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Blood Moon - Bis(s) in alle Ewigkeit

Fortsetzung von Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt
von

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Um Leben und Tod (Teil 1)

Wir reihten uns – die Volturi auf der einen, meine Familie und unsere Verbündeten auf der anderen Seite – einander gegenüber auf. Alle Gestaltwandler hatten die Wolfsgestalt angenommen. Ich bildete die einzige Ausnahme. Sie fühlten sich in dieser Form natürlich weniger angreifbar und konnten leichter miteinander kommunizieren. Ich, für meinen Teil, hatte die Möglichkeit in jeder Form zu kämpfen, bevorzugte jedoch die menschliche.
 

Carlisle und Edward postierten sich zusammen mit Emmett und Zafrina ganz vorne, meine Mutter und meine Schwester bildeten das Schlusslicht, der Rest verteilte sich in der Mitte, in der auch ich mich befand. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Volturi eine ähnliche Struktur aufweisen würden, um ihre Frauen zu schützen, doch ich konnte Aros und Caius Gefährtinnen nicht unter ihnen ausmachen. Corin schien ebenfalls, wie gewohnt, bei ihnen zu sein.

Es machte mich stutzig. Entweder gingen sie davon aus, bald wieder die Heimreise antreten zu können und hielten es deswegen für unnötig ihre Frauen mitzunehmen oder aber sie hatten ernsthafte Zweifel an ihrer Überlegenheit und wollten sie auf diese Art und Weise schützen.
 

Nach ein paar Minuten der Stille, in denen wir einander nur stumm gemustert hatten, trat schließlich Aro, dicht gefolgt von Renata, vor.

„Carlisle, mein lieber Freund, wie konnte es nur so weit kommen?“ Aros Stimme war gespielt freundlich wie eh und je.

„Ich denke, das fragen wir uns alle“, antwortete Carlisle. Obwohl zwischen ihm und seinem Gesprächspartner einige Meter Luftlinie lagen, sprachen sie, Vampirgehör sei Dank, miteinander, als säßen sie sich direkt gegenüber. „Unsere Freundschaft allerdings, scheint hinfällig geworden zu sein.“

Aro setzte ein trauriges Gesicht auf. „Oh, wie bedauerlich. Mir war sie immer sehr teuer. Ich kann natürlich verstehen, dass die Verluste, die ihr erleiden musstet, euch hart getroffen haben. Man sagt sich ja, die vegetarische Lebensweise würde bei Unsereins menschliche Gefühle hervorrufen. Wenn dem so ist, ist es natürlich verständlich, dass der Tod eures Zirkelmitgliedes euch derart trifft.“

Von Aros Worten tatsächlich getroffen, trat Edward einen Schritt hervor.

„Er war kein 'Zirkelmitglied', Aro, er war mein Enkel, er war Teil unserer Familie. Er war ein Bruder, ein Sohn, ein Vater. Aber er ist nicht allein der Grund weshalb wir heute hier stehen.“

Die roten Augen des Volturioberhauptes huschten kurz zu mir, fixierten jedoch schnell wieder Edward, als dieser erneut das Wort ergriff. „Und Anthony ist es genau so wenig.“

Aro sah ihn fragend an.

„Ihr habt eure Macht zu lange missbraucht, Aro. Eure Aufgabe war es, unser Geheimnis zu bewahren und Vergehen zu bestrafen. Ihr habt dafür einige Privilegien genossen und wurdet von vielen gefürchtet und verehrt. Das kreidet euch niemand an. Es war in Ordnung, so lange ihr euren Pflichten nachkamt und eure Dienste getan habt. Nun aber, sehen wir deutlich Willkür in euren Handlungen. William wurde ohne ersichtlichen Grund von Caius getötet und anstatt ihn für sein Handeln zu bestrafen, wird er belohnt, indem weitere Leben um seinetwillen geopfert werden. Heute war es William, der sterben musste, morgen kann es jeder von uns sein, ganz wie es euch beliebt.

Ja, unser Geheimnis muss bewahrt werden.

Ja, Vampire brauchen Regeln.

Ja, sie müssen auch gerichtet werden, wenn sie dagegen verstoßen.

Aber diese Regeln gelten für uns alle.

Ihr seid keine Ausnahme.

Und wir glauben nicht mehr länger, dass ihr geeignet dafür seid, über unsere Welt zu herrschen.

