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I hate everything about you

[Uruha x Reita]
von

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Prolog

Sein Leben war nun wahrlich nicht das, was ein 18-jähriger als traumhaft bezeichnen würde.

Er hatte keinen Stress mit seinen Eltern oder schlechte Noten in der Schule. Auch seine Geldbörse war dank seiner fürsorglichen Mutter immer besten gefüllt. Seine CD- und Klamottensammlung konnte man auch nicht als verachtenswert bezeichnen.

Doch was waren schon materielle Besitztümer, wenn sein Herz, sein kleines, krankes Herz nicht kuriert wurde?
 

Reita wippte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick auf die Anzeigetafel ließ ihn säuerlich Ausatmen. In 2 Minuten war seine Bahn da. Aber keine Spur von ihm. Gedankenverloren starrte der Blonde auf die Treppe, trug einen innerlichen Kampf aus. Sonst kam er immer um diese Zeit. Sollte er einfach eine Bahn später fahren? Aber vielleicht hatte er heute einfach eher Feierabend gehabt?

Auf dem Bahnsteig wurde der Zug angesagt, die Fahrgäste gebeten, zurückzutreten. Wie immer tummelten sich um diese Zeit ungewöhnlich viele Menschen am Bahnhof. Männer in Anzügen lockerten ihre Krawatten, sichtlich genervt von dem harten Arbeitstag. Schüler, welche wahrscheinlich noch bis zur Dämmerung in der Bibliothek der jeweiligen Schulen gelernt und geschuftet hatten. Mütter mit ihren Kindern, ältere Damen samt Einkäufen. Eine fassettenreiche Masse, dachte Reita bei sich, aber doch nicht denjenigen bietend, welcher sein Herz höher schlagen, seine Hände feucht werden; sein Leben lebenswert erschienen ließ.

Der Zug fuhr ein, die Türen öffneten sich und vor ihm stiegen etliche, in Gedanken versunkene Fahrgäste ein. Ein letzter Blick zur Treppe. Nichts.

Im Inneren suchte sich Reita schnell ein leeres Plätzchen, ließ sich neben dem Fenster nieder, während seine Umhängetasche zu Boden glitt.

Seit geschlagenen zwei Monaten blieb er jeden Tag extra länger in der Schule, nur um diesen einen Zug zu erwischen. Seine Eltern waren sichtlich stolz auf den Wandel ihres Sohnes, welcher früher nur die nötigsten schulischen Sachen erledigt hatte. Wenn sie nur seine wahren Absichten wüssten, wäre das Spektakel groß.

„Ich bleib nur länger in der Schule, um dann im Zug meinen Schwarm ein paar Minuten angaffen zu können.“, malte er sich innerlich das Szenario aus. Er konnte den irritierten Blick seiner Mutter förmlich sehen, als stünde diese direkt vor ihm. Dann ein bedrohlich wedelnder Zeigefinger, er solle die baldige Schwiegertochter ja früh mal mit nach Hause bringen.

Doch genau darin lag ja das Problem! Er blieb nicht freiwillig jeden Tag 4 Stunden länger in der Schule, um dann einen Mädchen auf den Hintern zu glotzen. Nein, er mühte sich nur so ab um dann ab und zu einen Blick auf einen bildhübschen Mann zu ergattern!

Reitas Augen schlossen sich, ehe er mit dem Kopf sachte gegen das kühle Glas sank. Wo hatte er sich da nur hinein geritten?

Er hatte sich sooft geschworen, brav nach Schulende nach Hause zu gehen, den Brünetten zu vergessen. Aber dies hatte höchstens zwei Tage am Stück geklappt. Der Anblick dieses Menschen war wie ein Lebenselixier für ihn.
 

Es war ihm egal, dass der andere nichts von seinen heimlichen Gefühlen wusste und wohl auch niemals erfahren würde.

Es war ihm egal, dass er jeden Tag etliche Freizeit verlor.

Solange er nur verstohlen aus der Ferne dieses engelsgleiche Wesen betrachten durfte.
 

Der Zug fuhr an, laute Stimmen tummelten sich im beengten Innenraum. Hier und dort kreischte ein Kleinkind, raschelnde Tüten, ohrenbetäubende Musik. Die Geräusche eines normalen Tages.
 

Reita schreckte kurz aus seinem Trance auf, als etwas sein Knie berühte.

„Tschuldigung.“, brummte eine tiefe Stimme.

Da saß er. Einfach so!

Die braunen, glatten Haare schmiegten sich um sein fein definiertes, feminines Gesicht. Die Reh-braunen Augen musterten ihn einen Sekundenbruchteil, ehe der Größere mit einen umwerfenden Wimpernschlag seinen MP3-Player betrachtete, nach Fund des gewünschten Liedes den Kopf leicht in den Nacken warf und sich entspannte.

Reitas Kehle war mit einem mal trocken. Wie war der denn hier reingekommen? Doch noch in letzter Sekunde die Treppen hochgerannt und in den abfahrenden Zug gesprungen? Oder hatte er vielleicht die ganze Zeit über in einem der kleinen Cafes gesessen?

Er wusste es nicht, es war auch egal. Das Einzige was zählte, war der Brünette ihm Gegenüber, welcher sichtlich den Tag ausklingen ließ. Gott, wie attraktiv konnte ein einzelner Mensch nur sein? Dem Blonden kam es vor, als würde die Präsenz des Namenlosen jeden anderen verblassen lassen. Oder war das nur sein verliebtes Herz, welches ihm das einredete?

Stundenlang hätte er einfach hier sitzen können, den Blick auf den schönen Mann ihm gegenüber gerichtet. Wer brauchte schon Essen und Trinken, wenn er diese Aussicht hatte? Luft zum atmen, ein Bett zum schlafen. Alles unwichtig.
 

„Du musst hier aussteigen.“

Sein Blick wanderte von den Augen zum Mund des Brünetten. War wirklich schon eine halbe Stunde vergangen? Ihm kamen es wie wenige Minuten vor.

Reita sah, wie sich die Lippen seines Schwarms öffneten und auch bewegten, doch in seinem vernebelten Gehirn kam nichts an.

„Hallo? Du musst hier aussteigen, jedenfalls tust du das seit 2 Monaten, also nehme ich mal an es ist heute genauso.“

Langsam fing Reita an zu Nicken, griff blind nach seiner Tasche, ehe er sich erhob, allerdings nicht ohne den Blick von dem Schönling zu nehmen. Dieser schien die ganze Situation recht wenig zu interessieren, denn innerhalb weniger Sekunden hatte er sich wieder seiner Musik zu gewandt.
 

Er hatte bisher nie die Möglichkeit gehabt, mit dem Brünetten zu sprechen. Wobei „Sprechen“ konnte man das kaum nennen, außer einem Nicken hatte er schließlich nichts zu Stande gebracht. Sein sonst so überdimensionales Selbstvertrauen verpuffte in dem Moment, wenn sich diese braunen Augen auf ihn richteten. Und er konnte nichts dagegen unternehmen. Dieser Mann schien jeden Funken an Verstand aus seinem Körper zu saugen, ließ nur noch dieses Kribbeln und die Nervosität zurück.

Mit zittrigen Fingern drückte er den Haltestellenknopf, wollte gerade schon einen Fuß aus der Tür setzen, als er unsanft an der Schulter gepackt wurde.

„Hast was vergessen.“

Vor ihm baumelte eine schwarze Geldbörse, welche er als seine Identifizieren konnte. Sag was, ermahnte er sich, irgendwas verdammt nochmal!!

„Danke...?“

„Uruha.“, antwortete ihm der Brünette.

„Ich bin-“

„Ist mir egal, wer du bist, lass nur dein Zeug nicht irgendwo rumliegen. Hätte schief gehen können.“

Reita schluckte. Er schien Uruha Null Komma Null zu interessieren. Du bist ein Mann, natürlich bist du ihm egal, rief er sich ins Gedächnis.

„Danke nochmal, Uruha.“, murmelte er, erntete dafür noch einen strafenden Blick des Größeren, ehe er aus dem Zug stieg, am Bahnsteig stehen blieb und sich solange mit den Augen an Uruha fest sog, bis dieser aus seiner Sichtweite war.
 

Uruha hatte ihn nie beachtet. Er spürte nicht einmal ein Bruchteil der Gefühle für ihn, welche in Reita schlummerten. Irgendwie schmerzte das.

Geknickt starrte er sein Portmonee in der Hand an, ehe er langsamen Schrittes nach Hause lief.

„Du bist so ein Idiot, Reita“, flüsterte er sich heiser zu.

cigarette-smoke & coffee-scented

Die Zeit war manchmal schon ein komisches Mysterium. Wenn man sich wünschte, ein Moment würde nie enden, so drängte die Zeit einen dazu, seinem alltäglichem Leben nachzugehen, keine Kompromisse bereithaltend. Voller Tatendrang vorbeifliegend.

