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Des Schicksals Ränkespiele

von

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Märchenstunde im Kaminzimmer

Der Graf führte seine beiden Gäste zum Kaminzimmer und hielt ihnen dort, ganz Gentleman, die Tür auf. "Bitte meine Damen, treten sie ein." Amelia und Morgane bedankten sich und betraten den Raum. Eine behagliche Wärme empfing sie und die Erleichterung war ihnen ins Gesicht geschrieben. Fasziniert betrachteten sie den Raum. Wie schon die Eingangshalle strahlte das Zimmer einen besonderen Charme aus. Hohe Wände, geschmückt mit Bildern, Figuren und Kerzenleuchtern, antikes Möbel wie es sich für einen herrschaftlichen Wohnsitz gehört, aber alles etwas düster und für normale Menschen sicherlich zu gruselig, um so zu wohnen. Amy und Nene allerdings fühlten sich auf Anhieb wohl, entsprach diese Einrichtung doch genau ihrer Vorstellung von Wohnästhetik. Das Highlight des Raumes war zweifellos der riesige, steinerne, offene Kamin, in dem das wärmende Feuer brannte. Auch er war reich verziert mit besonderen Motiven. Vor dem Kamin lag ein großes Tierfell, vielleicht von einem Bären, auf dem Teppich, welcher im näheren Einflussbereich des Kamins den Steinboden bedeckte. Um den Kamin herum stand eine Sitzgruppe, bestehend aus einem herrlichen altmodischen Sofa und zwei passenden Sesseln. Auch diese Stücke waren mit makaberen Elementen verziert, genau nach dem Geschmack der beiden Frauen.
 

In dem Sessel, welcher mit der Rückseite zur Tür stand, saß jemand. Man konnte ein leger übereinander geschlagenes, in eine Hose aus einem sehr edlen Stoff gekleidetes, Paar Beine sehen. "Ah, Herbert, hier bist du. Sei so nett und begrüße unsere Gäste." erklang die Stimme des Grafen. Während seine Gäste den Raum bestaunten, hatte er die Tür geschlossen, war ins Zimmer getreten und stand nun wenige Schritte von Amy entfernt. Der Angesprochene schaute um die Lehne des Sessels herum. Ein gutaussehender junger Mann mit langen hellblonden Haaren blickte zunächst den Grafen und dann die beiden Frauen an. Nene konnte sich ein eindeutiges Lächeln nicht verkneifen und schielte kurz zu Amy. Diese schmunzelte nur. Da landen sie, weshalb auch immer, an einem wildfremden Ort, der sonst wo am Ende der Welt liegen könnte, finden dort ein Schloss, eingerichtet wie ein Möbelhaus für Historienfreaks und Gothics und treffen auf zwei verboten gutaussehende Männer mit Stil. Sollten sie wirklich so viel Glück haben? Der jüngere der beiden Männer, Herbert, musterte die beiden Frauen einen Augenblick, besann sich dann jedoch auf seine gute Erziehung, legte seufzend das Buch beiseite, welches er gelesen hatte und stand auf. Kurz zupfte er sich zurecht, bevor er sich umdrehte. Die Art, wie er sich bewegte, verriet jedoch eindeutig etwas über seine sexuelle Orientierung. Nene schaute enttäuscht und ließ die Schultern etwas hängen. Beinahe wehleidigen Blickes sah sie zu ihrer Freundin. Amy blickte fast genauso betrübt drein. Beide Frauen hatten in diesem Moment den selben Gedanken: "Schwul... Verdammter Mist!"
 

"Meine Damen, dies ist mein Sohn Herbert." stellte der Graf den jüngeren vor. Augenblicklich schnellten zwei Köpfe zu ihm herum und sahen ihn ungläubig an. "Ihr... Sohn...?!" fragte Amy skeptisch. "Nett..." fuhr Nene fort. Dann warfen sich die beiden Frauen vielsagende Blicke zu, eine Unterhaltung im Stillen, mit dem Wortlaut "Ist klar... Wann ist er dann bitte Vater geworden? Mit 10?!" Der Graf beobachtete dies nun seinerseits skeptisch. Fast hatte er den Eindruck, seine Gäste beherrschten Telepathie. Herbert hatte unterdessen den Raum durchquert und stand nun vor den Damen. Während der Graf nun die beiden Frauen namentlich vorstellte, hauchte sein Sohn, ebenso formvollendet wie sein Vater zuvor, beiden einen Kuss auf den Handrücken. "Guten Abend. Ich bin erfreut sie kennen zu lernen." sagte er höflich. Sein Blick war jedoch etwas kühl und distanziert. Amy und Nene konnten sich ziemlich gut vorstellen, warum er so schaute. Also schenkten sie ihm ein ehrliches, freundliches Lächeln. "Die Freude ist ganz auf unserer Seite."
 