Nur aus diesem Grund stehen wir heute hier.“
 

Nachdem Edward seine Rede beendet hatte, sagte niemand etwas. Das Grollen der Gewitterwolken, deren Regen sich bald über uns ergießen würde und die alles um uns herum in Dämmerlicht hüllten, war alles, was wir in diesen Minuten vernahmen, ehe Aro plötzlich zu lachen begann. Sein spitzes Lachen wurde vom falschen Gelächter seiner Mitstreiter begleitet, bis alle Volturi uns verspotteten. Als Aro plötzlich aufhörte zu lachen, verstummte auch der Rest schlagartig.

„Zu schade“, sagte er dann. „In euren Reihen befand sich das eine oder andere Talent, aber eurem Betteln um den Tod wollen wir gern nachgeben, nicht wahr, meine Lieben?“

Er drehte sich zu seinem Gefolge um, Caius und Marcus taten es ihm gleich. Direkt hinter ihnen öffnete sich ein Spalt in der Reihe, als einige der Volturi beiseite traten, um ihre Meister passieren zu lassen. In jenem Moment, in dem sie hinter den übrigen Volturi verschwunden waren und sie die Reihe wieder verschlossen hatten, fegten alle, abgesehen von den Ältesten, schlagartig auf uns los.
 

Die aufeinanderprallenden Vampirkörper waren kaum von den Donnerschlägen über uns zu unterscheiden. Überall um mich herum vernahm ich sie zusammen mit dem Geräusch von zerberstendem Porzellan und aufsteigenden Flammen, wann immer einer von ihnen sein Leben ließ.
 

Für gewöhnlich hielt man sich bekanntlich das Beste bis zum Schluss auf. In diesem Fall jedoch, war Aro, obgleich er nicht mein primäres Ziel war, der Erste, den wir ins Visier nahmen. Jeder von uns hatte seine Beweggründe für die Teilnahme an diesem Kampf. Die Individuen der Volturi jedoch, hatten eigentlich keine. Sie ließen ihr Leben für Aro. Er war ihr Wille, ihr Kopf. Wir mussten ihnen diesen Kopf abreißen, um ihre Einheit zu zerschlagen und ihren Willen zu brechen.

Stefan und Vladimir preschten nach vorn, wollten sie sich doch die Chance nicht nehmen lassen, das Oberhaupt der Volturi zu erledigen. Doch plötzlich knickte einer von ihnen ein, während der Andere ins Leere starrte. Erst als Bella sie unter ihren Schutz nahm, um Janes und Alecs Fähigkeiten zu blockieren, konnten sie sich wieder rühren. Nun nahm Zafrina ihnen mit ihrer Gabe die Sicht, so dass die Hexenzwillinge nun ihrerseits ins Nichts starrten. Stefan rappelte sich auf und riss Alec den Kopf ab. Jane fixierte den rollenden Kopf ihres Bruders, ehe er in Flammen aufging. Beinahe wäre sie von Vladimir erwischt worden, da sprang Felix dazwischen, packte den Rumänen und riss ihm beide Arme und anschließend den Kopf ab. Nachdem er Vladimirs Überreste in Brand gesteckt hatte, taxierte er als nächsten Stefan, doch Aurora sprang ihm in den Nacken und packte seinen Kopf. An seinem Hals waren kaum mehr als ein paar kleinere Risse zu sehen, da griff er mit beiden Armen nach der Vampirin auf seinen Schultern und warf sie über sich hinweg. Aurora knallte auf den Boden und hinterließ nun ihrerseits ein paar ordentliche Risse in der Erde. Sie wich zurück, als Felix weiter auf sie zu schritt. Mit einem Mal jedoch, wurden die Risse größer und größer. Just in jenem Moment, in dem Felix mit den Füßen dazwischen rutschte, schlossen sie sich wieder und der stämmige Vampir steckte in der Erde fest.

Dankbar nickte Aurora Benjamin zu, dann zerstückelte sie, gemeinsam mit Stefan, Felix.

Doch Vladimir war nur das erste unserer Opfer gewesen. In der Ferne sah ich, wie ein mir unbekannter Volturi Kachiri tötete, ein weiterer bezwang Liam und wurde anschließend von Siobhan und Maggie überwältigt und verbrannt.

