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Ihn und keinen anderen

von

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Das kräftige orange der untergehenden Sonne kündigte das Ende des Tages und die somit beginnende Nacht an. Alles schien ruhig. Kein Vogelgezwitscher, keine schreienden Kinder oder lauter Verkehr. Alles in allem hätte der Abend nicht besser sein können.

Na gut, einer fehlte eigentlich noch, aber der würde sicher auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.
 

Als die Sonne komplett vom Horizont verschwunden war, wand ich mich von dem Fenster ab, an welchem ich bis jetzt gestanden hatte. Ich musste noch etwas vorbereiten, bevor er kam.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ging ich auf den Dachboden des Hauses, in dem wir seit gut 4 Jahren zusammen wohnten. Er war damals zu mir gezogen, nachdem wir beschlossen hatten, es mit einander zu versuchen.
 

Ich kramte kurz in ein paar Kisten und fand auch ziemlich schnell was ich suchte: Kerzen.

Ich nahm einige heraus und ging wieder nach unten ins Wohnzimmer. Dort stellte ich die weißen und roten Wachszylinder auf Fensterbrett, Tisch, Regale und Boden und zündete sie schließlich an.

Die Lampen im Zimmer hatte ich bereits ausgeschalten und so erfüllte das Feuer der Kerzen den Raum in ein wärmendes Licht. Ich entschloss mich, auch noch ein Räucherstäbchen an zu machen. Im nu war die Luft mit einem Columbine ähnlichen Geruch erfüllt.

Ich wusste, dass er diesen liebte, was auch der einzige Grund war warum ich diese Stäbchen damals gekauft hatte.
 

Zufrieden mit dem Ergebnis meiner Vorbereitungen sah ich mich um. Ein kleines Lächeln zuckte über meine Lippen.

Ja, das würde ihm sicher gefallen.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass er bald kommen würde.

Um die kurze Zeit bis zu seiner Ankunft zu überbrücken machte ich mir noch einen Tee und setzte mich mit diesem und einem Buch auf das Sofa.
 

Minute um Minute verstrich. Aus Minuten wurden letztendlich Stunden. Mein Tee war leer, das Buch hatte ich zu Ende gelesen, das Räucherstäbchen war inzwischen abgebrannt und auch einige der kleineren Kerzen waren bereits aus.

Ich zog bereits in Erwägung ihn anzurufen, als ich das Klicken der Haustür vernahm. Sofort machte mein Herz einen Sprung.

Ein Schlüssel wurde im Flur abgelegt, das Rascheln von Klamotten war zu hören und kurz darauf Schritte.
 

Ich hatte mich inzwischen vom Sofa erhoben und war zum Fenster gegangen, den Blick schmunzelnd auf die kleine Flamme der Kerze gerechnet.

Ich hörte wie die Schritte ein paar Meter hinter mir im Türrahmen zum stehen kamen, konnte den aufmerksamen Blick auf mir spüren.
 

„Du bist spät.", sagte ich, die Stimme mit gespieltem Vorwurf und Ärger gefüllt. Er seufzte.
 

„Wie lange willst du das noch machen?", fragte die Person hinter mir schließlich. Doch es war nicht der Ton den ich erwartet hatte zu hören. Zwar kannte ich denjenigen, der hinter mir war, aber war es dennoch nicht er.

Als ich das begriff seufzte ich entnervt.
 

„Die Frage ist: Was machst du schon wieder hier? Hab ich dir letztens nicht deutlich genug gesagt, das du dich in Zukunft von mir fern halten sollst, Moron?", gab ich leicht wütend als Antwort. Er sollte verschwinden, er gehörte nicht mehr hier her.
 

Wieder hörte ich seine Schritte, bis er genau hinter mit stand.
 

„Und ich hab dir gesagt, dass ich dich nicht alleine lassen werde. Einer muss dir ja helfen und ich als Held bin dafür natürlich bestens geeignet."
 

„Aber ich brauche deine Hilfe nicht, also verschwinde Francis!"
 

Ich zuckte überrascht zusammen als der Franzose mich zu sich umdrehte und an den Schultern packte. Er sah mir ungewöhnlich ernst in die Augen und auch sonst war etwas an ihm als normalerweise.
 

„Das bringt doch nichts Angleterre! Wie lange willst du das noch machen, bis du es endlich begreifst?!", sagte er lauter als wahrscheinlich gewollt.
 