Auch Herbert waren die immernoch eiskalten Hände der beiden Frauen aufgefallen. Er warf einen kurzen, fragenden Blick zu seinem Vater, der ihn auffordernd ansah. Dann trat er zur Seite und wies zum Kamin. "Sie sollten Platz nehmen und sich aufwärmen. Sie sind ja ganz erfroren." Mit einem Nicken dankten ihm die beiden Damen und gingen zum Kamin, dadurch blieb ihnen das triumphale Grinsen Herberts verborgen, welches er an seinen Vater richtete. Am Feuer nahm jedoch nur Nene Platz auf dem Sofa, möglichst nah an der Wärmequelle. Amy stellte sich mit dem Rücken zu den Flammen so nah wie ertragbar davor. Damit erntete sie verwunderte Blicke von den beiden Herren. "Wollen sie sich nicht setzen?" fragte der Graf nach. "Doch schon, aber..." Amy zupfte an der Rückseite ihrer Hose herum. "Ich hab vorhin eine Weile im Schnee gesessen. Dementsprechend habe ich jetzt eine nasse Hose. Sich damit hinsetzen ist ziemlich unangenehm, zumal ich ihnen womöglich noch Wasserflecken auf das schöne Sofa mache. Das kommt gar nicht in Frage!" erklärte sie entschieden. "Du könntest sie ja ausziehen." scherzte Nene. Amy sah sie vorwurfsvoll an. "Ja klar, hier und jetzt, vor den Augen zweier Männer, die wir gerade kennengelernt haben und unsere Gastgeber sind. Macht 'nen richtig guten ersten Eindruck." Ihre Worte trieften nur so vor Sarkasmus. Der Graf und sein Sohn warfen sich einen kurzen skeptischen Blick zu, bevor sich Herbert wieder in seinen Sessel sinken ließ.
 

„Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Glas Rotwein?“ fragte der Graf freundlich, während er auf einen der Schränke zuging. Dort öffnete er die Türen und nahm eine Flasche eben selbigen Getränkes heraus. Die Augen der beiden Damen waren ihm gefolgt. „Gern. Vielen Dank.“ antworteten ihm beide gleichzeitig. Der Graf sah zu seinen Gästen und schmunzelte etwas, wand sich dann wieder dem Schrank zu und nahm zwei Rotweingläser heraus. „Sie beide scheinen ein Talent dafür zu haben, gleichzeitig mit den selben Worten zu antworten.“ stellte er leicht amüsiert fest. Amy lachte und Nene erklärte trocken: „Wir teilen ein Gehirn.“ Da war er wieder, dieser verwunderte Blick des Grafen, den Amy irgendwie niedlich an ihm fand. Herbert blickte nicht weniger fragend drein. „Das heißt was?“ fragte der Ältere der beiden Männer, während er die zwei Weingläser füllte. „Nun ja, das ist schon etwas schwierig zu erklären.“ begann Nene. „Wir sind beste Freundinnen, wohnen zusammen, haben sehr ähnlichen Geschmack und so ziemlich die selbe Meinung zu verschiedenen Dingen. Wir kommen meist zu den selben Schlussfolgerungen und ja...“ setzte Amy fort. „...haben sehr sehr oft gleiche Gedankengänge. Was mitunter zu gleichen Äußerungen führt. Und manchmal denkt die eine etwas, was die andere ausspricht oder beendet Sätze und ähnliches.“ beendete Nene. Der Graf war mit den gefüllten Gläsern inzwischen an die beiden Frauen herangetreten und reichte jeder eines. „Was sie gerade demonstrierten.“ stellte Herbert mit erhobener Braue fest. „WZBW, wie der Mathematiker sagen würde. 'Was zu beweisen war.'“ Amy schmunzelte amüsiert vor sich hin und Nene lachte leicht. „Manchmal ist das schon erschreckend.“
 