Ich drehte mich ein drittes Mal um und erwartete bereits den nächsten Verbündeten sterben zu sehen, da durchfuhr mich das Adrenalin wie ein Blitz: in etwa fünfzig Metern Entfernung sah ich, wie meine Mutter sich verängstigt gegen die Überreste eines alten Gemäuers presste. Es war wahrscheinlich das einzige Stück Mauer in der ganzen Gegend, aber sie glaubte sich wohl dort zumindest einigermaßen in Sicherheit. Ich jedoch, sah dank meines Schutzschildes genau, wie sich Afton ihr hinterrücks in unsichtbarem Zustand näherte. Ohne eine weitere kostbare Sekunde verstreichen zu lassen, sprang ich nach vorn, überquerte die fünfzig Meter in Bruchteilen einer Sekunde und machte mich dabei ebenfalls unsichtbar. Nicht einmal einen halben Meter neben meiner Mutter schlug ich den Volturi mit voller Wucht ins Gemäuer. Sie wurde nicht gänzlich durchschlagen, bekam jedoch ein riesiges Loch, in dem Afton – nun wieder sichtbar – versank. Er war es wohl nicht gewohnt, wenn jemand immun gegen seine Gabe war und ihn dabei auch noch mit seinen eigenen Waffen schlug.

„Du bist nicht der Einzige, der sich unsichtbar machen kann“, zischte ich ihm zu. Seine roten Augen weiteten sich, dann brach ich ihm das Genick und entledigte ihn seines Kopfes.

Meine Mutter stand, noch immer zitternd, neben mir. Ich sah sie eindringlich an. „Alles okay, Mum?“

Sie nickte hastig. Ich wusste, dass dem nicht so war. Mein Blick wanderte zu Aftons Einzelteilen. Ich nahm ein Feuerzeug und zündete sie an. Kaum, dass ich es fallen gelassen hatte, schrie meine Mutter plötzlich auf: „Pass auf!“

Meine Unachtsamkeit zunutze machen wollend, sprang Chelsea, Afton's Gefährtin, auf uns zu. Instinktiv stellte ich mich direkt vor meine Mutter und schirmte sie ab, doch Chelsea hatte uns noch gar nicht berührt, da kam der sandfarbene Wolf in unser Blickfeld und riss Chelsea mit sich. Seth zerriss die Volturi mit einigen wenigen Bissen. Auf seinem Rücken saß Mariella.

Ein paar Sekunden verharrte ich mit ausgebreiteten Armen vor meiner Mutter, dann ließ ich sie sinken, atmete einmal tief durch und nahm dann ihre Hand. Ich zog sie hinter mir her und ging mit ihr zu Seth hinüber.

„Danke“, sagte ich. Aus seinem Inneren kam ein wohlwollendes Schnauben. Natürlich war es für ihn ganz selbstverständlich gewesen. Meine Hand löste sich von der meiner Mutter, ich hob sie hoch und setzte sie mit einer einzigen fließenden Bewegung auf Seths Rücken, direkt hinter Mariella. „Ani!“, protestierte meine Mum, doch ich ignorierte sie und sah Seth an, der seinen großen Kopf aufmerksam zu mir drehte und mich mit seinen dunklen, treuen Augen musterte.

„Seth, bitte bring meine Mutter und meine Schwester von hier fort, so weit wie du kannst.“

„Was?!“, meckerte nun auch meine Schwester. „Nein! Ich will dir helfen!“

Ich sah zu ihr hoch und lächelte sie an. „Ich weiß.“

Ihr Gesicht wurde traurig.

„Und du weißt, wie du mir helfen kannst.“

Sie sah mich kurz an, dann wanderten sowohl ihr Blick, als auch ihre Hand zu ihrer Hosentasche, jenem Ort, an dem sie die sieben Spritzen für mich aufbewahren sollte.

„Pass gut auf die Beiden auf, Seth.“

Seth nickte, dann drehte er sich um und rannte davon. Ich sah ihnen nach, genauso wie sich Mariella und Renesmee umdrehten und mir nachsahen.

Bitte, bleibt unverletzt...
 

Wenig später richtete ich mein Augenmerk wieder auf das Kampfgeschehen um mich herum. Aro und Jane waren auf der Flucht, doch während Letzterer diese gelang, schnitt Edward ihrem Meister zusammen mit Alice, Bella, Eleazar und Emmett den Weg ab. In seinem Todeskampf schlug er Emmett zwar noch ein kleines Loch ins Gesicht und riss Eleazar den Arm ab, doch schließlich, wurde er von Edward und Bella im Teamwork enthauptet. Er hielt ihn fest und sie zog, dann verbrannte auch der Kopf des Volturi zu nichts weiter, als einem Häufchen Asche.