„Du hast doch keine Ahnung! Warum gönnst du mir denn nicht das ich mal glücklich bin?!", schrie ich ihn an. Meine Sicht verschwamm schon leicht durch die Tränen die sich in ihnen bildeten. Der Versuch sie weg zu blinzeln war vergeben und so flossen mir ein paar Sekunden später einige der salzigen Tropfen über die Wange. Francis schüttelte mich heftig.
 

„Natürlich gönne ich dir Glück, aber das hast du im Moment nunmal nicht! Dein Leben besteht doch nur noch darin, jeden verdammten Abend auf Alfred zu warten, aber er wird nicht mehr zurück kommen! Nie mehr! Warum geht das denn nicht in deinen Kopf rein?!"
 

„Nein, du lügst. Du bist doch nur eifersüchtig, bloody Wanker!" Ich versuchte seine Hände los zu werden und ihn von mir weg zu stoßen, musste dabei aber leider einsehen, dass er stärker war als ich. Die Zeit, in denen ich ihn unter Kontrolle hatte waren leider schon längst vorbei. Alfred schnaubte verächtlich und wich meinem Blick aus.
 

„Worauf sollte ich denn bitte eifersüchtig sein? Das du ein einsames Leben führst oder was?“
 

Er konnte es bestreiten wie er wollte, aber die leichte Röte auf seinen Wangen, die Tatsache, dass er mir dabei nicht in die Augen sah und seine häufigen Besuchen, die den Zweck hatten mich zu überreden, dass ich Francis endlich vergessen sollten, waren mir Beweis genug das ich Recht hatte. Ich war nämlich schon seit circa vier Jahren mit Francis zusammen, das Problem war nur, dass er sich schon seit einigen Monaten nicht mehr gemeldet hatte. Jedoch nicht nur bei mir, sondern auch bei niemand anderem, soweit ich wusste. Er kam auch nicht zu dem Meeting, welches vor 10 Tagen in Berlin statt gefunden hatte. Etwas seltsam war das schon und ich machte mir auch ernsthaft Sorgen, auch wenn ich das vor den anderen natürlich nie zugeben würde.
 

Ich war auch schon bei seinem Boss gewesen. Francis hatte mir erzählt, er hätte mit diesem etwas zu klären. Als ich dort war wusste ich allerdings auch nicht mehr als zuvor. Er war zu ihm gegangen und nach einigen Stunden wieder gegangen. Wohin wusste sein Boss allerdings auch nicht. So fuhr ich wieder nach Hause und konnte nur abwarten. Natürlich hatte ich in Erwägung gezogen, ihn anzurufen, aber dieser Idiot hatte sein Handy ja hier liegen lassen. Mir blieb also nicht anderes übrig als zu hoffen, dass ihm nicht passiert war.
 

Aber allein das er weg war, war ja nicht genug. Nein, stattdessen musste Alfred fast jeden Tag hier her kommen und mir sagen, das mich der Franzose bestimmt für den nächst Besten verlassen hätte und mit dem so glücklich ist, das er nichts anderes mehr braucht. Ich habe ihm logischerweise nicht geglaubt, aber das hieß ja noch lange nicht, dass ihn so etwas schon entmutigte. Er kam immer und immer wieder damit an. Ich überlegte sogar schon, ihn zu verfluchen, aber vielleicht war diese Variante dann doch etwas zu hart. Obwohl Alfred es sicherlich mal verdient hätte. Jedoch würde mir, wenn das so weiter ging, nichts anderes übrig bleiben, aus dem Weg gehen konnte ich ihm ja schlecht. Er würde ja trotzdem einen Weg finden um mich zu nerven.
 

Zu Beginn kamen diese Ansprachen ja nur, wenn wir uns zufällig irgendwo trafen oder vor, bzw nach, Konferenzen. Aber seit neustem kam er sogar extra hier her. Woher er den Schlüssel für das Haus hatte war mir immer noch ein Rätsel. Ich hatte ihn natürlich danach gefragt, aber er war einer konkreten Antwort ausgewichen. Damit blieb mir also nur noch es hin zu nehmen.
 

Somit hatte ich ihn also auch heute wieder am Hals. Was für eine Freunde. Ich seufzte, genervt von diesem ewigen hin und her. Er trieb mich jedes Mal zur Weißglut.
 

„Na schön, von mir aus. Dann bist du es eben nicht. Mir auch egal. Würdest du jetzt bitte endlich gehen und mich in Ruhe lassen? Es ist spät und ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir.“, sagte ich mit fester Stimme. Zugegeben, das mit dem anstrengenden Tag war gelogen, aber das wusste er ja eh nicht.
 

