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Wie barfuß über Glas

Mimato
von

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Zerrissen

Na huch, was ist das denn? Ein Kapitel – habt Freude daran! :)
 

*
 

Kapitel 3 – Zerrissen
 

Wenn man Mimi Tachikawa als Mitschüler auf dem Schulflur begegnete, dachte man sofort, dass man ein typisches Mädchen vor sich hätte. Typische Mädchen waren gut darin gefühlte 365.000 Dinge gleichzeitig zu machen, waren ständig am Lachen und sich des Lebens zu erfreuen und interessierten sich für Themen wie Mode, Schmuck und Männer. Außerdem war Mimi Tachikawa auch die Anführerin des Cheerleader-Teams der Schule, bei Jungs beliebt und von vielen Mädchen entweder verhasst oder vergöttert und hatte, bevor sie nach Japan zurückging viele Jahre in den USA gelebt. Faktum, viele hielten sie für oberflächlich, arrogant und nicht sehr intelligent.
 

Mimi wusste durchaus was alle in ihr sahen, jedoch störte sie sich nicht im Geringsten daran, denn sie wusste auch, wie es wirklich um ihren Charakter stand, war sich ihrer Schwächen und Stärken bewusst und gehörte zu einem kleinen Freundeskreis, der sie so sah, wie sie wirklich war und indem sie sich wohl fühlte. Außerdem war es wirklich so, dass sie sich oft für Themen wie Mode, Schmuck und Männer interessierte. Wie zum Beispiel auch damals, an einem Tag im vergangenen Winter, als sie vollbepackt mit Büchern und einem schweren Rucksack, aus dem ihre blauen Pom-Poms hervorlugten, mit fröhlicher Stimme und schnellen Schritten durch den Korridor ihrer Schule tänzelte. An ihrem Ohr hielt sie ihr Handy und obwohl es bereits so aussah, als würde ihr die schweren Bücher jeden Augenblick durch die Finger rutschen, schaffte sie es immer noch zu telefonieren.
 

„Ich hätte so gerne das weiße Kleid von gestern!“, sagte sie verträumt und stellte sich erneut vor, wie herrlich sie ihren Anblick im Spiegel gefunden hatte.
 

„Aber Mimi“, rief Soras entsetze Stimme am anderen Ende der Leitung. „Das war unheimlich teuer!“
 

Zum Gedanken an ihr Aussehen stahl sich augenblicklich der Gedanke an das Preisschild. 20.500 Yen war viel Geld und lag normalerweise nicht im Taschengeldrahmen einer 17-jährigen Schülerin. Erst recht nicht, wenn die Eltern geschieden waren und die Mutter kaum finanzielle Unterstützung vom Vater erhielt.
 

Mimis Miene verdüsterte sich. „Ich weiß“, erwiderte sie gekickt. „Aber ich bekomme dieses Kleid nicht mehr aus dem Kopf.“
 

Sora seufzte. „Ach Mimi, du sahst darin super aus, aber dir stehen so viele Sachen. Es ist bloß ein Kleid. Gib dein Geld lieber für-“
 

Mimi wurde jedoch von leisen Klängen abgelenkt, als sie um die Kurve bog, so dass sie Soras Empfehlung nicht mehr wahrnahm. Irritiert kam sie vor der angelehnten Tür des Musiksaals zum Stillstand und glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Ganz eindeutig spielte dort drin jemand an einem Klavier – entweder das, oder jemand spielte eine CD ab. Eigentlich musste es eher letztes sein, denn es war ihr neu, dass die Schule inzwischen ein Klavier besaß.
 

„Mimi?“
 

Mimi konnte ihre Neugierde nicht unterdrücken und ging langsam auf die Tür zu, um durch den offenen Spalt zu lugen. Tatsächlich fiel ihr ein Flügel ins Auge und Isamu Nagasaki, ihr Lehrer für Japanische Literatur, den sie insgeheim für die Unmengen an Hausaufgaben immer verflucht hatte. Insgeheim hatte ihn Mimi schon immer gutaussehend gefunden, jedoch hatte ihr Herz bei seinem Anblick am Klavier noch nie einen Sprung gemacht. Selten war ihr Kopf so leer gewesen, wie in diesem Moment.
 

„Mimi!“, schrie auf einmal Soras Stimme in ihr Ohr.
 

Mimi war so überrascht, dass sie erschrocken zusammen zuckte. Die Bücher in ihrer Hand machten sich selbstständig und glitten ihr durch die Finger. Es war unmöglich ihren Fall aufzuhalten. Laut krachten sie auf den Boden und Nagasaki sah erschrocken auf – direkt in Mimi nicht weniger erschrockenen Augen.
 

Sie riss sie sich mit dem Gefühl ertappt worden zu sein, von seinem Blick los, steckte ihr Handy weg und versuchte hastig ihre Bücher wieder vom Boden zu sammeln.
 