Eigentlich sollte ich Erleichterung fühlen, doch dem war nicht so. Aro hatte viele schlimme Dinge getan, insbesondere was Sangreal und die Halbvampire anging, doch war es Caius, den ich in Flammen aufgehen sehen wollte. Er war es, denn ich zerreißen wollte. Sein Tod war es, der mich befriedigen würde.
 

Carlisle kam mit seinem Köfferchen auf uns zu gerannt, um Eleazar dabei zu helfen, seinen fehlenden Arm wieder anzubringen. Das Vampire sich wieder zusammenflicken konnten, solange man sie nicht verbrannte, war in diesen Stunden Glück und Segen zugleich.

„Einer ist hinüber, fehlen noch zwei“, sagte Emmett siegessicher.

„Ich hätte eigentlich erwartet, Aro wäre etwas widerstandsfähiger“, kommentierte ich.

Carlisle sah von seiner Flickerei auf und runzelte die Stirn. „Wo ist Renata?“

„Zusammen mit Jane geflüchtet, weil Bella sie blockierte“, sagte Edward und nahm Bella stolz in den Arm.

„Sieht nicht so aus, als hätte man ihnen das Kämpfen beigebracht“, sagte ich.

„Wozu?“, meinte Eleazar, der auf dem Boden saß und nun wieder mit beiden Armen seine Jacke anzog. „Sie hatten es nie nötig. Außer euch gab es nie jemanden, der gegen ihre Gaben immun war.“

„Vielleicht“, sagte ich. „Aber ich wünschte, ich könnte mehr tun.“

Edward legte seine Hand auf meine Schulter. „Du tust genug, indem du atmest.“

„Wo ist Renesmee?“, wollte Bella wissen.

„Ich hab sie zusammen mit Seth und Mariella fortgeschickt. Sie gehört nicht auf ein Schlachtfeld.“

„Gut gemacht“, lobte Edward. „Hoffen wir, dass sie sich fernhält.“

„HILFE!“

Ein Schrei schreckte uns alle auf. Wir starrten in die Richtung, aus der er gekommen war. Die Stimme war mir nicht gänzlich unbekannt, jedoch auch nicht sonderlich vertraut.

„Das war Constance“, sagte Edward. Und dann rannten wir los.

Zwischen den zerklüfteten Felsen der Küste, rannte Constance, verfolgt von Santiago und Alerio um ihr Leben. Ihr fehlte bereits ein Arm und ein Teil ihres Gesichtes war weg gesplittert.

Edward sprang den Hang hinunter, um ihr zu helfen. Als ihre Verfolger ihn sahen, ließen sie von der Französin ab und rannten davon. Neben mir sprang nun auch Bella hinunter, um ihrem Mann zu helfen.

Ich wollte es ihr gerade gleich tun, da vernahm ich ein schreckliches Jaulen hinter mir.

Zwei Wölfe hatten sich mit Demetri angelegt. Er hatte keinerlei Probleme, mit ihnen fertig zu werden. Den Rotbraunen mit den dunkleren Zeichnungen an Pfoten und Gesicht, Collin, erledigte er mit einem gezielten Nackenbruch. Dem anderen, der ihm zu Hilfe eilte, Brady, zerquetschte er den Brustkorb. Als die beiden leblosen Wolfskörper vor ihm lagen, hob er den Blick in meine Richtung und lächelte leicht. Mir entfuhr unwillkürlich ein tiefes Knurren.

Wenige Augenblicke später sprangen plötzlich fünf Wölfe aus dem nahen Wald: Leah, Sam, Paul und Embry hatten den Verlust ihrer Mitglieder gespürt und rächten sich. Gemeinsam bezwangen sie den Volturi und zerstückelten ihn. Sam warf eine abgetrennte Hand auf den Haufen von Demetris Gliedmaßen und sah mich anschließend mit seinen dunklen Augen an. Ich ging auf Demetris Überreste zu und zündete sie an.

Nun setzte das Rudel sich wieder in Bewegung, doch eine von ihnen brauchte ich noch.

„Leah!“, rief ich. Der kleine graue Wolf blieb stehen und sah mich an. „Wo ist Seth? Geht es ihm gut?“ Sie nickte. Erleichterung überkam mich. Wenigstens das.
 

