Zum Inhalt der Seite

Das Spiel

Willst du mit spielen?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der amerikanische Löwe und der russische Bär

„Meine Geschichte begann am 21.04.2033, um ehrlich zu sein war es ziemlich Klischee belastet. Als ob es einem Film Noir entsprungen war, so fand ich mich in einer alten Kneipe wieder. Eine Russendisko um ehrlich zu sein, aber wenn ich ehrlich bin dann sah ich darin damals mehr eine alte Bar und auch heute ist es für mich keine Disko. Draußen regnete es und Wassertropfen klopften ununterbrochen an die Fenster. Nebel waberte und die Fenster waren beschlagen – vermutlich hätte dies nicht sonderlich viel ausgemacht, die Staubschicht die sich darauf befand hätte ohnehin keinen Blick in das innere dieses Gebäudes erlaubt. Und ich? Ich saß in meinem teuersten Mantel an dem Tresen und bestellte mir Drinks. Ich war unsicher, auch wenn man es mir nicht anmerkte. Ich war einige Zeit in diesem Geschäft und man lernt dann die Gefühle gut genug zu verbergen.

Zeige immer Arroganz …

Zweifel nie an den Dingen die du tust …

Aber geh dennoch nicht auf Provokationen ein …
 

Woran ich mich noch genau erinnern kann war die Atmosphäre. Die Musik spielte und die Luft stank nach Tabak & Rauch. Ich gab mein bestes um dies sogar noch zu unterstützen. Ich lehnte an dem Tresen, vor mir kein älterer Barkeeper sondern eine hübsche junge Frau in einem kurzen Rock, und klopfte nach jedem Zug die Asche von meiner Zigarette – nur einer der Sünden denen ich erlegen war. Die Männer um mich herum waren alle älter als ich mit meinen bescheidenen einundzwanzig Jahren. Sie trugen Anzüge und bei keinem zweifelte ich auch nur eine Minute daran, dass unter den feinen Stoffen jede Menge Schießpulver und Munition versteckt war. Doch vor allem erinnerte ich mich an das letzte Lied welches spielte. Der Betreiber dieser Kneipe war ein Russe und so war auch die Musik von Russen. Aber ich verstand es, hatte ich doch lange Zeit russisch gelernt. Und merkwürdigerweise mutete mir dieses Lied sehr an und wenn ich so darüber nachdenke … ihm muss es auch gefallen haben, denn es passte nicht zu dem sonstigen Ambiente. Ich erfuhr erst sehr viel später und mehr zufällig, dass es einige Leute wie ihn gab die gewisse Rituale hegten. Sein Lieblingslied ein zu werfen, war wohl noch am Verständlichsten.

Vielleicht denke ich deswegen immer wieder an ihn …

Vielleicht habe ich tatsächlich Mitleid mit ihm gehabt …
 

„'I'm pacing the room, hither and thither, hither and thither, 

In my head is a fog , and in my heart it's cold again. 

To exhaust myself and collapse into the darkness till the morning. 

Rain is singing to me cradle song: it's time!'“, sang der Sänger auf russisch.
 

Und in der Tat, es war Zeit, da stimmte Leonard dem Typen ausnahmsweise zu. Diese Farce verlor langsam an Charme. Jeder der Anwesenden wusste was kommen würde, wartete nur auf das Signal und dem jungen Mann war klar, dass die ausgelassene Stimmung im Moment nicht mehr war als die Ruhe vor dem Sturm. Unterschied er sich denn etwa von den anderen? Nun ja, er feierte nicht so wie sie. Nein, er saß ruhig an seinem Platz und trank. Rauchte. Letzten Endes genoss er aber ebenso wie sie diese letzten Minuten bevor sich das alles ändern würde. Er musste sich nicht umsehen um zu wissen, dass immer noch vierundzwanzig Menschen hier ihre Drinks zu sich nahmen. Die selben Menschen die bereits da waren als er eingetroffen war, die alle das selbe wollten wie er – die Chance haben am „Spiel“ teilzunehmen. Und diese Chance bekamen sie alle nur, wenn sie diesen Mann schlagen konnten. Und alle anderen die heiß darauf waren. Heiß darauf sich in diesem Blutbad zu verlieren.
 