Wie ich merkte war ihm das aber so oder so egal, denn er hielt weiterhin meine Schultern fest, den Blick wieder starr auf meine Augen gerichtet. Kurz schwieg Alfred, anscheinend um nach zu denken. Ich wartete an was er tun würde und als ein schelmisches Lächeln über seine Lippen huschte wurde ich misstrauisch. Dieser Idiot hatte etwas vor.
 

Wenige Sekunden später wusste ich auch endlich was: er lehnte sich ein Stück nach vorn, schloss die Augen und legte seine Lippen auf meine.

Als er das tat zuckte ein Blitz über den Himmel und ein lautes Grollen ertönte, als ob die Natur etwas dagegen hätte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ein Unwetter aufgezogen war. Es regnete in Strömen und die Tropfen prasselten hart gegen die Scheibe.
 

Ich riss die Augen weit auf. Was sollte das? War er jetzt völlig durch geknallt?
 

Ich nahm alle Kraft zusammen und schlug ihm in die Magengrube. Es war die einzige Lösung die mir im Moment einfiel, um ihn von mir weg zu bekommen. Und zum Glück funktionierte es auch. Alfred löste sich sofort und hielt sich, schmerzhaft aufkeuchend, den Bauch. Ich ging ein paar Schritte weg um Abstand zu gewinnen, wischte mir mit dem Handrücken über den Mund.
 

„Sag mal gehts noch?! Was denkst du dir nur dabei?!", schrie ich wütend.
 

„A-aber Iggy-"
 

„Nichts »Aber Iggy«! Das ist absolut nicht akzeptabel! Ich toleriere ja schon vieles, aber irgendwann ist auch Schluss!"
 

Betrübt senkte Alfred den Kopf. Meine Worte hatten ihn augenscheinlich verletzt und irgendwie bereute ich es ja auch, aber ich war zu stolz und zu aufgebracht um mich jetzt zu entschuldigen. Außerdem... Eifersucht hin oder her, dass er so weit gehen würde hätte ich wirklich nicht gedacht. So langsam reichte es.

Ich packte ihn unsanft am Kragen und schleppte Alfred zur Haustür.
 

„Es ist besser, du gehst jetzt, bevor du noch irgendetwas schlimmeres anstellen kannst.", sagte ich trocken, sah ihn dabei nicht an. Natürlich protestierte er, riss sich aus meinem Griff los und baute sich vor mir auf. Ich erwartete schon eine Rede, so wie sie jedes mal an dieser Stelle kam, doch Alfred wurde unterbrochen bevor er überhaupt anfangen konnte, denn mit einem lauten Knall wurde die Tür geöffnet. Ich entging nur knapp einem Zusammenstoß mit selbiger und als ich sah, wer sich da eben auf unsanfte Weise Zutritt verschafft hatte, klappte mir die Kinnlade herunter.
 

Das konnte nicht sein. Bekam ich jetzt schon Wahnvorstellungen oder meinte das Schicksal es einfach nur gut mit mir? Wäre nach den unheilvollen Monaten auch mal eine willkommene Abwechslung. Ich hörte am Rand noch wie der Amerikaner neben mir scharf die Luft einsog, aber es war in dem Moment völlig irrelevant. Das wichtigste war jetzt die Person vor mir.
 

„Francis.", hauchte ich, denn zu mehr war meine Stimme nicht fähig. Er sah mich an. Lächelte. So, wie er es immer tat. Dann ging er auf mich zu, schloss mich in die Arme und drückte mich fest an sich. Ich erwiderte die Umarmung glücklich.
 

Noch nie war ich so froh gewesen den Franzosen zu sehen. Die Zeit schien still zu stehen, bis Alfred ein leichtes Knurren hervor brachte. Ich lehnte den Kopf an Francis Schulter und wollte ihn eben mit einigen Beleidigungen und Drohungen aus dem Haus werfen, als Francis den Blick schlagartig zu dem Störenfried wandte und ihn wütend anstarrte.
 

„Was willst du denn hier?", zischte er mit gefährlichem Unterton und ließ mich, wenn auch etwas widerwillig, los.

