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Vanillepudding & Pflaumenmus

SasuxSaku
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Okay... für diese "Pause" gibt es keine Entschuldigung, daher spare ich sie mir und wünsche viel Spaß mit diesem traurigerweise noch nicht einmal spektakulären und recht kurzem Kapitel. Seht es als Lebenszeichen und Signal dafür, dass es ENDLICH weitergeht. Hoffentlich. ;) Komplett anzeigen

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Pflaumen

*

Am Baum der guten Vorsätze gibt es viele Blüten, aber wenig Früchte.

Konfuzius

*


 

Lachend ließen sich die beiden in das weiche Sommergras fallen, die Arme hinter den Köpfen verschränkt und die Gesichter einander zugewandt.

"Das waren doch ein, zwei Pflaumen zu viel."

Ein zustimmendes Nicken von Seiten des Mädchens, dessen grüne Augen belustigt blitzten, ehe es eben diese gen Himmel richtete. Den vorbeiziehenden Wolken folgend.

Der Junge neben ihr richtete sich auf, schlang seine Arme um die angezogenen Beine und sah auf seine Freundin hinab, betrachtete die wenigen Sommersprossen, welche sich auf ihrer Nase tummelten.

Es war einer dieser Tage, welche vor Glück nur strotzten und welche so selten waren, dass man sie eigentlich hätte einschließen müssen. Ein Tag voller Lachen, voller Wärme und in ihrem Fall voller gefüllter Bäuche von den vom Nachbarn gemopsten Pflaumen.

Eben absolut perfekt.

Ein leises Seufzen schlich sich über seine Lippen, was ihm einen verwunderten Blick bescherte.

"Was ist los?", fragend sah sie ihn an, mit einer Hand ihre Augen abschirmend, um nicht allzu sehr von der Sonne geblendet zu werden.

"Nichts. Ich war einfach nur glücklich, du verbittertes Weib!", grinsend streckte er ihr die Zunge aus, auf welche er sich jedoch einen Augenblick später fast gebissen hätte, denn das Mädchen hatte sich blitzschnell aus ihrer liegenden Position aufgerichtet und begonnen, ihn zu kitzeln.

"Auf...hören! Bitte!" Lachend jappste er nach Luft, versuchte vergebens, sich aufzurappeln und ihren Fingern zu entkommen, doch erst als ihm Tränen in die Augen traten, ließ sie von ihm ab.

Keuchend lagen sie nebeneinander. Glücklich. Mit Bauchschmerzen von Pflaumen und Lachen.

Das hellgrüne Gras unter und den blauen Himmel über sich. Um sie herum Wind, hinter ihnen vergangene Erinnerungen und vor ihnen eine noch ungewisse Zukunft.

Doch was konnte sie schon Schreckliches mit sich bringen, wenn es solche Tage wie diesen gab?

Ton

*

Was im Ton übereinstimmt, schwingt miteinander.

Was wahlverwandt ist im innersten Wesen, das sucht einander.

Buddhistisches Sprichwort

*


 

Das leise Ticken der Küchenuhr durchbrach in kleinen, rhythmischen Abständen die ansonsten andauernde Stille.

Seine Augen waren auf den Sekundenzeiger gerichtet, welcher unablässig seinen Weg ging. Genau wie er es tat. Jeden Tag Stunde um Stunde. Und eigentlich fühlte sich diese Routine gut an, denn sie bot nichts anderes als Sicherheit, an der man sich festhalten konnte, drohte alles aus den Rudern zu laufen.
 

Warum so melancholisch heute?
 

Ja, warum eigentlich? Vermutlich, weil ihm die Decke auf den Kopf fiel, was daraus resultierte, dass er nichts mit sich anzufangen wusste.

Urlaub war wirklich etwas Schreckliches – wenn man keine Freunde hatte, wie es bei ihm der Fall war. Er hatte sein Medizinstudium und seine Ausbildung zum Unfallchirurgen vor nun mehr drei Jahren beendet, war anschließend nach Amerika gezogen und dank seiner Abneigung gegenüber langen E-Mails und Telefonaten und dank seiner höllischen Arbeitszeiten waren die weitentfernten Bekanntschaften mehr und mehr abgebrochen. Hier und da ein sporadischer Kommunikationsversuch, aber auch die Zeitverschiebung tat ihr übriges.

Hier in den USA war er sofort in das Berufsleben eingestiegen und da sich die Anzahl der Werk- und Urlaubstage doch stark von denen in seiner alten Heimat unterschieden, hatte er – sehr zu seinem Erstaunen – keinerlei Zeit gehabt, Freunde zu finden oder überhaupt zu vermissen.

Arbeiten, schlafen. Und das oft von Montag bis Samstag. Dafür war die Bezahlung aber auch gut.

Der Dunkelhaarige schob den Stuhl, auf dem er gesessen hatte und der trotz seines unverschämten Einkaufspreises verdammt unbequem war, zurück und erhob sich, ehe er zu dem Amerikanischen Kühlschrank schritt, ihn öffnete und, wie eigentlich jeden Tag auch, nichts darin vorfand. Wofür genau hatte er sich dieses scheißteure Teil gekauft? Richtig, weil es gut ausgesehen hatte. Als ob das alles im Leben war.

Eigentlich hatte er sowieso keinen Hunger, vielleicht könnte er ja zur Abwechslung mal wieder ein Sportstudio von innen betrachten.

Nicht, dass er kein Sport machte, aber sich jeden Abend durch ein ähnliches Trainingsprogramm zu quälen war auf Dauer nicht das Nonplusultra. Hätte er sich anstatt des leeren Kühlmonstrums in seiner Küche mal lieber ein Laufband zugelegt – das würde zumindest mehr seinen Zweck erfüllen.
 

Jetzt schon ein wenig motivierter betrat er sein Schlafzimmer, dessen Mittelpunkt sein – für seinen Geschmack – viel zu großes Bett bildete. Irgendwie war ihm seine gesamte Wohnungseinrichtung heute suspekt, was ihm eindeutig zeigte, dass er mal wieder rauskommen musste.

Die Sporttasche war schnell gepackt, die Autoschlüssel schnell gefunden, der Weg zum Sportstudio... na ja, von schnell konnte angesichts des eigentlich immer herrschenden Feierabendverkehrs nicht die Rede sein.

Dallas eben, was erwartete er auch?

Ungeduldig trommelte er mit den Fingern irgendeinen beknackten Rhythmus, den er erst letztens im Aufzug des Krankenhauses, in welchem er arbeitete, gehört hatte und welcher sich leider in sein Gehirn gebrannt hatte. Vielleicht würde ihm das Radio helfen – Ohrwürmer bekämpfte man ja bekannter Weise mit ihren eigenen Waffen.
 


 

*
 

Als er nach Hause kam, blinkte das kleine Lämpchen an seinem Anrufbeantworter munter vor sich hin, doch mehr als eines Blickes würdigte er es nicht.

Eine große Auswahl an möglichen Anrufern bestand nicht und schon gar nicht war auch nur einer davon es wert, sich den Abend stören zu lassen. Würde er wissen wer ihn angerufen hatte, er würde sich dazu genötigt sehen, zurückzurufen. Ansonsten würde ihn den gesamten Abend das schlechte Gewissen plagen. So herzlos er auch sonst sein konnte.

Munter vor sich hin summend stopfte er erst einmal seine verschwitzten Sportsachen in die Waschmaschine und machte sich dann auf den Weg in sein Wohnzimmer. Freitagabend, und er würde auf der Couch sitzen. Wunderbar. Das war das Leben, welches er sich mit 19 Jahren vorgestellt hatte. Keine Party, keine heißen Dates – stattdessen erste Anzeichen von Falten, welche der Dunkelhaarige sogar an seinem Spiegelbild in der Fensterscheibe erkennen konnte.

Wie hieß es so schön? Je älter ein Mann ist, desto attraktiver wird er? Für wenige Sekunden musterte er sich selbst, drehte sich nach links und nach rechts, ehe ihm bewusst wurde, dass man ihn von dem gegenüberliegenden Gebäudekomplex sehen konnte. Es mussten ja nicht alle wissen, dass er gerade drohte, in Selbstkomplexen zu ertrinken. Denn an den aufkommenden Falten konnte selbst sein – in seinen Augen – noch immer sehr wohlgeformtes und durchaus anbetungswürdiges Hinterteil nichts ändern. Auch wenn es ihn, zugegebener Maßen, doch wieder ein Stück aufbaute.