Sobald man aber anstrebte, die Zeit solle schnell vorübergehen, so tickte der Zeiger einer Uhr schleichend langsam, schien sich kaum zu bewegen. Jegliche Hoffnung, schnell aus dem Szenario zu entkommen wurde widerstandslos zerstört.
 

Auch in Reitas Klassenzimmer schienen alle Uhren still zu stehen. Die emotionslosen Worte seines Lehrers drangen nicht in seinen Verstand ein. Wie von selbst bewegte sich seine Hand, zeichnete die wichtigsten Fakten automatisch auf. Sein Körper war ohne Frage in diesem Raum, in dieser Einrichtung anwesend, doch sein Geist vergnügte sich anderweitig. Wobei man kaum von einem „Vergnügen“ reden konnte, wenn man sich die Situation des Blonden näher betrachtete.
 

Er hatte Uruha seit zwei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Seit ihrem ersten, richtigen Zusammentreffen im Zug war der Brünette aus seinem Sichtfeld, fast wie aus seinem Leben verschwunden. Einfach ausradiert. Und das schlimmste: Reita konnte nichts dagegen tun.

Egal wie lange er am Bahnsteig auf seinen Schwarm wartete, egal wie sehnlich er es sich wünschte; Uruha tauchte einfach nicht auf.

Seine Schule war nahe dem Stadtzentrum gelegen. Es gab zig Läden, in denen Uruha arbeiten könnte. Oder ebenso eine Hand voll Universitäten, an denen er möglicherweise studierte. Je mehr sich Reita mit dem Thema beschäftigte, desto mehr fiel ihm auf, dass er eigentlich nichts über Uruha wusste.

Er konnte ihn von seinem Äußeren in seine Altersgruppe schätzen. Sein Kleidungsstile ging leicht ins rockige über, war aber durchaus von einer enormen Eleganz geprägt, die – fand Reita – einfach unverschämt gut zu ihm passte.

Uruhas Körper war durch trainiert. Zwar trug er keine pure Muskelmasse mit sich umher, allerdings ließ ihn weder der flache Bauch noch die anmutigen, langen Beine unsportlich aussehen. Vielleicht sollte er mal in einem Fitnesscenter nach Uruha suchen? Fehlanzeige. Gab es ebenfalls zuviele.
 

„Hören Sie mir zu?“

Reita schreckte augenblicklich auf. Der brav wirkende Lehrer mit den schon etwas fettigen, schwarzen Haaren und der zu groß wirkenden Brille auf der Nase, musterte ihn. Sein Blick wanderte zu dem Notizblock auf dem Tisch, dann wieder zu Reita.

„Haben Sie mir zugehört, wollte ich wissen.“, wiederholte sich die Schlaftablette in Person. Wusste sein Lehrer eigentlich was für eine ermüdende Ausstrahlung er besaß? Diese monotone Stimme, die eng zusammengekniffenen Augen, als würde er jeden Moment ins Land der Träume übergehen. Wie sollte man sich denn da auch konzentrieren? Und dann noch das wohl möglich langweiligste Fach der ganzen Schullaufbahn: Geschichte.

„Ja, habe ich.“, gesinnte sich Reita schnell, las demonstrativ nochmals seine Unterlagen durch.

Das würde ja sicherlich noch ein prima Tag werden.
 

Nach der nicht endend wollenden Unterrichtsstunde, verstaute Reita seine Schulsachen chaotisch in der schwarzen Umhängetasche, schulterte sie, ehe er langsamen Schrittes aus dem Zimmer marschierte. Sein Blick suchte die Tür zur hiesigen Bibliothek. Sollte er wirklich?

Zwei Wochen lang war Uruha nicht mehr aufgetaucht. Warum also heute? Oder morgen? Wenn der Blonde ehrlich war, hatte er das warten satt. Anstatt sich in ein unerreichbares Wesen zu verlieben und diesem nach zuhängen wie ein penetranter Stalker, sollte er lieber seine Jugend genießen, sich mit Freunden verabreden, nette Mädchen kennen lernen. Aber sicherlich nicht einem weit entfernten Traum hinterher jagen. Wohlmöglich war Uruha umgezogen? Oder er hatte Urlaub? Vielleicht aber hatte er auch gemerkt, dass in seinem Zug immer ein Blondschopf saß, der ihm verstohlene Blicke zuwarf?

Auf einmal wurde Reita ganz anders. Bisher war es für ein eine völlig einseitige Schwärmerei ohne Konsequenzen gewesen. Er himmelte Uruha an und Uruha ließ sich eben nichts ahnend anhimmeln.

Doch was, wenn dem nicht so war?

Er selber hatte sein Verhalten als diskret, völlig normal eingeschätzt. Doch wie er handelte, wenn ihm sein tranceartiger Zustand überkam sobald er Uruha erblickte, konnte er sich nicht vorstellen. In diesen Moment durchzog ihn nur dieses atemberaubende Gefühl der Nervosität, dieses sanfte Kribbeln, welches seinen Körper durchflutete, ihm jeglichen Verstand raubte. Der Drang, diesen Menschen zu berühren. Ihn an zulächeln, Stundenlang einfach nur zu betrachten. Er wurde Uruhas Erscheinung einfach nie müde. Jedes kleine Detail, welches er entdeckte, weckte seine Neugierde. Das wohl duftende Parfüm des Größeren, welches er noch Stunden nach ihren kurzen Begegnungen roch.

Diese nicht endend wollende Begierde.
 

Reita stützte sich kurz gegen die Wand des langen Ganges. Allein der Gedanke an diesen Menschen ließ ihn mit weichen Knien und leicht erhöhtem Herzschlag zurück.

Uruha war der Inbegriff von Verführung, von Ästhetik und so vielem mehr, was der Blonde mit Worten nicht beschreiben konnte. Es gab nicht einmal annähernd genug passende Worte für Uruha.

Uruha war einfach.. Uruha. Und das schon reichte Reita aus.
 

Die Hoffnung in seinem Herzen jammerte kläglich, floh ihn an, heute Abend 18.23 Uhr doch wieder am Bahnsteig zu stehen. Den Blick wie immer auf die Treppen gerichtet, solange, bis die seidigen Haare am Horizont erschienen, gefolgt von dem hübschen Gesicht und dem geschmeidigen Körper Uruhas.
 

Er würde heute wieder am Bahnsteig sein. Und wahrscheinlich würde Uruha nicht da sein. Doch das war unwichtig. So schnell kam er aus der Sache eben nicht mehr heraus. Hätte ihn jemand vor gewarnt, wie sehr sich die zufällige Begegnung vor zwei Monaten auf sein Leben ausgewirkt hätte, wäre er dann trotzdem um Mitternacht in dem Park gewesen? Die Szene beobachtend, welche ihm Segen und Fluch zugleich sein würde?

Er wusste es nicht. Tatsache war, dass man die Vergangenheit nicht mehr ändern konnte. Und irgendwo, tief in seinem Herzen, wollte er es auch gar nicht.
 

„Kommst du mit?“, manövrierte ihn eine wohlbekannte Stimme zurück in die Realität.

Ein hochgewachsener junger Mann stand neben ihm, die schwarzen Haare wirr in alle Himmelsrichtungen abstehend. Die geschwungenen Lippen formten sich zu einem frechen Grinsen, kurz war eine rote Zunge zu sehen, welches mit dem schwarzen Ring des Lippenpiercings spielte. Aoi.

„Will ich überhaupt wissen an welche Schweinereien du gerade gedacht hast, Rei?“

Reita schüttelte kurz den Kopf, erntete ein raues Lachen.
 

Die Einkaufspassagen waren erfüllt von lautem Gelächter und Gesprächen. Hier und da liefen einige verliebte Pärchen umher, größere Gruppen von Schülern stöberten in Musik- und Kleidungsgeschäften nach Neuigkeiten.

Aoi hatte ihn eingeladen mit in die Stadt zu kommen. Sein Handballtraining begann heute später als gewöhnlich, hatte er gemeint, sodass er die neu gewonnene Zeit gerne in einem kleinen, feinen Café verbringen würde, die nachmittäglichen Sonnenstrahlen genießend.
 

„Der Geheimtipp überhaupt!“, strahlte Aoi ihn an, als sie nach einem kurzen Marsch vor einem geschützt liegenden Café zum stehen kamen. Eine kleine Treppe bot Zugang zu dem gemütlichen Reich, welches Reitas Geschmack nach, sehr stilvoll eingerichtet war. Dunkle, hölzerne Tische standen im weitläufigen Raum verteilt, rot gepolsterte Sessel und Sofas luden zum stundenlangen Quatschen ein. Die Wände waren in einem rot-braun gehalten und passten perfekt zu der braun verkleideten Theke. Hier und da hingen Poster einiger mehr und weniger bekannten Rockbands. Die leise Musik, welche aus den schwarzen Boxen in den Ecken des Raumes drang, trafen Reitas Geschmack ebenfalls vollkommen.

