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Just one moment

Reika x Hikaru
von

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Just one moment

Just one moment
 

Kennt ihr das? Diese Momente, die leise an einem vorbeiziehen? Man wirft ihnen höchstens einen kleinen Seitenblick zu und dann ziehen sie weiter. Einfach so. Ganz leise.

Schnell sind sie vergessen. In irgendwelchen Tiefen verschwunden.

Bis ein Augenblick in deinem Leben aufkommt, der in irgendeinen Verbindung zu diesem vorbeigezogenen Moment steht.

Vielleicht willst du es anfangs nicht verstehen.

Vielleicht kannst du nicht.

Aber irgendwann wirst du es wohl begreifen. Du siehst die Verbindung zu dem längst vergangenen Moment und drehst dich um.

Und obwohl du ihn noch siehst, kannst du ihn nicht mehr erreichen. Er ist viel zu weit entfernt. Du kannst dich nur noch an die kurze Zeit erinnern, in der er an dir vorbeizog. Rufst dir dieses Bild noch einmal ins Gedächtnis. Und verstehst.

Und dennoch… Er ist vergangen.
 

Ich bin wie jeder andere auch. Ich werfe unscheinbaren Momenten kurze Seitenblicke zu und lasse sie dann weiterziehen. Und wie wohl jeder andere auch komme ich dann irgendwann an diesem Punkt an, an dem ich an ihn zurückdenke. Weil mich irgendetwas daran erinnert.

Ein Blick. Ein Gegenstand.

Eine Situation.
 

_____
 

„Das ist viel zu viel für uns!“ Deine Stimme klingt genervt, aber ich höre wie du mir folgst und muss grinsen. Du bist viel zu lieb als dass du mir wirklich böse sein könntest. Oder einfach ohne mich nach Hause gehen könntest. „Außerdem hab ich Hunger!“ Wir waren nur kurz einkaufen. Als wir zum Abendessen eine Pizza in den Ofen schieben wollten, haben wir nämlich bemerkt, dass unser Kühlschrank im Grunde nur noch aus gesundem Zeug besteht. Wer auch immer das da reingelegt hat.

Aber dann auf dem Nachhauseweg habe ich sie gesehen.
 

„Komm schon! Irgendwas von dem Zeug in der Tüte kannst du doch auch essen ohne es zu kochen. Bevor du mir hier noch verhungerst. Ach, jetzt sei nicht so ein Spielverderber!“, rufe ich dir zu und mache noch ein paar Schritte, bis ich an dem künstlich angelegten Teich angekommen bin. Er ist nur ein paar Quadratmeter groß und ziemlich hässlich. Eigentlich gehen wir immer hier lang, aber das ist das erste Mal, dass ich die Enten bemerkte. Leises Schnattern hat mich auf sie aufmerksam gemacht und du musst natürlich mit.

Vor dem Wasser lasse ich mich in die Hocke sinken und strenge meine Augen an, um in der nächtlichen Dunkelheit die Enten erkennen zu können. Es sind drei.

„Wie habt ihr euch denn hier her verlaufen?“, murmle ich leise und bekommen von dir nur ein Schnauben zu hören. Du stehst ein paar Schritte vom Wasser entfernt neben mir und lässt die Tüte in das Gras fallen. Du bist wirklich niedlich, wenn du bockig wirst. Das muss ich dir irgendwann mal sagen.

Ich muss dir so vieles irgendwann mal sagen.
 

Ich breche ein Stück von dem Brot, das ich jetzt aus der Tüte fische, ab und halte dir gut gelaunt den anderen Teil hin. Du verdrehst aber nur die Augen und nimmst es mir ab, rührst dich aber sonst nicht.

Den Enten strecke ich jetzt meine Hand mit ein bisschen Brot entgegen. Sie schwimmen nur weiter unbeeindruckt auf dem kleinen Teich rum, also werfe ich ihnen das Brot direkt vor die Nase. Und tatsächlich schnappen sie sofort danach. „Dämliche Tiere.“ Trotzdem muss ich lachen.

Ich versuche es noch einmal und jetzt scheinen sie wirklich bemerkt zu haben, was der Ursprung ihrer neuen Nahrungsquelle ist, denn sie kommen in meine Richtung geschwommen, trauen sich aber nicht ganz heran. Also werfe ich ihnen das Brotstückchen wieder entgegen.

