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Wenn die Sonne aufgeht

von

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Tag Eins (Karin)

Ich wälzte mich in meinem Bett. Ich war todmüde, versuchte seit einer Weile einzuschlafen. Aber es gelang mir nicht. Es gelang mir bereits seit Tagen nicht wirklich einzuschlafen und wenn ich einschlief, schlief ich meistens nur für wenige Stunden. Das längste was ich in dieser Woche geschlafen hatte, waren ganze vier Stunden. Ich hatte in den letzten Tagen einfach zu viele Gedanken in meinem Kopf. Nur meine Arbeit konnte mich von diesen Gedanken wegbringen und deswegen konnte ich auch wenigstens immer etwas in der Nacht schlafen, wenn ich am nächsten Tag arbeiten musste. Ich war dann selten wirklich fit und konnte mich nur schwer konzentrieren, doch immerhin bekam ich etwas schlaf ab. Doch nun würde ich womöglich ganze zwei Wochen nichts schlafen können oder zumindest noch weniger, als ich es jetzt schon tat. Meiner Chefin war aufgefallen, dass ich immer ziemlich müde zur Arbeit kam und mich nur schwer konzentrieren konnte, deswegen hatte sie mir angeboten, nein, eigentlich hatte sie mir befohlen, dass ich jetzt zwei Wochen lang in Urlaub gehen sollte und mich etwas ausrasten sollte. Womöglich dachte sie, dass mir die Arbeit im Moment etwas zu viel war. Doch damit hatten meine fast schlaflosen Nächte nichts zu tun. Es war etwas ganz anderes. Es waren wohl eher die Fragen die mich schon seit Wochen quälten und seit einer Woche fast wach hielten. Fragen, auf die ich noch keine Antwort hatte und auch nicht wusste, ob ich je eine Antwort finden würde und wenn ja, ob ich mich mit einer einfachen Antwort zufrieden geben würde.

Es half im Moment nichts. Ich konnte mein Hirn nicht ruhig stellen und ich wollte mich nicht weiter in meinem Bett herumwälzen und versuchen einzuschlafen. Bereits als ich mich ins Bett gelegt hatte, wusste ich, dass dies wohl wieder eine sehr lange Nacht für mich werden würde. Eine Nacht in der der beruhigende Schlaf in weiter Ferne schien.

Ich warf die Decke beiseite und zog mich an. Eine einfache Jogginghose, ein weites Shirt, Turnschuhe und meine geliebte Lederjacke. Dann nahm ich mein Handy und meine Packung Zigaretten von meinem Nachtkästchen. Ich warf einen Blick auf die Uhr auf meinem Handy. Es war kurz vor elf. Ich hatte also schon fast drei Stunden lang versucht zu schlafen ohne einen Erfolg.

Dann steckte ich das Handy und meine Zigaretten in meine Hosentasche. Ich rauchte schon seit einigen Jahren und mir war bewusst, dass rauchen nicht gesund für den Körper war. Zwar schaute ich, dass ich meinen Körper gesund hielt, gesund aß und Sport betrieb, doch das Rauchen konnte ich mir nach all den Jahren nicht abgewöhnen. Ich hatte es schon des Öfteren probiert aufzuhören, doch es gelang mir manchmal nicht mal für einen einzigen Tag keine Zigarette zu rauchen. Es war einfach diese Sucht nach Nikotin. An manchen Tagen rauchte ich mehr als an anderen. Meistens rauchte ich ein paar Zigaretten mehr, wenn es mir dreckig ging und ich mich beruhigen musste oder einfach Weil mich gerade etwas tierisch auf die Palme gebracht hatte.

Ich ging aus dem Haus hinaus. Meinen Eltern würde es nicht auffallen, dass ich weggegangen war denn sie schliefen bereits und auch wenn sie mitbekommen hätten, dass ich das Haus verlassen hatte, würde es sie nicht weiter kümmern. Sie waren es von mir gewohnt, dass ich manchmal mitten in der Nacht einfach ein wenig raus ging und normalerweise wusste ich auch wo ich hinging. Meistens zu ein paar Freunden um mit ihnen zu reden. Doch heute wusste ich nicht wo ich hingehen sollte. Ich wollte mit niemanden reden, wollte meine Gedanken zum Schweigen bringen. Mein Blick war gesenkt als ich so herumging.

