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Aquila

von

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Der letzte Gott

Nachdem sie beide geduscht und sich umgezogen hatten saßen sie zusammen in der Küche und besprachen noch einmal, was sie Lucas Mutter erzählen wollten.

„Also gut, ich komme aus Europa und hätte eigentlich bei jemand anderem unterkommen sollen. Dieser ist jedoch am Fleischrische Prüsenfieber -"

„Pfeifferisches Drüsenfieber." Korrigierte Luca sie.

„Jedenfalls, ist der andere krank geworden und deswegen muss ich nun bei dir unterkommen." Fasste Grace alles noch mal zusammen. So schwer war die Ausrede nun wirklich nicht zu merken. Aber Luca bestand darauf, es noch mal zu wiederholen, damit es zu keinen Ungereimtheiten kam.

„Genau und-"

Plötzlich ertönte Musik.

„I saw an angel become the devil

Still they walk pretty good hand in hand

But baby I don't need any of them heaven nor hell…”

Der Mensch warf ihr einen entschuldigenden Blick zu, dann zog er ein kleines schwarzes Handy aus der Hosentasche.

“…Well I've heard that the morning star of a prince…“

Die Musik stoppte. „Hallo?“ Er machte eine kleine Pause, in der die Person am anderen Ende offensichtlich besorgt plapperte. „Claire, nein mir geht’s gut, ehrlich.“ Versuchte er seine Gesprächspartnerin zu beruhigend. Er erhob sich und bedeutete Grace, dass er gleich wiederkäme, sie nickte nur. Als er in den angrenzenden Raum ging hörte sie noch, wie er sagte: „Ja, ich freue mich auch, dich zu hören...“ Dann schloss er die Tür hinter sich und keines seiner Worte drang mehr in die Küche.

Grace blieb allein in dem großen Raum zurück. Es war eine schöne Küche, geräumig und warm. Es gab eine große Arbeitsfläche aus dunklem Holz, helle Schränke säumten zwei der Wände. Der riesige silberne Kühlschrank war mit bunten Magneten bestückt, die die verschiedensten Merkzettel festhefteten. Oben auf dem Kühlschrank thronte ein kleiner Fernseher. Scheinbar selbst gemalte Bilder hingen über dem großen Eichentisch, an dem Grace saß und zwei Türen führten in die Küche. Es war ein gemütlicher Raum, in dem man sich direkt willkommen fühlte. Es war ganz anders als in ihrer Welt. Und es wirkte so unwirklich, wie ein wunderschöner Traum, der jeden Moment vorbei sein konnte.

Eine der beiden Türen wurde plötzlich geöffnet und ein kleines Mädchen mit langen braunen Haaren und einem großer schwarzen Spitzhut auf dem Kopf kam in die Küche gerannt. Als sie Grace entdeckte blieb sie geschockt stehen. Zwei vor Angst weit aufgerissene goldbraune Augen starrten den Dämon an.

„Was ist denn Schatz?“ Eine freundliche Frauenstimme drang aus dem Flur in die Küche und im nächsten Moment stand eine Frau hinter dem Mädchen in der Tür. Sie war klein, schlank, hatte kurze braune Haare und die gleichen blauen Augen wie Luca. Sie sah überrascht zu Grace. „Hallo?“

Grace setzte ein freundliches Lächeln auf. „Guten Tag, ich bin Grace. Eine Austauschschülerin von Lucas Schule.“ Das sollte erst mal reichen, die gesamte Lüge auf einmal wäre bestimmt etwas zu viel.

„Ich bin Meredith, Lucas Mutter. Und das ist Sarah.“ Sie lächelte Grace über eine große Einkaufstüte hinweg an, trat ein und begann das Essen auszupacken. „Luca hat mir gar nichts von einem Austausch erzählt. Woher kommst du denn, Grace?“ sie sah über die Schulter kurz zu Grace, während sie fortfuhr die Sachen in die Schränke zu räumen.

„Aus Europa.“ Antwortete Grace. Sie konnte ein leises Schnauben von Sarah vernehmen, ignorierte es jedoch. Das Mädchen stand noch immer in der Tür und starrte Grace über verschränkte Arme hinweg skeptisch an. Augenblicklich stellte sich Grace die Frage, ob Sarah es schon wusste. Hatte sie sie so schnell durchschaut?