Leonard war hier noch der unauffälligste. Er war von durchschnittlicher Statur und seine schwarzen Haare wirkten auch nicht gerade ungewöhnlich. Ob er schön war? Nun ja, dies konnte er selber schlecht bestimmen, aber den Reaktionen der Frauenwelt zu urteilen war er zumindest schon mal keine schlechte Partie. Sicher gab es hunderte, wenn nicht gar tausende die besser aussahen, allerdings auch Millionen die schlechter aussahen. Ihn selber störte es nicht weiter. Er machte sich nicht viel aus dem Gerede von anderen. Er lebte für sich selbst und ihm war wichtig was er dachte. Wenn einige ihn schön fand, gut, sollten sie. Wenn jemand ihn nicht mochte, bitte, hatte er kein Problem damit. Solange er damit zurecht kam war es in Ordnung. Und die meiste Zeit kam er eigentlich mit allem zurecht. Es war nur eines der Dinge die man sich angewöhnen konnte. Alles Übungssache, zum Teil auch von dem Eigenen Denken abhängig. Er hatte mit sich kein Problem und wenn andere diese Tatsache störte, dann interessierte es Leonard Scott herzlich wenig.

Deswegen hatte er im Gegensatz zu den anderen Männern in der kleinen Disko/Bar/Kneipe (für ihn war es einerlei) seinen schwarzen Mantel anbehalten. Warum sollte er mit irgendeinem teuren Anzug protzen der höchstwahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Minuten sowieso nicht mehr so sauber und rein war wie zu Beginn. Sich leise an die Bar setzend hatte er darauf gewartet, dass die Zeit verstrich. Und nun war es fast so weit. Das Solo erklang und er glaubte nicht, dass dieses Lied noch sehr viel länger andauern würde.
 

„Willst du nicht lieber gehen, Süßer?“, fragte die Frau hinter dem Tresen. Selbst wenn Leonard sich mit Frauen nicht leicht tat, so musste er zugeben, dass sie doch eine Augenweide war. Üppige Oberweite, bezaubernd lange Beine und helles blondes Haar. Sogar die Schminke war nur dezent aufgetragen. Ungewöhnlich für einen Schuppen wie diesen, wenn auch ganz angenehm. Der einzige Makel war dieser russische Akzent, doch selbst der wurde durch ihre weiche Stimme schon fast wieder verniedlichst. Sie konnte kaum älter als er sein, vermutlich war sie sogar jünger und höchstwahrscheinlich dürfte sie hier nicht einmal arbeiten.

„Jetzt wo der Spaß gleich anfängt?“, meinte Leonard mit dem Anzeichen eines Lächelns. Nur weil es ihn nicht interessierte was andere dachten und fühlten, so hieß das nicht, dass er nicht charmant sein konnte. Im Gegenteil, er gab sich immer von seiner besten Seite. Zumindest recht oft, wenn ihm gerade danach war und sein Gegenüber ihm sympathisch erschien. Bei ihr zum Beispiel konnte er nichts erkennen, was ihn stören sollte. Mit zwei großen Schlücken leerte er sein Glas und drückte seine Zigarette aus, während er sich an sie wandte: „Ich hab mir jetzt die ganze Zeit über diese Musik angetan, dann möchte ich dafür auch mit einem Spektakel belohnt werden.“

Sie lächelte nur und goss ihm mit einem Augenzwinkern ein. Geschenk des Hauses, dachte sich der Schwarzhaarige nur und nippte schmunzelnd an dem Glas.