Alfred wich ein Stück zurück, doch Francis ging sofort hinter her. Ich wusste nicht warum er so aufgebracht war, geschweige denn warum der Andere solch eine Angst zu haben schien. Immerhin war Alfred seiner Meinung nach der Held und die hatten ihm zufolge keine Angst. Vor nichts. Aber als ich ihn so ansah schien es wirklich, als würde er um sein Leben bangen.
 

Francis wartete gar nicht erst auf eine Antwort auf seine Frage, sondern begann gleich damit sein Gegenüber auf Französisch zu beschimpfen. Ich musste leicht schmunzeln. Alfred bekam heute ganz schön was ab und »mein« bis eben noch verschollener Franzose beruhigte sich gar nicht mehr.
 

Ich beschloss dazwischen zu gehen, bevor es noch Tote gab. Oder besser gesagt einen Toten, der in dem Fall wohl eher Amerika gewesen wäre.

Beschwichtigend umfasste ich Francis' Arm und sah fragend zu ihm auf.
 

„Was ist denn passiert?", fragte ich ruhig. Am Besten wäre es, wenn ich mir erst mal einen Überblick über die Lage verschaffen würde.
 

„Dieser Verrückte!", sagte er immer noch aufgebracht und zeigte auf Alfred. „Hat mich seit Wochen in irgendeinem dunklen und schmutzigen Keller festgehalten!"
 

Schockierte schnellte mein Kopf zu dem Übeltäter.

„Du hast WAS?!", rief ich. Angesprochener verschränkte nur trotzig die Arme vor der Brust und schien nicht den Eindruck zu machen, Antworten zu wollen. Also wiederholte ich meine Frage, diesmal lauter und gereizter. Kurz schwieg noch und ich wollte schon wieder etwas sagen, doch er seufzte ergeben.
 

„Ja, ich hab ihn bei mir im Keller eingesperrt. Aber du musst das verstehen Iggy, das war doch nur zu deinem Besten. Dieser Idiot ist nicht gut für dich. Ich.... Ich wollte doch nur das beste für dich.... Mit mir hättest du es um einiges besser gehabt als mit ihm." Das letzte Wort spuckte er voller Verachtung aus.
 

Ich konnte es nicht fassen. Er war tatsächlich daran Schuld, dass Francis die ganze Zeit nicht zurück gekommen war. Mein Leid während dieser Wochen -nein, Monate sogar!-, verdankte ich einzig und allein Alfred. Am liebsten hätte ich ihm nochmals eine gescheuert, aber ich musste mich zurück halten.
 

»Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren Arthur.«, sagte ich mir selbst und atmete tief ein.
 

„Raus.", sagte ich kühl und sah dabei zu Boden. Ich konnte seinen Anblick jetzt einfach nicht ertragen. Er würde sich sicherlich später noch eine ordentliche Standpauke von mir anhören dürfen, aber das verschob ich gedanklich auf nächste Woche.
 

Ohne einen weiteren Ton von sich zu geben verließ der Amerikaner das Haus, schloss vorher noch die Tür hinter sich. Es war nun angenehm Still im Flur. Wieder wanderten meine Augen zu Francis. Seine Gesichtszüge waren zwar entspannter als zuvor, aber man sah ihm die Erschöpfung deutlich an.

Sanft legte ich eine Hand auf seine Schulter, so dass er seine Aufmerksamkeit vollständig auf mich richtete. Sofort lächelte er wieder.
 

„Ach, Angleterre...", seufzte er. „Es tut mir so Leid. Isch 'abe disch so lange alleine gelassen."
 

„Sch-schon ok. Konntest ja nichts dafür, frogface.", murmelte ich und wurde leicht rot. Francis nickte nur, nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich durchdringend an.
 

„Isch 'offe, du warst nischt zu einsam o'ne misch?"
 

„Natürlich nicht! Ich hab genug Spaß ohne dich, bloody Wanker!", giftete ich ihn an, doch er kicherte nur. Wir wussten beide, dass ich log, aber was soll's.
 

Mit seinem üblichen Grinsen beugte er sich zu mir und küsste mich. Es war zwar sanft, aber dennoch verlangend und voller Leidenschaft. Wie ich das doch vermisst hatte.

Natürlich würde ich das nie zugeben, genauso wenig wie ich nie öffentlich eingestehen würde, dass ich mir Sorgen gemacht hatte und wirklich traurig darüber war, dass er ja vielleicht niemals zu mir zurück kommen würde. Aber das war jetzt unwichtig. Ich hatte Francis wieder und das war im Moment alles was zählte. Zumindest für mich.



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