Ich kehrte zum Ausgangspunkt zurück, wo noch immer erbittert gekämpft wurde, doch die meisten Volturi, die sich hier mit unseren Verbündeten schlugen, kannte ich nicht. Sie waren Aros Lakaien und besaßen keinerlei besondere Fähigkeiten, was zur Folge hatte, dass es in unseren Reihen kaum noch Verluste gab. Den einen oder anderen erledigte auch ich. Es war nun derart einfach, dass ich ernsthafte Hoffnungen in mir aufkeimen spürte, dass wir diesen Kampf gewinnen würden.

Doch meistens kam es anders, als man dachte und mein Pech ließ es sich nicht nehmen, mich wieder einzuholen...

Es war etwa eine Stunde, nachdem ich Leah getroffen hatte. Es regnete bereits aus Kübeln, der Boden war schlammig und der Mond die einzige Lichtquelle, abgesehen von den vereinzelten Stichflammen verbrannter Vampire.

Ich ging gerade einen kleinen Hügel hinauf, da sah ich die Silhouette eines Wolfes an dessen höchstem Punkt. „Seth!“, rief ich erschrocken, fast schon zornig über die Tatsache, dass er hier war. Ich krallte meine Hände in sein Fell. „Was machst du hier?!“

Er verwandelte sich zurück, wodurch meine Hände nun auf seinen Schultern lagen. Er atmete ziemlich schnell, schien aber nicht verletzt zu sein. „Ganz ruhig!“, sagte er und schob meine Hände weg. „Mariella und Nessie sind in Sicherheit. Ich hab es nicht ausgehalten, tatenlos rumzusitzen!“

„Tatenlos? Du solltest auf meine Schwester und auf meine Mutter aufpassen!“

Er rollte die Augen.

„Wie war das noch gleich mit dieser verdammten Prägung? Sollte dir Mariellas Sicherheit nicht mehr als alles andere am Herzen liegen?“

Jetzt funkelte er mich böse an. „Sie ist sicher. Wenn du dir solche Sorgen machst, geh und vergewissere dich selbst. Der Kampf findet hier statt. Alle sind hier. Die beiden befinden sich in einem Wald fünfzig Kilometer nördlich von hier. Niemand kommt auf die Idee, sie dort zu suchen, wenn hier die ganze Action ist, Ani.“

Ich nickte ihm zu, er tat es mir gleich, dann verwandelte er sich wieder in den sandfarbenen Wolf und rannte zum Schlachtfeld. Ich überlegte kurz, ihm zu folgen, schließlich waren seine Worte nicht ganz falsch gewesen, entschied mich jedoch dagegen. Ich wollte erst nach den beiden sehen, ehe ich mich wieder auf den Kampf konzentrieren konnte. Ich vergewisserte mich kurz, dass mir niemand folgte, dann rannte ich los.

Ich bevorzugte für meinen Sprint geschützte Wege. Wann immer es möglich war, nutzte ich die Deckung von Wäldern und Büschen. Glücklicherweise kannte ich dieses Land, wie meine Westentasche.
 

Ich war keine zehn Minuten gelaufen, da vernahm ich ein schwaches Stöhnen in der Nähe und hielt inne. Ich ging direkt, hinter einigen Sträuchern, in Deckung und bewegte mich langsam in jene Richtung, aus der ich das Geräusch ausgemacht hatte.

Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen über das, was sie dann sahen: wenige Meter vor mir, lag Nahuel auf dem Waldboden. Über ihm stand Caius und lächelte. Nahuel zitterte am ganzen Körper, war schweißgebadet, aus seiner Kehle lief Blut. Plötzlich langte Caius nach ihm, seine dünnen bleichen Finger packten Nahuels blutgetränktes Hemd und zogen ihn zu sich nach oben. Sein Gesicht war nun kaum mehr als eine Handbreit von Nahuels entfernt.

„Dachtest du, Aros Tod sei eure Rettung? Niemand wird gerettet sein, solange es mich gibt, du Narr. Ich werde alles haben, was mein Bruder hatte und dazu zählt sie auch. Sie wird es nur nicht annähernd so schön haben, wie zu seinen Lebzeiten, aber wen kümmert das? Dich ganz sicher nicht mehr.“

„Du Monster“, röchelte Nahuel und griff nach Caius Handgelenk, woraufhin dieser zurückwich. Nahuel knallte auf den Boden und blieb reglos liegen. Caius schnaubte kurz überlegen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging davon.