Mit sich wieder etwas mehr im Reinen, wandte er sich von der sich über die gesamte Seite ziehenden Fensterfront ab und überlegte, während er den Raum durchquerte, ob er sich nicht doch mal wieder in das Nachtleben Dallas stürzen könnte. Tanzen konnte nie schaden. Alkohol im Übrigen auch nicht. Und vielleicht würde er bei Gelegenheit auch jemanden finden, der mit ihm sein viel zu großes Bett endlich einmal sinnvoll nutzte. Vorher würde er sich allerdings doch der Nachricht auf seinem Anrufbeantworter erbarmen, auch wenn es bedeuten würde, noch ein Telefonat zu führen – er hatte schließlich noch etwas Zeit und musste diese halbwegs sinnvoll nutzen.
 

Sasuke Uchiha konnte ja nicht ahnen, dass der kleine Signalton nach seiner Bandansage sein Leben verändern würde, ansonsten wäre er vermutlich einfach gegangen und hätte Anrufer Anrufer sein gelassen. Hätte sich ins Nachtleben gestürzt und wäre vermutlich wirklich neben irgendeinem bedeutungslosen, aber auch verdammt heißen One-Night-Stand aufgewacht.

Doch er hatte sich für das Telefonat entschieden. Und damit für eine einschneidende Veränderung.
 

„Hallo Sasuke, hier ist Sakura. Ich wollte dir nur sagen, dass du einen Sohn hast. Sorry, hatte noch keine Zeit, dir Bescheid zu geben und außerdem hatte ich deine Nummer verlegt. Aber jetzt weißt du´s ja. Kannst dich ja mal melden, falls dir danach ist. Iori freut sich bestimmt auch, seinen Vater mal zu hören. Mach‘s gut, meine Nummer hast du ja jetzt.“


 

Ein Rauschen, dann war die Ansage vorbei und Sasuke stand fassungslos im Flur. Ein Blick auf die digitale Anzeige seines Telefons. Nein, heute war definitiv nicht der 1. April.

Mit einem Mal war ihm gar nicht mehr nach Feiern zu Mute…

Vanille

*

Das Streben nach Glück scheint mir eine falsche Spur zu sein. Nach Glück zu streben, das ist wie das Streben nach Vanille-Eis. Es ist ein angenehmer Geschmack, aber nicht etwas, was man tatsächlich verfolgen kann.

Tilda Swinton

*


 

Er war dann doch zu Hause geblieben, was in Anbetracht der Tatsache, dass er überraschend und bisher unwissentlich Vater eines Zweijährigen war und die Mutter bisher noch keine Zeit gehabt hatte, ihn von dieser nichtigen Tatsache zu unterrichten, vermutlich auch kein Wunder war.

Seine erste Intuition nach einigen Minuten des tatenlosen Dastehens und auf den Anrufbeantworter Starrens war gewesen, aufs Klo zu rennen und sich zu übergeben, doch letzten Endes hatte er sich dagegen entschieden und war mit einer Flasche Rotwein auf der Couch gelandet. Wo er dann auch eingeschlafen war. Natürlich war ihm die Glasflasche irgendwann mitten in der Nacht aus der Hand gerutscht und natürlich war sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht leer gewesen. Jetzt schon. Weinrot passte wirklich fantastisch zu seinen beigen Polstermöbeln. Vielleicht sollte er noch ein paar mehr Flaschen über seinem Sofa ausleeren – dann wäre das Ganze wenigstens einheitlich und er musste sich nicht die Mühe machen, die Flecken zu entfernen. Aber so bekloppt war selbst er nicht, also verschwand Sasuke im Bad, nur, um kurz darauf mit einer Spraydose Rasierschaum zurückzukehren. Irgendwo hatte er mal aufgeschnappt, dass so etwas gegen Rotweinflecken helfen sollte. Einfach drauf mit dem Zeugs und einwirken lassen – er hatte also genug Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, welches, dank seines äußerst gefüllten Kühlschranks, lediglich aus Kaffee und einer verschrumpelten und fast gänzlich braunen Banane bestand.

Während er auf der breiigen Masse herumkaute, kam ihm abermals die Bandansage seiner – damals – besten Freundin in den Sinn. Er musste sie definitiv zurückrufen. Sie war ihm eine Erklärung schuldig. Und zwar eine gute, denn mit nichts anderem würde er sich zufrieden geben. Drei Jahre waren eine lange Zeit gewesen und während dieser Zeitspanne wenigstens einmal das Wort Sohn fallen zu lassen, selbst wenn es nur beiläufig gewesen wäre, war nun wirklich nicht zu viel verlangt.
 

Nachdem die braune Schale ihren wohlverdienten Frieden im Mülleimer gefunden hatte, griff der Dunkelhaarige beherzt nach dem Telefonhörer. Lange überlegen gab es nicht. Ansonsten hätte er es sich nur wieder anders überlegt – vor allem wenn er daran dachte, dass man ihn vermutlich dazu verdonnern würde, nicht nur für den zukünftigen, sondern auch für den vergangenen Unterhalt aufzukommen. Nicht, dass er damit ein Problem haben würde, aber eigentlich… doch.

Wie auch immer: Er schob Dinge nicht gerne vor sich her, daher würde er jetzt Nägel mit Köpfen machen und nicht erst in zwei Monaten, wenn womöglich das Jugendamt, oder wer auch immer dafür zuständig war, vor seiner Tür stand.

Was du heute kannst besorgen… Oder so ähnlich.

Bereits jetzt schon so genervt, dass er befürchtete, bei dem ihm bevorstehenden Telefonat mehr zu schreien als zu reden, lauschte er angespannt dem standardmäßigen Tuten, während er, ganz klischeehaft, mit einem Kugelschreiber auf irgendeinem Prospekt herumkritzelte. Doch alles Warten half nichts. Sakura schien nicht da zu sein und hatte anscheinend auch keinen Anrufbeantworter, was allerdings für beide vermutlich das Beste war. Ansonsten hätte er wirklich geschrien.

Natürlich, als Chirurg musste er Geduld haben, doch momentan hatte die sich wohl dahin verzogen, wo er jetzt auch gerne wäre: auf eine weitentfernte Insel, wahrscheinlich Party machend. Ohne ihn.

Schnaubend knallte Sasuke den Hörer zurück auf die Station, ehe er erneut danach griff und auf Wahlwiederholung drückte. Es konnte ja gut sein, dass sie lediglich unter der Dusche stand oder gerade putzte. Vermutlich stand sie aber auch einfach nur direkt neben ihrem Telefon und lachte ihn aus. Es wäre so typisch Sakura.
 

*
 

Hätte der Dunkelhaarige es nicht besser gewusst, er hätte von sich selbst behauptet, deprimiert zu sein. Aber das war er nicht. Überhaupt nicht.

Schließlich war es ganz normal, um ein Uhr mittags in Jogging-Hose auf der Couch zu sitzen, uralte und verdammt trockene Chips zu futtern und sich nebenbei Sex and the City reinzuziehen.

Das würde jeder Mann tuen, der frei hatte… und der unfreiwillig Vater geworden war, womit er also jegliches Recht darauf hatte, Frust zu schieben.

Apropos Sex… Eigentlich war der doch an seiner ganzen Misere schuld, immerhin konnte man ohne ihn ganz bestimmt nicht schwanger werden. Seine Mine verfinsterte sich, als er an den Tag vor seiner Abreise dachte, welche nun mehr drei Jahre zurücklag.

Er war bei Sakura gewesen und wollte sich eigentlich nur von ihr verabschieden, aber irgendwie war es nicht bloß bei ein paar Umarmungen und Tränen geblieben. Viel mehr hatten sich zu den üblichen Verabschiedungsfloskeln ein paar weitaus weniger unschuldige Küsse und Blicke gemischt. Und anstatt es dabei zu belassen – denn eigentlich waren allein solche Handlungen schon zu viel des Guten gewesen – war er schlussendlich in ihr beziehungsweise sie beide auf Sakuras Küchentisch gelandet.

Eigentlich hatte er diese… freundschaftliche Extraleistung, oder wie man das Ganze auch immer nennen mochte, nie bereut. Nicht, als er früh morgens aus ihrer Wohnung geschlichen war und auch nicht, als er im Flieger gesessen hatte. Sie hatte ihm keinen Grund dazugegeben und nie ein Wort darüber verloren, weshalb er auch im Glauben geblieben war, dass dieser kleine Ausrutscher folgenlos geblieben war - mal ganz abgesehen von dem ein oder anderen Traum, was für ihn jedoch viel mehr zum angenehmen Nachgeschmack gezählt hatte und nicht als Konsequenz zu sehen gewesen war.

Sasuke hatte selten so guten Sex gehabt, wie mit Sakura, doch diese Tatsache wurde nun mehr von einem ganz und gar nicht erotischen oder gar guten Gefühl überschattet. Dem Gefühl der Verantwortung gegenüber einer anderen Person.

