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Aquila

von

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Des Morgensterns Diener

Nur das flackernde Licht einer einzelnen Kerze erhellte die kleine Kammer und ließ vermummte Schatten verzerrt über die Wände huschen. Der winzige Raum wurde vollkommen von einem großen Schreibtisch ausgefüllt, um den herum sich die Bücher stapelten.

Jahrhunderte alte Schriftrollen, hingen von dem schweren Eichentisch hinunter. Bücher mit schon längst vergilbten Seiten und ledernen Einbänden, stapelten sich auf ihm bis zur Decke. Die Geschichten, über die sie berichteten hatte die Welt schon lange vergessen. Sie waren voller Legenden, die nicht mehr waren, als der Hauch eines Flüsterns, das Jahrtausende überdauert hatte.

Auf den verblichenen Pergamenten, die die Wände verdeckten, zeichneten sich die Stammbäume uralter Familien ab. Eine ruhmreicher als die andere. Jede Generation die andere an Großartigkeit übertreffend. Und doch enthielten sie keinen Hinweis.

Tief über die Unterlagen auf dem Schreibtisch gebeugt, saß eine dunkle Gestalt. Ihr pechschwarzer Umhang schien schwer auf ihren Schultern zu liegen, welche leicht gekrümmt waren, so als trügen sie eine große Last. Die blutroten Applikationen leuchteten förmlich im Kerzenschein, und verliehen der Gestalt etwas diabolisches.

Schon vor langer Zeit, war jede Farbe und jeder Glanz aus den Haaren gewichen, so dass sie nun stumpf und ergraut wirkten. Wild wucherten sie über den Rücken hinunter bis zum Boden und verschmolzen im Gesicht mit dem langen ungepflegten Bart zu einem struppigen Ganzen.

Der Mann war nicht mehr als der Schatten seiner selbst. Ein vor sich hin vegetierendes Häufchen Elend auf der Suche nach einem Funken Hoffnung. Nur noch das stechende Giftgrün seiner Augen zeugte von seinem einstigen Selbst: Klug, begehrt, schön und doch vollkommen wertlos. Ein gefürchteter Rebell, dessen Name kaum noch in den alten Geschichten erwähnt wird. Denn er war nicht wichtig. Doch das störte ihn nicht. Er war nie wichtig gewesen, im Gegensatz zu seinem Meister. Sein Herr, dem so widerwärtiges Unrecht widerfahren war. Ein Unrecht, das er um jeden Preis wieder gut machen würde.

Sorgsam, beinahe akribisch studierte er die alten Schriften. Sie waren in Sprachen verfasst, von denen keiner mehr wusste dass sie existierten. Die Buchstaben verblassten, so wie die Personen die sie beschrieben. Doch je mehr er las, desto deutlicher wurde ihr Muster. Er verfolgte es durch die Antike, das Mittelalter bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein. Immer wieder besorgte er sich neue, aktuelle Stammbäume, informierte sich über jeden auf dieser Welt. Verglich seine Ergebnisse, bis nur noch ein Schluss übrig blieb.

Die Kerze war fast ganz hernieder gebrannt, als er seine Unterlagen nach 999 Jahren zum ersten mal zur Seite legte und sich aufrichtete. Seine Knochen ächtzen, als er seine Glieder streckte und sich langsam erhob.

Mit einer blitzschnellen Bewegung zog er ein Blatt, mit der Aufschrift: Befreiung des Morgensterns, aus dem Durcheinander auf seinem Tisch hervor und verbarg es sicher in seinem Umhang.

Der Blick seiner lodernden Augen ruhte noch immer auf den zwei Bildern auf seinem Schreibtisch. Sein Mund hatte sich zu einem siegreichen Lächeln verzogen. Langsam strich er über das Foto eines kleinen, unscheinbaren Mädchens. „Schon bald werden wir uns treffen... iuvenis aquila." Seine Stimme war heiser, vom langen schweigen. Trotzdem erkannte er sie, sie war verführerisch, nicht zu dunkel, aber doch tief und machtvoll. Es tat gut, sie wieder einmal zu hören.

Sein Blick wanderte zu der Kerze, deren Licht langsam erstarb. Es wurde Zeit, dachte er.

„Tampestas Flamae!" befahl er, und seine Stimme nahm vor Aufregung einen höheren, fast schrillen Ton an, als er das vertraute Kribbeln der Magie in seinen Adern fühlte. Die Flamme loderte auf, wuchs an und griff um sich. Mit einem kalten Lächeln verließ der Mann die Kammer. Keiner würde je erfahren, was er hier getrieben hatte.

Das Bild des Mädchens verbrannte, zusammen mit der alten Zeichnung einer Prinzessin, welche schöner als der Morgen war, mit blonden Locken, zarten Lippen und strahlenden Goldaugen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Ivea
2014-04-06T21:00:23+00:00 06.04.2014 23:00
Du schreibst sehr anschaulich, auf eine klare und doch poetische Weise.
Die Szene erscheint dem Leser sehr deutlich vor Augen, die Erzählweise erinnert etwas an die eines Filmes. Inhaltlich erscheint mir diese Art Prolog sehr typisch, wenn nicht sogar ein wenig klischeehaft, aber das muss nicht negativ sein. Schließlich erfüllt das ganze die Genreerwartung und bedient damit auch eine entsprechende Zielgruppe. Insgesamt sehr angenehm zu lesen :)
Von: abgemeldet
2012-11-30T13:42:29+00:00 30.11.2012 14:42
Schon mal ein super Anfang.
Du hast alles sehr schön detaliert beschrieben und auch hast mit diesem Prolog schon mal deine Leser im Dunkeln tappen lassen.
Ich finde, dass dieser Prolog schon hunger auf mehr macht.
Ich bin doch schon sehr gespannt wie die anderen Kapitel so sind und auch später noch werden.

MfG
abgemeldet
✖✐✖
Von:  Alaiya
2012-11-22T12:10:54+00:00 22.11.2012 13:10
So, ich habe hier einmal reingeschaut :D

Ich muss sagen: Es freut mich sehr, dass es außer mir offenbar noch jemanden gibt, der einen Fetisch für ausführliche Beschriebunge hat. Das fand ich sehr schön. Endlich mal wieder eine Geschichte, bei der ich mir alles genau vorstellen kann, weil alles beschrieben wird. Ja, doch, das hat mich gefreut.

Gut, inhaltlich kann man bisher noch nicht viel sagen, außer dass es vielleicht ein wenig Klischee wirkt, wobei es jetzt nicht zu schlimm ist. Immerhin lebt das Fantasy-Genre ja doch irgendwie durch seine Klischees.

Ich bin mal gespannt, was es mit diesem Diener auf sich hat :) Ist er gut oder böse oder etwas anderes?

Ansonsten... Ja, hier und da sind mir ein paar fehlende Kommata und ein paar Fehler mit der Groß- und Kleinschreibung aufgefallen. Ansonsten aber auch von der Rechtschreibung her ziemlich gut. :D

Liebe Grüße,
Alaiya
✖✐✖
Von:  DemonhounD
2012-10-15T18:01:42+00:00 15.10.2012 20:01
Ohhhh... ein schöner Prolog, der einem fast Gänsehaut macht. Der Charakter ist mir sofort sympathisch, wenngleich auf eine recht gruslige Art und Weise.
Einen Schreibfehler schenke ich dir:
das giftgrün seiner Augen... (DAS Giftgrün)

Ah, aber okay. Ist eigentlich viel zu schön, um akribisch nach dem Fehlerteufel zu suchen. ^^ Ich bin gespannt, wies weitergeht! ^^


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