Grace Blick wanderte zu der schlanken pechschwarzen Katze, die sich geschmeidig an Sarah vorbei in die Küche drängte. Sie blieb genau vor ihrer Besitzerin sitzen und fixierte Grace mit dem Blick ihrer gold-grünen Augen. Grace hatte das Gefühl, als läge etwas angriffslustiges darin, gepaart mit kaltem Hass. Aber das war bestimmt nur Einbildung, immerhin war es nur eine normale Katze. Auf einmal bemerkte Grace einen dunklen, süß-herben Geruch der ihr eine leichte Übelkeit bereitete. Sie sah sich in der Küche um, drehte sich auch zum Fenster, und versuchte draußen in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Doch nirgendwo gab es ein Anzeichen für einen Engel. Vielleicht irrte sie sich auch nur oder der Geruch kam von den Lebensmitteln, die Meredith mitgebracht hatte.

„Das war das letzte mal gewesen, als ich in Italien war. Ein wunder schönes, Land. Warst du schon mal dort Grace? Aus welchem Teil Europas kommst du denn genau?“

„Wie bitte?“ Grace hatte gar nicht mit bekommen, dass Meredith die ganze Zeit über mit ihr gesprochen hatte.

„Aus welchem Teil Europas kommst du?“ wiederholte Lucas Mutter ihre Frage noch einmal.

„Oh… ehm…“

„Hey, Mum – Nervensäge.” Zum Glück kam Luca wieder rein, bevor Grace überhaupt hätte antworten können. Erleichtert atmete sie aus. Sie wusste nicht besonders viel über die Länder Europas, als dass ihr rechtzeitig eine plausible Herkunft eingefallen wäre. Sie war etwas enttäuscht von Luca, dass er nicht an diese Frage gedacht hatte.

„Ihr habt euch schon vorgestellt.“ Stellte Luca fest, und fuhr unbeirrt fort, während er sich neben Grace an den Tisch setzte. „Es ist doch in Ordnung, wenn Grace eine Weile bleibt, oder? Sie macht einen Schüleraustausch an unserer Schule – eigentlich sollte sie bei Henry wohnen, dieser ist aber leider erkrankt. Deswegen habe ich mich bereit erklärt sie aufzunehmen. Mr. Steward hielt das auch für eine gute Idee. Er meinte es täte mir gut, mich um sie zu kümmern.“ er zuckte kurz mit den Schultern, als wisse er selbst nicht genau wieso. „Also kann sie bleiben?“

Meredith warf ihrem Sohn einen strengen Blick zu. „Eigentlich solltest du so etwas rechtzeitig mit mir absprechen.“

„Also ja?“

„Luca!“ Sie schien nicht besonders begeistert von der Idee.

„Was denn? Ich hab das heute erst erfahren, ich konnte dir nicht früher Bescheid geben.“ Verteidigte sich Luca. Seine Mutter ließ die Lebensmittel liegen und wandte sich ihrem Sohn zu. „Du hättest anrufen können, dafür hast du dein Handy.“

„Es tut mir leid... Es war so viel los, da habe ich es vergessen und-“

„Hast du dich wieder geschlagen?“ sie spießte ihren Sohn gerade zu mit ihren Blicken auf.

„Nein!“ erwiderte dieser empört. Sie musterte ihn genau, als würde sie nach Spuren für einen Kampf suchen. Luca seufzte. „Wir waren doch eigentlich bei einem ganz anderen Thema.“ grummelte er. „Also kann Grace nun hier bleiben, oder soll ich Rektor Steward anrufen und sagen, dass es doch nicht geht?“

Meredith seufzte, und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. „Nein, Grace kann gerne hierbleiben. Aber das nächste mal möchte ich früher informiert werden, ist das klar?“

Luca grinste seine Mutter an. „Das nächste mal?“

Sie wendete sich den Resten ihren Einkaufs zu „Wie lange soll dieser Austausch eigentlich gehen?“ .

„Über längere Zeit, ein paar Monate, oder so.“ murmelte er leise und fragte lauter: „Was gibt’s eigentlich heute Abend zu essen?“

„Kommt drauf an, was du kochen willst.“ Sie schenkte ihrem Sohn über die Schulter hinweg ein listiges Grinsen.

„Och nö…“

„Keine Widerrede du bist heute dran.“

Widerwillig stand Luca auf und ging zum Kühlschrank. „Was haben wir denn alles?“ Fragte er und inspizierte die Lebensmittel. Seine Mutter stand sofort hinter ihm, um ihm alles aufzuzählen und Vorschläge fürs Abendessen zu machen.

„Ich weiß, was du bist.“ Grace wandte sich zur Seite. Sarah saß direkt neben ihr und schaute sie aus kalten, braunen Augen an. Sie sprach so leise, dass die anderen sie nicht hören konnten. „Was willst du hier?“ Die Katze auf ihrem Schoß fixierte Grace noch immer mit diesen seltsamen grün-goldenen Augen, ihr Schwanz zuckte nervös, und Grace hatte das ungute Gefühl, dass sie sich auf sie stürzen würde, sobald sie eine falsche Bewegung machte.