Allerdings war sie nicht schnell genug, denn Nagasaki öffnete die Tür, noch ehe Mimi überhaupt das erste Buch wieder aufheben konnte.
 

„Hm, ich wusste ja, dass Sie meinen Unterricht nicht unbedingt lieben, aber ich hatte bisher immer gehofft, dass Sie wenigstens die Thematik etwas zu schätzen wissen.“
 

Überrascht hob Mimi den Kopf und Nagasaki verstand, dass sie nicht begriff, was er damit meinte. Nagasaki zeigte auf das Buch, auf das ihre Hand lag und Mimi folgte seinem Blick. Wahrscheinlich wurde ihre Hautfarbe noch um einen weiteren Ton rötlicher. Auf dem Boden lag auch ein Roman, den sie in Nagasakis Unterricht gelesen hatte. Mimis Finger ruhten gerade auf „Die Tänzerin von Izu“. Der Autor Kawabata Yasunari war ein Nobelpreisträger. Wahrscheinlich war es in seinen Augen eine absolute Sünde so achtlos mit Büchern umzugehen.
 

Mimi wusste nicht, was ihr in diesem Moment peinlicher sein sollte. Die Tatsache, dass er sie so eben auf frischer Tat ertappt hatte, wie sie ihm beim Spielen zugesehen hatte oder, die Tatsache, dass er anscheinend den Eindruck hatte sie würde seinen Unterricht nicht mögen.
 

„Das … Ich meine … Es war ein Versehen“, erwiderte Mimi kleinlaut.

Nagasaki lächelte. „Und das eben war ein Scherz.“
 

Er bückte sich zu ihr hinunter und half Mimi ihre Bücher zu ordnen. Mimi war noch nie in einer Situation gewesen, in der sie sich so unwohl gefühlt hatte und irritierenderweise lag das an seiner Anwesenheit. Selten brachten andere Menschen sie so aus der Ruhe.
 

„Ich wollte nicht stören“, erklärte Mimi hastig, als er ihr die letzten Bücher reichte und die beiden sich wieder erhoben. „Es war nur … wegen dem Klavier. Sie sind gut. Ich spiele auch, also eigentliche habe ich gespielt.“
 

Nagasaki sah sie mit unverhohlener Überraschung an. Mimi kannte diesen Blick. Das war einer dieser nicht selten vorkommenden Momente, in denen ein Mensch eine Seite an ihr entdeckte, die er ihr nicht zugetraut hätte. Eigentlich störte sie sich nie daran regelmäßig unterschätzt zu werden, jedoch machte ihr das in diesem Moment tatsächlich etwas aus.
 

„Wieso haben Sie damit aufgehört?“, fragte Nagasaki schließlich.
 

„Ich hatte in New York ein Klavier. Hier habe ich keines mehr, als konnte ich nicht mehr spielen. Ich wusste ja nicht, dass die Schule ein Klavier besitzt.“
 

Nagasaki lächelte erneut. „Wir haben es erst seit wenigen Tagen. Ich bin gerade dabei es einzustimmen“, erklärte er und machte eine leichte Geste zurück in den Musiksaal. „Möchten Sie vielleicht?“
 

Nagasakis Blick ruhte erwartungsvoll auf Mimi. Diese spürte, wie ihr Herz innerlich einen Sprung machte, als sie begriff, was er ihr soeben anbot. Er wollte tatsächlich, dass sie spielte!
 

„Ähm, gerne!“ Mimi nickte schnell. „Natürlich!“
 

*
 

Anders wie an dem Tag ihrer ersten „richtigen Begegnung“, wie Mimi es insgeheim immer so schön in Gedanken nannte, spielte Isamu heute nicht auf dem Flügel, als Mimi den Musiksaal betrat. Er stand gerade am Fenster und sah nachdenklich hinaus, eher er auf sie aufmerksam wurde. Isamu lächelte sie an, als er sie sah und wandte sich ihr zu, doch Mimi konnte erkennen, dass ihn ihr Erscheinen heute nicht wirklich glücklich stimmte.
 

Lange standen beide stumm voreinander und sahen sich lediglich an. Keiner schien zu wissen, was er sagen oder wie er reagieren sollte. Noch nie hatte Mimi diesen tiefen Schmerz verspürt, diese Sehnsucht und so viel Wut auf die Tatsache, dass der Mann, den sie so sehr liebte, ihr Lehrer war und bereits der Blick, den sie einander zu warfen, sich so verboten anfühlte – obwohl es genau das richtige war. Wie hatte Matt sie nur vor diese schreckliche Wahl stellen können? Wie konnte er sich nur ernsthaft einen Freund nennen wollen, wenn er ihr das antat?
 

„Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll dich zu sehen, oder nicht“, murmelte Isamu traurig. „Du hast mit Matt gesprochen?“
 

Mimi nickte. „Er hat mich vor die Wahl gestellt. Wenn wir damit aufhören, wird er nichts sagen.“
 

„Er hat Recht“, sagte er und schluckte, vielleicht sah er in diesem Moment auch ein wenig erleichtert darüber aus, dass seine Karriere als Lehrer nicht beendet war. Mimi konnte es ihm nachfühlen. Er musste sich in dieser Situation noch vor ganz anderen Sachen fürchten. „Wir beide können nicht zusammen sein. Wir dürfen uns nicht mehr sehen.“
 

Seine Worte fühlten sich wie eine Ohrfeige an, obwohl sie wusste, dass es das einzig vernünftige war und es nichts an seinen Gefühlen zu ihr änderte.
 

„Ja“, erwiderte Mimi. „Leb wohl, Isamu.“
 

Mimi stürmte aus dem Musiksaal. Sie wusste, dass er ihr nicht folgen würde und diese Entscheidung unumstößlich war. Sie rannte durch die Korridore, als würde es um ihr Leben gehen. Sie musste raus, weg von der Schule, weg von all den Menschen, weg von den vielen Erinnerungen, die sie mit Isamu verband. Sie musste an einen Ort, der ihr Herz nicht so sehr zerreißt, wie es dieser hier tat. Obwohl sich Mimi jedoch fest geschworen hatte nicht in Tränen auszubrechen, konnte sie jedoch nicht verhindern, dass sie ihr unaufhörlich über die Wangen rannten. Noch nie hatte sie sich wegen eines anderen Menschen so leer gefühlt wie in diesem Augenblick.
 

*
 

Fortsetzung folgt …



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  UrrSharrador
2012-10-22T20:44:23+00:00 22.10.2012 22:44
So, hier bin ich wieder!
Ein gelungener Flashback. Das passt richtig gut alles zusammen, das Klavir, die Bücher, die ihr aus der Hand rutschen, weil Sora in den Hörer schreit und die in seinen Unterrricht gehören, und die Ironie, dass Matt die zwei sicher durch den gleichen Türspalt beobachtet hat wie Mimi Nagasaki beim Spielen.
Und sie tun also, was Matt geraten (oder erpresst) hat. Ich bin neugierig, wohin Mimi läuft - und dass sie sich hoffentlich nicht vor einen Zug schmeißt oder so, kann ja aus Herzschmerz so einiges vorkommen ...
Auf jeden Fall hoffe ich, dass die versprochene Fortsetzung bald kommt und es bis zu den nächsten Kapiteln nicht so lange dauert, wie bei den vorherigen zwei ;)
Bis dann!
Von:  Miimii_hope
2012-10-09T13:47:44+00:00 09.10.2012 15:47
Ich kann meiner Vorrednerin nur zustimmen.
Als ich das neue Kapitel sah, hab ich fast Luftsprünge gemacht.

Ehrlich, die Art wie du schreibst, dass Mimi so unglücklich mit der Situation ist, da kann man sich voll hinein versetzen.
Ich hoffe du behälst deinen Stil bei.

Quäl uns doch nicht sooo und veröffentliche die Kapitel in kürzeren Abständen. :) :)

LG
Von:  BeautyRani
2012-10-07T13:23:05+00:00 07.10.2012 15:23
Hi,

als ich auf meiner Startseite gesehen hab, dass es ein neues Kapitel von dir gibt, dacht ich, ich seh nicht richtig, sah ja schon so aus, als würdest du die FF nicht mehr fortsetzen.
Aber es freut mich riesig, dass du den Kampf noch nicht aufgegeben hast ^^

Mir war ja - dank meiner blühenden Fantasie ^.~ - schon immer klar gewesen, dass Mimi was mit ihrem Lehrer am Laufen hat und Matt das mitbekommt.
Nur wie du die verliebte Mimi nun in Matts Richtung bekommen willst, bin ich echt überfragt, schließlich kann sie sich ja nicht von einem Tag auf den anderen pötzlich auf Matt fixieren, obwohl sie mit dieser Lehrer/Schüler Affäre ja nun ein Geheimnis haben, was sie verbindet ^.~
Also ich bin echt gespannt, wie du das hinbekommen willst, wenns immer noch 'ne Mimato werden soll, was ich doch schwer hoffe und mir wünsche.

Aber weißt du, so toll ich deine FF finde, desto trauriger bin ich, wenn du nur alle paar Monate ein neues Kapi hochlädst und dann noch so kurz :(
Musste mir nämlich ein paar Stellen durchlesen, um wieder reinzufinden, auch wenns erst nur drei Kapitel sind :D

Hoffe, du nimmst mir den kleinen Krtikpunkt nich übel, aber wer bitte will schon warten, wenn er unbedingt wissen will, wie es weitergeht und das auch noch monatelang?

Wünsche dir auf jeden Fall ganz viel Inspiration fürs nächste Kapitel und dass es diesmal vielleicht nicht so lange dauern wird...

LG




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