„Das ist ja ein richtiges Schmuckstück!“

„Nicht wahr, Rei?“, stimmte Aoi sofort zu, zog ihn zu einem der abgelegeneren Tische und ließ sich auf einem Sessel nieder.

„Günstig ist es auch uuuund..“, während er das Wörtchen langzog, hob er den schwarzen Aschenbecher vom Tisch, wackelte Sekundenlang damit vor Reitas Gesicht hin und her, ehe er ihn wieder abstellte.

„Ich kann meiner Sucht nachgehen!“, vollendete Reita den Satz seines alten Sandkastenfreundes.
 

„Jetzt erzähl mal.“, fing Aoi aus heiterem Himmel an. Sein Blick haftete sich interessiert an Reita, bestellte nebenbei für sie zwei große Kaffees.

„Was meinst du?“

„Nun ja.“, gackerte Aoi, zog eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche und bot dem Blonden einen Glimmstängel an, „du bist in letzter Zeit immer so abwesend. Man kann dich kaum ansprechen, hast immer so ein verträumtes Lächeln auf den Lippen. Da dachte ich, es gibt vielleicht, aber nur vielleicht, etwas was ich als dein bester Freund wissen müsste?“

Reita schluckte. Augenblicklich überkam ihn ein heißes Gefühl der Scham. Verhielt es sich wirklich wie so ein verliebter Trottel?

Das seine Gedanken schon lange in diese Richtung entgleisten, daran hatte er sich mittlerweile gewöhnt. Auch an die wöchentlichen Gefühlsausbrüche, die ihn überkamen, wenn er sich sein hübsches Köpfchen darüber zermürbte, wie er sich Uruha am besten nähern konnte. Doch das sein Körper es nun auch schon so offensichtlich zur Schau tragen musste, ärgerte ihn ungemein.

„Das ist ein bisschen.. kompliziert..“, zwang er sich nach einem kurzen Schweigen.

Aoi war sein bester Freund, seitdem er denken konnte. Sie hatten von klein auf nebeneinander gewohnt, ihre Eltern waren schon lange vor ihrer Geburt befreundet gewesen. Er und Aoi, sie hatten immer alles geteilt. Alle glücklichen und fröhlichen Momente ihres Lebens, ebenso wie die Engpässe hatten sie zusammen durchgestanden.

Reita hatte als erstes von Aois erstem Mal erfahren, Aoi von Reitas. Sie hatten sich gegenseitig gedeckt, wenn sie Mist gebaut hatten. Lieber die Schuld auf sich genommen, als den anderen auszuliefern.

Doch das Thema Uruha anzusprechen.. das traute sich Reita nicht.

„Ich hab Zeit.“, murmelte Aoi, legte seine Kippenschachtel auf den Tisch, das Feuerzeug direkt daneben. Ein eindeutiges Zeichen.

Im Laufe der Jahre hatten sie ihre eigene Sprache entwickelt. Wenn es Aoi schlecht ging, dann trug er sein Lieblings-Shirt. Der alte Fetzen war schon extrem heruntergekommen, aber sein bester Freund liebte es abgöttisch. Seitdem seine erste Freundin ihn allerdings damals abserviert hatte, als er es trug, symbolisierte es Reita nur eins: Ich brauch jemandem zum reden.

Er hingegen verließ sein Haus ohne sein geliebtes Nasenband, wenn er Aoi einen unauffälligen Wink geben wollte, dass er etwas auf dem Herzen hatte.

So war es schon immer gewesen.

Das Aoi seine Zigaretten offen darlegte, hieß wiederum: Erzähl mir endlich was los ist und beruhige deine Nerven nebenbei.
 

„Aoi..“

„Hast du Probleme? Schulden? Ich kann dir helfen.“, kam die beruhigende Stimme des Schwarzhaarigen.

Ein resigniertes Kopfschütteln seinerseits.

„Stress mit deinen Eltern, mit der Familie allgemein?“

Wieder nur ein Schütteln.

„Mensch Reita.. wie lange kennen wir uns jetzt schon? 18 Jahre? Erzähl mir doch einfach, was los ist!“

Wie würde Aoi wohl reagieren, wenn er ihm von seinen neusten Gefühlen berichtete? Das er nicht für ein zuckersüßes Mädchen empfand, sondern für einen hochgewachsenen Kerl, der so verführerisch, so perfekt zu sein schien, dass es eigentlich verboten gehörte, so jemanden auf offener Straße frei herum laufen zu lassen?
 

„Ich bin verliebt.“

War das wirklich seine Stimme, die hier zu Aoi sprach? Sie klang so zerbrechlich, ohne jeglichen Klang. Gehauchte Worte, die ein sensibles Thema einleiteten.

Aois Mimik änderte sich, seine Gesichtszüge wurden weicher, während er Reita die Zigarette in den Mund steckte, sie anzündete, die selbe Prozedur bei sich selber wiederholte.

„Verliebt also. Und sie hat dir einen Korb gegeben?“, fragte er mitleidend nach.

„Nein.. also..“

„Sie weiß es gar nicht?“

Manchmal wunderte sich Reita wirklich, wie Aoi innerhalb weniger Sekunden sofort seine Gedanken analysieren und auf den Punkt kommen konnte.

„Nein..“

„Warum sagst du es ihr dann nicht? Vielleicht mag sie dich ja auch?“

„Aoi.. es ist wie ich schon sagte.. Kompliziert.“

Aois Augen verengten sich kurz, dann tippte er sich mit dem Zeigefinger auf den Lippen.

„Hat sie einen Freund?“

„Nein. Also. Keine Ahnung... aber...“

Aois Gesichtszüge erstarrten.

„Es ist keine sie. Du hast dich in nen Kerl verguckt!“, sprach Aoi die vernichtende Wahrheit aus.

Ein Gefühl der Angst kroch quälend langsam durch Reitas Körper. Angst und Erleichterung. Wie würde sein bester Freund reagieren? Ihn angeekelt von sich stoßen und nie wieder ein Wort mit ihm wechseln? Verständnisvoll? Begeistert?

„Kein Wunder das es kompliziert ist!“, lachte Aoi herzhaft, zog genüsslich an seiner Zigarette. Und damit schien das Thema „Reita und vielleicht schwul“ auch schon gegessen zu sein.

Die nächste Viertel Stunde wurde Reita regelrecht wie eine Gans zu Weihnachten ausgenommen. Wer war der Typ, kannte Aoi ihn vielleicht, wie sah er aus? Ob es denn einen Schnappschuss von ihm gäbe, was er beruflich ausüben würde.

Reita kam sich wie beim ersten Besuch der Schwiegereltern vor. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass sich Aoi niemals wegen seiner sexuellen Orientierung von ihm abwenden würde. Dafür war er einfach viel zu tolerant.
 

„Wie hast du dich denn eigentlich in ihn verliebt?“

Aoi hatte den Kopf etwas schief gelegt, musterte ihn fröhlich.

„Das ist glaub ich selbst für dich zu kitschig..“, grummelte der Blonde. Ja, ihre erste Begegnung, der Grund für seine übermenschlichen Gefühle zu Uruha passte nicht zu seinem normalen Ich. Aber was war denn bitte schön in den letzten Monaten in seinem Leben normal gewesen?

„Darauf hätte ich selbst kommen können.“, lachte Aoi und sprach erheitert weiter, „entweder was total absurdes oder zum sterben süßes.“

„Da wäre mir Option eins lieber gewesen.“, seufzte Reita wehleidig, wollte gerade das Wort erheben als sein Körper wie zu Eis erstarrte. Ein wohlbekanntes Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus, zog in seiner Magengrube. Seit 2 Wochen verschollen und ausgerechnet hier sah er ihn wieder: Uruha.
 

„Reita?“, sah ihn Aoi verdutzt an, folgte dann dem Blick des Blonden und begann wissend zu grinsen.

„Ich vermute mal das ist Mister unwiderstehlich, unbeschreiblich, wunderschön, anmutig und was war es noch? Ach ja, Sexy.“

„In einem Wort formuliert: Uruha.“, korrigierte Reita seinen besten Freund nebenbei, allerdings nicht ohne den Brünetten aus den Augen zu lassen.

„Wenn du den noch weiter so anstarrst, wird es das letzte mal gewesen sein, dass er nichts von deinen Gefühlen weiß...“, ermahnte ihn Aoi.

Er hatte ja so Recht! Aber was sollte er machen? Sein Herz zwang ihn regelrecht dazu, die Augen auf ihn gerichtet zu lassen. Die Sehnsucht überfiel ihn. Nur einmal diese seidige Haut berühren..

Kurz schlossen sich seine braunen Augen, doch als er sie wieder öffnete, war nicht Uruhas Profil in seinem Sichtfeld.