Seufzend fuhr er sich durch seine ohnehin recht schief sitzende Frisur, ehe er sich, einen Entschluss fassend, erhob, sich an seinen Laptop setzte und sich auf die Suche nach einem Flugticket machte, das ihn zurück nach Japan bringen würde. An sich war das natürlich keine schwere Sache. Er hatte Geld auf dem Konto, Urlaub und eigentlich fiel ihm sowieso die Decke auf den Kopf, aber irgendetwas in ihm sträubte sich ganz gewaltig, auf diesen kleinen, klitzekleinen Button zu drücken, mit dem er seine Bestellung bestätigen würde.

Gerade, als er all seinen Mut zusammengekratzt hatte, klingelte es an der Tür.

Fluchend, da Sasuke genau wusste, dass er sein Vorhaben nun schön vor sich herschieben würde, schob er den Stuhl zurück, auf dem er vor wenigen Sekunden noch gesessen hatte, und begab sich Richtung Tür. Derjenige, der hinter ihr stand, musste eine wirklich gute Ausrede parat haben, um ihn wieder zu besänftigen, so viel stand schon jetzt fest.

Schwungvoll und vor allem sauer drückte der Dunkelhaarige die Klinke hinunter und riss die Tür auf. Er wollte schon anfangen, sein Gegenüber anzuschnauzen, als ihm mit einem Mal jegliches Wort im Halse stecken blieb. Bis auf eines:
 

„Sakura.“
 

Und mit einem Mal war dort der Geruch von Vanille in seiner Nase, den er stets mit seiner Freundin verbunden hatte. Seine beste Freundin, mit der er Sex gehabt hatte und die doch eigentlich in Japan sein sollte.
 


 


 

So, dann melde ich mich auch mal zu Wort:

Erst einmal vielen Dank für die ganzen Favs und die Kommentare - ich freue mich immer wie wahnsinnig über jeden Einzelnen :)

Es tut mir leid, dass die Kapitel - im Gegensatz zu anderen FFs - immer recht kurz sind, aber irgendwie schaffe ich es nie, sie länger zu gestalten. Und apropos Kapitel: Ich befürchte, ich werde die nächsten nicht so schnell hochladen können. Das hier sollte eigentlich auch noch ein wenig warten, aber zur Feier des gestigen Tages habe ich es einfach hochladen müssen :D

So, das wars dann auch schon!

Bis zum nächsten Mal :) Euer Strümpfchen

Sehnsucht


 

*

Die erste Wiedererblickung lang ersehnter Menschen gibt diesen etwas von der Idealität der Vorstellung.

Jean Paul

*
 


 

Es gab einfach Momente im Leben, in denen alles zu viel wurde. Und genau so einen Moment erlebte er, Sasuke Uchiha, gerade. Diese Frau machte ihn einfach fertig. Erst der unerwartete Anruf, dann die verzweifelten Versuche, sie zu erreichen – was für ihn bereits sein nervliches Ende bedeutet hatte – und dann… das hier. Und mit „das hier“ meinte er nicht einfach irgendeine belanglose Situation. Denn dass seine beste Freundin vor seiner Tür stand, die eigentlich mehrere tausende Kilometer von ihm entfernt sein und auf seinen Sohn aufpassen sollte, war alles andere, aber definitiv nicht belanglos. Viel mehr war es eine verdammte Katastrophe und vermutlich seine persönliche Hölle, auch wenn er gedacht hatte, diese bereits erreicht zu haben.

Noch immer konnte er seinen fassungslosen Blick nicht von der Person vor sich abwenden, welche nichts Besseres zu tun hatte, als ihm frech ins Gesicht zu grinsen – fehlte nur, dass sie ihm noch die Zunge rausstreckte. Dann hätte er wenigstens eine Ausrede dafür gehabt, ihr eine zu kleben, doch anscheinend hatte Sakura gemerkt, dass er gerade kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren. Warum sonst hätte sie sich mit einem „Richtig. Sakura. So heiße ich. Schön, dass du dich noch an mich erinnerst.“ an ihm vorbeigequetscht?

Als hätte er diese Person von einem Menschen jemals vergessen können! Zum einen hatten sie unsagbar guten Sex miteinander gehabt und zum anderen hatte sie eine verdammt nervenaufreibende und damit sicherlich unvergessliche Art an sich, die ihn auch in diesem Moment mal wieder sprachlos werden ließ.

Stumm, wie Sasuke gerade war, ließ er erst einmal die Tür ins Schloss fallen, ehe er sich umwandte, nur, um sich einer belustigt dreinschauenden Sakura gegenüber zu sehen. Die Arme vor der Brust verschränkt, neben sich eine achtlos fallengelassene Tasche und an sich ein verdammt enganliegendes Top. Und er wusste genau, wie der Rest darunter aussah.
 

„Ich hoffe, du hast meinen Anruf erhalten?“, noch immer umspielte ein Grinsen ihre Lippen, welches jedoch, kaum hatte sie zu sprechen begonnen, beunruhigender Weise leicht spöttische Züge annahm.

Statt ihr eine Antwort zu geben, beließ der Dunkelhaarige es bei einem Nicken – erstens war er noch immer zu geschockt, um zu reden und zweitens wusste er genau, dass Sakura von selbst weiterreden würde. Aufforderungen dazu hatte sie nun wirklich noch nie benötigt. Zum Kleidungausziehen damals übrigens auch nicht. Doch alles, was auf ihre Aussage hin noch folgte, war ein zufriedenes Gut, ehe sie sich von ihm abwandte und ihren Blick prüfend durch sein Wohnzimmer schweifen ließ.

Gut? Sollte das alles sein? Keine Erklärung, warum sie einfach vor der Tür stand? Warum sie ihm die ganze Zeit ein Kind vorenthalten hatte, obwohl er ein Recht darauf gehabt hätte, schon eher davon zu erfahren? Nicht, dass er sonderlich viel Wert darauf gelegt hätte, aber man hätte es ihm auch sanfter beibringen können. Und nicht mit einer dämlichen Bandansage.

Leicht gereizt schnaubte er.

„Und scheinbar hast du das alles auch noch geglaubt.“ Irgendwie klang das gerade Ausgesprochene, beunruhigender Weise, nach einer sehr trockenen Feststellung, mit welcher er nun wirklich nicht gerechnet hatte – Erleichterung wäre doch eigentlich angebrachter, oder täuschte er sich? „Dann ist mir meine Rache für dein wortloses Verschwinden wohl gelungen. Hätte wirklich gerne dein Gesicht gesehen. Wobei… der Ausdruck jetzt gerade ist auch nicht schlecht.“

Hatte er eigentlich schon erwähnt, dass er ab und an unter unkontrollierbaren Aggressionen litt?
 

*
 

Sasuke hatte das Ganze erst einmal verarbeiten müssen – mit einem Glas Whiskey. Wobei das Glas in diesem Falle nicht gerade klein gewesen war. Natürlich war er froh, seine Vaterrolle wieder losgeworden zu sein und dennoch ärgerte es ihn ziemlich, dass er auf ihren „kleinen“ Scherz so einfach reingefallen war. Aber bei Sakura konnte man eben nie wissen, das war eine unumstößliche Regel. Immerhin war sie mal eben locker-flockig nach Amerika geflogen und hatte ihm unterbreitet, dass sie jetzt erst einmal für ein paar Wochen bei ihm bleiben würde, wobei es sich bei den paar Wochen um mindestens zwei Monate handelte. Als er sie – nicht ganz ohne Hintergedanken - gefragt hatte, ob sie denn nicht arbeiten müsse, hatte sie seine Hoffnung allerdings zunichte gemacht, sie bald wieder los zu sein. Da sie für ein Reisemagazin arbeitete, hatte sie einfach mal eben beschlossen, ein paar Artikel über Dallas zu publizieren und sich somit genügend Zeit verschafft, ihren besten Freund zu besuchen. Was für ein Glück er doch hatte!

Wenn er so darüber nachdachte, hörte er sich so an, als würde er Sakura überhaupt nicht mögen – was nicht der Wahrheit entsprach. Sie war und konnte durchaus sehr liebenswürdig und ertragbar sein. Jetzt gerade zum Beispiel, wo sie von einer sehr dicken Eichentür und einem Flur getrennt wurden. Denn während die Rosahaarige in der Küche herumwerkelte - sie wollte Kuchen backen - hatte er sich in sein Schlafzimmer verzogen mit der Ausrede, er habe Kopfschmerzen, was sogar annähernd der Wahrheit entsprach.

Und da lag er nun. Inmitten seines weichen und teuren Bettes und starrte an die Decke, während er darüber nachdachte, ob er nicht doch lieber aufstehen und seine Küche retten sollte. Doch irgendwie blieb der dafür nötig gewesene Motivationsschub aus. Also blieb er dort, wo er war und betete stattdessen für seine Marmorarbeitsplatte und seinen noch nie benutzten Backofen. Sie würden es mit Sicherheit überleben – zumindest redete er sich das ein.
 