Als ich irgendwann einmal aufblickte und mich umsah, wusste ich gar nicht wo ich mich befand. Ich sah hier kein einziges Haus, kein Licht in der Nähe und auch nicht in der Ferne. Keine Menschenseele befand sich hier irgendwo in meiner Nähe. Das einzige was ich hier in der stockfinsteren Nacht erkennen konnte, war, dass ich hier irgendwo auf einer riesengroßen Fläche grün stand. Ich blickte nach oben. Der Himmel war mit Wolken überzogen. Man konnte keinen einzigen Stern oder gar den Mond sehen. Womöglich würde es bald regnen.

Ich setzte mich erst Mal hin, stützte die Hände hinter mir ab damit ich nach oben blicken konnte. Egal ob ich etwas sehen konnte oder nicht, ich wollte jetzt hier erst einmal sitzen und nach oben sehen. Langsam hob ich eine Hand und grub in meiner Hosentasche nach meinen Zigaretten. Ich brauchte jetzt eine. Eindeutig. Denn meine Gedanken fingen an immer mehr überzuschwappen. Immer lauter zu werden. Vielleicht konnte ich ihnen noch Einhalt gebieten bevor es alles herausbrach. Kaum hatte ich mir die Zigarette in den Mund gesteckt und angezündet, brachen meine Gedanken über mich herein. Sie drehten sich um einen bestimmten Menschen. Sie drehten sich um Ray.

Er hasste es wenn ich lachte obwohl ich es mir dreckig ging. Er hasste es wenn ich mir aus meinen Haaren zwei Zöpfe machte. Er hasste es wenn ich mich wie ein Junge anzog und mich wie ein Junge verhielt. Er hasste es wenn ich mich schwarzes Make-up trug. Er hasste es wenn ich schwarz angezogen war. Er hasste meinen eiskalten Blick wenn mich etwas nicht interessierte. Er hasste es wenn er mich etwas fragte und ich nach Minuten immer noch nicht antwortete. Er hasste es wenn ich nicht abhob wenn er mich anrief. Er hasste es wenn er mit mir reden wollte und ich nichts mit ihm redete. Er liebte aber mein Lächeln und mein Lachen wenn ich wirklich glücklich war. Liebte es wenn ich meine Haare offen trug. Er liebte es wenn ich mich wie ein Mädchen anzog und das Gewand meiner Figur schmeichelte. Er liebte es wenn ich nur dezent oder gar nicht geschminkt war. Er liebte es wenn ich ohne Punkt und Komma redete. Liebte es wenn ich ihn ab und an anrief. Liebte es wenn ich etwas Buntes anzog und nicht immer meine schwarzen Klamotten.

All das hatte er mir vor einigen Wochen gesagt. Dass er mich einerseits liebte doch andererseits hasste. Doch wie konnte er sagen, dass er mich liebt bzw. dass er mich hasst wenn er mich doch eigentlich kaum kannte? Bevor er mir dies alles gesagt hatte, kannten wir uns gerade Mal wenige Tage.

Ich war in Gedanken versunken als plötzlich mein Handy kurz ertönte um mich zu informieren, dass ich eine SMS bekommen hatte. Doch anstatt das Handy aus meiner Hosentasche zu nehmen und zu sehen wer mir da schrieb, ließ ich es wo es war, denn ich wusste wer mir schrieb und ich wusste nun auch wie spät es war und das, obwohl ich nicht einmal einen Blick auf mein Handy geworfen hatte. Es war nun kurz nach Mitternacht und die SMS war von Ray. Er schrieb mir jeden Tag kurz nach Mitternacht eine SMS. Warum so spät? Ich weis es nicht und ich möchte es auch nicht wissen. Am wenigsten wollte ich jetzt wissen was er mir gerade geschrieben hatte. Ich hatte gerade zu viele Gedanken in meinem Kopf und alles wegen ihm.