Die Frauen dankten für den Wein und der Graf wand sich an seinen Sohn. „ Möchtest du auch ein Glas?“ Dieser wollte zuerst verneinen, sah dann aber den mit den Worten „Spiel mit!“ bedeutungsschwangeren Blick seines Vaters und willigte ein. Der Graf ging zurück zu dem Weinschrank, um zwei weitere Gläser zu füllen. Derweilen roch Amy semiprofessionel an ihrem Glas, um das Bukett aufzunehmen. Nene war nun offensichtlich wieder aufgetaut, denn sie konnte es sich nicht verkneifen, Amy ein wenig zu ärgern. „Deine Hose brennt.“ meinte sie trocken und schnüffelte selbst an ihrem Wein. Ein erschrockener Aufschrei hallte durch den Raum. Herbert blickte panisch auf und sein Vater fuhr mit weit aufgerissenen Augen herum. Amy machte einen Satz vom Feuer weg, schaffte es erstaunlicherweise ihr Glas sicher zu balancieren ohne etwas zu verschütten, schlug sich mit der freien Hand auf den Hintern und fuhr herum. Doch sie brannte nicht. Nene brach in schallendes Gelächter aus, worauf ihre Freundin sie bitterböse und vernichtend ansah. „NICHT LUSTIG!“ knurrte Amy, stapfte auf Nene zu und erdolchte sie mit ihren Blicken. Die Freundin lag immernoch lachend auf dem Sofa und hielt mit Mühe das Weinglas gerade. Fassungslos beobachtete der Graf die Szene, sein Sohn war einfach nur geschockt. Diese beiden Frauen legten eine Ungezwungenheit an den Tag, die den beiden Vampiren völlig fremd war. Zudem hatte der Graf gerade ernsthaft um ihre Sicherheit gebangt. Doch es war alles nur ein Scherz gewesen. Ein kleines erleichtertes Seufzen konnte er sich nicht verkneifen, nahm dann die beiden gefüllten Gläser, er hatte sich selbst natürlich auch eines eingeschenkt, und kehrte zurück zu der Kaminsitzgruppe.
 

Leicht angefressen ließ Amy sich nun doch auf dem Sofa nieder. Bei dem selbst zugefügten Klapps auf den Hintern hatte sie festgestellt, dass ihr Allerwertester nun ertragbar trocken war. Nachdem der Graf seinem Sohn ein Weinglas gegeben hatte, nahm er selbst in dem noch freien Sessel Platz. „Beantworten sie mir nun meine Frage, was sie hier her führt?“ Die beiden Frauen sahen ihn einen Moment mit hochgezogenen Augenbrauen an, bevor sie sich gegenseitig einen langen Blick zuwarfen. Es herrschte ein kurzer Augenblick des Schweigens, bevor sie beide gleichzeitig mit „Kulturreise“ antworteten. Und wieder wanderte eine Braue des Grafen in Richtung seines Haaransatzes. „Nun wissen sie, wir sehen uns gern Schlösser, Burgen...“ begann Nene. „...und sonstige alte Gemäuer an.“ beendete Amy den Satz. „Aha.“ war die knappe, nicht sehr überzeugte Reaktion des Grafen. Es war klar das ihm diese Auskunft nicht genügen würde, also mussten die beiden Freundinnen schnell und kreativ sein. Sie konnten dem Grafen ja schlecht die Wahrheit erzählen, da sie die leise Ahnung hatten, eine Art Zeitreise gemacht zu haben. Aufgrund der Kleidung ihrer Gastgeber, ihrem Verhalten, ihrer Art zu reden und der technischen Ausstattung des Schlosses hatten sie dies geschlussfolgert. Eine möglichst glaubhafte Story musste her, und Amy hatte plötzlich einen Geistesblitz.
 