*
 

Er musste eingenickt sein, denn als er die Augen aufschlug und einen Blick auf die digitale Anzeige seines Radioweckers warf, waren bereits zwei Stunden vergangen. Eigentlich hatte er vor, sich auf die Seite zu drehen, und einfach weiterzuschlafen, doch die Ruhe um ihn herum ließ ihn inne halten.

Angestrengt lauschte er, doch es drang kein Geräusch an sein Ohr. Und das fand er beunruhigend. Sehr beunruhigend, denn Sakura war niemals leise. Selbst wenn sie saß machte sie irgendwelchen Lärm und sei es nur in Form eines gesungenen Liedes oder eines angeschalteten Fernsehers. An weiterschlafen war folglich nicht zu denken, stattdessen machte er sich auf in Richtung Küche, welche offen an sein Wohnzimmer angrenzte und aus der ihm ein verlockender Geruch nach Frischgebackenem entgegenschlug.
 

Das erste, was ihm auffiel, waren seine Mehl bedeckten Fliesen und unzählige Küchenutensilien, welche sich in seiner Spüle stapelten, dann erst fiel sein Blick auf seinen ebenfalls zugesauten Tisch, auf welchem niemand anderes als Sakura lag. Den Kopf auf den verschränkten Armen platziert, die Augen geschlossen und die Haare voller Teigmasse, schien sie seelenruhig zu schlafen. Kopfschüttelnd zupfte er einen besonders auffälligen Klumpen aus ihren Haaren, ehe er – natürlich völlig unabsichtlich und frei von jeglichen Aggressionen - leicht an einer Strähne zog, ehe er seine Hand wieder sinken ließ.

Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, atmete tief ein. Aus irgendeinem Grund verspürte er auf einmal den Drang, die Zeit zurückzudrehen. Vielleicht hätte er damals, vor drei Jahren, anders handeln und nicht einfach wegfliegen sollen. Er wäre in Japan geblieben und wäre vielleicht auch dort glücklich geworden, dann müsste er sich zumindest nicht mit dieser nervigen Sehnsucht nach seinem alten Leben rumschlagen, welche ihm auf einmal bei dem Anblick seiner schlafenden Freundin überkam.

Aber alles half nichts. Kein Wünschen und auch kein Hoffen, er konnte die vergangenen Jahre nicht rückgängig machen und wollte es irgendwo auch gar nicht. Immerhin hatte er sich hier, in Amerika, ein tolles Leben aufgebaut mit allem, was man sich wünschen konnte.

Genervt von den unsinnigen Gedanken in seinem Kopf wandte er sich um, schaltete das Licht aus und begab sich zurück in sein Schlafzimmer. Morgen war auch noch ein Tag, an dem er Sakura den Hals umdrehen konnte. Für was?

Für einfach alles.

Vielfalt

*

Wir nehmen die irdischen Wunder für so natürlich hin, dass uns die einfachsten nicht mehr auffallen, geschweige denn ihre Vielfalt.

Samy Molcho

*


 

Natürlich kam alles ein wenig anders, als er gedacht hatte, denn auch drei Stunden nach dem Aufstehen lebte Sakura noch – ein Zeichen dafür, dass er bisher keinerlei Gelegenheit dazu gehabt hatte, ihr etwas anzutun.

Wobei sie ihm durchaus genug Gründe für ein schnelles Ableben ihrerseits gegeben hatte. Da war zum Beispiel die Sache mit seinem Badezimmer:

Welcher verdammte Mensch duschte so, dass das Bad danach aussah, als hätte man die Duschbrause wie ein Lasso über den Kopf kreisen lassen? Zumal er durchaus so etwas wie einen Duschvorhang besaß, den die Rosahaarige allerdings wohl übersehen hatte.

Eigentlich war Urlaub doch zum Erholen da, warum zum Teufel war ihm dies also nicht vergönnt? Stattdessen hatte er erst einmal die Küche putzen müssen, auch wenn Sakura sich vorher freiwillig dazu bereit erklärt hatte, das zu übernehmen. Aber irgendetwas hatte ihm gesagt, dass seine Kochstätte so enden könnte, wie es bei seinem Badezimmer der Fall gewesen war, deswegen hatte er sich beeilt und hatte ihren Plan, auch diesen Raum unter Wasser zu setzen, noch vereiteln können.

Und während er sich einen am Abrackern war, saß seine beste Freundin schön auf seinem Sofa – dessen Flecken übrigens fast nicht mehr zu sehen waren – und hatte ihre Füße, ihre Füße, auf seinem gläsernen Couchtisch liegen. Er liebte wohlerzogene Menschen und das wusste sie genau, was vermutlich auch der Grund für ihr Verhalten war.

Gott, er musste hier raus. Und was war eine bessere Ausrede als ein leerer Kühlschrank? Richtig, nichts und genau deswegen ging er nun schnurstracks zu seinem Fernseher und schaltete diesen aus. Noch bevor Sakura auch nur ansatzweise protestieren konnte – denn das wollte sie tun, das konnte er eindeutig in ihrem Gesicht sehen –, hatte er bereits die Stimme erhoben.

„Hör zu, ich muss einkaufen. Ich lass dir ´nen Hunderter da, der sollte reichen, falls es dir hier an irgendetwas mangelt. Kann bei mir ein bisschen dauern, hab nämlich später noch einen Termin. Zweitschlüssel ist in der Kommode neben der Tür. Wir sehen uns dann.“ Ein verdutztes Nicken ihrerseits, einen Geldschein seinerseits und schon war er zur Tür raus. Diese Ruhe – den Straßenverkehr zählte er nicht zu Lärm verursachenden Geräuschen – war einfach göttlich.
 

Für einen Moment schloss er die Augen und versuchte, das beunruhigende Gefühl von sich zu schieben, welches über ihn hergefallen war, kaum hatte er seine Wohnung verlassen. Sakura alleine war nicht gut. Sakura alleine in seiner Wohnung war noch viel schlechter.

Ein letztes Mal wandte er sich zu dem mehrstöckigen Wolkenkratzer um, dessen gläserne Fassade im hellen Sonnenlicht funkelte, dann drehte er sich wieder um und machte sich auf den Weg zu seinem auf der anderen Straßenseite geparkten Auto.

Es würde alles gut gehen, er musste nur ein wenig Vertrauen haben, auch wenn er mit eben diesem doch das ein oder andere Mal auf Kriegsfuß gestanden hatte.
 

Hätte Sasuke das vielsagende Grinsen auf dem Gesicht der Rosahaarigen gesehen, kaum hatte er seine Wohnung verlassen, hätte er mit Sicherheit sofort wieder kehrtgemacht. Doch so fuhr er - mehr oder weniger nichts ahnend – in Richtung Innenstadt.

Nach diesem Tag würde er eines gelernt haben: Gefühle konnten zwar trügerisch sein, aber manchmal tat man dennoch gut daran, ihnen Beachtung zu schenken.
 

*
 

Genau sechs Stunden später parkte Sasuke seinen Sportwagen an der McKinney Avenue, die Straße, an der auch der Gebäudekomplex Platz gefunden hatte, in dem er ein Apartment bewohnte. Die Umgebung sah nach Geld aus. Und so sollte es auch sein. Lebensmotto: Show me what you´ve got, baby! Und da er hatte, zeigte er auch - so war das Leben nun einmal.

Leise vor sich hin pfeifend verschloss er seinen weißen Audi R8 – sein Lebensmotto ließ grüßen – ehe er sich aufmachte in Richtung seiner Wohnung, die hoffentlich noch stand. Aber aufgrund der Tatsache, dass er nirgendwo ein Fahrzeug von Polizei, Krankenhaus oder gar Feuerwehr entdecken konnte, war zumindest eine mittlere bis schwere Katastrophe auszuschließen. Immerhin.

Die kleine Katastrophe allerdings konnte er bereits im Flur riechen. Auch wenn er inständig hoffte, dass ihm sein Geruchssinn lediglich einen Streich spielte. Aber das tat er nicht. Ganz und gar nicht. Denn das hätte bedeutet, dass auch seine Augen nicht mehr in Ordnung waren, was definitiv nicht der Fall sein konnte. Immerhin hatte er nicht viele Macken.

Das Problem beziehungsweise die Katastrophe war noch nicht einmal die Tatsache, dass sein Echtholzparkett von irgendeiner billigen Plastikfolie bedeckt war – auch wenn es ziemlich hässlich aussah -, sondern viel mehr die Tatsache, dass er irgendwann einmal – in einer Zeit vor Sakura – eine graue Wohnzimmerwand besessen hatte. Ursprünglich hatte sie sich rechts von der Fensterfront befunden, auf welche man direkt zusteuerte, verließ man den Flur, doch irgendwie war da nichts mehr. Zumindest kein Silbergrau mehr, was ihn verwirrt in der Tür zwischen Eingangs- und Wohnbereich verharren ließ.