„War nur ein Tipp von mir“, schnurrte sie, „Ich hab nämlich gleich meine Schicht beendet.“
 

In diesem Schuppen eine Dame aufzureißen hätte Leonard nicht erwartet, fast hätte er sogar zugestimmt. Er war zwar nicht sehr gut mit den Ladys, aber dies hieß ja nicht, dass man eine solche Chance nicht nutzen konnte. Etwas festes war nichts für ihn, aber ein Spaß zwischendurch? Nun ja, da sprach dann eben doch der Mann aus ihm. Allerdings konnte er nicht und sie wusste es ganz genau. Es war ein alberner Flirt. Doch damit es nicht einseitig blieb antwortete der Schwarzhaarige: „Es wird sicher nicht lange dauern und die Nacht läuft sicher nicht davon.“
 

Es überraschte ihn sogar, warum noch nichts passiert war. Die Musik war verstummt und der Gesang heulte immer noch in seinen Ohren, aber bislang war noch rein gar nichts geschehen. Kein Blitz der aus dem Himmel geschossen kam, keine Granate die in irgendeiner Jackentasche explodierte. Nichts. Lediglich Stille und das murmeln der Anderen, zumindest jener die diese Fassade der Freundschaft und Brüderlichkeit noch nicht abgeworfen hatten. Leonard genehmigte sich also einen weiteren Schluck und öffnete die obersten Knöpfe seines Mantels. Darunter konnte man nur ganz kurz eine schwarze Weste und ein weißes Hemd erkennen. Auch er hatte sich schick gemacht, doch er musste es nicht zeigen. Leonard war bescheiden, zumindest in dieser Hinsicht. Ihm reichte das Gefühl gut gekleidet zu sein, die Bestätigung von anderen war ein hübscher Bonus, aber nicht immer zwingend Notwendig.
 

Die hübsche Barkeeperin blieb stumm, schenkte ihm aber ein weiteres Lächeln und ein Schulterzucken während sie sich daran machte einige Gläser zu säubern. Hinter ihm verstummte das Gemurmel langsam und er wurde sich nur allzu bald bewusst warum: Die Lichter die dem Laden bisher eine Disko Stimmung geben sollten gingen aus, ihnen folgten gewöhnliche Glühbirnen die einem deutlich weniger Kopfschmerzen bereiteten. Und aus den Boxen die vorher ihre russischen Liedchen ausgespuckt hatten drang nun eine Stimme deren russischer Akzent bei weitem nicht so süß war wie jener der hübschen Dame hinter dem Tresen.
 

„Herzlich Willkommen im 'Gorbatschow' … ich freue mich, dass sie so … zahlreich erschienen sind und sogar noch bis zu unserem Höhepunkt geblieben sind … ich würde gerne sagen entspannen sie sich und genießen sie die Show, aber dies würde vermutlich ihr Leben kosten. Also drücke ich es in der Sprache aus, die Menschen wie wir vermutlich am Besten verstehen ...“

Es folgte eine kurze Stille, ehe der Mann hinter dem Mikro auf russisch weitersprach. Vermutlich verstanden nur wenige die wörtliche Bedeutung hinter diesen Worten, doch alle verstanden was er damit meinte und jeder hatte nur darauf gewartet: „'Erhebet eure Waffen und lasst unser kleines Blutbad beginnen!'“
 

Stille trat ein und jeder dürfte gespannt gewesen sein was nun passieren würde … jeder erwartete natürlich das Gleiche und dennoch erkannte der Schwarzhaarige an dem Zucken welches durch ihre Glieder fuhr als die ersten Schüsse ertönten, dass nur wenige wirklich darauf vorbereitet gewesen waren. Wiedererwartens kamen die Schüsse jedoch weder aus den Mündern der Pistolen der hier anwesenden, noch vom 'Gastgeber' selber – stattdessen kamen Männer mit Gewehren aus dem VIP Bereich und fingen an auf die Gäste zu schießen.

Es kam Überraschend, denn der Zugang zum VIP Bereich war abgeschlossen, die Männer kamen auch nicht aus irgendwelchen Türen … sie sprangen von oben hinab und ließen dabei tatsächlich einen Hagel aus Kugeln hinab regnen. Acht Männer waren nicht in der Lage rechtzeitig zu reagieren, der Rest hatte sich recht schnell hinter dem Mobiliar verkrochen, fingen an das Feuer zu erwidern. Leonard verdankte seinem Überleben den fast schon unmenschlichen Reflexen die er besaß – nur sein Glas zersprang im Kugelhagel, während er selber unversehrt blieb und sich hinter die Theke rettete.