„Ich brauche einfach nur eure Hilfe.“ Antwortete Grace wahrheitsgemäß. Das Mädchen beäugte sie noch immer skeptisch. „Wobei?“

„Mich vor den Engeln zu verstecken.“ Erklärte Grace.

„Ich muss sagen Grace, du spricht sehr gut Englisch. Ist es das erste Mal, dass du in Amerika bist?“ erkundigte sich Meredith, während sie sich zu den beiden Mädchen setzte. Luca begann in der Zeit Kartoffeln zu schälen.

„Vielen Dank. Und ja ich war vorher noch nie hier, aber bisher gefällt es mir sehr gut.“ Antwortete Grace. Und das stimmte. Sie konnte sich kaum einen schöneren Ort vorstellen. Alles wirkte so warm und freundlich, es war der genaue Gegensatz zu der Welt aus der sie kam.

„Was gefällt dir denn besonders?“ erkundigte sich die Mutter weiter. In der Küche würde Grace wohl nicht mehr dazu kommen mit Sarah zu reden. „Bisher mag ich besonders die Menschen. Sie sind hier alle so nett und hilfsbereit.“ Es war etwas, was jeder gerne über sein Land hörte. Graces Blick wanderte zu Luca. Zudem stimmte es, die Menschen hier waren Hilfsbereit.

Meredith lächelte sie einfach an, bevor sie die nächste Frage stellte. „Habt ihr heute schon einen Ausflug gemacht? Es gibt hier unheimlich viel zu sehen – interessiert du dich für Kronkorken?“

Grace sah die Frau verwirrt an. „Kronkorken?“

„Ja, hier in der Nähe haben wir eine große Fabrik. Die ist ziemlich berühmt.“

„Ich denke kaum, dass Grace sich für so etwas interessiert.“ Mischte sich Luca ein, der nun diverses Gemüse schnitt.

„Und wofür interessierst du dich?“ fuhr Meredith an Grace gewandt fort.

„Mum! Jetzt hör doch mal auf sie auszufragen! Das ist ja wie bei einem Verhör.“ Wies Luca seine Mutter zurecht. „Sarah hast du nicht irgendwas zu erzählen?“ wandte er sich an seine kleine Schwester, etwas, was er normaler weise nie tat. Sonst war er froh, wenn sie einmal schwieg.

„Nein. Ich würde auch gern mehr über Graces Heimat erfahren.“ Antwortete sie unschuldig lächelnd. Luca warf ihr über die Schulter einen wütenden Blick zu. Meredith sah erwartungsvoll zu Grace, die wiederum hilfesuchend zu Luca sah. Wie sollte sie von einem Land erzählen, das sie nicht mal kannte?

„Laufen die Nachrichten jetzt nicht?“ mischte sich der Junge wieder ein, und schaltete kurzer Hand den Fernseher ein. Den Ton drehte er so laut, dass die anderen sich nicht mehr unterhalten konnten.

„Luca, mach das leiser!“ befahl seine Mutter ihm, offenbar damit sie sich weiter unterhalten konnten.

„Nein, ich würde die Nachrichten gerne sehen.“ Mischte sich Grace ein, und versuchte sichtlich interessiert am Weltgeschehen zu wirken. „Oh, wenn das so ist.“ Gab sich Meredith geschlagen, und wandte sich ebenfalls dem jungen Nachrichten Sprecher zu, der vor einem großen brennenden Gebäude stand, das Grace seltsam bekannt vorkam.

„…gab es keine Verletzten. Die Ursachen des Brandes sind allerdings noch ungeklärt. Da das Gebäude so stark beschädigt wurde, das eine Einsturzgefahr droht, wird zur Zeit noch nach einer Ausweichmöglichkeit gesucht, damit die Schüler der Witchblade High schon bald mit dem Unterricht fortfahren können.“

„Danke Ben. Obwohl ich denke dass, die Schüler ihre freie Zeit genießen werden. Oder Veronica?“ Fragte der schon leicht angegraute Moderator, seine um einiges jüngere Co-Moderatorin, welche leicht lachte. „Ganz sicher. Was für Wetter werden sie denn während ihrer Sonderferien haben, Mathew?“

Auf dem Monitor erschien ein junger Mann mit schwarzem Haar, der anhand einer großen Landkarte zeigte, wie das Wetter der nächsten Tage werden sollte.