„Na? Gefällt‘s dir?“, eine freudestrahlende Sakura hatte sich in sein Gesichtsfeld geschoben und wedelte eindeutig beunruhigend mit einem Pinsel vor seiner Nase herum. Beunruhigend, da sich an dem Pinsel noch immer frische Farbe befand. Viel frische Farbe und irgendetwas sagte ihm, dass er diese bald, würde er keinen Sicherheitsabstand nehmen, nicht nur auf seiner ehemals grauen Wand wiederfinden würde, sondern auch an sich selbst. Und da er darauf verzichten konnte, als Leinwand zu dienen, schob er Sakura wortlos beiseite, den Blick abermals auf ihr Meisterwerk gerichtet. Irgendwie war ihm mit einem Mal zum Heulen zu mute, als ihm bewusst wurde, dass es gerade mal der zweite Tag war, den die Rosahaarige bei ihm verbrachte und dass er bereits jetzt kurz davor war, sie auf den Balkon zu setzen und nicht mehr reinzulassen.

Er würde sie von seiner gemütlichen Couch in seinem nun leider lilanen Wohnzimmer aus beobachten und sich daran ergötzen, wie sie verzweifelt versuchte, wieder ins Innere der Wohnung zu gelangen. Irgendwann würde sie dann zitternd und wie ein Häuflein Elend auf dem Boden kauern und ihn aus vor Tränen geröteten Augen ansehen und er würde sich – ganz vielleicht – erbarmen.

Eine zu schöne und leider nicht umsetzbare Möglichkeit, da er es schlicht und ergreifend nicht übers Herz bringen würde. Was er aber sehr wohl noch konnte, war sprechen. Also wandte er sich der abwartenden und vermutlich auf ein Lob hoffenden Rosahaarigen zu.

Erster Schritt zu einem schlechten Gewissen: Mit vernichtenden Blicken Druck aufbauen und deutlich machen, dass Widerworte nicht geduldet wurden.

Zweiter Schritt: Bedrohlich näherkommen, die Arme vor der Brust verschränken und das Opfer nicht aus den Augen lassen.

Dritter Schritt: Anmeckern.

„Was fällt dir eigentlich ein? Das sind meine Wohnung und meine Wand! Soll ich vielleicht meinen Namen drauf schreiben, damit du die Finger davon lässt? Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen! Das nächste Mal, wenn ich das Haus verlasse, kommst du mit! Und es ist mir egal, ob ich in nur einkaufen gehe oder vorhabe, meine Nacht in einem Puff zu verbringen!“

Vierter Schritt: Abfällig schnauben… und dann doof aus der Wäsche gucken, da die sonst eigentlich recht wirksame Taktik ihren ursprünglichen Sinn verfehlt. Denn alles, was Sasuke zu sehen und zu hören bekam, war eine hochgezogene Augenbraue und ein „Bist du endlich fertig?“.

Er dachte es nur ungern, aber in diesem Moment hätte er kotzen können. Einfach direkt auf die ihm so höhnisch entgegen leuchtende lilane Wand.

„Ich weiß gar nicht, was du dich so aufregst. Deine graue Tapete hält doch niemand aus, das ist viel zu trist Es gibt so eine Farbvielfalt und du entscheidest dich natürlich für die absolute Deprifarbe!“ Hatte er einen optischen Fehler oder hatte sie gerade wirklich die Augen verdreht, während sie mit ihm redete?

Schnaubend wandte sich der Dunkelhaarige ab. Ihm fehlten schlicht und ergreifend die Worte im Angesicht einer solchen Dreistigkeit – und damit meinte er sowohl ihre Worte, als auch ihre Eigeninitiative in Sachen seiner Wohnung.

Schön und gut, eigenständiges Handeln hatte natürlich durchaus seine Vorteile. Und nein, er dachte gerade nicht an eine bestimmte Nacht vor drei Jahren, als Sakura ganz eigenständig… Whatever! Das tat jetzt absolut nichts zur Sache, war völlig fehl am Platz und würde zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden, aber definitiv nicht jetzt, wo er wütend auf ihr kindisches Verhalten war.

Wortlos verließ er das Wohnzimmer. Er brauchte jetzt ganz dringend ein Schaumbad.
 

*
 

Während er fast in seiner Badewanne ertrunken wäre – er war wohl ausversehen eingeschlafen -, hatte Sakura sich wohl weniger gefährlichen Dingen gewidmet: Nämlich dem Beseitigen der Spuren ihrer bösartigen Machenschaften aka Pinsel, Farbe und Folie. Anders hätte er es sich nicht erklären können, warum sein Wohnzimmer fast wieder genauso aussah wie zu Beginn des Tages – natürlich mit einem gewissen, kleinen und ganz unauffälligen Unterschied, den er momentan jedoch versuchte, zu ignorieren.

„Sasuke?“

Der Angesprochene, welcher vor wenigen Sekunden noch damit beschäftigt gewesen war, seine frisch gewaschenen Socken zu sortieren, bedeutete der Rosahaarigen mit einem Nicken, weiterzusprechen. Er sah es gar nicht ein, ihr großartig Aufmerksamkeit zu schenken, immerhin hatte sie sein so harmonisches Leben gründlich durcheinander gebracht. Sie war unangekündigt in Amerika aufgetaucht und war wie ein Tornado über ihn hinweg gefegt, da war es doch verständlich, dass er nicht gerade erfüllt von Dankbarkeit war – und das würde er sie auch definitiv noch spüren lassen.

„Tut mir leid.“

Oder auch nicht. Leise seufzend und sehr über seine Standhaftigkeit erfreut, wandte er sich nun doch der hinter ihm stehenden Rosahaarigen zu, den Arm voller Sockenpaare. „Schon gut. Aber ich hoffe, dir ist klar, dass du mir dafür noch etwas schuldest.“ Es war keine Frage seinerseits, sondern viel mehr eine Feststellung und trotz Sakuras Mittelfinger, den er als Antwort zu sehen bekam, wusste er, dass sie damit einverstanden war. Mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen ging er an ihr vorbei: „Schön, dass wir uns einig sind.“

Das gemurmelte „Am Arsch“ hörte er zwar, empfand es jedoch nicht als nötig, etwas darauf zu erwidern. Seine Socken mussten im Schlafzimmer untergebracht werden und das stand auf seiner Prioritäten-Liste deutlich weiter oben als sein Gast.
 

*
 

Es war ein kühler Montagabend und dennoch herrschte auf den Straßen Dallas noch immer reges Treiben. Das Hupkonzert ungeduldiger Autofahrer vermischte sich mit dem Rauschen der Reifen auf dem nassen Asphalt und bildete mit dem Stimmgewirr unzähliger Passanten einen angenehmen Geräuschteppich, welcher sich über die gesamte Stadt gelegt zu haben schien. Selbst im an den Woodall Rodgers Freeway angrenzenden Griggs Park konnte man die Geräuschkulisse noch vernehmen, wenn auch etwas gedämpfter. Zu dieser Uhrzeit befand sich dort, in der recht kleinen Grünanlage, kaum noch ein Spaziergänger und wenn doch, dann handelte es sich meist um Jugendliche, die den Tag mit etwas Alkohol ausklingen ließen oder verliebte Pärchen, welche ein wenig Ruhe suchten.

Eine der wenigen Ausnahmen bildeten Sasuke und Sakura. Sie hatten weder Alkohol dabei, noch sahen sie sonderlich verliebt aus, wie sie so stumm nebeneinander hergingen. Sasuke die Hände in den Hosentaschen vergraben, Sakura sich immer wieder eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht streichend.

„Wollen wir uns vielleicht kurz setzen?“, schlussendlich war es die Rosahaarige, welche das Wort ergriff und auf eine vereinzelte Parkbank deutete, die im Halbdunkel einer Straßenlaterne lag. Er nickte nur als Zeichen seines Einverständnisses, ehe sich beide auf dem wettergegerbten Holz niederließen, die unzähligen dorthin gekritzelten Botschaften und Liebesschwüre ignorierend.

Sasuke wusste nicht, was ihn geritten hatte, als er einem Spaziergang zugestimmt hatte. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, aber irgendwie hatte er das schlechte Gefühl nicht ignorieren können, welches sich in seiner Magengegend eingenistet hatte und das genauso penetrant war wie ein gewisser Gast. Er fürchtete sich und der Grund dafür lag ganz offensichtlich auf der Hand, auch wenn er lange gebraucht hatte, sich diese einfache Tatsache einzugestehen. Denn Angst war eines der Wörter, die er einmal in fünf Jahren verwendete – und selbst dann nicht auf sich bezogen. Doch selbst ein Mann seines Kalibers konnte nicht über Emotionen bestimmen, so gerne er es auch getan hätte.