Ich bemerke aus den Augenwinkeln, wie du dich auch in die Hocke runterlässt und die Enten beobachtest. „Vielleicht sind sie ja gar nicht so dumm.“

Fragend sehe ich dich an.

„Sie gehen nur der Gefahr aus dem Weg. Sie wissen, dass es so besser funktioniert“, antwortest du mir. Den Blick noch immer auf die kleinen Tiere gerichtet. „Sie bekommen ihr Futter ja trotzdem, oder?“ Schmunzelnd siehst du mich dann an.
 

Du bist der Ruhigere von uns beiden. Der, der rationaler denkt. Zwar machst du viel Unsinn mit, aber trotzdem denkst du mehr darüber nach. Manchmal ist das ziemlich anstrengend und Spaß bremsend, aber es ist gut, einen Freund wie dich zu haben. Du bist immer in den richtigen Momenten rational. Meistens zumindest. Aber wenn ich jemanden brauche, der mir zuhört, wenn es mir nicht gut geht, dann habe ich trotz dieser ganzen Rationalität das Gefühl, dass du mich verstehst. Dann streichst du mir beruhigend über den Rücken und sagst, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Dann bist du für mich da. Wenn ich Probleme in der Uni habe. Oder mit Freunden oder meiner Familie. Oder in der Liebe. Du bist immer für mich da. Ich glaube, dass ich dich getroffen habe, war das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte.
 

„Dann sind die Enten wohl zu klug für mich“, grinse ich zurück.

„Jetzt willst du bestimmt, dass ich widerspreche.“ Ein Schmunzeln taucht ebenfalls auf deinem Gesicht auf.

„Wär ganz nett, ja.“

„Na gut“, nickst du und musst ein Lachen unterdrücken. „Du bist viel klüger als dieses blöde Federvieh.“

In meiner Empörung über deinen überheblichen, ironischen Tonfall werfe ich ein Stück Brot nach dir, das du aber nur lachend abwehrst. Es landet auf dem Boden und wird von dir aufgehoben.

Die Enten beginnen zu schnattern, ganz so als würden sie sich darüber aufregen, dass es plötzlich kein Brot mehr gibt. „Pscht!“, rufe ich ihnen zu und werfe noch ein Stück ins Wasser.

Anschließend sitzen wir nur da und beobachten die kleinen Gestalten. Wie sie auf der Oberfläche schwimmen und sich ab und zu mal wieder empört melden. Und dann bekommen sie auch was. Sie haben mich in der Hand. Wahrscheinlich sind sie wirklich klüger als ich. Oder durchtriebener.

Du hast dir auch ein bisschen Brot abgebrochen und wirfst ihnen ein paar Mal etwas zu. Ich muss lächeln. Du neben den Enten. Das passt irgendwie gar nicht. Du bist viel zu toll für so plumpe Tiere.
 

Besagte Tiere melden sich jetzt mal wieder lautstark und hören auch nicht auf, als ich ihnen Brot zuwerfe. Anscheinend reicht ihnen das diesmal nicht und sie kommen näher. Keine Ahnung, was sie wollen. „Die kommen nur näher, weil sie mich lieben!“, rufe ich deshalb mit einem überheblichen Lachen aus.

„Nicht so sehr wie mich“, antwortest du nur leise und schmunzelnd und siehst mich dabei so liebevoll an, dass ich dir lachend in die Schulter boxe.

„Setz dabei nicht so nen Blick auf! Ich bin derjenige, der hier seit bestimmt ner halben Stunde sitzt und sie füttert!“ Ich wende mich wieder den Tieren zu und stelle überrascht fest, dass sie sich wirklich alle auf meiner Seite des Teichs befinden. „Siehst du!?“, grinse ich dich überlegen an und werfe das letzte Stück Brot ins Wasser.
 

„So, jetzt können wir gehen. Vom ganzen Füttern hab ich Hunger bekommen.“ Ich stehe auf und stemme die Hände in die Hüfte, während ich dich dabei beobachte, wie du nach der Einkaufstüte greifst und mir dann kurz durch die Haare wuschelst. Ich protestiere natürlich sofort. Aber eigentlich weiß ich: Ich hab es gern, wenn du das machst. Das macht niemand sonst und ich mag dein Lächeln dabei. Obwohl es immer so aussieht, als würdest du mich dann auslachen. Das ist so ein Blick, der sagt „Du bist so niedlich.“

Ich stocke. Du hast das gerade wirklich gesagt. Das hast du noch nie gemacht. Bestimmt 100 Mal in dieser Situation gedacht, aber nie gesagt. Das ist neu.