Ich wartete noch eine Minute, um sicher zu gehen, das Caius nicht von meiner Anwesenheit erfahren würde, dann ging ich zu Nahuel. Ich befürchtete schon, ich hätte zu lange gewartet und er wäre bereits tot, doch plötzlich schlug er die Augen auf. Ich kniete mich neben ihn. Wieder kniete ich neben jemandem, der in seinem eigenen Lebenssaft im Sterben lag. Ich wurde unweigerlich an Will's Tod erinnert. Mit einem Mal griff Nahuel nach meinem Shirt und zog mich zu sich. Er öffnete den Mund, aber heraus quoll nur noch mehr Blut. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte und starrte ihn entsetzt an.

„Wenn...“, aus seinem Gurgeln und Röcheln bildeten sich schließlich doch noch Worte. „Wenn...“

„Nahuel“, sagte ich, doch er schüttelte den Kopf.

„Wenn dir auch nur irgendetwas an ihr liegt“, presste er hervor, dann ließ er mich los, ließ den Kopf zurück auf die Erde sinken und fuhr dann fort. „Dann halte sie auf. Er darf sie nicht kriegen.“

Sein Körper verlor jegliche Spannung. Das Leben hatte ihn verlassen. Nahuel war tot.

Ich wusste, von wem er geredet hatte. Natürlich lag mir etwas an ihr, mehr als das. Ich ballte die Hände zu Fäusten und machte mich auf den Weg. Zuerst würde ich nach meiner Mutter und meiner Schwester sehen und dann würde ich mich schnellstmöglich auf den Weg nach La Push machen. Der Kampf spielte für mich keine Rolle mehr.
 

Ich ging weiter in die Richtung, die Seth mir beschrieben hatte. In einem etwas größeren Wald überkam mich dann jedoch ein merkwürdiges Gefühl. Hier war es seltsam still, fast zu still. Ich vernahm keine Tiere, kein Rascheln. Vorsichtig ging ich weiter, tiefer ins Waldesinnere – und dann vernahm ich Stimmen. Ich konnte neben Caius auch Jane und Heidi ausmachen und zu meinem großen Entsetzen auch die meiner Mutter. Schlagartig rannte ich los, wohl wissend, dass es eine Falle war. Als meine grünen Augen Caius schließlich, umringt von seinen Schergen, erblickten, blieb ich stehen. Caius machte eine einladende Geste mit seiner Hand.

„Sieh an, wen haben wir denn da?“, sagte er hochnäsig. Es waren nicht viele Volturi hier, höchstens zehn Stück, die meisten kannte ich nur flüchtig. Sie hatten sich kreisförmig um ihren Anführer postiert. Zwei der Vampire, die den Kreis bildeten, hatten jeweils meine Mutter und meine Schwester in ihrer Gewalt. Bei Mariella war es Heidi, den Typen, der meine Mutter festhielt, kannte ich nicht.

„Nein!“ , brüllte Letztere. „Anthony, lauf! Bitte!“

„Och“ , sagte Caius und faltete die Hände. „Bleib doch noch ein bisschen. Keine Sorge, dank Renata, wird uns niemand stören. Jeder der auf ihre Barriere trifft, wird plötzlich besseres zu tun haben.“

Mein Blick fiel auf Aros einstiges Schutzschild. Nun sah sie müde aus. Sie hatte ihren Meister nicht retten können, sie hatte versagt. Eleazar hatte uns von ihrer Gabe erzählt. Sie war in der Lage, Angreifern einen Gedanken einzupflanzen, der ihn von ihr fernhielt. Sofort kam mir Seth in den Sinn. War es wirklich seine Entscheidung gewesen, Mariella allein zu lassen oder war dies auf Renatas Gabe zurückzuführen?

Zwei der Volturi packten mich jeweils am Oberarm, zogen mich in die Mitte des Kreises und zwangen mich auf die Knie. Ich knurrte und funkelte Caius an.

„So, ich glaube, jetzt haben wir doch ein nettes Grüppchen beisammen oder nicht?“ Er lächelte gespielt und drehte den Kopf links hinter sich. Ich folgte seinem Blick – und mein Herz schlug schlagartig um einiges schneller noch, als es dies ohnehin schon tat. Auf dem Waldboden, zwischen den Frauen der Ältesten, Athenodora und Sulpicia und ihrer Begleiterin Corin, saß Sangreal. Zusammengesunken zu einem Häufchen Elend, hatte sie ihre Arme um sich selbst geschlungen und stille Tränen kullerten über ihr hübsches Gesicht hinab. Sie sah mich nur ganz kurz an, dann starrte sie wieder auf den Boden.