Innerlich legte er sich bereits seine Worte zu Recht, die er aufsagen würde, käme es wirklich zu einer solchen Ausnahmesituation. Dass Sakura ihm ihre Liebe gestehen könnte, war in seinen Augen noch nicht einmal ganz unwahrscheinlich und auch nicht unverständlich – immerhin war er schon eine verdammt gute Partie. Das musste er sich einfach eingestehen, auch wenn es ihm… nicht sonderlich schwer gefallen war.

„Nein, ich bin nicht in dich verliebt.“

Autsch. Wozu, verdammt noch mal, hatte man eine Diamantfeile*, wenn sie nie da war? Die kleinen Kratzer in seinem gläsernen Ego mussten nämlich schleunigst beseitigt werden! Hatte man ihm seinen Gedankengang so offensichtlich ansehen können?

„Als ob ich an so etwas gedacht habe…“, er hoffte inständig, dass der verstimmte Unterton in seiner Stimme nicht zu hören gewesen war, ansonsten würde er sich mit Sicherheit einen blöden Kommentar anhören müssen. Doch alles, was er als Reaktion zu hören bekam, war ein leises Lachen, welches sich keineswegs nach Spott anhörte. Warum zum Teufel war ihm nie aufgefallen, wie schön es klang?
 


 


 

Diamantfeile = Glasfeile

Ruhe


 

*

Möge dein Herz nicht zur Ruhe kommen,

wenn du in traurige Augen schaust.

Irischer Segen

*
 

Der Anflug leiser Romantik, welcher dann doch gegen Ende ihres Spazierganges aufgekommen war, war allerdings auch genauso schnell wieder verflogen, wie er aufgetaucht war. Ganz im Gegensatz zu dem Geruch von Hundescheiße, in die Sasuke auf dem Rückweg getreten war und deren Duft ihn beziehungsweise sie beide noch bis zu seiner Wohnung verfolgt hatte. Zusammen mit Sakuras gar nicht mehr so schön, sondern viel mehr diabolisch klingendem Lachen.

Das Schuhpaar war dann auch ganz schnell in der Mülltonne gelandet, denn erstens hatte er genug davon und zweitens war er definitiv nicht der Typ Mann, der sich die Mühe machte, aus den Tiefen seines Sohlenprofils Hundescheiße zu kratzen.

Da es bereits nach ein Uhr gewesen war, hatten sie beschlossen, gleich ins Bett zu gehen. Er in sein Schlafzimmer, Sakura in sein Gästezimmer. Zum Glück besaß er ein solches, ansonsten hätte er sich vermutlich auch nachts noch mit ihr beschäftigen müssen, was vielleicht das ein oder andere Mal ganz nett gewesen wäre, aber er bevorzugte sein Bett in der Regel ohne weibliches Wesen. Und bevor er mit Sakura ein weiteres Mal in die Kiste steigen würde, hatte er noch das ein oder andere zu klären – auch wenn sie im Park deutlich verlauten lassen hatte, nicht in ihn verliebt zu sein. Bei Weibern konnte man nie wissen. Die konnten einem so dreist ins Gesicht lügen, dass man noch nicht einmal ansatzweise erahnen konnte, dass es sich nicht um die Wahrheit handelte. Könnte die Rosahaarige ihm keinen plausiblen Grund für ihr Auftauchen hier, in Dallas, liefern, war er gezwungen, sie in einem gewissen, sozialen Netzwerk in den Ordner „Eroberungen“ zu verschieben. Es herrschte definitiv Klärungsbedarf zwischen ihnen beiden, denn warum Sakura nach drei Jahren urplötzlich bei ihm aufgetaucht war, stand noch immer unbeantwortet im Raum.
 

*
 

Leise gähnend betrachtete er sein Spiegelbild, welches ihm ausdruckslos entgegensah. Wie immer war seine Haut makellos – bis auf die bereits erwähnten Fältchen und den Kissenabdruck auf seiner rechten Wange, welcher ihm rot entgegen leuchtete. Bettwäsche konnte verdammt asozial sein, so viel stand fest.

Ein leises Klopfen ließ ihn seine Hand wieder sinken lassen, mit der er noch vor wenigen Sekunden sein Gesicht betastete hatte und drehte sich mit einem „Ja?“ zu der sich öffnenden Badezimmertür.

„Morgen.“, war alles, was aus dem Mund der ebenfalls recht zerknautscht aussehenden Rosahaarigen kam, ehe sie nach seiner Haarbürste griff. Dass Sasuke nur mit einem Handtuch um die Hüfte neben ihr stand, schien sie nicht im Geringsten zu stören – vielleicht war sie aber auch einfach zu müde, um es zu realisieren. Im Grunde genommen war es ihm aber auch reichlich egal, immerhin hatte er nichts zu verbergen, allerdings gab es etwas, das ihn weit mehr störte, als seine Körperbekleidung und was Sakura darüber denken könnte.

„Wenn ich nachher rosa Haare in meiner Bürste habe, kaufst du mir eine Neue.“

„Bitte?“, ungläubig zog die Angesprochene eine Augenbraue in die Höhe, ehe sie abfällig schnaubend den Kopf schüttelte. „Du hast sie echt nicht mehr alle.“

Genervt verdrehte Sasuke die Augen, blieb ihr allerdings eine Antwort schuldig und beobachtete sie stattdessen. Eigentlich war dies die perfekte Gelegenheit, seine Frage von gestern Nacht loszuwerden.

„Was hat dich eigentlich hier her verschlagen?“

Kurz hielt sie in ihrer Tätigkeit inne, ehe sie fortfuhr, die Bürste durch ihre Haare gleiten zu lassen. Den Kopf schief gelegt, sah sie Sasukes Spiegelbild in die Augen, dann zuckte sie mit den Achseln. „Du natürlich.“

„Witzig.“, erwiderte er trocken: „Das ist keine Antwort.“ Sakura seufzte leise auf. Sie schien nicht sonderlich erpicht auf dieses Gespräch zu sein und vermutlich würde sie so einiges dafür geben, jetzt nicht neben ihm im Badezimmer zu stehen. Würde sie jetzt zur Flucht ansetzen, er würde es zu verhindern wissen – auch wenn das bedeuten würde, dass er sein Handtuch opfern müsste, denn es war fraglich, ob es einen Sprint überleben würde. Doch scheinbar war sein Gedankengang völlig unbegründet, denn alles, was Sakura tat, war, die Bürste beiseite zu legen. Er würde später noch einmal darauf zurückkommen, denn die sich dort befindlichen rosa Haare waren kaum zu übersehen. Aber das hatte Zeit – der Supermarkt um die Ecke hatte schließlich 24 Stunden geöffnet.

„Ich wollte einfach mal sehen, wie es dir so ergangen ist.“

Oho, hörte er da etwa einen niedergeschlagenen Unterton heraus? Nicht, dass er sich jemals großartig mit den Anzeichen von Gefühlsregungen beschäftigt hätte, aber auch er besaß so etwas wie Feingefühl – auch wenn es bei anderen sicherlich weitaus ausgeprägter war.

„Aha.“

Okay, wie war das mit dem Feingefühl gewesen? Seine Antwort hätte er sich, so im Nachhinein betrachtete, wirklich sparen können – was auch Sakuras Meinung zu sein schien, denn für einen kurzen Moment verzog sie das Gesicht gerade so, als wäre er ihr soeben auf den Fuß getreten, ehe sie mit einem fast zickigen Unterton antwortete: „Ist das Kreuzverhör beendet?“

Er zuckte nur mit den Achseln: „Da ist die Tür.“ Und der nächste Fauxpas. Warum konnte er auch nicht einmal den Mund halten? Allerdings musste er zu seiner Verteidigung vorbringen, dass Frauen auch wirklich empfindlich waren. Ein Mann hätte seine Antwort als ein einfaches Ja aufgefasst – nicht aber Sakura, denn der traurige Ausdruck, welcher sich für einen kurzen Moment über ihre Augen gelegt hatte, blieb selbst ihm nicht verborgen. Und aus irgendeinem Grund machte ihn das verdammt wütend, denn er wusste genau, dass ihm dieser Ausdruck nun den ganzen Tag nicht mehr in Ruhe lassen und er sich Gedanken machen würde.

Und das wollte er nicht.

Sein Kopf gehörte ihm und es hatte niemand anderes etwas dort drin zu suchen – zumindest nicht gegen seinen Willen.
 