Nach einem kurzen verwirrten Moment meinerseits schiebe ich gleich die Unterlippe vor und stolziere beleidigt über den Rasen auf unsere kleine WG zu. Gespielt beleidigt natürlich. Ich merke nämlich gerade, dass ich es mag, wenn du mir sagst, dass ich niedlich bin. Obwohl ich das natürlich niemals zugeben würde. Und obwohl jeder andere dafür einen wirklich beleidigten Abgang kassieren würde.

Aber wenn du es sagst, ist es okay. Sogar mehr als okay.

Vielleicht sollten wir öfters zu den Enten gehen.
 

________________
 

Es waren keine mehr da. Keine Enten.

Wir waren immer mal wieder bei dem kleinen, hässlichen Teich, aber es waren keine mehr da.

Nur an diesem einen Tag.
 

Du hast geheiratet und ich bin auch in einer glücklichen Beziehung. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Sind immer beste Freunde geblieben. Auch jetzt noch.
 

Jetzt stehen beide wir auf dem Balkon meiner Wohnung mit einer Flasche Bier in der Hand. Es ist Sommer, aber trotzdem nicht gerade wirklich warm. Vielleicht liegt es einfach daran, dass es mitten in der Nacht ist und wir keine Jacken tragen.

Unsere Gespräche drehen sich um alte Zeiten. Um unsere Schulzeit. Unsere Unizeit.

„Du hattest immer so viel bessere Noten als ich! Vor allem in Physik“, stelle ich seufzend fest und trinke einen Schluck aus meiner Flasche, während ich die Straße hinuntersehe.

„Du hast nur nicht gelernt!“ Du gibst mir grinsend einen kleinen Schlag gegen die Stirn. „Du Faulpelz!“

Lachend muss ich zugeben, dass du wohl nicht so ganz falsch liegst. „Die Zeit hab ich für viel tollere Aktionen gebraucht!“ Leider ist mein Argument nicht sehr stichfest, weil du bei diesen Aktionen meistens dabei warst.

„Erinnerst du dich wie wir mit Kouki, Minase und Ibuki so oft den Ernährungskundeunterricht geschwänzt haben?“

Ich muss kurz überlegen, bis es mir wieder einfällt. „Klar! Den fanden wir am unwichtigsten, deshalb haben wir den immer geschwänzt, damit wir mehr Zeit zum Proben hatten!“ Ja, damals waren wir zusammen in einer Band gewesen und auch bis heute sind wir alle irgendwie in der Musikbranche geblieben. Zwar nicht mehr alle selbst als Musiker, aber zumindest machen wir, was uns Spaß macht.

„Genau!“, stimmst du mir jetzt wieder grinsend zu.

„Ich musste dafür ziemlich oft nachsitzen.“ Aber das war es wert gewesen.

„Nicht so oft wie ich!“ Während du diesen Satz aussprichst, macht es irgendwo in meinem Kopf ‚klick‘.
 

Und da war er. Der Moment.
 

Es ist nur dieser kleine Satz, der das alles auslöst und den ich sicherlich schon öfters in meinem Leben gehört habe. Aber hier und an dieser Stelle genügt er, um mich an etwas zu erinnern.

Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir bei den Enten waren. Als ich dich dazu gebracht habe, die kleinen, eigentlich doch so nervig schnatternden Tiere auch zu füttern. Als ich meinte, dass mich die Enten lieben würden und du darauf, mir einen so warmen Blick zuwerfend, geantwortet hast. Mit diesem einen Satz.
 

„Nicht so sehr wie mich.“
 

Aber irgendetwas ist seltsam.

Und dann fällt es mir auf.

Ich habe mich damals verhört.

Es war kein „mich“ gewesen. Du hattest „ich“ gesagt.
 

„Nicht so sehr wie ich.“
 

Du hattest mir gesagt, dass du mich liebst.

Plötzlich wird mir noch viel kälter als zuvor. Alle Gedanken in meinem Kopf scheinen sich aufgelöst zu haben.

Ich bin mir sicher. Ich habe mich damals verhört.
 

Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Dein warmer Blick und das Lächeln von damals. Und die Tatsache, dass die Enten auf meiner Seite des Teiches waren und du trotzdem diesen Satz ausgesprochen hast. Deine zurückhaltende Art in den auf diesen Satz folgenden Momenten und am ganzen restlichen Abend. Auch das „Du bist so niedlich“, das du da zum ersten Mal ausgesprochen hast.