In der geräumigen Küche herrschte betretenes Schweigen. Luca starrte angespannt auf sein Gemüse, seine Mutter schaute fassungslos den Fernseher an. Und Sarah sah abwechselnd zwischen Luca und Grace hin und her. Die Dämonin war sich sicher, dass das Mädchen eins und eins zusammen zählte.

„Das ist ja schrecklich.“ Brachte Meredith schließlich hervor.

„Also ich find‘s gut, muss ich mich heute wenigstens nicht mehr mit den Mathe Hausaufgaben quälen. Und kann endlich mal wieder ausschlafen.“ Meinte Luca und grinste seine Mutter verstohlen an.

„Das ist nicht witzig! Wenn nun jemandem etwas passiert wäre!? Darüber macht man keine Scherze.“ Seine Mutter funkelte ihn wütend an.

„Aber es ist niemandem etwas passiert.“ Brummte Luca nur und schnitt das Gemüse weiter. Innerlich beunruhigte ihn diese Sache. Eigentlich hätten sie doch die Leiche von Mr. Steward finden müssen. Er war sich sicher, dass sie nicht zu verkohlt gewesen wäre um entdeckt worden zu sein. Und er glaubte schon, dass Engel einen Leichnam hinterließen. Also war er entkommen. Und für Luca war klar, dass sein Direktor auf Grace, als auch auf ihn und seine Familie Jagd machen würde.

„Wenn Luca morgen zu Hause bleiben darf, dann will ich auch!“ meldete sich plötzlich Sarah zu Wort. „Ich hab auch keine Lust meine Geschichts Hausaufgaben zu machen.“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Nein, du gehst morgen zur Schule, und für deinen Bruder denke ich mir schon noch was aus.“

„Was?!“ Luca sah entrüstet zu seiner Mutter. „Wieso? Was kann ich dafür, wenn die Schule niederbrennt?!“ beschwerte er sich.

„Ich will, dass du dich in deiner freien Zeit um unseren Gast kümmerst. Ihr die Stadt zeigst, und alles was man hier anstellen kann. Ich denke, dir werden da schon ein paar Sachen einfallen.“

Luca grinste. „Ja da fällt mir einiges ein.“
 

Nach dem Essen hatten sie sich alle in Sarahs Zimmer zurückgezogen, um zu reden. Es war ein kleines, mit überfüllten Bücherregalen vollgestopftes Zimmer. Die wenige, von den Regalen unverdeckte, Wand war mit Engels- und Katzenpostern tapeziert. Auf dem Schreibtisch und dem Nachtschränkchen türmten sich Papier und Bücherstapel zwischen denen einige dekorative Edelsteine verteilt lagen.

Luca stand, die Arme vor der Brust verschränkt an den kleinen Kleiderschrank gelehnt, auf dessen Tür das Bild eines überirdisch schönen, strahlenden Engels prangte. Seiner Meinung nach hatte es nicht viele Gemeinsamkeiten mit der Realität. Grace hatte sich auf den wackeligen Schreibtischstuhl gesetzt und Sarah saß im Schneidersitz auf ihrem Bett. Sie schaute sowohl ihren Bruder als auch Grace Vorwurfsvoll an während sie abwesend über das samtene Fell Gabbis fuhr, der es sich zwischen ihren Beinen bequem gemacht hatte und beruhigend schnurrte. Luca und Grace hatten Sarah gerade alles berichtet, was an dem Tag vorgefallen war. Das Mädchen war davon so geschockt, dass es nicht recht wusste wo es anfangen sollte.

„Wir haben dir gesagt, was du wissen wolltest, hilfst du uns nun?“ Sarah schaute zu ihrem großen Bruder auf. „Bist du jetzt endgültig verrückt geworden?!“ brach es wütend aus ihr heraus. „Nicht nur das du einem Dämon Unterschlupf bietest, du hast auch noch einen Engel angegriffen! Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was sie mit uns machen werden?“

„Wahrscheinlich werden sie uns umbringen… Aber ich hatte keine andere Wahl. Steward wollte Grace töten, das konnte ich einfach nicht zulassen!“ verteidigte sich Luca.

„Doch hättest du! Sie ist ein Dämon, Luca. Ein gottverdammter Dämon! Sie ist eine der Bösen, und du hast dich gegen die Guten gewendet.“

„Wie können sie die Guten sein? Grace hat nichts verbrochen, und nur weil sie ein Dämon ist heißt das nicht zwangsläufig, dass sie auch böse ist. Und trotzdem wollten sie deine „guten“ Engel umbringen. Und nur weil wir ihr helfen wollen sie nun auch uns umbringen. Findest du das etwa richtig?“ Erklärte Luca wütend, er stand nun nicht mehr an den Schrank gelehnt sondern ging in dem kleinen Zimmer auf und ab.