Reh-braune Augen schienen direkt in seine Seele zu dringen, alles in ihm zu durchleuchten. Eine ungewohnte Spannung baute sich zwischen ihnen auf, schien die Luft zu elektrisieren. Reita wusste: Je länger er standhielt, desto größer war die Gefahr Uruha seine eigenen Gefühle wie auf einem Silbertablett darzulegen. Doch er war nicht gewillt diesen Moment zu zerstören.

Auf Uruhas Zügen zeichnete sich ein Grinsen ab, dann dieser perfekte Wimpernaufschlag, die verführerischen vollen Lippen, einen Spalt geöffnet. Alleine nur diese sündigen Samtpolster verliehen Uruhas Gesicht einen verruchten Zug.

Was faselte er da von sündigen Lippen? Dieser Mann war die Sünde pur! In ihrer reinen Existenz, das bestmögliche Synonym für sie.
 

Gefühlte Stunden vergingen, in deren Reitas Umwelt sich in Nichts aufgelöst hatte. Kein Aoi mehr, kein duftender Kaffee, keine Zigarette. Im Hier und jetzt existierte nur er und Uruha. Er, Uruha und ihr Blick.

Doch auf einmal wand sich der Brünette ab, Reita wurde mit Lichtgeschwindigkeit wieder in die Realität geworfen, fand sich in dem roten, abgenutzten Sessel wieder, Aoi musternd und prüfend ihm gegenüber.

„Kompliziert hat jetzt Status 2 erreicht. Reita hat sich in einen Kerl verliebt, der scheinbar auch noch nen Freund hat.“

Reita schluckte. Tatsächlich. Uruha ging geradewegs auf einen kleinen, attraktiven Jungen zu, schlang seinen Arm besitzergreifend um die Taille und führte ihn an einen Tisch.
 

„Lass uns abhauen. Ich lass heute Handball ausfallen. Ich meine, ist Wochenende. Wer braucht da schon Training? Wir könnten doch mal wieder ausgehen! Party machen, tanzen, saufen!“, baute Aoi ihn auf.

Unfähig einen Satz zu formulieren, nickte Reita nur. Vielleicht gar keine so schlechte Idee. Er hatte sich doch sowieso nichts erhofft. Zwar schien Uruha vom anderen Ufer zu sein, aber nur weil er sich für Männer interessierte, musste das nicht für jeden gelten.

Aoi bezahlte schnell ihre Getränke, stand dann auf und zog ihn ohne Widerworte aus dem Café an die frische Luft, fing an irgendwelche sinnfreien Geschichten zu erzählen. Doch Reitas Gedanken waren schon längst abgedriftet.
 

Er war vergeben. Uruha war schwul und vergeben.

Die Partycrasher

Sou. Hier ist das nächste Kapitel :)

Ich mag Uruha, er hat so eine "Arschloch"-Aura >:D
 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Marumotto für das fleißige Kommischreiben.
 

Viel Spaß beim lesen.
 

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Aoi besetzte das Bad nun schon seit einer halben Stunde und langsam empfand Reita ihre Idee, heute Abend fortzugehen doch nicht mehr so als das Wahre. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu dem brünetten Schönling, zu dem unbekannten Kerl mit dem Glück, Uruha berühren zu dürfen.

Zorn und Wut, gepaart mit feuriger Eifersucht durchzog Reitas Körper immer wieder sobald er an die Szene im Café dachte. Und tiefe Trauer.
 

Sein Verstand predigte ihm schon seit Wochen, dass er nicht an seinen Träumen festhalten sollte. Die Illusion, eines Tages Uruha wirklich näher zu kommen, erschien ihm immer absurder. Doch sein Herz wollte ihm keinen glauben schenken, verzog sich schmerzvoll bei seinen Erinnerungen an den Größeren.
 

Liebe war grausam. Zwar hatte er das schon oft von tief betrübten Freunden gehört, es allerdings am eigenen Körper zu spüren, war wahrhaftig etwas anderes. Die Bedeutung des Wortes Liebe hatte nun einen deutlich faden Nachgeschmack.
 

Kurz schüttelte Reita seinen Kopf, wollte sich damit von allen Sorgen befreien. Er würde heute Abend feiern gehen, mit Aoi den Abend genießen und dabei nicht einmal mehr an Uruha denken. Er schwor es sich, wusste im Innersten das er nicht einmal dieses kleine Versprechen halten konnte.
 

Aoi kam aus dem Bad getigert, sah ihn anerkennend an. Anscheinend gefiel seinem besten Freund der Anblick.

Reita hatte sich eine enge, schwarze Jeans angezogen, die knapp über der Hüfte saß und enorm Figur betonend wirkte. In dem Teil hatte er einen Bombenarsch, fand Aoi jedenfalls. Seinen Oberkörper hatte der Blonde mit einem weinroten Muskelshirt bedeckt gepaart mit einem kurzärmeligen, offenen Hemd. Der schwarze Stoff wurde von hauchfeinen, silbernen Linien geziert, was Reitas Outfit einen eleganten Touch verlieh. Am rechten Handgelenk trug er ein silbernes Kettchen, am linken fanden etliche Stoffbänder von verschiedensten Konzerten und Festivals platz, die Reita die letzten Jahre über besucht hatte. Die blonden Haare waren in üblicher Reita-Marnier zu einem Iro locker hochgegelt, an den Seiten hingen vereinzelt Strähnen ins Gesicht. Die braunen Augen waren mit einem Hauch von Schwarz hervorgehoben.
 

„Reita, wenn du so nicht mindestens zehn Weiber abschleppen würdest, weiß ich auch nicht..“, murmelte Aoi ehe er sich noch ein letztes Mal im Spiegel betrachtete, dann mit einem Kopfnicken scheinbar auch seine eigene Erscheinung akzeptierte, seine kleine Tasche schulterte und in seine schwarzen Sneakers schlüpfte.
 

Die Schlange an der Disko reichte bis um die Ecke. Seit zehn Minuten standen sie nun hier, leicht frierend, da weder er noch Aoi an eine Jacke gedacht hatten. Die Grüppchen um sie herum quatschen im munterem Tonfall, mal hörte man von einem Mädchen ein „Oh ist der Süß“, mal von einem Kerl „Die ist heiß!“. Der Alltag des nächtlichen Lebens. Hier war man meist nur eine anonyme Person, die sich lediglich über ihre äußere Erscheinung definieren konnte. Ein Blick reichte, um eine Meinung in anderen Köpfen entstehen zu lassen.

Egal, ob man Abitur machte oder mit der 8. Klasse die Schule abgebrochen hatte.

Egal, ob die Eltern erfolgreich eine Firma leiteten oder zuhause vergebens Arbeit suchten.

Egal, ob man der liebste Mensch unter der Sonne oder die Ausgeburt des Teufels hochpersönlich war.

Hier zählte nur der erste Eindruck.

Und von denen sammelte Reita mehr als genug Positive.
 

Drei Mädchen hinter ihm gackerten schon seit Sekunden, schenkten ihm immer wieder verstohlene Blicke. Vor ihnen versuchte ein Exemplar die Aufmerksamkeit von Aoi zu erhaschen. Dieser schenkte der Brünetten ein schmeichelndes Lächeln, drehte sich dann allerdings wieder abrupt zu ihm herum.

„Was ist?“, hörte sich Reita nuscheln, quittierte Aois angewiderten Gesichtsausdruck mit einer hochgezogenen Augenbrauen.

„Der ihre Zähne sind so gelb, dass sie schon als braun durchgehen. Da steck ich meine Zunge bestimmt nicht rein!“, giftete er ein wenig genervt, fuhr sich dann über das makellose Gesicht und hielt sogleich Ausschau nach einem neuen paarungswilligem Weibchen.

Reita studierte den verschmutzen Asphalt unter seinen Füßen, während Aoi in seiner Geldbörse nach dem Eintrittsgeld suchte. Der Eingang war schon in Sicht und wenige Augenblicke später marschierten sie durch die Eingangspforte des angesagten Clubs. Sie bezahlten, bekamen zwei Stempel aufgedrückt und traten dann ins Innere der Räumlichkeiten.

Musik und eine Hitzewelle drängelten sich ihnen entgegen, als sie die große, stählerne Tür öffneten.

Einige leicht bekleidete Mädchen lehnten an der grauen Wand. Ihre Augen sogen sich fest, als sie die Türschwelle übertraten und ins nächtliche Getümmel abtauchten. Weiterhin interessierte Blicke erntend liefen sie weiter Richtung Musik. Die Tanzfläche war heute wie gewöhnlich überfüllt, an den Theken standen die Kerle Schlange um an ihr lang ersehntes Bier zu kommen. Der Mischpult im hinteren Teil des Raumes wurde von einem Schwarm Frauen bevölkert, die den DJ's scheinbar mit ihren Wünschen bombardierten.
 