Dieser Posten schien ihm ganz gut zu sein, einerseits konnte er hier das ganze Szenario gut im Blick behalten – und dies war wirklich recht hilfreich, denn er erkannte, dass diese Typen, die einfach eiskalt von ihrem Platz in den VIP Logen sprangen, nur zu fünft waren und bereits mehr als die Hälfte der sogenannten Gäste bereits auf dem Gewissen hatten – und anderseits konnte er so der Barkeeperin Schutz bieten, die nicht mehr hatte verschwinden können und sich unter dem Kugelhagel ducken musste, während über ihr die Flaschen zersprangen und Scherben auf sie hinab regneten.

Und die Schüsse hörten nicht auf. Luden die fünf Elitesoldaten nach, so nahmen die restlichen Überlebenden das Ruder in die Hand und beschossen sie. Sobald die Gewehre wieder geladen waren mussten seine Kumpanen sich aber wieder in Deckung begeben und Leonard bezweifelte, dass sich die Amateure lange über Wasser halten konnten. Er musste also selber eingreifen. Schnell waren die letzten Knöpfe seines Mantels gelöst und er zeigte sich in seiner vollen Montur. An seinem Rücken geschnallt befanden sich zwei Schwerter, doch etwas war an diesen anders als an gewöhnlichen Exemplaren: Dort wo sich die Parierstange hätte befinden sollen, war etwas montiert was sehr an eine Maschinenpistole erinnerte. Nichtsdestotrotz ließ das scharfe Metall welches aus dieser Apparatur ragte keine Zweifel offen, dass es sich hierbei um ein Schwert handeln musste. Er löste die Gurte auf dem Rücken seiner Weste und nahm seine beiden Waffen in die Hand. Den Mantel legte er dem Mädchen über die Schultern. So viel Gentleman war er. Dann jedoch richtete er seine Aufmerksamkeit wieder den Angreifern die von ihm noch keine Notiz genommen hatten. Nicht, dass es etwas geändert hatte. Solche Möchtegern hätten ihm ohnehin nichts anhaben können. Doch die Gruppe an potenziellen Teilnehmern hatte sich wieder minimiert. Mittlerweile waren es nur noch sechs denen der Schwarzhaarige nicht sehr viele Chancen einräumte. Und die Angreifer? An ihrer Anzahl hatte sich immer noch nichts geändert. Sie waren immer noch zu fünft und räumten weiter kräftig auf. Wie viel Munition hatten die bitte? Egal … es würde keine Rolle spielen.

Er nutzte die Gunst der Stunde, die Angreifer luden gerade nach als er auf den Tresen sprang und in ihre Richtung eilte. Sie sahen es vermutlich genauso wenig kommen wie es die ersten acht Typen haben kommen sehen welche von den Möchtegern umgebracht worden sind. Die ersten Beiden enthauptete er, der dritte verlor einen Arm und brach in einer blutigen Lache zusammen. Nummer vier lief geradezu freiwillig in den Kugelhagel seiner 'Unterstützung'. Blieb nur noch der letzte, welcher jedoch mit einem Lächeln im Gesicht bereits auf ihn zielte.

„Tja, dumm gelaufen nicht wahr?“, meinte der Kerl mit einem schmutzigen Grinsen und betätigte den Abzug.
 

Exakt, stimmte ihn Leonard in Gedanken zu, als seine Klinge sich bereits in sein Herz gebohrt hatte und die andere den Arm, der immer noch den Abzug umklammert hielt, mit chirurgischer Präzision abtrennte und durch den Raum fliegen ließ. Damit war das Aufwärmen wohl vorbei.

Die restlichen Überlebenden schienen ziemlich beeindruckt von der Vorstellung zu sein und auf eine bestimmte Art und Weise fühlte sich der Schwarzhaarige geschmeichelt.