Vor lauter innerlichem Aufregen hatte er gar nicht bemerkt, wie Sakura das Bad verlassen hatte. Sie, die Quelle allen Übels, die sein Leben kräftig durcheinander gebracht hatte, war verschwunden. Allerdings hatte sie wohl vergessen, das schlechte Gewissen ebenfalls mitzunehmen, welches nun in seiner Magengegend munter Purzelbäume schlug und ihn zu verspotten schien – auch wenn es im Grunde genommen völlig unnötig war. Immerhin wusste Sakura nur zu gut, was für ein Mensch er war und er hatte sie auch nicht darum gebeten, ihm nach Amerika zu folgen. Wäre sie einfach in Japan geblieben, hätten er einfach sein neu erschaffenes Leben führen können, denn das war eigentlich sein Ziel gewesen.

Raus aus dem eintönigen Trott in seinem Heimatland und rein in den American Way of Life, auch wenn das bedeutet hatte, alles hinter sich zu lassen inklusive seiner Freunde. Er hatte seine neu gewonnene Einsamkeit genossen, zumindest hatte er das gedacht, denn auf einmal musste er erkennen, dass ein Teil von ihm noch immer an seinem alten Leben hing. Ein Teil, den Sakura ihm quasi als Mitbringsel überreicht hatte, unwissentlich und doch wurde er das Gefühl nicht los, dass sie es irgendwo mit voller Absicht getan hatte. Dass sie gewusst hatte, dass Vergessen ein Prozess war, den man mit nur wenigen Handgriffen wieder rückgängig machen konnte.

Er würde definitiv noch einmal mit ihr reden müssen, aber das würde er auf einen anderen Tag verschieben, denn vermutlich würde Sakura heute kein einziges Wort mehr mit ihm wechseln. Außer natürlich, er fesselte sie an sein Bett – ein wirklich reizender Gedanke – und verpasste ihr einige Elektroshocks – nicht ganz so reizend -, was sie vermutlich aber eher zum Schreien bringen würde – doch gar keine so schlechte Idee. Und ob ein solches Vorhaben sich besonders positiv auf die noch vor ihnen liegenden Wochen auswirken würde, war dann doch eher fraglich.

Ob er sich einfach entschuldigen sollte? Besser nicht, sie würde es ihm sowieso nicht abnehmen.
 

*
 

Eigentlich, aber wirklich nur eigentlich, hatte Sasuke vorgehabt, Sakura an diesem Tag aus dem Weg zu gehen, aber niemand anderes als die Rosahaarige selbst hatte diesen Plan, nur wenige Stunden nach ihrem Aufeinandertreffen im Badezimmer, vereitelt. Natürlich, er hätte auch einfach mit anhören und –sehen können, wie sie seine Küche abfackelte, aber für solch eine herzlose Tat hing er dann doch etwas zu sehr an seiner Einrichtung.

Um das Ganze aufzuklären: Sakura hatte, vermutlich beabsichtigt, da sie verdammt wütend ausgesehen hatte, als Sasuke die Küche beinahe schon panisch betreten hatte, Rührei anbrennen lassen. An sich nichts unbedingt schlimmes, allerdings war das Problem viel eher, dass seine – nun vermutlich ehemals – beste Freundin die verkohlten und am Boden klebenden Reste mit einem Messer versucht hatte zu entfernen. Und das nicht gerade sanft.

Dass er bei dem Anblick seiner Bratpfanne, welche im Einkauf knapp tausend Dollar kostete und die von einem ziemlich scharfen Fleischmesser traktiert wurde, nicht ganz so ruhig geblieben war, dürfte für jedermann verständlich sein. Dennoch hatte er sich zusammengerissen, auch wenn er beim Anblick der total zerstörten Pfannenbeschichtung beinahe in Ohnmacht gefallen wäre, und hatte Sakura nicht angeschrien – vermutlich saß der Schock auch noch viel zu tief. Nur ein Gedanke hatte sich zu diesem Zeitpunkt in seinem Kopf festgesetzt: Nach dem Besuch der Rosahaarigen würde er vermutlich erst einmal in Kur fahren müssen. Ob seine Krankenkasse das allerdings übernehmen würde, war fraglich.
 

Die Sache mit der Haarbürste hatte Sasuke an diesem Tag übrigens nicht mehr angesprochen, denn im Anbetracht der möglicherweise noch folgenden Schäden schien sie ihm dann doch ein vergleichsweise kleines Opfer.

Wald


 

*

Wer einen Wald von Vorurteilen pflanzt, dem gedeihen Holzwege in Hülle und Fülle.

Ernst Ferstl

*
 


 

Eigentlich hatte schon ihr erstes Zusammentreffen vor nun mehr 16 Jahren unter keinem guten Stern gestanden und vielleicht hätte er nach diesem ahnen müssen, dass ihre Freundschaft eher einer komplizierten Operation mit vielen Herzstillständen gleichen würde als einem gemütlichen Spaziergang.

Damals war Sakura nach den Sommerferien neu in seine Klasse gekommen und, wie der Zufall es gewollt hatte, wurde sie direkt vor ihn gesetzt. Vermutlich wäre alles ganz anderes gekommen, hätte er einfach seinen Mund gehalten – oder zumindest irgendetwas Lässiges á la Du auch hier? gesagt, aber natürlich hatte er keines von beidem getan.

Im Grunde genommen war an dem ganzen darauffolgenden Schlamassel allein einer seiner damaligen Freunde schuld. Suigetsu, ein Großmaul und Klassenclown sondergleichen, hatte nämlich nichts Besseres zu tun gehabt, als ihm ziemlich schmerzhaft den Ellenbogen in die Seite zu rammen und – in seinen Augen vermutlich ganz lässig – die Augenbrauen in die Höhe zu ziehen.

„Na? Wär' die nichts für dich? Dann bist du immerhin nicht mehr der einzige ohne Freundin.“ Da seine Freunde in letzter Zeit generell nichts anderes zu tun hatten, als ihn mit seinen mangelnden Beziehungen aufzuziehen, ging er bei diesem Thema mittlerweile recht schnell an die Decke. Eine Tatsache, die ihm in der damaligen Situation – milde ausgedrückt – nicht gerade zugute kam.

„Ich bitte dich. Hast du ihre Haarfarbe gesehen? Das ist ein verdammter Punk. Sowas ist doch nicht gut im Bett.“

Genervt hatte er sich zurückgelehnt, die Hände vor der Brust verschränkt und nicht mitbekommend, dass sich besagter "Punk" mittlerweile vor seinem Tisch aufgebaut hatte. So im Nachhinein gesehen hatte ihr Gesichtsausdruck wirklich nichts Gutes verhießen.

„Hat dein reizender Kumpel nicht eben angedeutet, dass du Mädchen bisher nur aus der Ferne betrachtet hast? Woher dann diese weit greifende Lebenserfahrung, Prinzessin?“, das Lächeln auf ihren Lippen hätte gefährlicher nicht sein können und war genau von der Sorte gewesen, vor der er sich noch heute fürchtete. Mit den Händen hatte sie sich auf seiner Tischplatte abgestützt, um sich besser zu ihm vorbeugen zu können – nebenbei bemerkt hatte er dadurch eine fantastische Aussicht gehabt – und nur wenige Zentimeter hatten ihre Gesichter voneinander getrennt.

„Aber wenn du dich ganz brav entschuldigst und mich lieb darum bittest, zeige ich dir vielleicht nach der Schule, wie das so mit den Bienchen und den Blümchen funktioniert.“

Zum Glück hatte in diesem Moment der Lehrer den Klassenraum betreten und er war um eine Fortsetzung des Wortgefechts herum gekommen, worüber er ziemlich erleichtert gewesen war. Zugegeben, er war schon einmal charmanter mit dem weiblichen Geschlecht umgegangen, aber was konnte er auch dafür, dass Mädchen immer gleich alles so persönlich nahmen? Zwei Wochen später hatte er dann die Gelegenheit zu einer Entschuldigung auf dem so berühmten Silbertablett serviert bekommen – und das mitten im Wald bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Joggen. Ironie, Ironie. Es gab fast nichts, was er langweiliger fand, aber was nahm man nicht alles auf sich auf dem Weg zum Traumkörper?

Es war ein schöner Tag gewesen, nicht zu warm und nicht zu kalt und dementsprechend hatten sich unzählige Spaziergänger, Radfahrer und andere Jogger auf dem breiten, schattigen Waldpfad getummelt. Aus diesem Grund hatte er wohl zu anfangs auch nicht registriert, wer genau dort wenige Meter vor ihm aus einem Nebenpfad auf den Hauptweg eingebogen war, aber irgendwann war ihm dann der wippende rosane Pferdeschwanz ins Auge gefallen. Augenblicklich hatte er seine Schritte beschleunigt, nur, um wenige Sekunden später auf gleicher Höhe mit Sakura zu sein, welche ihm lediglich einen kurzen Blick zugeworfen und dann unbeirrt ihren Weg fortgesetzt hatte.
 