Aoi zog den Blonden mit sich, vorbei an den überhitzen Leibern die sich im Takt der Musik grazil hin und her bewegten. Sie ließen sich auf ein schwarzes Sofa fallen, die Menschen in dem Club dabei beobachtend. Sofort gesellten sich zwei Weiber zu ihnen, die sich – aufdringlich wie sie waren – an sie rutschten, versuchten ein Gespräch zu beginnen.

„Ich bin die Merle.“

Eine kleine, pummelige Dame Anfang 20 schlug ihre Beine übereinander, strich ihre Blonden Haare zurück und musterte Reita mit einem zuckersüßen Blick. Ihre weißen Zähne blitzen zwischen den rot geschminkten Lippen hevor, sie leckte sich in einer bedeutungslosen Geste über die Lippen, ehe sie sich weiter vorbeugte, damit Reita sie auch verstehen konnte.

„Und du bist?“

„Ein Kerl.“, grummelte Reita, verwünschte im nächsten Moment die spontane Schnapsidee mit dem Fortgehen.

Aoi schien sichtlich amüsiert, scheuchte die zwei dann allerdings doch hin fort. Träge starrten sie in den künstlich beleuchteten Raum, folgten den Bewegungen. Aoi lächelte dem ein oder anderen Bekannten zu, setzte sich mit einem mal kerzengerade hin.

„Rei!“, zischte er, rüttelte am Arm seines besten Freundes.

„Uruha ist single.“
 

Reita fuhr bei dem Namen augenblicklich zusammen, versteifte sich und musterte den Schwarzhaarigen.

„Und das weißt du so genau, weil..?“

„Weil der grade mit 'nem Burschen rumknutscht, der vorhin nicht im Café war.“

Reitas Herz zog sich bei den Worten leicht zusammen. Er suchte inmitten der fremden Gesichter den Brünetten, fand ihn und wahrhaftig: Der drängte gerade einen gut aussehenden Kerl gegen die Wand, küsste ihn um seinen Verstand. Uruha löste sich von seinem Partner, wandte den Kopf in ihre Richtung und presste die wundgeküssten Lippen aufeinander.

Ihre Blicke verhakten sich ineinander, wie vorhin im Café, unzertrennlich. Reita schluckte, wollte sich abwenden, seinen Gefühlen wieder Herrscher werden, aber diese Augen hielten ihn fest, ketteten ihn an sich. Uruhas Kopf neigte sich leicht zur Seite, dann ließ er seine Bekanntschaft atemlos an der Wand zurück, kam langsamen Schrittes auf ihn und Aoi zugelaufen.

Direkt vor Reita blieb er stehen, beugte sich wie eine Raubkatze nach unten, kam direkt neben seinem Ohr zum stehen.

Reita vernahm eine kitzelnde Berührung, weiche Lippen schmiegten sich wie zufällig an sein Ohr. Uruhas Duft benebelte ihn, ließ ihn benommen werden. Unfähig Widerstand zu leisten, ließ sich Reita an die Sofalehne drängen.
 

„Jetzt hör mal zu Kleiner.“

Uruhas Stimme hörte sich animalisch an. Das komplette Gegenteil seiner Gestik fand sich darin wider. Er hatte die Arme gegen die hinter ihnen liegende Wand gestemmt, ein Bein berührte Reitas Knie.

Zu viel Nähe, zu viel Kontakt.

Reitas Herz pochte aufgeregt und hoffnungsvoll gegen seine Brust, seine Finger, welche er verkrampft in die Hose bohrte, zitterten.

„Ich hab keinen Bock irgendwelche Stalker mit mir rumzuschleppen. Entweder wir machen uns 'nen hübschen Abend und du lässt mich dann endlich in Ruhe oder du ziehst es ab jetzt vor, meinen Weg nicht mehr zu schneiden.“
 

Uruhas Worte schienen einer kalten Dusche zu ähneln.

Erschrocken fuhr Reita zurück, stieß den Brünetten von sich um Platz zu finden. Einen Augenblick lang war sein Gehirn wie weggefegt, keine Worte, kein Verstand mehr darin zu finden.

Wie von selbst sprach er.

„Ich stalke dich nicht. Und bevor ich mit dir im Bett lande, schneide ich mir das Teil da unten ab.“
 

Uruha hob überrascht die Augenbrauen, nickte dann allerdings und meinte: „Fein, dann sind wir uns ja einig. Wenn du erlaubst, ich werde das Sahneschnittchen dahinten jetzt mal mit nach Hause entführen und ordentlich durchnehmen. Auf nimmer wiedersehen!“
 

Reita sachte in sich zusammen. Die Hände schützend vor dem Gesicht, nach vorne gebeugt, sich auf seine Knie stützend.

Langsam stabilisierte sich seine Atmung wieder. Aoi warf ihm einen besorgten Blick zu, dann erhob er sich und holte für sie beide Wasser. Die Flasche Reita reichend, suchte er in seiner Tasche sein Handy, rief dann jemanden an um sich zu erkundigen, ob es möglich wäre sie abzuholen.
 

Im Inneren des Autos schien Reita förmlich von der Luft erdrückt zu werden.

Er hatte hinten Platz genommen, starrte nun regungslos aus dem Fenster, nahm die an ihm vorbei rauschende Landschaft nur benebelt wahr.

Uruha hatte ihm eine satte Abreibung erteilt. Er hatte es gemerkt, seine heimlichen Blicke, die soviel Sehnsucht, soviel Begierde widerspiegelten.

Das sanfte Lächeln, sobald Reita ihn gesehen hatte. Die nervös zittrigen Finger, sobald sie sich ausversehen berührt hatten. Alles war von Uruha aufgenommen worden.
 

Tiefe Scham besudelte Reitas Geist. Wie hatte er sich nur so pubertär verhalten können? Kein Wunder, dass Uruha die rote Karte zog; die rote Karte ziehen musste, ohne ihn näher zu kennen. Aber so wie Aoi gemeint hatte, war der Brünette wahrscheinlich nicht der Typ für ein nettes Candle-Light-Dinner und den romantischen, ersten Kuss vor der Haustür.

Sich die Haare raufend blinzelte Reita ein paar verräterische Tränen aus den Augenwinkeln. Verfluchte Scheiße, er würde hier nicht anfangen zu heulen! War er denn nun völlig verblödet in seinem Hirnchen?
 

Aoi warf ihm durch den Rückspiegel besorgte Blicke zu. Er war es auch gewesen, der nicht zulassen wollte, Reita heute Abend alleine schlafen zu lassen.

Als ob er ein kleines, krankes Wesen war, dass man nicht mehr allein lassen konnte. Verflucht, er war verliebt. Unglücklich verliebt, aber deswegen noch lange kein potenzieller Selbstmörder. Oder was sich Aoi da auch in seinem Hirn zusammen sponn, wissen konnte man es bei dem Irren eh nie.
 

Die Augen schließend genoss der Blonde den frischen Wind. Seine Haare kitzelten sanft in seinem Gesicht, wann immer sie den Wogen der Prise folgten und munter hin und her tanzten.

Er würde die Sache nun einfach aussitzen und vergessen. Schließlich wohnte er in einer großen Stadt, er war Uruha nur einmal durch Zufall begegnet, der Rest war reitakürliche Manier gewesen. Er hatte ihre Treffen herauf beschworen, er hatte sich Uruha genähert, sich mehr und mehr nach ihm verzehrt.

Und nicht einmal die Tatsache, dass Uruha so ein... ein Arschloch war, holte ihn in die Realität zurück. Sein masochistisches Herz redete ihm ein, dass es für Uruhas Verhalten sicherlich einen plausiblen Grund gab, und er nicht einfach aus Spaß an der Freude in der Weltgeschichte rumvögelte.

Sackgasse. Bei seinem Herz brauchte er den Uruha-Löschknopf nicht zu suchen. Sein Verstand hämmerte ihm aber schon seit Wochen die Wahrheit in Stein und doch hörte er nicht auf ihn.

Selber Schuld.

Reita hasste sich im Moment für seine naive Auffassung der Welt. Als ob er Uruha ein paar hübsche Blicke schenkte, mit seinem Hintern wackelte und der Größere dann sofort wie ein braves Hündchen angerannt kommen würde. Hatte er das wirklich gehofft?
 

Sie hielten wenig später vor Aois Haus, wo sie, nachdem sie es betreten hatten, auch sogleich seinen Biervorrat im Keller plünderten, einen halbleeren Kasten die Treppen hochtrugen, hinauf in sein Zimmer.

Deprimiert ließ sich Reita auf dem weichen Bett nieder, öffnete sich sogleich mit seinem Feuerzeug ein Bier und trank eilig einen Schluck.