„Beeindruckend“, meinte ein etwas kräftigere Bursche mit ebenso schwarzem Haar.

„Richtig cool“, fügte ein weiterer hinzu, diesmal ein Blonder Kerl, der jüngste von ihnen und dennoch älter als Leonard selber.

„Hätte ich echt nicht erwartet“, kam es von einem Dritten, eher hager, aber mit erstaunlich freundlichem Gesicht für einen Killer.
 

„In der Tat, Bemerkenswert“, fügte ein vierter hinzu, doch diese Stimmte stammte nicht aus ihrer Mitte. Sie kam von weiter oben … natürlich aus der VIP Loge wo bereits die ersten Affen herunter gesprungen kamen! Nun stand ein Mann dort oben der jedoch bei weitem Stärker aussah. Diese Person trug kurze blonde Haare und besaß einen drei Tage Bart, das weiße Jackett hatte er auch schon ausgezogen und gerade entledigte er sich auch des Hemdes um ein weißes Muskelshirt mit passenden Muskeln zu entblößen.

Dieser Mann sprach mit dem selben schweren Akzent wie die Stimme aus den Boxen und Leonard war sich sicher, dies war der Mann hinter dem er her war. Der Typ den er töten musste um am „Spiel“ teilnehmen zu können. Und die anderen wussten es auch, deshalb traten sie alle zurück, sie wollten nicht bei dem Kampf stören. Vielleicht sahen sie ein, dass sie keine Chance hatten. Nur durch ihn hatten sie den Angriff der gewöhnlichen Fußsoldaten überlebt. Dieser Kerl jedoch war ein anderes Kaliber und vermutlich rechneten sie nicht einmal ihrem Retter all zu große Chancen zu. Es war ihnen kaum zu verübeln. Dieser Kauz strahlte bereits Erfahrung aus. Das dumme war leider nur, dass sie tatsächlich meinten sich in Sicherheit bringen zu können indem sie sich einfach von seinem eigentlichen Ziel entfernten. So liefen diese Spielregeln nicht.

Und er behielt recht.
 

Innerhalb von Sekunden hatte der Russe zwei AK – Gewehre erhoben und beschoss sowohl ihn wie auch die anderen sechs. Er selber konnte die auf ihn gerichteten Kugeln mit seinem Schwert abwehren, die anderen jedoch starben in dem Kugelhagel, hinterließen nur eine weitere Pfütze Blut. Kaum der Rede Wert wenn man seinen Blick durch die ehemalige Disko schweifen ließ. Alles war zertrümmert, von Kugeln durchbohrt oder mit dem Roten Saft beschmiert. Am Leben waren nur noch drei Menschen: Er, dieser Russe und die Barkeeperin. Und vermutlich würden nur zwei Menschen diesen Ort auch lebendig verlassen.
 

„Wirklich bemerkenswert“, wiederholte der Russe schließlich, während er nachlud. Dieser Drecksack hatte sich einen guten Posten ausgesucht für seine Angriffe. Dort oben war er nur mit Fernwaffen zu erreichen, mit dem Schwert kam Leonard nicht an ihn heran und der Typ wusste auch, dass die meisten Schwertkämpfer sehr schlechte Schützen waren, also würde er wohl nie im Leben eine Pistole aufheben – von denen nun genug herum lagen. „Weil ich so beeindruckt bin mein Freund, erlaube ich dir dich aus dem Staub zu machen … verschwinde, du wirst schon bemerkt haben, dass du keine Chance gegen mich hast. Dein Schwert wird mich nicht erreichen und irgendwann wird eine Kugel von mir ihr Ziel in dein Herz finden.“
 

Was ein netter Russe, dachte Leonard sarkastisch und wartete darauf, dass der alte endlich nach geladen hatte. „Ein wahrer Gentleman der alten Schule … ich hätte nichts anderes von dem früheren Russischen Kriegshelden Vladimir Wolkow erwartet … oder sollte ich Vladimir Kalashnikow sagen?“ Er hatte seine Hausaufgaben gemacht, war man lang genug dabei in der Unterwelt, dann kam man schnell an Informationen. Und dieser Typ legte es doch nur darauf an, dass man sich über ihn informierte. „Man hört viel über den angeblich einzigen Menschen der in der Lage ist mit zwei AK-74 Gewehren gleichzeitig zu zielen und zu schießen.“ Er lächelte, ein siegreiches Lächeln. Informationen bedeuteten manchmal Macht und in diesem Fall verfügte er über mehr Macht. Denn er wusste um den Kampfstil seines Gegners, dieser jedoch rein gar nichts über ihn.
 

