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Findelkind

Allein unter Trollen
von

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Unachtsamkeit

Kapitel 2 - Unachtsamkeit
 

Es waren bereits einige Tage vergangen seit ihrer Jagd. Unruhig saß Ikana am Strand von Sen'jin. Däumchen drehen und rumsitzen war für sie das Schlimmste. Frustriert warf sie immer wieder Steine in das blaue Meer vor ihr. Nochmal jagen gehen war derzeit unnötig, da sie noch genug Fleisch vorrätig hatten. Auch Leder war in großen Mengen im Lager des Dorfes. Sie konnte also nichts tun. Die Zeit, die sie mit Nichts-Tun verbrachte, war die Zeit, wo ihre Gedanken auf Wanderschaft gingen. Immer wieder stellte sich die junge Jägerin die selben Fragen. Wer waren ihre leiblichen Eltern? Warum hatte man sie fort gegeben? Warum war sie nicht als Troll geboren worden? Das Leben was sie führte, war einfach perfekt. Ikana hatte viel gehört von den menschlichen Verhaltensweisen und einige davon stießen sie sogar regelrecht ab. Die Frauen trugen immer Kleider und bedecken das, was eine Frau ausmacht mit massig Stoff. Keiner sollte die Vorzüge sehen. Dann wurden Frauen auch einfach verheiratet, gegen ihren Willen und ohne Liebe. Innerlich schauderte es Ikana bei dieser Vorstellung. Aber was machte sie sich überhaupt Gedanken um diese bemitleidenswerten Geschöpfe? Sie selbst lebte ein anderes Leben, ein besseres Leben. „Ikana? Ikaaaanaaaa? Kind, wo bist du denn?“ Die Stimme ihrer Mutter schallte zu ihr hinüber und seufzend erhob sie sich und ging gemächlich zu ihrem Dorf zurück. Vor ihrer Familienhütte stand auch schon bereits die ältere Trollfrau und blickte ihrer Tochter ungeduldig und mit gerunzelter Stirn entgegen.

Shi'mira war für ihre 40 Lenze noch eine sehr ansehnliche Trolldame. Kein einziges graues Haar war in ihrer violetten Mähne zu erkennen und die Geburt ihres Kindes hatte auch ihrer Figur nicht geschadet. Sie war rank und schlank wie eh und je. Noch heute drehten sich viele der Männer nach ihr um und sie bekam Komplimente. Ihre kleinen Hauer, die zwischen den Lippen hervorlugten, waren gleichmäßig nach oben gebogen und die Schamanenrobe verlieh ihr zusätzlich immer etwas Majestätisches. Sie war Ikana immer eine liebevolle Mutter gewesen, von Anfang an. „Kind, wo treibstn dich immer rum, eh? Jagst deiner alten Mutter immer 'n gewaltigen Schrecken ein, wenn du auf einmal weg bist.“ Schuldbewusst senkte die Rothaarige den Kopf und murmelte nur eine leise Entschuldigung. Seufzend rieb sich die Schamanin über die Stirn ehe sie ein sanftmütiges Lächeln aufsetzte. „Ich möcht', dass du und Go'nuh was nach Klingenhügel bringt. Der Koch da wollt was von deinem guten Fleisch ham.“ Kaum waren die Worte gesagt, drückte ihre Mutter ihr auch schon zwei Bündel in die Hand. „Nu such deinen Bruder und geht, bevor 's dunkel wird.“ Leicht wankend taumelte Ikana daraufhin durch den kleinen Ort und hielt Ausschau nach ihrem Bruder. Dieser befand sich grade im Gespräch mit einigen Kriegern des Dorfes. Die junge Jägerin ließ den Blick über die vertrauten Gesichter schweifen und erstarrte innerlich zu Eis, als sie auch das geliebte Antlitz „ihres“ Trollkriegers darunter erblickte. Unsicher trat sie von einem Fuß auf den anderen und versuchte Go'nuh irgendwie auf sich aufmerksam zu machen, doch die einzige Person die sich zu ihr umdrehte, wohl eher zufällig, war ER, Uharath. Infolgedessen drehten sich auch die anderen Trolle um und musterten das Menschenmädchen ausgiebig. Ikana wusste, dass viele (nicht alle) ihre Herkunft nicht vergessen konnten. An die feindseligen Blicke hatte sie sich aber schon lange gewöhnte. Die einzige Person, bei der ihr dieser Blick etwas ausmachte, war Uharath. Er hatte seine Eltern verloren in einem Kampf zwischen Allianz und Horde. Menschen hatten die beiden getötet und diese Erfahrung in jungen Jahren hatte ihn geprägt, hatte sein ganzes Leben geprägt. Dementsprechend behandelte er sie zwar nicht wie Abschaum aber mehr als die Luft zu atmen schien er ihr nicht zu gönnen.

Ikana löste ihre Augen von den Kriegern und sah zu ihrem Bruder, der sie ruhig ansah. Kurz deutete sie auf das Paket in ihren Armen und er nickte sachte zu ihr hin. Go'nuh sagte noch etwas leise zu den Kriegern, woraufhin diese anfingen zu lachen, ehe er langsam und pfeifend auf seine Schwester zuging. „Mal wieder 'n Paket von Mutter für den Wirt?“ Ein Nicken seitens Ikana. Seufzend streckte sich der junge Troll und sah seine Schwester leidend an. „Dann lass uns ma reiten, Kleine.“ „Ich möchte aber laufen, reiten tun wir sonst immer.“ Mit einem unschuldigen und bettelnden Blick versuchte sie ihren Bruder zu erweichen. Dieser hatte seiner Schwester nichts entgegen zu setzen und nickte ergeben. „Dann gib mir das Paket, du trägst dich sonst tot.“ Gesagt, getan. Ikana konnte gar nicht so schnell schauen, wie er das Paket an sich genommen hatte, sie angrinste und voran ging. Kopfschüttelnd und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen stiefelte sie ihm hinterher, doch sie spürte noch die Blicke der Wachen im Rücken: Ein kurzer Seitenblick genügte um zu sehen, dass Uharath ihnen nachsah. Doch dieser flüchtige Moment war schnell vorbei und als er merkte, dass Ikana zu ihnen hinsah, drehte er ihr demonstrativ den Rücken zu.

Diese ließ den Kopf hängen und trottete nun etwas abwesend ihrem Bruder hinterher, der vor sich hin plapperte wie ein Wasserfall. Gelegentlich ließ sie ein „Hm“, „Oh“ oder „Aha“ von sich hören, was ihrem Bruder für die Kommunikation wohl genügte. Noch Jahre später verfluchte sie sich für ihre Unachtsamkeit, sonst wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass sie beobachtet wurden. Erst als ihr Bruder neben ihr umkippte und sie selber einen Stich im Nacken spürte, war ihr das bewusst aber leider viel zu spät. Alles wurde um sie herum dunkel für einige Stunden.



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