Herb und Bitter schmeckte es, kurz schüttelte sich Reita, dann leerte er die Flasche in einem Zug bis zur Hälfte. Aoi stand ihm in nichts nach, gesellte sich neben ihn und zündete zwei Zigaretten gleichzeitig an, eine dann an den Blonden weiterreichend.
 

„Hör zu, Rei, ich weiß du willst das nicht hören, aber seh dich doch nach was anderem um. Klar, hast du Gefühle für ihn – wieso auch immer – aber es ist noch lange nicht zu spät aus der Sache wieder gemütlich heraus zu spazieren. Ich meine, du kennst ihn doch kaum!“
 

Reita nickte gedankenverloren.

Natürlich hatte Aoi Recht. Aoi dachte, dass er Recht hatte.

Der Blöde hatte ja auch nicht das gesehen, was er gesehen hatte.

Der Augenblick, in den er sich in Uruha verliebt hatte, der ein vollkommen anderes Bild auf den Brünetten warf.

Reita schloss die Augen und erinnerte sich lächelnd. An diesem regnerischen Tag, im durchnässten Park, an der abseits stehenden Bank, wo sich sonst Mütter mit ihren Kindern und Rentner tümmelten.

Die kleine Szene erschien für Reita wie ein Traum zu sein. Sein Allerheiligstes Erinnerungsstück.

Er versuchte jedes Detail zu formen, wollte nicht, dass diese Bilder verblassten, wollte nicht den Grund für seine Gefühle ausradieren.

Es wäre ein leichtes gewesen, ohne diesen Tag in seinem Kopf, Uruha zu vergessen.

Aber er konnte es nicht.

Noch nicht.
 

Nach 6 weiteren Flaschen schlief Reita an Aoi gekuschelt ein. Er wollte nicht mehr nachdenken. Er wollte nur noch seinen Traum wieder und wieder abspielen.

Sein bisschen Hoffnung in seiner fiktiven Welt noch aufrecht erhalten, bevor die grausame Realität alles in Scherben zerbrechen ließ.

Die Tücken des Teufels

Entschuldigt, die Wartezeit. Prüfungen usw. Kennt man ja.
 

Ich bedanke mich ganz lieb bei den Kommischreibern C: *freu* Da hat man wieder frischen Mut, weiterzutippen!
 

Das mit dem Gel.. ja, hehe. Das sind so Sachen, die ich noch lernen muss, mich wirklich mehr an realistischen Situationen zu orientieren. Aber so war ich - leider - schon immer. Denken wir uns also, dass Reita ein super hartes Stein-Gel hat, welches die Haare ganz ohne Bemühungen halten lässt! xD
 

Viel Spaß!
 

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Das Ticken seines Weckers hallte animalisch laut in Reitas Kopf wider. Seit gefühlten Stunden quälte er sich nun in seinem Bett, zog sich die Decke über den Kopf, um den grellen Sonnenstrahlen auszuweichen, aber Ruhe konnte er trotzdem nicht finden. Die Erinnerungen des gestrigen Abend konstruierten sich Stück für Stück vor seinem geistigen Auge, die Scham gewann die Überhand in seinem Körper.

Reita brummte missmutig. Die utopischen Vorstellungen seines lieben Uruhas verloren immer mehr an Form, mittlerweile fragte er sich sogar, ob er sich diese eine regnerische Nacht im Park nur eingebildet hatte.

Aoi hatte ihn heute morgen danach gefragt. Nach diesem irrealen Moment, indem er sich in Uruha verliebt hatte. Was vorgefallen war, dass er sich ausgerechnet so einen Idioten rausgesucht hatte. Doch Reita hatte geschwiegen.

Wenn der Glanz seiner Gefühle langsam schon verblasste, wollte er wenigstens diesen Augenblick wahren. Für ihn glichen diese wenigen Minuten, in denen er Uruha heimlich beobachtet hatte, einem Schatz. Einem wertvollen, intimen Schatz, den er um keinen Preis mit der restlichen Welt teilen wollte. Sein Fels in der Brandung.

Zu dem nervenden Ticken seines Weckers gesellte sich sein Klingelton. Blind fuhr er mit der Hand über den Boden. Mit den Fingerspitzen erhaschte er den Stoff seiner kleinen Umhängetasche, zog sie zu sich und fischte gekonnt sein Handy aus ihr.

„Ja?“, nuschelte er leise, als er sein Telefon unter die Decke verfrachtet hatte. Aois Stimme hüpfte ihm entgegen, fröhlicher denn je. Wie konnte dieser Kerl nach dem Gelage gestern so gut drauf sein? Aber sowieso erschien ihm alles an Aoi surreal. Dieser Mensch konnte einfach nicht von diesem Planeten stammen. Nie im Leben.
 

„Reita, mein über alles geliebter Freund!“

Gleich wurde ihm übel.

„Was willst du!?“

Aoi gackerte fröhlich vor sich hin, im Hintergrund vernahm Reita das Geräusch des Fernsehers. Aoi streckte sich herzhaft, jedenfalls konnte er das aus dem lange gestreckten Seufzen erkennen.

„Lass mich raten, du liegst in deinem Bett und willst grad nichts von der Welt wissen?“, ertappte ihn Aoi. Reita brauchte nicht zu antworten. Sein bester Freund wusste immer was in ihm vorging, wie er sich verhielt. Und er schätze es so sehr, er dankte dieser Welt so verdammt sehr dafür, jemanden wie Aoi seinen Freund nennen zu dürfen.

„Frühstücken um 3. Wenn du jetzt schnell duschen gehst, schaffst du den Zug noch. Also los!“, spornte ihn die Stimme Aois an, ehe er auflegte.

Reita blieb noch einige Momente in seinem Bett liegen, schlug die Decke zur Seite, ehe er seine Beine mit Schwung auf den Boden brachte.

Ablenkung tat ihm sicherlich gut.
 

Mit abgehacktem Atem stand Reita am Bahngleis, sah dem Zug hinterher. Klasse. Egal, wie sehr man rannte, die Zugführer warteten doch eh nie auf einen. Sein Blick glitt zur Anzeigetafel. 15 Minuten waren zwar nicht die Welt, allerdings wäre es Reita jetzt in einem angenehm gepolsterten Sitz lieber gewesen als sich auf die alten, vergammelten Holzbänke zu setzen. Seufzend ließ er sich nieder, schlug die Beine übereinander und betrachtete desinteressiert seine Umgebung.

Er erinnerte sich daran, Aoi besser eine SMS zu schreiben um ihm seine Verspätung mitzuteilen. Nicht das dieser noch dachte, Reita hätte es verpennt. Geistesabwesend zückte er sein Handy, tippte in Windeseile die kurze Nachricht und verstaute sein Handy wieder in der Hosentasche.

Seine Augenbrauen hoben sich überrascht, als er einen ihm wohlbekannten braunen Schopf am Horizont sah. Uruhas hübsches Gesicht erschien kurz darauf in seinem Sichtfeld.

Augenblicklich zog sich Reitas Herz zusammen. Was für eine verdammte Scheiße!

Prompt wurde der gestrige Abend wieder lebhaft, der Scham kroch seinen Körper empor, trieb ihm die Röte ins Gesicht. Sein Atem beschleunigte sich, als Uruha siegessicher auf ihn zu stolziert kam. Wie von selbst erhob sich sein Körper von der Bank, trug ihn den Bahnsteig entlang. Einen unsicheren Blick über die Schulter werfend erkannte Reita das ihm sein Peiniger immer noch verfolgte, sich ihm immer schneller näherte.

„Hey, bleib doch mal stehen! Re- Reta!“

Reita stockte. Wie bitte was?

Uruha riss erschrocken die Augen auf, bremste noch gerade rechtzeitig ab um den Blonden nicht vollkommen umzurennen. Ihm die offene Handfläche entgegen haltend stand Uruha vor ihm, sah ihn mit herkömmlichen abschätzigen Blick an.

„Reita.“, knurrte er missmutig. Uruha verzog kurz die Lippen zu einem spöttischen Lächeln, setze dann aber dann doch zum sprechen an.

„Kannst du mir mal das Fahrgeld auslegen? Die haben hier keinen Automaten, wo ich Geld abheben kann.“

Im ersten Moment begriff Reita nicht wirklich, was Uruha da gerade von ihm wollte. Dachte der Kerl tatsächlich das er ihm nach allem was vorgefallen war Geld gab? Nach all den Demütigungen und Beleidigungen, nach diesen gefühllosen Blicken, diesem Spott in der Stimme? Nach seiner deutlichen Abneigung?

Reita blieb stumm. Uruhas ungeduldiger Blick ruhte auf ihm, die Hand schwebte immer noch leer in der Luft zwischen ihren Körpern.

„Was ist denn, mach schon!“, fuhr ihn Uruha an.

Am liebsten hätte er laut aufgelacht.

Wahrhaftig.