„Ja ja“, säuselte Caius. „Du bist überrascht, sie hier zu sehen, ich bin überrascht, dich hier zu sehen.“ Er beugte sich leicht zu mir herab. „Müsstest du nicht längst ins Gras gebissen haben?“

„Offensichtlich nicht“, antwortete ich knapp.

„Plötzliche Wunderheilung?“, fragte er.

Ich antwortete nicht.

„Wie auch immer“, fuhr er fort. „Wenn du meine Neugier nicht zu stillen gewillt bist, muss ich das eben anderweitig herausfinden.“

Im Hintergrund begannen meine Mutter und meine Schwester wild zu zappeln, als Caius einmal um mich herum lief und schließlich hinter mir stehen blieb. Er kniete sich hinter mich, die zwei Wachen, die mich festhielten, festigten ihren Griff um meine Arme. Caius papierene, kalte Haut berührte die meine, als seine Hand meinen Hals umfasste.

„Nein! Nein! Caius! Bitte! Nein!“, riefen Mariella und Mum abwechselnd, doch er ignorierte ihr Flehen. Ich für meinen Teil wehrte mich nicht, als seine Zähne sich zum zweiten Mal in meinen Hals bohrten. Wozu sollte ich mich wehren? Gegen diese Übermacht kam ich ohnehin nicht an.

Sofort spürte ich, wie sein Gift begann, sich durch meine Blutbahn zu fressen. Es war ein unangenehmes Brennen und Pochen.

Caius ließ von mir ab, er zog seine Zähne aus meiner Haut und die, die mich festhielten, ließen meine Arme los. Ich kippte leicht vorn über, stützte mich aber noch mit den Armen ab. Ich kniff die Augen kurz zusammen, als ich sie wieder öffnete, sah ich, wie ein paar Tropfen Blut den Boden benetzten. Blut, das aus meiner Kehle tropfte.

Zu meiner Linken vernahm ich das leise Schluchzen meiner Mutter und Schwester und warf kurz einen Seitenblick zu ihnen. Mariellas freie Hand näherte sich unwillkürlich direkt der Tasche mit den Spritzen.

„Nun“, begann Caius wieder zu sprechen, schnell wandten wir alle Drei unsere Blicke ihm zu. „Wollen wir doch mal sehen, was mein Gift in deinem Blutkreislauf Nettes anstellt. Weißt du, das erinnert mich an das Mittelalter. Damals, als man es noch genoss andere sterben zu sehen. Was war das doch für ein Großereignis, wenn jemand hingerichtet wurde. Herrlich!“

„Du fieser Drecksack!“, brüllte meine Schwester ihn an. Caius machte eine Handbewegung, woraufhin Heidi ihr den Mund zu hielt.

„Aber Moment, wie war das noch gleich damals?“ Er kratzte sich an der Stirn, so als müsse er tatsächlich überlegen, dann strahlte er. „Ah, ich weiß, damals fragte man die Hingerichteten noch nach einem letzten Wunsch. Ich denke, wir sollten diese Tradition wahren.“

Ich sah erwartungsvoll zu ihm hoch. War das sein Ernst?

„Schau mich nicht so an“, sagte er dann. „Natürlich ist es dein Wunsch alle drei zu retten, aber das wäre dann wohl doch etwas zu viel des Guten. Anthony … “, sagte er und beugte sich erneut zu mir herab. „Ich lasse dir die Wahl. Nenne mir einen Namen und ich lasse diese Person gehen.“

„Was?“, flüsterte ich ungläubig.

„Du hast mich schon verstanden“, sagte er und lief erneut um mich herum. „Du hast die Wahl. Wen lässt du sterben und wem schenkst du das Leben?“

Er ging zu Mariella, die noch immer von Heidi geknebelt wurde. „Deine liebe Schwester vielleicht, mit der du dein ganzes Leben verbracht hast?“

Anschließend ging er zwei Schritte weiter zu meiner Mutter. „Oder deine Mutter, die alles geopfert hätte, um euch diese Leben zu schenken?“

Und dann ging er zu Sangreal. „Oder ist es doch eher das Mädchen, mit dem du offensichtlich in den letzten Monaten ein Bett geteilt hast?“

Ich knurrte ihn an.

„Entscheide dich. Ich gebe dir drei Minuten dafür, wenn du mir dann keinen Namen genannt hast, hast du deine Chance vertan.“

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Welchen Namen sollte ich nennen? Hatte ich wirklich das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden? Was würde mit jenen passieren, deren Namen ich nicht nannte? Würde er sie gleich töten? Oder gäbe es noch die etwaige Chance, dass irgendjemand aus meiner Familie sie nachträglich würde retten können?