Doch auch der Russe lächelte gütig. Seine beiden AK Gewehre lagen neben ihm und er selber gönnte sich ein Glässchen. Leonard vermutete es handelte sich dabei um Wodka, einfach um ein weiteres Klischee zu bestätigen. Nachdem das Glas geleert war – und hier hatte der Schwarzhaarige fast schon ein Déjà-vu – sprach der blonde Russe: „Du weißt bestens Bescheid mein Freund … und dennoch ziehst du dich nicht zurück?“
 

„Ich habe bedauerlicherweise einen Wunsch den ich gerne erfüllt hätte“, sprach Leonard und erwiderte das Lächeln des Russen.
 

„Gut gebrüllt Löwe … doch gegen einen russischen Bären kann eine amerikanische Straßenkatze wie du dennoch nichts ausrichten.“
 

Dies waren genug Worte, mehr bedurfte es unter Killern nicht. Sie akzeptierten einander und sie waren sich der Stärke des jeweils anderen bewusst. So war es immer und so würde es immer sein. Fast wie in einem Film. Oder einem Buch. Fehlte nur noch die passende musikalische Untermalung. Zwei tragische Helden die sich gegenüber standen, beide Experten im Umgang mit ihren jeweiligen Waffen – und dann ging der Kampf los. Das rattern der Gewehre hallte von den Wänden wieder und diesmal waren es nicht einfach ein paar Kugeln die auf den jungen Mann nieder prasselten, es war ein Feuerwerk. Selbst mit beiden Schwertern würde er sie unmöglich alle stoppen können und dennoch schaffte er es. Denn sie waren beide Experten. Vladimir war ein ausgezeichneter Schütze, doch Leonard war ein Profi im Umgang mit seinen Schwertern. Ein wahrer Meister der alten Schule des Schwertkampfes kann Kugeln mit seiner Klinge stoppen, so hieß es doch, nicht wahr? Leonard war ein solcher Meister und aus dieser Entfernung besaß er genug Zeit um die Geschosse zu beobachten und abzuwehren. Zumindest für kurze Zeit. So lange bis das klacken des leeren Magazins ertönte. Und eine Pause einläutete.
 

„Du bist gut, der Beste gegen den ich bisher kämpfen musste. Aber du kannst trotzdem nichts erreichen aus deiner Position. Du kommst nicht an mich heran.“
 

Der Russe hatte recht, mit den Klingen konnte Leonard ihn nicht töten, doch dachte der alte Mann wirklich er hätte schon alles von ihm gesehen? Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, denn seine Waffen waren Unikate. Nicht zu unterschätzende Meisterstücke. Er hob seine Arme, richtete die Spitzen der Schwerter in die Höhe und die Griffe der beiden Waffen bewegten sich auf einmal. Einen Fehler den viele Gegner machten war es einen zu unterschätzen. Seine Schwerter waren keine gewöhnlichen Hieb- und Stichwaffen. Sie sahen nicht umsonst so eigentümlich aus. Er konnte sie auch als Schusswaffen benutzen!
 