Sein ach so intimer Schatz, seine wertvolle Erinnerung war nicht mehr wert als Dreck. Gefühle rasten durch seinen Körper, am liebsten hätte er diese sinnlichen Lippen geküsst und gleichzeitig Uruha eine reingehauen. Wie konnte ein einzelner Mensch nur soviel Arroganz ausstrahlen, sein Umfeld als wertlos abstempeln.

Dachte Uruha etwa, nur weil er Gefühle für ihn hegte, ginge seine herzlose Prozedur an ihm vorbei ohne Narben zu hinterlassen? Da hatte er sich aber so gewaltig geschnitten.

Er würde ihn vergessen, diesen verlogenen, ignoranten Arsch.

Gemächlich zog Reita seine Geldbörse aus seiner Jackentasche, zauberte Uruha damit ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht. Während er die Geldstücke beisammen suchte, wurde er von Uruha gedrängt sich zu beeilen. Und ob er nicht noch Geld für einen Kaffee vom Kiosk drauflegen könne.

Reita nickte.
 

„Hier, bitte.“

Uruha drehte sich zu ihm herum, wollte ihm das Geld aus den Händen nehmen, als Reita es in einer fließenden Bewegung direkt vor Uruhas Schuhe fallen ließ. Uruha musterte ihn verwirrt, wartete auf eine Reaktion des Blonden.

Doch Reita trat nur mit seinem rechten Fuß auf das Geld, ehe er sich wieder auf dem Weg zu seiner Bank machte, sich setzte und nur nebenbei mitbekam, wie Uruha das auf dem Boden liegende Geld ignorierend zu einem nächsten Passanten ging.
 

Die Fahrt hatte nicht lang gedauert. Reita hatte mitbekommen wie sich Uruha in ein anderes Wagon verzogen hatte. Sollte ihm nur Recht sein, vielleicht verstand der Brünette nun was er mittlerweile von ihm hielt. Ob ihn das störte oder nicht war eine andere Geschichte. Doch der ungläubigen Gesichtsausdruck von Uruha hatte ihm gereicht.

Reita lehnte seinen Kopf gegen die kühle Zugfensterscheibe. Gedankenverloren betrachtete er die an ihm vorbeiziehende Landschaft.

„Achtung, Achtung, eine Durchsage. Aufgrund eines Verkehrsunfalles fährt dieser Zug ab nächster Haltestelle nicht weiter. Wir bitten sie in eine andere Linie umzusteigen oder die bereitstehenden Busse zu benutzen.“

Reita seufzte. Als ob er sowieso nicht schon zu spät dran war. Nein, jetzt machte ihm sogar die Bahngesellschaft schon einen Strich durch die Rechnung. Schlecht gelaunt verließ er seinen Sitzplatz, wartete an der Tür des Zuges bis dieser zum stehen gekommen war und trat hinaus in den sommerlichen Tag.

Er hatte Glück, denn seine nächste Bahn in gewünschter Richtung fuhr schon in 5 Minuten. Zwar mit ein wenig Umweg, aber immerhin musste er nicht in einem überfüllten Bus oder noch schlimmer eine halbe Stunde zu Fuß durch die Weltgeschichte gurken.

Mit trägen Augen genoss er die Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Leise Musik ertönte aus seinen Kopfhörern, im Takt trommelte er mit seinen Fingern gegen seinen Oberschenkel. Etliche Menschen sammelten sich neben ihm, teils gut gelaunt, teils böse schauend. Wahrscheinlich waren sie ebenso dem Verkehrsunfalls halber umgeleitet worden.

Seine Bahn fuhr ein und gerade als Reita sich zwischen den Massen durchdrängeln wollte, da packte ihn jemand am Arm und drehte ihn gewaltsam um.

Uruha stand mit gefährlich blitzenden Augen vor ihm, drückte ihm einen Schein in die Hand und verspottete ihn mit einem süffisanten Lächeln.
 

„Da, mehr warst du eh nicht wert.“
 

Die Leute um sie herum betrachteten sie neugierig, eine Mädchen fingen wild an zu kichern. Die älteren Herrschaften schüttelten entsetzt den Kopf.

„Hure“, „Prostitution“ und „Missgeburt“ waren aus dem Gemurmel zu hören.

Uruha strich sich seine glänzenden Haare in einer geschmeidigen Bewegung zurück, ehe er Reita zur Seite drückend auf die offene Zugtür zuging.

Wie gelähmt stand Reita da. Sein Körper schien ihm nicht mehr zu gehorchen. Er bewegte sich nicht, konnte sich nicht bewegen, den Blick nur auf den glatten Geldschein in seiner Hand haltend. Natürlich wusste der Blonde das dies die Rache für seine Aktion vorhin war.

Und natürlich hätte er sich denken können, dass Uruha nichts auf sich sitzen ließ.

Doch die Tatsache, dass es der Brünette mit so einer Leichtigkeit fertig brachte ihn vor so vielen Leuten auf diese Weise zu blamieren, war wie ein Schlag ins Gesicht.

Die Demütigungen, welche Reita bisher durch diesen Mann erfahren hatte waren nichts im Vergleich zu dieser Situation.

Sich auf die Lippe beißend zerriss er den Schein, verstreute ihn in alle Himmelsrichtungen und schlüpfte noch rechtzeitig durch die sich schließende Zugtür.

Drauf geschissen. Durch so was wurde seine Entscheidung, Uruha zu vergessen, nur noch gestärkt.
 

Eine Viertelstunde später saß Reita mit seinem besten Freund in ihrem neuen Stammcafé.

Aoi schlürfte gerade an einem Lattemachiato, als Reita mit einem mal auf die Tischplatte schlug.

„So ein Arsch!“, brüllte er laut heraus, fing sich einmal mehr merkwürdige und pikierte Blicke ein.

Aoi runzelte die Stirn, ließ sein Getränk Getränk sein und strich Reita beruhigend über den Unterarm.

„Jetzt hör mir mal zu. Du wusstest von Anfang an auf was du dich da eingelassen hast. Klar, dir kann man an sich nichts vorwerfen, niemand kann etwas für seine Gefühle, aber ich finde, du solltest mit der Sache einfach abschließen.“
 

Leichter gesagt als getan, dachte Reita missmutig, nickte aber brav und senkte den Blick auf seine Kaffeetasse hinab. Manchmal wünschte er sich, seine Gefühle komplett ausrotten zu können. Er war noch keine 50 und mit übermäßig vielen Lebenserfahrungen gesegnet. Sicherlich würde der Tag kommen, an dem er Uruha vergaß. An dem er jemanden fand, der ihm würdig war. Jedoch ließ sich seine momentane Situation nicht einfach weg radieren. Er musste mit ihr umgehen, lernen zu vergessen und sich nicht in irreale Illusionen stürzen wie er es bisher getan hatte.

Uruha war ihm komplett fremd. Ein anderer Mensch mit anderen Ansichten und Erwartungen vom Leben. Seine äußerliche Schönheit verdeckte den verdorbenen Kern in ihm nur allzu gut. Es war ihm nicht verwunderlich, dass Uruha trotz seines Charakters dermaßen beliebt war. Doch ihm machte er nichts mehr vor.
 

„Das Leben ist zu kurz um einem einzelnen Menschen hinterher zu trauern.“
 

Die Stunden vergingen wie Minuten.

Deutlich heiterer als zuvor marschierte Reita neben Aoi her, welcher ein Geschäft nach dem anderen betrat, jegliches Gut mit Adleraugen betrachtete ohne wirklich etwas zu erwerben. Die Menschen tummelten sich in den großen Einkaufspassagen, die Luft war schwül. Am Himmel war keine einzige Wolke in Sicht, nur die Sonne, welche ihre warmen Strahlen auf die Erde hinab sendete.

Aoi achtete peinlichst genau darauf, nur unverfängliche Gesprächsthemen zu wählen. Auch analysierte er nicht wie sonst jedes Mädchen das an ihm vorbei lief. Reita spürte, dass sein bester Freund darum bemüht war ihn nicht an Uruha zu erinnern, in welcher Art auch immer.
 

Ab und zu spähte Reita durch die Gassen. Das kleine, nette Café hatte schließlich auch verborgen gelegen, vielleicht gab es in seiner Stadt noch mehr versteckte Schmuckstücke die nur darauf warteten erkundet zu werden.

Ein handbeschriftetes Schild lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine kleine Treppe. Er stoppte, las sich den Text durch und grinste süffisant.

„Aoi!“, rief er den Größeren zu sich heran, ging indes schon auf den Laden zu.

„Da müssen wir unbedingt rein, die haben 50% Rabat auf Sex Pistols Sachen!“
 

Der Laden war der Hammer. Für Reitas Geschmack jedenfalls, Aoi sah sich notdürftig um, fand allerdings nichts, was ihm wirklich einen Kauf wert war.

Er hingegen warf nun schon das fünfte Kleidungsstück auf seinen Unterarm, erkannte ein paar Meter weiter noch einen Ständer mit Artikeln seiner Lieblingsband.
 

„Geh doch lieber erstmal den Kram anprobieren den du schon hast, Rei“, tadelte ihn Aoi mit leicht genervter Stimme.

Reita seufzte zustimmend, fragte die freundliche Mitarbeiterin nach den Umkleidekabinen, welche ihm ohne Wiederworte den Weg zeigte.

Der komplette Shop spiegelte Reitas Geschmack 1 zu 1 wieder. Die Kabinen bestanden aus schwarz lackiertem Holz, rote Vorhänge schützend die Käufer vor neugierigen Blicken von außen.

Innerhalb der Kabinen waren etliche Poster aufgehängt, von Gruppen und Firmen die dieser Laden vertrat.

Gerade als er sich sein Shirt ausziehen wollte, lugte Aoi mit seinem Kopf herein.

„Ich geh mal schnell ne neue DVD besorgen, wenn du hier fertig bist, ruf mich an, wir treffen uns dann draußen.“

Reita nickte und damit verschwand Aoi schnellen Schrittes.
 

Minuten vergingen, nach und nach probierte Reita alles an. Er differenzierte die Kleidungstücke, indem er sie jeweils links und rechts an die Haken hing. Rechts kaufen, links nicht kaufen.

Deprimiert besah Reita den immer größer werdenden Stapel zu seiner rechten.

Dann würde halt sein gesamtes Geld draufgehen, man konnte schließlich nicht jeden Tag diese Artikel zum halben Preis kaufen. Im Internet hätte er sicherlich locker das Dreifache für ausgeben müssen.

Die rothaarige Verkäuferin schoss wie ein Wirbelsturm zwischen den Ständern und der Kabine hin und her, half ihm, wo sie nur konnte, beriet ihn und schlug ihm andere Stücke vor. Dann jedoch entschuldigte sie sich mit einem Lächeln, es sei Kundschaft zum ab kassieren da, sie würde später nochmal nach dem rechten bei ihm sehen.
 

Reita stutzte, als der Vorhang hinter ihm sich nur wenige Sekunden erneut öffnete. Er streifte sich die Hose, welche er soeben anprobiert hatte von den Beinen und hielt sie ohne nach hinten zu schauen hin.

„Die ist mir zu groß, wenn Sie dir mir vielleicht eine Nummer kleiner bringen könnten?“

„Seh ich aus wie dein Dienstmädchen?“

Reita erschauterte.

Wie aus einem Impuls heraus schnappte er sich ein T-Shirt und hielt es vor seinem entblößten Oberkörper. Den Kopf schüttelnd sah er hinter sich und... er hatte sich nicht getäuscht.

Uruha stand dort. Uruha in einer knappen Strapse bekleidet, Oberkörper frei.
 

„Also langsam komme ich mir wirklich gestalkt vor“, kicherte der Brünette höhnisch, trat näher zu Reita heran und zog den Vorhang hinter sich zu.

Mit einem Ruck hatte Uruha ihn zu sich herum gedreht und im nächsten Moment fand sich Reita auch schon gegen die Wand gedrückt. Das Szenario erinnerte ihn ziemlich an den Besuch der Diskothek gestern Abend, allerdings waren sie da nicht beide halbnackt gewesen.

Heißer Atem traf seinen Hals, das Blut schoss durch seinen Körper, gepaart mit feinen Schauern. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen, die Spannung lag förmlich in der Luft.

Uruha riss ihm das Shirt aus den Händen, ließ es achtlos auf den Boden fallen ehe er sich mit seinem Körper gegen Reitas presste, ein Bein zwischen die seine schob.

Geübte Finger fuhren seine Seiten entlang, erkundeten seinen entblößten Körper.
 

Reita hielt die Luft an.

Er wollte sich wehren, er wollte Uruha von sich drücken und ihn zum Teufel wünschen, allerdings schien sein lüsterner Körper davon nichts wissen zu wollen. Uruhas Fingerspitzen zogen federleicht an dem Bund seiner Boxershorts.

„Kalt lässt dich das ganze ja scheinbar nicht.“, flüsterte Uruha unschuldig, nahm seine linke Hand von der Wand und drehte Reitas Gesicht bestimmend in seine Richtung.

„Sag mir, kleiner Reita, wieso rennst du mir so sehr nach?“
 

„Ich bin dir nicht nachgelaufen..“, hauchte Reita stockend. Wo war seine Stimme, wenn man sie mal brauchte?

Das sein Körper gegen Uruha nichts entgegen zu setzen hatte, damit konnte man ja noch Leben, aber er hatte gehofft das sein Verstand mittlerweile immun gegen dieses verbotene Wesen war.

Uruha legte den Kopf schief, fixierte ihn einzig und allein mit seinem durchdringenden Blick.

Noch immer fuhren warme Finger über seine Bauchdecke und auch wenn Uruhas Berührungen so sanft wirkten, so spürte Reita das da nichts dahinter steckte.
 

Uruhas Gesicht kam immer näher. Kurz bevor sich ihre Nasen berührten stoppte er, sprach leise: „Dann hoffe ich mal, dass du mir auch in Zukunft nicht mehr hinter her laufen wirst. Ich kann dich nämlich nicht ab.“

Zähne bohrten sich in seine Unterlippe, Sekunden später schmeckte Reita den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge. Er öffnete die Augen einen Spalt, welche sich aus Impuls vor Schreck geschlossen hatten, sah, wie Uruha sich mit seinen Fingerspitzen das Blut von den Lippen wischte um es dann abzulecken.
 

„Man sieht sich.“
 

War das wirklich passiert?

Reita sackte an der Wand hinter sich zusammen.

Was sollte dieses Spielchen? Wieso wurde er mal wie Dreck behandelt, bekam aber nur Stunden später Zärtlichkeiten zu spüren. Was zum Teufel wollte Uruha damit erreichen?

Er hämmerte mit seiner rechten Hand gegen seine Stirn.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Morumotto
2012-07-05T08:10:13+00:00 05.07.2012 10:10
haha einfach nur geil!
ruhas Antwort auf reitas Aktion
und das in der Umkleidekabine ich schmeiße mich weg
ich fand das kapitel echt amüsant auch aoi am Anfang voll auf Drogen xDD
aber ich glaube ich muss nochmal nachlesen was passiert ist ich hab ein faden riss oder so.
lg morumotto
Von:  ManaRu
2012-05-31T16:43:35+00:00 31.05.2012 18:43
Gerade eben in ein paar Minuten die gesamte FF angefangen und durchgelesen.
Ich muss sagen, das ich deine Schreibweise mag und die Idee ganz gut finde, wobei ich mich noch immer nicht damit anfreunden kann, das Reita einen auf gefühlsduselig macht. Ich spiele ihn persönlich anders und stelle ihn in meinen FF's anders da, aber dennoch ist es irgendwie gut, denn es ist mal was anderes ^^
Uruha gefällt mir jedoch ziemlich gut, ich finde so eine FF mit dieser Story braucht ein Arschloch und diese Rolle vertritt Uruha ziemlich gut es passt zu ihm.
Du schreibst die ganzen Situationen auch mit Gefühl, das ich selber mitfieber und mich gut in die jeweilige Rolle hineinversetzen kann. Und es gefällt mir, das Uruha so zu Reita ist, nicht einfach auf ihn eingeht und ich hoffe, das das 'Drama' nicht so schnell zu Ende ist!
Schreib also weiter so, ich freue mich auf das nächste Kapitel!

P.S.: Ich fand es weniger schön, als ich lesen musste, das Reita sich einen Iro gelt. Also wenn er das nur mit Gel SO hinkriegt, Respekt, aber ich denke dafür muss man tupieren und viel Haarspray und Zeit verwenden. Nur mal so als Anmerkung ;D

LG

Яyōki
Von:  Morumotto
2012-04-05T13:02:48+00:00 05.04.2012 15:02
=) ~<3
alles wird schon gut werden reita nur nicht aufgeben er wird schon irgendwann sehen was er davon hat mit dir zusammen zu sein...
also ich bin schon gespannt darauf was reita als nächstes tun wird!
er kann immerhin jetzt warten, also uru jetzt aus dem weg gehen oder ihn weiter "belästigen" tja, das heißt dann mal für mich abwarten und tee trinken =D
lg モルモット
Von:  Morumotto
2012-03-28T14:19:15+00:00 28.03.2012 16:19
och mensch reita tut mir so leid....
das ist echt gemein da erfährt er nun schon einmal das uru schwul oder so ähnlich ist und er ist vergeben
frage mich nur noch an wen?
lg モルモット
Von:  Morumotto
2012-03-26T18:23:22+00:00 26.03.2012 20:23
aw~
das ist soo niedlich das erinnert mich daran wie ich jeden tag zur schule muss xD
lg morumotto


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