„Unsere erste Begegnung ist wohl etwas blöd verlaufen.“
 

Irgendwie hatte er ja mit einer Erwiderung auf seine Feststellung gerechnet, aber irgendwie war diese ausgeblieben und so hatte er sich unweigerlich dazu gezwungen gesehen, weiterzureden. So ungern er auch solche Unterhaltungen führte, die unweigerlich darauf schließen ließen, dass er derjenige gewesen war, der einen Fehler gemacht hatte.
 

„Neustart?“
 

Abrupt war Sakura stehen geblieben. Er selbst hatte nicht so schnell reagieren können und war erst nach einigen weiteren Schritten zum Stehen gekommen, hatte sich erwartungsvoll zu seiner unfreiwilligen Joggingbegleitung umgedreht. Eben Angesprochene hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und ihn mit einem Blick angesehen, der irgendwie darauf hingedeutet hatte, dass sie ihn ziemlich merkwürdig fand. Fast hatte er damit gerechnet, abermals ihre schlechte Laune zu spüren zu bekommen, doch das erwartete Gezicke war ausgeblieben. Stattdessen hatte sie sich wieder in Bewegung gesetzt und gerade, als er gedacht hatte, sie würde ohne jegliche Antwort an ihm vorbeijoggen, hatte sie noch einmal inne gehalten, ihn von oben bis unten gemustert und dann, endlich, genickt.
 

„Neustart.“
 

Und mit diesem Wort hatte sie ihn stehen gelassen, war auf irgendeinen Trampelpfad ausgewichen und so aus seinem Blickfeld verschwunden.

Irgendwie war sie ihm schon immer suspekt gewesen und so im Nachhinein fragte er sich ernsthaft, warum er sie nach dem Vorfall in der Klasse noch einmal angesprochen hatte – immerhin wäre ihm dann so einiges erspart geblieben. Zum Beispiel eine ziemlich gute Freundin, die er doch irgendwo nicht mehr missen wollte. Sakura hatte ja auch ihre guten Seiten, manchmal fiel es ihm nur schwer, sie in dem ganzen Gewirr von Komplikationen auszumachen und sie nicht aus den Augen zu verlieren.

Vielleicht sollte er einfach mal wieder etwas mit ihr unternehmen, das sie beide an die guten, alten Zeiten erinnerte? Natürlich nur, um das Klima zwischen ihnen beiden zu verbessern und das Zusammenleben auf unbestimmte Zeit ein wenig erträglicher zu gestalten.

So ein Zoo mit kleinen, pelzigen Tierchen wäre sicherlich eine gute Basis für ein paar ungezwungene und streitfreie Stunden – das dachte er zumindest in diesem Moment.
 

Er würde definitiv eines Besseren belehrt werden.



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von:  Kleines-Engelschen
2015-07-13T19:41:37+00:00 13.07.2015 21:41
es geht weiter :D ein klasse kapitel. ich freue mich richtig darauf zu erfahren wie es weitergeht.

greetz
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T16:28:03+00:00 09.08.2012 18:28
In Amerika ist doch Dollar die Währung und nicht Euro, aber auch 1000 Dollar für eine Bratpfanne ist echt heftig. Er hätte sie damit vermöbeln sollen. Das ist doch schon kein Rachefeldzug mehr, dass ist eine systematische Zerstörung seines Lebens und seiner Einrichtung.

Sasuke ist in der FF viel zu gütig. Hier sollte er mal langsam zum Arschoch werden, sonst malert sie noch in den anderen Zimmern rum und zerschneidet sein Sofa.

LG Rosetta
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T16:18:39+00:00 09.08.2012 18:18
Was ist denn mit Sakura los?
Hat sie irgendwelche Pillen geschluckt?
Die ist ja schlimmer als ein Kleinkind. Pinselt einfach das Wohnzimmer neu an. Sasuke war noch viel zu geduldig. Für mich wäre das ein Grund gewesen, das gesamte Haus zusammen zu brüllen, nur um sie dann wirklich auf den Balkon zu sperren.
Das geht ja mal gar nicht. Sowas dreistet. Er hätte an die Wand kotzen sollen, dann hätte sie seine Meinung dazu ja verstanden.
Jetzt hat er auch noch ein angekraztes Ego. Sakura schenkt ihm aber auch wirklich gar nicht.

LG
Rosetta
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T16:03:28+00:00 09.08.2012 18:03
Das ist ein ziemlich bitterer Scherz gewesen. An Sasukes Stelle wäre ich wohl im selben Moment der Aufklärung an die Decke gegangen. Und dann hätte ich mich wieder beruhugt und wäre erleichtert gewesen, dass alles nur ein blöder Scherz war.
Nun gut, toll ist es nicht gewesen, dass er sich aus dem Staub gemacht ohne ein Wort zu sagen, aber das war doch ein etwas heftiger Rachefeldzug.
Ist trotzdem gut. Sakura scheint aber etwas seltsam drauf zu sein. Kenn ich so in der Form auch nicht.

LG
Rosetta
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T14:42:44+00:00 09.08.2012 16:42
Sakura scheint ein kleines Biest zu sein.
Wieso kommt sie mit dieser Nachricht denn erst jetzt um die Ecke und nicht schon gleich, als die Schwangerschaftstest in der Hand hatte?
Soll das jetzt so eine Art Überfall werden?
Sasuke soll sich bloß nicht weichklopfen lassen. Innerhalb von drei Jahren kann man ja wohl auch wirklich verlangen, dass mal eine Bermerkung in die Richtung du hast einen Sohn fällt.

Das mit dem Rotwein fand ich super. Ich glaube ich hätte noch ein paar Flaschen mehr drauf gekippt oder mir gleich ein neues Sofa gekauft, um mir die Mühevolle Reinigung zu schnenken ^^
Ich bin jetzt mal gepsannt was passieren wird. Die Stroy gefällt mir bisher total.

LG
Rosetta
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T14:30:05+00:00 09.08.2012 16:30
Das ist ja eine tolle Nachricht.
Ich komme gerade vom Sport und da fiel mir ein, dass ich dir ja noch was sagen muss. Sorry, ich hab es einfach vergessen.
Top, Sakura. Echt eine Meisterleistung. Eine solche lebensvändertende Mitleidung plappert man doch nicht mal eben so auf den Anrufbeantworter. Das klingt ja so als wolle man sich eine Pizza bestellen. Die sollte mal ganz dringend Taktgefühl lernen -.-
Armer Sasuke. Das ist neben den tiefer werdenden Falten und vermutlich langsam grau werdenden Haaren, ein halber Weltuntergang. Mein Mitleid hat er in jedem Fall.

LG
Rosetta

Von:  Pretty_Crazy
2012-08-09T14:06:47+00:00 09.08.2012 16:06
Friede, Freude, Eierkuchen.
Bei soviel Harmonie, kann ja nur irgendetwas ganz Bitteres hinterher kommen. Es ist aber wirklich gut geschrieben. Schöne Erinnerungen an die damalige Zeit, wo man noch Pflaumen aus Nachbargarten gestohlen hat und sich so lange damit vollstopfen konnte, bis kein Platz mehr war. Das Verdauungsschläfchen fand dann auf der Wiese unter strahlender Sonne statt.
Ganz schön kitschig, aber süß :) Erinnerungen dürfen Kitschig sein.

LG
Rosetta
Von:  Manga3
2012-07-27T11:20:11+00:00 27.07.2012 13:20
oi oi oi!
mir gefällt die FF sehr! endlich mal wieder was gutes :-)
freu mich auf's nächste Kapitel :3
Von: abgemeldet
2012-07-16T23:07:00+00:00 17.07.2012 01:07
Ich bin zu langsam mit kommentieren. Oder zu faul. ^^'
Die Beziehung scheint sich langsam etwas zu entwickeln, wenn auch nicht unbedingt in eine gute Richtung.
Das mit der Pfanne ist mir auch schonmal passiert. Ich wollte ein zähes Schnitzel in der Teflon-Pfanne auseinandersäbeln... und ja. XD
Irgendwie tut mir Sasuke leid... und Sakura auch.
Ausserdem, als sie ihm offenbart hat, dass alles gelogen war - ich habe es wirklich vollkommen geglaubt, genau wie er. O.O'
Von:  Kayurinya
2012-07-09T08:39:51+00:00 09.07.2012 10:39
Ich grinse immer bei deiner Ausdrucksweise :D
Die is so witzig...
Aber so langsam muss mal was kommen hier!
Ich sitz auf heißen Kohlen!
Hurtig Hurtig!!!! ;)

LG


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