Er war es, der mich jede Nacht wach hielt ohne dass er es wusste, ohne dass er etwas tat. Er, sein Bild, schwirrte jede Nacht in meinem Kopf und jede Nacht spielte mein Kopf einen kleinen Film wieder und zwar genau den Moment als wir das erste Mal gesprochen hatten. Doch warum? Was wollte mir mein Kopf mitteilen was ich nicht verstand? Warum schrieb mir Ray jeden Tag um dieselbe Uhrzeit eine SMS? Warum hatte er mir nach wenigen Tag gesagt, was er an mir mochte und was nicht? Alles Fragen auf die ich im Moment keine Antworten fand.

Ich machte noch einen tiefen Zug von meiner Zigarette. Dann warf ich den Stümmel weg. Ich hatte so viel von der Zigarette geraucht, dass bei meinem letzten Zug meine Lippen und meine Finger schon warm wurden. Jetzt war ich sogar noch müder als ich es schon zu Hause gewesen war, also stand ich auf, trat den glühenden Stümmel der Zigarette aus, ich wollte nicht, dass meinetwegen hier das Gras abbrannte, und machte mich auf den Weg nach Hause. Oder zumindest versuchte ich nach Hause zukommen. Ich wusste immer noch nicht wo ich mich hier befand oder wie ich hier hergekommen bin.

Während ich versuchte mich zu erinnern, wie ich gegangen war um hier herzukommen, läutete mein Handy noch einmal. Eine weitere SMS. Ob diese wohl wieder von Ray war? Ich blieb kurz stehen und sah mir beide SMS an. Die erste SMS, ich hatte recht behalten, war von Ray. „Schade, dass man den Mond heute nicht sieht!“, stand nur knapp dar. Ich fragte mich für was diese SMS gut sein sollte und zog eine Augenbraue leicht hoch. Ich löschte diese SMS einfach. Sie war unnötig und nicht weiter von Bedeutung. Als ich sah, dass die zweite SMS die ich bekomme hatte, ebenfalls von Ray war, sah ich etwas stutzig auf das Display. Warum hatte er mir ein zweites Mal geschrieben? „Ich mag dich.“

Ich fragte mich, ob es ihm womöglich in den Kopf geregnet hatte und plötzlich fing es an zu tröpfeln. Wirklich klasse. Ich les eine SMS wo drin steht, dass er mich mag und frag mich ob es ihm in den Kopf geregnet hat und auf einmal beginnt es wirklich zu regnen und ich hatte immer noch keinen Plan wo ich mich befand bzw. wie ich nach Hause kommen sollte. Wirklich klasse!

Ich rannte einfach mal gerade aus. Vielleicht würde ich nach einer Weile ein Licht sehen von einem Haus, einer Straßenlaterne oder einem Auto. Egal von was. Hauptsache ich würde zurück nach Hause kommen, egal wie. Doch egal wie weit ich nun schon gerannt war, ich konnte nichts entdecken, was mich hinweisen könnte wo ich mich gerade befand. Hatte ich mich etwa verlaufen? War ich womöglich anstatt zurück zur Stadt zu laufen weiter weg von der Stadt gelaufen? In diesem Augenblick war ich mir nicht sicher. Doch ich wollte jetzt auf jeden Fall mich irgendwo unterstellen, damit ich nicht noch klatschnass war von diesem Regen. Ich war zwar schon etwas nass, doch ich war wenigstens noch nicht klatschnass.

Plötzlich sah ich endlich ein Licht. Ich wusste zwar nicht von wem dieses Licht kam, doch ich war froh, dass ich nun endlich wusste, wohin ich laufen musste. Zwar wusste ich nicht genau wohin, doch wenigstens wusste ich wo ich wieder in die Zivilisation kommen konnte. Auch wenn es womöglich nur ein paar Kinder waren die hier irgendwo in der Gegend zelteten und mit einer Taschenlampe spielten, konnten die mir wenigstens sagen wie ich zurück in die Stadt kommen konnte.