Ich habe es falsch verstanden. Völlig falsch interpretiert. Ich habe es registriert, aber mich nicht weiter damit beschäftigt. Du hast eben manchmal solche Tage. Ich habe mir einfach nichts weiter dabei gedacht.

Ich lag so falsch.
 

Mein Lachen verblasst wie in Zeitlupe, als ich dich ansehe. Hier auf dem Balkon.

„Was ist?“, fragst du mich etwas besorgt, aber als ich nicht antworte, scheinst du anzufangen nachzudenken. Was du eben gesagt hast. Ich sehe es in deinen Augen.

Ich will nicht, dass du dich erinnerst. Warum nicht, ist eine gute Frage. Vielleicht, weil es eine Welle von weiteren Gedankengängen auslösen würde. Weil ich mich dann fragen müsste, ob aus uns beiden irgendwas hätte entstehen können.

Plötzlich müsste ich alles neu interpretieren. Jede deiner Handlungen damals. Jedes Wort.

Ich müsste mich fragen, ob ich in dich verliebt war. Oder ob es nur eine Schwärmerei war. Oder überhaupt etwas dergleichen und nicht nur eine ungewöhnlich starke Freundschaft.

Ich habe mir diese Frage damals nicht wirklich gestellt. Einfach, weil ich es sofort abgehakt hatte. Weil ich nie daran gedacht habe, dass du auch vor so einer Frage stehen könntest.

Ich müsste mich fragen, was sich alles verändert hätte, hätte ich diesen Satz damals richtig verstanden.

Mein ganzes Leben steht mit einem mal Kopf.

Warum mussten wir gerade dieses Gespräch führen? Warum musstest du gerade diesen Satz sagen?

Ich will nicht darüber nachdenken, wie mein Leben hätte laufen können.

Ich mag mein Leben doch so wie es jetzt ist!
 

Doch plötzlich beginnst du zu lächeln und wendest den Blick von mir. Es ist ein wissendes Lächeln. Du weißt, woran ich gerade denke. Es muss auch in dir irgendetwas ausgelöst haben.

Die Unterarme stütz du auf das Geländer, nachdem du dich wieder der Straße zugewendet hast.

„Erinnerst du dich, als wir die Enten an dem hässlichen Teich gefunden haben?“

Ich schlucke. Nicke.

Du siehst lächelnd über die Dächer. „Das war ein schöner Tag.“

Ich gebe keinen Laut von mir. Was willst du mir sagen?

„Ich glaube, der hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind.“ Deine Worte sind seltsam philosophisch. Das passt eigentlich gar nicht so zu dir. Aber auch solche Tage hast du manchmal. „So wie es jeder andere Tag auch macht. Nur dieser vielleicht ein kleines bisschen mehr.“
 

Ich stehe immer noch da und sehe dich an. Irgendwie schaffe ich es nicht, mich zu bewegen. Und noch weniger schaffe ich es, ein Wort herauszubringen.

Bis du dich wieder zu mir umdrehst und plötzlich eine Hand hebst, um mir lachend durch die Haare zu wuscheln. „Jetzt guck nicht so! Du bist doch zufrieden mit deinem Leben, oder?“

Ich nicke ohne zu zögern, als du deine Hand wieder wegnimmst. Doch, das bin ich.

„Na siehst du! Und ich auch.“ Dein Lachen verblasst zu einem liebevollen Lächeln. Aber es ist nicht so wie an dem Tag, als wir bei den Enten waren. Es ist anders.

Und schließlich schaffe es auch ich wieder zu lächeln. Zuerst zögerlich.

Als du dann aber fröhlich deinen Arm um mich legst und mich kurz an dich ziehst, kann ich nicht anders als mitzulachen.
 

Ich werde mir die Frage nach dem „was wäre, wenn“ wohl noch öfters stellen. So leicht lässt sich das nicht aus dem Kopf streichen. Aber ich werde mir dabei auch immer vor Augen führen, dass auch dieser Tag ein Teil unseres Lebens ist. Und wäre er anders verlaufen, würden wir jetzt vielleicht nicht hier auf meinem Balkon stehen, Bier trinken und uns über alte Zeiten unterhalten. Mit einem Lachen auf den Lippen.
 

Wir stehen noch lange Zeit einfach nur da und reden.
 

Unbeschwert.



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