Seine Schwerter hatten tatsächlich Maschinenpistolen eingebaut, er konnte zwischen den Modi wechseln. Entweder mit den Klingen Kämpfen oder schießen. Der Griff war verstellbar, stellte man ihn wie bei einer normalen Feuerwaffe um, so konnte man das gesamte Schwert auch als Schusswaffe benutzen. Die Handhabung war schwierig, denn die Klingen konnte eine Kugel nicht nur behindern, sondern erschwerten das zielen. Das ganze Bauwerk war unausgeglichen und es haperte an Balance. Aber eben deshalb gehörte Leonard zu einem schwer durchschaubaren Gegner. Und auch Vladimir hatte diese Wendung nicht erwartet, während er Schutzlos war, weil er immer noch in aller Ruhe das Magazin wechselte, wurde er von den zielsicheren Kugeln des Jungen durchlöchert. Wissen war Macht und Ignoranz eine Schwäche. Diese Kampfregel kannte der schwarzhaarige.
 

Überraschenderweise brach der blonde Russe nicht zusammen, er war tödlich verwundet konnte sich aber dennoch oben halten, zumindest für einige Zeit. Langsam und vorsichtig wich er sich das Blut von den Mundwinkeln. „Bemerkenswert“, wiederholte er, „ … sag mir Junge … wie ist dein Name …?“
 

Diese Ausdauer beeindruckte den Jüngeren und tatsächlich antwortete er: „Ich heiße Leonard Scott … oder auch 'Bullet Blade' Leo.“ Was folgen würde war immer das schwierigste. Egal u wen es sich handelte, der Tod eines Menschen war eine Sache, die man nicht miterleben wollte. Sicher, es gab ausnahmen, einige Menschen verdienten ihn. Doch Leute wie dieser Mann … sie gehörten nicht zu dieser Sorte Mensch. Man wollte ihnen nicht beim Sterben zuschauen. Man wollte am Besten gar nicht wissen ob und wie sie gestorben waren, geschweige denn selber Schuld an ihrem Tod zu sein.
 

„Ein … guter Name für … denjenigen der … den russischen Bären er … legt hat … und dabei … hab … ich das alles … nur … für sie ge … tan …

Versprich mir eins … gib niemals auf … vergiss … niemals für … was du das tust … und meistere … den … harten Weg ...“
 

Die letzten Worte Vladimirs verhallten in dem leeren Raum, ehe er zusammenbrach. Die Nummer 100 auf der Liste der Weltbesten Attentäter, den Killermaschinen die jeden Auftrag übernehmen können. Nun war Vladimir Kalashnikow tot und sein Nachfolger war ein junger Mann der gerade Mal die Volljährigkeit erreicht hatte. Einen Moment lang wusste Leonard nicht was er sagen sollte, geschweige denn was er tun sollte. Er konnte nicht einmal glauben, dass er es tatsächlich geschafft hatte. Er war nun Teilnehmer des „Spiels“. Gehörte zu den Besten der Besten, selbst wenn es ein harter Weg sein würde. Denn im Moment war er der Schlechteste der Besten.
 

„Gratulation, scheinbar habe ich wirklich recht daran behalten heute hier aufzukreuzen“, kam es auf einmal von der Bar. Das Mädchen war aufgestanden, den Mantel immer noch über den zarten Schultern. Plötzlich fehlte jede Spur eines Akzentes, sie sprach klar und deutlich, was den Jungen zu erst ein wenig verwunderte, solange bis sie ihm etwas zuwarf. Als Leonard den Gegenstand musterte erkannte er auch worum es sich handelte. In der Zwischenzeit kam die Dame hinter dem Tresen hervor. Bei dem so eben erhaltenen Geschenk handelte es sich um etwas was sehr große Ähnlichkeit mit einer Armbanduhr hatte. Nur leuchtete diese Grün und eine Ziffer stand auf dem Display: 100.
 

„War ja klar ...“, murmelte der Schwarzhaarige ein wenig entnervt während er sich das Teil am Arm befestigte. „Ein Bote, hm? Oder eher Müllbeseitigung?“ Dieses Mädchen arbeitete ganz klar für die Veranstalter dieses kleinen Turnieres. Sie hatte ihn herein gelegt und beobachtet. Hoffentlich war sie wenigstens mit seiner Performance zufrieden. Scheinbar störte sie sich zumindest nicht an seinem Ton und näherte sich ihm ohne bedenken, lehnte sich sogar an ihn. „Beleidigt Süßer? Wenn es dich beruhigt, mein Angebot von vorhin war ernst gemeint ...“
 

Sie schenkte ihm ein zweideutiges Zwinkern während der junge Mann wieder ein wenig auf Abstand ging, sich dabei den Mantel von ihren Schultern schnappend. Er hatte bekommen was er wollte, nämlich die Teilnahme Berechtigung. Mehr brauchte er nicht. Vor allem nicht von einer merkwürdigen Tusse die in einer Organisation arbeitete die verrückte Killer gegeneinander kämpfen ließ.
 