„Aber sie sind im Recht.“ Erwiderte seine kleine Schwester trocken.

„Und nach wessen Recht? Bestimmt nicht nach dem der Vereinigten Staaten!“

„Nein.“ Mischte sich nun Grace ein. „Aber nach ihrem eigenen Recht. Sie stehen direkt unter den Schöpfern dieser Welt, teilweise haben sie sie sogar mit erschaffen. Sie scheren sich um keine von Menschen erhobenen Gesetzte.“

„Da hast du’s.“ Setzte Sarah nur noch hinzu. Blieb nach einem wütenden Blick ihres Bruders jedoch still, zumindest vorerst.

„Versucht ihr beiden mir etwa Weiß zu machen, dass ich einfach hätte zu sehen sollen, wie er dich umbringt?“ Er fixierte Grace mit seinem Blick, die schuldbewusst auf dem Stuhl hin und her glitt. „Nein. Aber es wäre besser gewesen, wenn du gegangen wärst. Dann-“

„Das Gespräch hatten wir vorhin schon, und ich werde meine Meinung dazu nicht ändern.“ Unterbrach Luca sie bestimmt.

„Das ändert nichts daran, dass du hättest gehen sollen.“ Versetzte Grace leise. „Du hättest an dich und deine Familie denken sollen.“

„Luca denkt nie an seine Familie.“ unterbrach Sarah die beiden. Grace verstand nicht ganz, was sie damit meinte. Luca sah sie nur wütend an.

„Aber wir können die Vergangenheit nicht ändern, also müssen wir seine Fehler wieder ausbügeln.“ Schloss Sarah.

„Also hilfst du uns nun.“

Sarah sah ernst zu ihren Bruder auf. „Ich kann euch nicht helfen.“

„Was?!“ Luca sah seine Schwester verständnislos an. „Du weißt doch alles über Engel, Dämonen und Magie. Wie kann es sein, dass du uns nicht helfen kannst? Irgendwas müssen wir doch tun können. Ein magischer Schutzschild, oder irgendwas. Wenn Steward ein Schwert aus dem Nichts ziehen kann, dann können wir uns doch zumindest schützen.“

„Ich hab dir schon gesagt, was du tun kannst: Liefere sie ihnen aus, dann haben wir vielleicht noch eine Chance. Das mag nicht das sein, was du hören willst, aber einen anderen Weg gibt es nicht. Sieh‘s ein Luca, du kannst sie nicht retten.“

Luca konnte nicht fassen, dass seine Schwester ihn so im Stich ließ. So konnte es nicht enden, so durfte es nicht enden. „Das werden wir ja noch sehen. Was ist mit den ganzen Büchern, steht da nichts drin?“

Sarah hob eine Augenbraue. „Natürlich tut es das.“ Sie hob Gabbi von ihrem Schoß und legte ihn aufs Bett, „ Aber ich sage dir gleich, es wird dir auf Dauer nicht helfen.“ Sie stand auf, warf die Bettdecke zurück und brach mit einem kräftigen Ruck die hölzerne Verkleidung ihres Bettes ab. Dahinter kamen weitere Bücher zum Vorschein. Jedoch sahen diese anders aus, als die Bücher auf den Regalen. Sie waren in echtes Leder gebunden und sehr alt. „Bedien dich.“

Grace erhob sich langsam von dem Stuhl. „Darf ich?“ Luca wollte gerade mit „Na klar“ antworten, als ihm auffiel, dass sie nicht ihn, sondern seine Schwester gefragt hat. Diese schaute Grace eine gefühlte Ewigkeit misstrauisch an, ehe sie nickte. „Danke.“ Grace kniete sich vor die Bücher und zog vorsichtig eine ganze Reihe heraus. „Ich denke, diese sollten wir lesen.“

Luca überflog ein paar der Titel: „Der Krieg“, „Magie: Wo bekomme ich sie her? Wie setzte ich sie ein? Und was ist sie eigentlich?“ oder „Das Gesetz der Engel“.

„Oh und Luca, dir würde ich das hier empfehlen.“ Sarah griff nach einem gelben Taschenbuch in ihrem Regal und reichte es Luca. Es war ein neueres Buch mit einem bunten Foto auf dem Einband, das einen alten Mann mit Hakennase, Halbmondbrille und Spitzhut zeigte. Es trug den Titel: „Zaubern für Dummies.“

„Haha, vielen Dank.“

„Ach, nichts zu danken, ich dachte mir nur, so kapierst du vielleicht auch etwas.“ Seine kleine Schwester grinste ihn trocken an und auch Grace lachte leise, bis Luca ihr einen beleidigten Blick zu warf.
 

