut noch immer weh. Kai meinte, dass der Schmerz vergehen wird, aber das glaube ich nicht.“ Ich zog meine Hand zurück, als ich das leise Knirschen von Kies hörte. Eine Frau lief an mir vorbei.
 

„Ich denke oft an den Tag zurück, an dem wir uns das erste Mal getroffen haben. Ich habe dich vom ersten Moment an gemocht, und ich denke, dass es dir genauso ging.“ Ich musste lächeln. „Du bist den ganzen Nachmittag nicht mehr von meiner Seite gewichen, weil du alles von mir wissen wolltest. Zugegeben, das war schon etwas seltsam, aber ich denke, es war genau dieses Interesse, dass mich…“ Ich rang nach Worten, als mir wieder einmal für einen Moment die Luft wegblieb. Ich legte meine Hand über meinen Mund, um nicht laut zu schluchzen. Meine Augen brannten, und ich hielt die Tränen nicht mehr zurück. Der Schmerz war einfach zu stark und die Sehnsucht nach ihm wurde mit jedem Tag unerträglicher. In manchen Nächten war es so schlimm, dass ich nicht ohne die Tabletten von meinem Arzt einschlafen konnte. Nach deinem Tod hatten sich Kai und Reita um alles Wichtige gekümmert. Als sie deine Wohnung aufgeräumt hatten, fanden sie ein Kästchen mit einer Kette. Der Anhänger war ein einfaches silbernes Plektrum gewesen, auf welchem dein und mein Name eingraviert waren.

Aoi und Ruki

Du wusstest von Anfang an, wie sehr ich das Gitarre spielen liebte und doch hatte ich nicht mit so einem Geschenk von dir gerechnet. Ich griff nach dem Anhänger und strich mit den Fingern darüber. Kai hatte ihn mir noch am selben Tag gegeben und seitdem trug ich die Kette jeden Tag. Ich legte sie nie ab. Denn es war das Einzige, was ich noch von dir besaß. Die Kette und die Erinnerungen, die mit jedem Tag mehr verblassten.
 

Ich wusste nicht, wie lange ich hier hockte und mich dem Schmerz hingab. Doch als ich die Augen öffnete, hatte sich der Regen verzogen und langsam bahnte sich die Sonne ihren Weg durch die dichten Wolken. Und als die ersten Sonnenstrahlen auf den nassen Kies trafen und diesen zum Schimmern brachten, wusste ich, dass es besser werden würde. Denn auch wenn du nicht mehr an meiner Seite warst, würde ich dich auf immer in meinem Herzen tragen.

Ich liebe dich, Aoi.



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