Je näher ich kam, desto mehr konnte ich erkennen. Das Licht kam von einem einzelnen Haus. Alles andere rundherum war dunkel. Hier stand ein einzelnes Haus im Nirgendwo. Ich kannte dieses Haus. Es war ein sehr altes Gebäude. Es wurde womöglich bereits vor einem Jahrhundert erbaut und war somit womöglich schon ziemlich bruchfällig, doch niemand wollte es abreißen. Es gehörte einfach zu unserer Stadt dazu. Die alten Leute hatten mir als ich noch klein war erzählt, dass dort früher sehr reiche Leute gewohnt hatten. Sie waren nicht von dieser Gegend hier und niemand kannte sie. Doch damals sollte der Mann in diesem Haus seine Frau getötet haben, ob dies wahr war wusste ich nicht. Doch diese Geschichte hatten mir schon viele Leute erzählt. Es gab sehr viele Geschichten über dieses Haus, doch niemand konnte sagen, welche wirklich passiert waren und welche nicht. Es galt für uns zumindest als ein Geisterhaus. Niemand wollte hier in der Nähe wohnen oder gar darin wohnen. Es verwunderte mich also, dass genau aus diesem Haus Licht kam.

Ich sah mich ein wenig hier um damit ich mich orientieren konnte wo ich nun hinmusste. Hier irgendwo war doch ein kleiner Hügel über den man gehen konnte damit man zurück in die Stadt konnte. Doch da es bereits tiefste Nacht war, es regnete und ich nichts sehen konnte, fiel es mir ziemlich schwer diesen Hügel zu finden. Ich drehte mich immer wieder nach links und nach rechts um vielleicht irgendwie erahnen zu können wo sich nun dieser verdammte Hügel befand als ich ihn dann plötzlich entdeckte. Danke!

Ich rannte also in die Richtung wo sich der Hügel befand und konnte nun endlich die lichterüberflutende Stadt erkennen. Endlich, es wurde ja auch schon allmählich Zeit dafür. Somit machte ich mich also auf den Weg nach Hause.

Doch als ich zu Hause ankam und verzweifelt meine Taschen nach dem Hausschlüssel dursuchte, fand ich nichts. Da hatte ich doch glatt meinen Schlüssel zu Hause liegen gelassen. Mitten in der Nacht und es regnete auch noch. Wirklich perfekt. Meine Eltern konnte ich um diese Zeit nicht aufwecken. Egal wie sehr ich es versuchen würde, sie würden dennoch weiterschlafen, denn wenn sie schliefen, dann schliefen sie richtig tief.

Mir blieb wohl keine andere Wahl als draußen zu schlafen. Doch zum Glück musste ich nicht direkt im Regen schlafen. Hinter unserem Haus hatten wir ein kleines Gartenhäuschen. Zwar war dies meist bis obenhin mit Werkzeug gefüllt, aber dennoch war es dort sicherlich angenehmer als hier draußen im Regen zu schlafen.

Ich öffnete also die Tür des Gartenhäuschens und zwängte mich irgendwie durch das Gerümpel auf einen kleinen Fleck Boden der noch frei war. Dort legte ich mich einfach hin. Hier war es eindeutig besser als draußen im Regen. Ich fragte mich, ob mich morgen meine Eltern suchen würden wenn sie aufwachten und ob sie nachsahen, ob ich womöglich hier schlafen würde. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass ich meinen Schlüssel vergessen hatte und es wird höchstwahrscheinlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein.

Meine Augenlider wurden schwer. Ich war nun wirklich erschöpft und konnte nun endlich einschlafen, ein wenig entspannen. Doch ich fragte mich, was Ray wohl mit „Ich mag dich“ direkt gemeint hatte.



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