Ein kaltes Klappern hallte durch die dunklen Gänge, als das leere Whiskyglas auf den polierten Marmortisch gestellt wurde. Die Sommerzeit war für ihn die schlimmste Zeit des Jahres. Seit die Engel ihren Krieg gewonnen hatten und die Götter sich von ihren Pflichten zurückgezogen hatten war nichts mehr los in der Welt. Monotonie, Langeweile und Nichtstun bestimmten den Tagesablauf des letzten Gottes, der seinen Posten noch nicht verlassen hatte. Der einzige Gott der seinen Posten nicht verlassen konnte. Gefängniswärter und selbst Gefangener, das war schon seit Jahrtausenden das Schicksal des Herrn der Unterwelt, Hades. Doch zumindest im Winter war er nicht alleine, wenn seine Frau, Persephone, ihm Gesellschaft leistete. Gäbe es nicht seine anhängliche Schwiegermutter könnte er seine Geliebte das ganze Jahr bei sich haben. Doch Demeter bestand noch immer darauf, dass ihre Tochter mindestens acht Monate bei ihr blieb, sonst ließ sie alles verdorren und die Welt würde in ewigen Winter fallen. Nicht, dass das Hades besonders viel ausgemacht hätte. Doch die anderen Götter, als auch seine Frau hatten ihn zu dieser unsäglichen Abmachung überredet. Und so blieb ihm zur Zeit nichts anderes über als sich alleine die Zeit zu vertreiben, was am besten mit Alkohol und dem Versuch ging, irgendwelche interessanten Entwicklungen auf der Erde zu finden. Jedoch tat sich in der Welt zur Zeit nicht mehr, als der allgemeine Wahnsinn. Seit Jahren war es dasselbe: Die Menschen führten Krieg gegeneinander, zerstörten sich gegenseitig und den Planeten dazu. Schon seit Ewigkeiten steuerten sie zielstrebig auf ihr eigenes Verderben zu, und es langweilte ihn. Früher hatte er sich gerne in die kleinen Kriege eingemischt, genau wie seine Geschwister und all die anderen Götter. Doch das war zu einer anderen Zeit, die schon lange vorbei war. Heute sehnte er sich wieder nach etwas großem, etwas wirklich Weltbewegendem, etwas, das nach der Macht eines Gottes verlangte, ihn vielleicht sogar persönlich betraf. Er griff nach seinem Glas. Ja, etwas wie den letzten Engelskrieg, das brauchte er. Hades hustete laut auf, als er sich an der Flüssigkeit verschluckte. Es befand sich nur noch ein Rest Wasser von den aufgetauten Eiswürfeln in dem Glas. Grummelnd erhob er sich um sich einen neuen Drink zu holen. Dabei wanderte sein Blick über die unzählbaren Bildschirme an der Wand, die verschiedene Szenen zeigten, die sich jetzt gerade auf der Welt abspielten. Er stockte, zwei der Bildschirme zeigten exakt dasselbe Bild. Drei Teenager in einem, mit Engelspostern zu tapezierten Zimmer. Zwei von ihnen waren Menschen ein Junge um die sechzehn und ein Mädchen um die dreizehn, die letzte ein Dämon mit langen weißen Haaren. Eine ganze Weile starrte Hades einfach auf die Bildschirme, während sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Sein Getränk war vergessen. Wenn diese beiden aufeinander trafen könnte es interessant werden. Noch bevor er die beiden Ausschnitte auf die gesamte Leinwand vergrößert, und es sich auf seinem Sofa bequem gemacht hatte, dachte er schon darüber nach, wie er weitere Protagonisten in diese Geschichte bringen konnte. Er verfolgte das Gespräch und schließlich wie ein Teil der Teenager den Raum verließ und sich der Bildschirm wieder aufteilte.

Ihm fielen einige ein, die er gerne mal wieder zusammen in Aktion sehen würde. Langsam erhob er sich. Am besten fing er gleich an. Sein Blick fiel auf sein Spiegelbild. Welches einen ausgemergelten Mann zeigte, dessen blasses Gesicht fast vollständig von einem wildwuchernden Bart und ungekämmten schwarzen Zottelhaaren verdeckt wurde. Seine Kleider waren vollkommen verdreckt und als er an sich roch bemerkte er den starken Gestank von Alkohol. Das einzige was noch an einen Gott erinnerte waren seine Augen. Pechschwarz und gleichzeitig vom Glühen der Unterwelt erfüllt. Hades seufzte, er nahm wohl besser erst mal ein Bad. Auf dem Weg umspielte ein verschlagenes Lächeln seine Lippen, die Zeit der Langeweile war nun endlich vorbei.
 