„Sorry, aber ich glaube ich habe schon was vor.“
 

„Warum so kalt Süßer? Vor zehn Minuten warst du nicht so abgeneigt.“
 

Sie wollte ihn provozieren, soviel war klar, aber er ging gar nicht darauf ein. Ohnehin war er der Meinung sie bald öfters zu sehen. Außerdem kamen gerade Männer in schwarzen Overalls herein, alle mit Masken im Gesicht und Putzzeug und … Dingen von denen er vermutlich gar nicht wissen wollte was sie waren. Also doch Müllbeseitigung. Oder zumindest auch.

Er wandte sich mit einem letzten Lächeln noch mal zu ihr und meinte: „Ich glaube du hast genug Gesellschaft und wenn ich ehrlich bin, bin ich eher der Typ der andere warten lässt, als auf andere zu warten bis sie fertig mit ihrer Arbeit sind. Vielleicht nächstes Mal.“ Er winkte ihr, eine Geste des Abschieds welche angebracht schien und verließ den Schuppen. Jetzt brauchte er erst Mal eine Dusche, einen Drink und wenn er schon dabei war, dann wäre auch eine Kippe gerade genau das Richtige …
 

„Ich sollte recht behalten, ich würde sie noch recht häufig sehen … und noch weitere Menschen. Aber so weit sind wir noch nicht. Jetzt geht es erst Mal um sie. Ob ich damals etwas für sie empfand? Wer weiß. Ob ich jetzt noch was für sie empfinde? Wer weiß. Wie unser Verhältnis zueinander aussah? Nun, dazu kommen wir noch. Alle diese Dinge werden folgen und am Ende könnt ihr euch selber ein Bild darüber machen. An diesem Abend hatte ich zumindest noch keine Ahnung was folgen würde, ich war genauso ratlos wie ihr jetzt. Ich dachte ich hätte es endlich geschafft meinem Wunsch näher zu kommen, doch ich ahnte gar nicht, wie viel noch auf mich zu kommen würde. Vermutlich bin ich jetzt noch genauso ratlos wie damals, aber damals obsiegte zumindest einmal die Euphorie. Etwas, was nun vermutlich fehlt.

Wenn man mich fragen würde ob ich die Entscheidung von damals bereut habe nicht einfach mit der süßen 'Barkeeperin' mitzugehen und einen schönen Abend zu erleben, dann könnte ich es nur mit einem Achselzucken beantworten. Wir bereuen viel, wenn nicht alles, sobald es einmal geschehen ist. Wäre dieser Fall eingetreten, dann hätte ich es vermutlich im Nachhinein auch bereut nicht dort geblieben zu haben. Letzten Endes bringt uns Reue nicht viel.

Aber hört mich weiter an, vielleicht könnt ihr dann entscheiden, ob ich es bereuen sollte oder nicht, denn dies ist nicht einmal der Anfang. Es ist nur ein Bruchteil vom Anfang. Denn damals war ich noch naiv. Ich dachte ich würde mit meinem Lebensstil gut zurecht kommen, dabei habe ich nur getötet weil ich eben nicht damit zurecht kam. Aber seht selbst, dies ist nicht der Anfang meines blutigen Aufstiegs, aber es ist der erste Pflasterstein und damit fängt es an … immer ein Stein nach dem Anderen, immer ein Fuß nach dem anderen, bis man das Ziel erreicht hat, die Straße komplett ist und man schauen kann um zu entscheiden ob die Arbeit die man erledigt hat sich wirklich gelohnt hat …“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück