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Love rocks!

"Wir rocken das Ding, wirst schon sehen!"
von

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Love rocks!

Amerit fächelte sich mit den Händen Luft zu. Ihr war schlecht. So richtig schlecht. Der stickige Raum hinter der Bühne war gefüllt mit Zigarettenrauch, der sich in ihrer Nase festbiss und überall drängten Menschen um sie herum. All die Bands, die sich hier auf ihren Auftritt vorbereiteten, die auf den Gewinn hofften, der am Ende dieses Wettbewerbs die Arme ausbreitete.

„Hey, Amerit!“ Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, sie zuckte erschrocken zusammen. „Mach dich mal ein bisschen locker, Süße, wir gehen da gleich raus und rocken das Ding, okay? Das wird schon!“

Gelassen strich Emil ihr eine Locke aus dem Gesicht, hob die Hand und war schon wieder im Gedränge verschwunden. Wir gehen da raus und rocken das Ding. Amerit seufzte. Ja, wenn das doch mal so einfach wäre, wie es bei ihrem Bassisten anhörte!! Ihr Nervositätsspiegel lag irgendwo weit oben über der Alarmgrenze und ihr Magen fühlte sich an, als würde sie ihn gleich mitsamt Inhalt hochwürgen müssen! Zittrig einatmend versuchte Amerit einem jungen Mädchen in Dessou ausweichen, das hastig, ein Handy am Ohr und aufgeregt vor sich hinplappernd, auf sie zu rannte. „Ja, ja, genau!! Wir sind gleich dran!! Drück uns die Daumen, ja?! Lieb dich, Maus!“

Gott sei Dank, sie war anscheinend nicht die Einzige, die Probleme mit ihrem Lampenfieber hatte.

Vor ihr tauchte ein lächelndes Gesicht auf. „Amerit, da bist du ja, ich such dich schon seit einer Viertelstunde! Wir wollten noch einmal den Ablauf durchgehen … Kommst du?“

Nervös biss Amerit sich auf die Innenseite ihrer Wange und nickte. Am liebsten wäre sie Anthony heulend um den Hals gefallen, als er sanft ihre Hand nahm und sie mit sich zog, doch das wiedersprach eindeutig ihrem inoffiziellen Schwur, sie nie wieder vor ihrem Schwarm zu blamieren. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, die Schmetterlinge in ihrem Bauch darauf zu trainieren, das dumpfe Gefühl in ihrer Magengegend wegzufressen und versuchte, ihre Atmung flach zu halten, um unnötigen Rauch in ihrer Nase zu verhindern.

„Hast du gerade das Mädel in dem Dessou hier rumrennen sehen?“, fragte Anthony, ganz offensichtlich bemüht, die Stimmung aufzulockern.

Amerit nickte steif, froh darüber, nicht an die großen bösen Scheinwerfer auf der Bühne zu denken, die jeden kleinen Fehler schadenfroh zur Schau stellen würden.

„Die Kleine hat so ein Affentheater gemacht, weil ihr Drummer seine Sticks verloren hat, das glaubst du gar nicht … Wir können echt froh sein, dich als Sängerin zu haben. Mal ganz abgesehen davon, dass du nicht so rumschreist wie diese Furie, bist du auch noch eindeutig besser gekleidet … Ich meine, die is doch höchstens 16! Rennt man da wie Tila Tequila höchstpersönlich durch die Gegend?“

Ein mattes Lächeln legte sich auf Amerits Gesicht. Was würde sie nur ohne Anthony tun?

„Aaach, schön, dass ihr uns auch mal beehrt! Wir warten schon!“, begrüßte Emil die beiden, als sie beim Rest der Band ankamen.

„Musst du grad sagen“, schnaufte Anthony. „Du hättest ja helfen können, sie zu suchen!“

Das matte Lächeln auf Amerits Gesicht wurde ein wenig breiter und sie verkniff sich zu sagen, dass Emil ihr erst vor ein paar Minuten begegnet war und er ganz offensichtlich nur Lust drauf gehabt hatte, Anthony weitersuchen zu lassen. Das war typisch. Im Grunde hatten die zwei sich echt gern und würden ohne einander wahrscheinlich umkommen (was jedoch keiner zugeben würde), aber sie konnten es trotzdem nicht lassen, sich gegenseitig die eine oder andere Gemeinheit über den Weg zu schicken.

Die nächsten zehn Minuten vergingen mit mehr oder weniger nervösem Warten, im Hintergrund piepste das Dessou-Mädchen mit ihrem Stimmchen irgendwo zwischen unnachgiebigem Beat und dem Gekreische des Gitarristen.

„Seid ihr die nächsten? Spicy?“, fragte plötzlich ein kleiner dünner Kerl mit Brille und lächelte Amerit freundlich an.

„Ja, sind wir …“

„Oh, na dann beeilt euch mal und geht da vorn zum Bühneneingang … Ihr werden gleich angesagt. Viel Glück! … Schlechter als die grad eben könnt ihr gar nicht sein!“ Er zwinkerte aufmunternd und verschwand, wahrscheinlich auf der Such nach der Band, die nach ‚Spicy‘ performen würden. Der Bandname war Emils Idee gewesen. Er meinte, ‚würzig‘ oder ‚scharf‘ wäre genau der richtige Name: Kurz, einprägsam und ergreifend. Alles, was die Musik der Gruppe ausmachte in einem einzigen Wort.

Amerits Beine zitterten, als sie aufstand. In ihren Gedanken tanzten Sternchen, sie sah aus dem Augenwinkel ihre Drummerin Lena, die sich durch ihr wasserstoffblondes Haar strich und spürte Anthonys Hand auf ihrer Schulter. Kein Grund nervös zu sein, murmelte Amerit in Gedanken. Aaaalles ist gut, guck dir die anderen an, die sind vollkommen ru-

„Begrüßen Sie mit mir die nächsten Kandidaten: Spicy!!“

-hig …

„Auf geht’s!“, ertönte es neben Amerit und Emil schlug ihr auf die Schulter. „Rocken wir das Ding!“

Applaus empfing die Band auf der Bühne. Jubeln, Klatschen, Lachen. Klar, nach dem Dessou-Mädel vorhin waren sicher alle schlimmeres gewöhnt. Lässig hob Emil die Hand, Lena warf dem Publikum eine Kusshand zu, Anthony strahlte über das ganze Gesicht. Lediglich Amerit kniff geblendet vom Scheinwerferlicht die Augen zusammen, biss sich auf die Unterlippe und schaffte es gerade mal, einen Mundwinkel anzuheben. Die Schmetterlinge hatten sich leider nicht trainieren lassen und das flaue Zittergefühl in ihrem Magen schien sich weiter zu verstärken, während sie langsam zum Mikrofon schritt. Wenn sie jetzt stolperte und hinfiel … Nicht auszudenken!

Doch Amerit stürzte nicht. Unsicher ließ sie ihrem Blick durch den Raum gleiten. Die ersten Reihen waren voll mit unbekannten Gesichtern, lachend und verzerrt von Alkohol und Feierlust, doch dahinter wurden die Köpfe zu undefinierbar schwarzen Punkten. Sollte ihr nur Recht sein.

„Hallo!“, rief Anthony neben ihr in sein Mikro. „Ich bin Anthony und bevor wir anfangen, müssen wir noch etwas Grundlegendes klären: Seid ihr gut drauf?!“

„JAAAAAA!!“

„Wir hören euch nicht!“, kam es von Emil zu Amerits anderer Seite. „Seid ihr gut drauf??“

„JAAAAAAAAAAAAA!!!!“

„Okay, das wollten wir hören! Wir heißen Spicy und unser erster Song auch! Viel Spaß!!“

Lena begann hinter Amerit zu spielen, kurz darauf stiegen auch Anthony und Emil ein. Töne explodierten in ihren Ohren, als Amerit noch einmal tief durchatmete, den Mund öffnete und zu singen begann.

All die Nervosität war verschwunden. Die bunten Lichter um sie herum schienen zu verschwimmen, der Boden zu vibrieren. Alles drehte sich, nur die Musik dröhnte durch Amerits Gehörgänge, sie nahm alles nur Bruchstückhaft wahr, wie im Rausch, und doch wusste sie, dass sie alle Töne traf. Ein Adrenalinschub durchflutete ihren Körper, Glück pulsierte in ihren Adern. Die zweite Strophe kam, sie ging, der Refrain setzte ein und Emil und Anthony sangen mit. Die beiden waren keine guten Sänger, doch darum ging es auch gar nicht. Zusammen mit Amerits Stimme, rauchig und hart, wie man es ihr gar nicht zugetraut hätte, klang es besser, als irgendjemand es sich hätte erträumen können!

„Let them go hooooome!!“, beendete Amerit den Song.

Der Jubel war atemberaubend. Ohrenbetäubendes Gekreische und Geklatsche überschwemmte die Bühne, langsam kam die Wahrnehmung wieder zurück. Farben wurden realer, Gesichter deutlicher. Amerit lachte. Sie war sich sicher, dass das hier das mit Abstand genialste war, das sie je erlebt hatte! Und gerade als sie dachte, es könnte gar nicht mehr besser werden, kam Anthony auf sie zu. Er grinste sein wundervolles, breites Grinsen und nahm ihre Hand, zog sie zu sich.

Und dann waren sie da: Seine Lippen auf ihren.

Amerit stockte der Atem, ein inneres Feuerwerk sprengte ihren Magen. Der Applaus wurde lauter und irgendwo hinter sich hörte sie Emil schreien: „Hab ich nicht gesagt wir rocken das Ding?!“
 


 

The End
 



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