„Also, um ganz ehrlich zu sein, wir wissen nicht, wo genau 'hier' ist. Wir hatten uns spontan zu einer Städtereise aufgemacht, mit dem Orient-Express. Nur gab es kurz hinter Budapest kein Weiterkommen mehr wegen Schnee. Daher mussten wir auf Kutsche umsteigen, um nach Sofia zu gelangen. Allerdings fürchte ich, sind wir unterwegs fürchterlich vom Weg abgekommen.“ Mit einem theatralischen Seufzen untermalte Amy ihre Ausführungen und nippte an ihrem Wein, bevor sie weitersprach. „Aber das Schlimmste war, dass wir wohl irgendwann, warum auch immer, das Bewusstsein verloren haben und als wir wieder zu uns kamen, saßen wir mit unseren Koffern, aber ohne Kutsche, ein paar Meter unterhalb ihres Schlosses.“ Der Graf sah sie mehr als skeptisch an. Die Freundinnen befürchteten schon, dass das zu einem Dauerzustand bei ihm wird. „Das ist ja eine haarstreubende Geschichte. Erstaunlich, dass ihnen nichts geschehen ist.“ meinte er, mit deutlicher Skepsis in der Stimme. Nene rollte auffällig mit den Augen, schnaufte und nickte. „Das können sie laut sagen! Aber so war es leider. Und nun sind wir hier, wo auch immer das ist.“ „In den Karpaten, in Transsylvanien.“ beantwortete Herbert die angedeutete Frage nach dem Ort. Beide Frauen sahen ihn mit großen Augen und offenem Mund an. „Ach du meine Güte!“ brachte Amy geschockt hervor und wieder beendete Nene den Gedanken. „Das ist ja ganz weit daneben!“
 

Der Graf nickte nachdenklich, vorerst würde er sich mit dieser Geschichte zufrieden geben. Doch wirklich glauben wollte er sie nicht und er würde mit Sicherheit mehr in Erfahrung bringen. Allerdings hatte diese Information, sofern sie richtig war, einen interessanten Aspekt. Es ließ nämlich darauf schließen, dass seine beiden Gäste viel und weit reisten. Perfekte Voraussetzungen, um Teil seines Plans zu werden: die Verbreitung der Vampire über die ganze Welt. Er musterte die beiden Frauen erneut, mehr oder weniger versteckt. Jung, hübsch, intelligent, alles nützliche Eigenschaften für einen Vampir. Ihm fiel erneut ihre ungewöhnliche Kleidung auf und jetzt wollte er auch wissen, was es damit auf sich hatte. „Verzeihen sie mir, wenn ich indiskret bin, aber ist diese Art von Kleidung nicht etwas unzüglich für junge Damen wie sie? Oder tragen die Frauen in ihrer Heimat jetzt Männerkleider?“ Seine Frage klang etwas spöttisch, aber in seinen Augen sollten Frauen Röcke und Kleider Tragen und nicht Hosen. Verwundert sahen Amy und Nene an sich hinunter. Ein weiteres Indiz für ihre Vermutung, dass sie sich nicht in ihrer Zeit befanden, wenn Emanzipation noch Utopie war. Schonwieder musste eine schnelle, glaubhafte Antwort her. Diesmal hatte Nene den rettenden Einfall. „Es ist ungewöhnlich, ja. Wir waren aber vor einiger Zeit in den USA und dort ist diese Art von Hose gerade sehr beliebt, als Arbeitshose für Männer. Der Stoff ist bequem, aber sehr strapazierfähig, absolut perfekt auf Reisen. Röcke sind da eher unpraktisch. Also haben wir uns ein paar Modelle gekauft.“ Mit einem verlegenen Lächeln hoffte sie, dass der Graf das akzeptieren würde.
 

Wieder blickte er die Frauen mit skeptisch hochgezogener Braue an. Das wurde wirklich langsam ein Dauerzustand. Aber er nickte und nahm es hin, machte sich insgeheim jedoch so seine Gedanken. Er konnte sehr gut einschätzen, ob jemand log oder die Wahrheit sprach. Zwar waren seine Gäste recht gut darin, es zu verbergen, aber er hatte eine Ahnung, dass ihre Geschichten nicht so ganz stimmten. Aber gut, er belog sie ja schließlich auch. Und er würde mit Sicherheit noch genügend Gelegenheit haben, die Wahrheit aus den beiden jungen Damen herauszukitzeln. Auf jeden Fall wob er sie in das Netz seines großen Vorhabens ein. Die beiden hatten Potential, es wäre Verschwendung, es nicht zu nutzen. Ein kalkulierendes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.



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