„Das ist hoffentlich nicht dein ernst.“ Fassungslos sah sie Gabbi an „Ich muss doch irgendetwas tun!“

„Mach dir keine Sorgen, ich passe auf dich auf.“ Irgendwie war der Kater heute schlecht drauf. Wahrscheinlich ärgerte es ihn genauso sehr wie sie selbst, dass ihr Bruder einen Dämon ins Haus geschleppt hatte. Obwohl das trotzdem keine Erklärung dafür bot, dass er ihr nicht helfen wollte. „Und was ist mit Luca?“

„Er hat sie doch her gebracht.“ Erwiderte er schnippisch.

„Das meine ich doch gar nicht!“ fuhr Sarah ihn an. „Dass sie ihm nichts tut ist mir klar. Aber was ist mit den Engeln?“

Der Kater legte den Kopf schief und sah sie nachdenklich an. „Ich weiß nicht welches Urteil sie fällen werden.“ Gab er schließlich zu.

„Aber im schlimmsten Falle den Tod, oder? Und so, wie er sich verhält, werden sie ihn sicher umbringen.“

„Beruhige dich erst mal!“ Sagte der Kater ernst. „Es ist noch nichts entschieden worden. Und es bringt nichts, wenn du irgendetwas überstürzt.“

„Ich kann hier aber nicht einfach tatenlos rumsitzen und warten. Gabbi, gibt es denn wirklich gar nichts, was ich tun kann? Ich meine, wenn ich ihnen den Dämon ausliefere, würden sie dann davon absehen Luca zu bestrafen?“

Der Kater zögerte. „Vielleicht… Aber ich kann dir das wirklich nicht sagen, du müsstest mit einem hochrangigen Engel reden und das wäre im Moment viel zu gefährlich.“

„Das ist mir egal. Es geht um das Leben meines Bruders – Und auch, wenn er manchmal ein ziemlicher Idiot ist, hab ich ihn doch lieb. Also was muss ich tun?“ Sie stellte sich entschlossen vor den Kater. Egal was es war, sie würde es tun.

„Gar nichts.“

„Was?!“

„Du hast mich schon verstanden.“ Erwiderte Gabbi, erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung, sprang vom Bett und ging zur Tür. „Wärst du so freundlich?“

„Ich werde dir jetzt nicht aufmachen, das Gespräch ist noch nicht beendet.“ Sarah griff nach ihm. Der Kater fauchte laut auf und schlug nach ihrer Hand. „Au, spinnst du?“ mit der anderen Hand rieb sie sich über die feinen Kratzer. Wütend sah sie auf das Tier, welches in Angriffsposition vor ihr kauerte. Seine Nackenhaare standen zu Berge, die Augen blitzten vor Wut. „Du lässt mir ja keine andere Wahl. Also machst du nun auf?“

„Mach‘s doch selbst!“ Der schwarze Kater knurrte warnend, doch Sarah ignorierte ihn. Sie nahm sich ihr Buch, legte sich aufs Bett und tat so als würde sie lesen. Sie hörte, wie er gegen die Tür prallte und dann sanft auf dem Boden landete. Vier, fünfmal ging das so, dann erwischte er schließlich die Klinke, die Tür schwang einen Spalt auf, durch den er verschwand. Sarah legte das Buch weg, sie hatte eh nicht wirklich gelesen. Sie brodelte innerlich vor Wut. Sie hatte sich immer auf Gabbi verlassen können. Immer. Und jetzt wo sie so dringend seinen Rat brauchte ließ er sie hängen. Es war als bräche ihr der Boden unter den Füßen weg. Aber sie durfte sich nicht lange damit aufhalten. Sarah zwang sich selbst Gabbi zu vergessen, wenn er ihr nicht helfen wollte musste sie eben selbst einen Weg finden, mit einem hohen Engel Kontakt auf zu nehmen. Sie nahm sich einige Bücher aus dem Regal, ihre Kinderbibel, ein Märchenbuch und ihren Atlas, alle drei besaßen sie einen bunten Schutzumschlag. Ihre wertvollsten Bücher hatte sie in den Umschlägen versteckt, und sie war sich sicher in einem von ihnen mal etwas über Engelsbeschwörungen gelesen zu haben. Bisher hatte sie nicht verloren, und sie würde noch lange nicht aufgeben.
 

Die schweren Flügeltüren der Kirche knallten auseinander als wogen sie nichts. Mit kräftigen Schritten kam eine deutlich genervte Frau herein. Ihr rotblondes Haar flatterte hinter ihr her, während sie auf die kleine Gruppe beim Altar zu schritt. Ihre Bernsteinaugen blitzten. „Wieso habt ihr mich gerufen Krieger?“ Das Gebäude erbebte unter ihrer zornigen Stimme, die Glieder ihres Kettenhemdes klirrten unter ihrem seidenen Waffenrock. Mit einem eindringlichen Blick sah sie jeden der drei Engel vor sich an. Die einzige Frau unter ihnen verbeugte sich kurz und murmelte eine Begrüßung. Gabriel, der mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt stand, erwiderte ihren Blick nur missmutig. Doch sie hatte auch nicht erwartet, dass er froh war sie zu sehen. Das war er nie. Der letzte im Bunde kam mit einem beschwichtigenden Lächeln auf sie zu und verbeugte sich leicht. „Ich fühle mich geehrt, dass ihr meiner Bitte nach gekommen seid, Hohe Gabriella. Ich weiß das -“

„Was wollt ihr Alexander?“ Sie hatte wichtigere Dinge zu tun, und auch keine Lust sich die falschen Schmeicheleien dieses Engels anzuhören. Zu oft hatte er schon ihre Zeit verschwendet.

„Ein Dämon ist aufgetaucht, Gnädigste.“

Sie sah ihn mit einer hochgehobenen Augenbraue an. „Und deswegen ruft ihr mich? Wenn sich ein Dämon auf die Erde verirrt vernichtet ihn.“ Hin und wieder passierte es, dass sich einfache Dämonen auf die Erde verirrten. Eigentlich stellten sie keinerlei Gefahr da. Doch es war gefährlich sie wieder in die Unterwelt entkommen zu lassen. Im großen Krieg hatten die Engel die Erde gewonnen und die Dämonen von hier verbannt. Dafür hatten sie mit ihnen den Pakt geschlossen, dass sie die verbleibenden Dämonen in der Unterwelt in Frieden ließen. Ließen sie einen der verirrten Dämonen lebend wieder zurückkehren, so wäre es ein Zeichen ihrer Schwäche. Und gegenüber diesen Packs durfte man nicht die geringste Schwäche zeigen.

„So einfach ist das nicht.“

„Ist er einer der Gefürchteten?“

Alexander verneinte.

„Was ist es dann, sprecht endlich.“ verlangte sie. Der blonde Engel zögerte.

„Es ist ihm peinlich.“ Ihr Blick wanderte zu Gabriel, als er sprach. „Er wurde heute besiegt, und kam nur knapp mit dem Leben davon.“

Gabriella unterdrückte ein Grinsen und sah den Krieger an, der wütend zu Gabriel rüber sah. „Ihr wurdet von einem einfachen Dämon besiegt?“

„Sie war nicht allein.“ verteidigte er sich.

„Es war also eine Frau? Seltsam, dass eurer Charme bei ihr nicht gewirkt hat. Wie ich hörte liegen euch sonst alle weiblichen Wesen zu Füßen.“ Nun konnte sie sich doch kein Schmunzeln mehr verkneifen. Der sonst so stolze Alexander, von einer einfachen Dämonen Frau besiegt. „Aber wahrscheinlich war sie in Begleitung eines großen Kriegers. Wer war es?“

Sie vernahm ein leicht knurrendes Lachen und wieder besah Alexander Gabriel mit einem bösen Blick,. Der Junge sah amüsiert zu ihnen herüber. „Kein Krieger. Ein einfacher Mensch.“ berichtete er. „Zudem einer, der weder etwas für Magie noch für Kampfkunst übrig hat. Ein einfacher Teenager, der seinen Freunden gerne zusieht wenn sie anderen Streiche spielen.“

„Woher weißt du so viel über Luca?“ hakte Alexander nach.

„Du hast mir seinen Namen genannt, denkst du etwa ich hätte mich nicht informiert? Erzähl du lieber, wie du dich von zwei unbewaffneten Teenagern hast besiegen lassen können!“

„Genug!“ Unterbrach Gabriella die beiden. „Ich verstehe langsam wieso ich gerufen wurde. Der Junge hat sich also auf die Seite des Dämons gestellt.“ Sie sah kurz zu Alexander, der ihr diese Annahme bestätigte. „Nun, dann werdet ihr ihn umbringen müssen. Und alle, die ihm und dem Dämon helfen ebenfalls.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sozl
2012-10-31T09:45:35+00:00 31.10.2012 10:45
Ich weiß zwar immer noch nicht 100%ig wo das hinführen soll, aber ich nehme an das machts nur spannender :D

Tolles Chapter <3 Griechische Götter :)


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