Ich musterte Sangreal. Caius hatte gesagt, er wolle sie haben. Der Gedanke war für sie wahrscheinlich noch schlimmer, als der Tod es hätte sein können, aber er würde sie zumindest nicht töten. Vielleicht hatte sie genug Zeit, um eines Tages gerettet werden zu können. Ganz anders, sah es da für meine Schwester und meine Mutter aus. Caius hatte für sie keinen Nutzen.

„Rette deine Schwester!“, wimmerte Mum. Mariella protestierte nicht einmal, was wahrscheinlich nicht daran lag, dass sie nicht sprechen konnte, sondern an der Tatsache, dass sie damit beabsichtigte, Hilfe holen und Caius Gift mit meinem neutralisieren zu können.

„Zwanzig Sekunden“, erinnerte Caius mich an meine Restzeit. Wenn ich jetzt nichts sagte, wäre es das gewesen.

„Mariella!“, schoss es dann aus mir heraus.

„Bravo, die Schwester also“, feierte Caius.

Heidi ließ Mariella los, diese ließ ihren Blick zu Mum, dann zu Sangi und schließlich zu mir schweifen. Instinktiv krallte sie ihre zarten Finger in den Stoff ihrer Hose, direkt über dem Punkt, an dem sich die Spritzen befanden.

„Geh“, flüsterte Mutter ihr zu.

Mariella nickte und ging vorsichtig an der Reihe aus Vampiren vorbei. Sie war gerade in Begriff loszustürmen, da brüllte Caius auf einmal: „STOP!“

Meine Schwester erstarrte. Einer der Kerle, die mich vorher festgehalten hatten, packte Mariella an den Schultern und drehte sie in Caius Richtung.

„Du wolltest mich gehen lassen!“, erinnerte sie ihn.

„Natürlich, sobald du deine Taschen geleert hast.“

„Was?“ Das Wort war kaum mehr als ein Hauch, ehe ihre Stimme versagte.

Der Volturi hinter ihr, griff in ihre Taschen, zog die Spritzen heraus und warf sie zwischen ihr und Caius auf den Boden. Meine Augen weiteten sich, als sie über den Waldboden rollten. Nicht etwa, weil sie Schaden bekommen hatten, nein, der Grund war ein gänzlich anderer. Vor Caius Schuhen lagen nun insgesamt zehn Spritzen.

„Mariella!“, brüllte meine Mutter und begann bitterlich zu weinen. „Warum sind es zehn?! Was hast du getan?!“

Mariellas Augen wurden feucht, dann quollen Tränen hervor und sie ging vor mir auf die Knie. Nun saßen wir auf Augenhöhe. „Ani, es tut mir so leid. Ich... ich hab die Notration aus Carlisles Schublade genommen. Ich hatte Angst sieben wären nicht genug. Ich... ich habe dich getötet. Es tut mir so leid...“ Meine kleine große Schwester brach vor mir in Tränen aus und sank in sich zusammen.

„Würde mich mal jemand aufklären?“, beschwerte sich Caius. „Wozu tragt ihr Vampirgift mit euch herum. Wohl kaum, um während der Schlacht noch ein paar Neugeborene zu eurer Unterstützung zu kreieren!“

Als niemand von uns antwortete, gestikulierte er kurz, dann wurde Mariella von einem Kerl auf die Beine gezogen. „Sprecht oder er bricht ihr das Genick!“

„Das ist mein Gift. Es dient als Antiserum gegen Vampirgifte für mich. Es neutralisiert sie und kann mich heilen. Auf die Art, habe ich deinen Angriff beim ersten Mal überlebt.“

Die Worte sprudelten aus mir heraus. Ich wollte einfach nur, dass er wenigstens sie gehen ließ.

„Diese zehn Spritzen sind alles was wir davon hatten. Da du sie nun hast, ist das mein Todesurteil und nun lass meine Schwester gehen!“

Caius lachte auf. „So war das also. Nun denn“, sagte er und hob die Spritzen auf. Angespannt sahen wir ihm zu, wie er sie hinüber zu Sangreal trug und sie direkt vor ihr auf dem Boden aufreihte.

„Im Theater bin ich auch immer eher in die Dramen gegangen“, erzählte er.

Sangreal starrte ihn mit tränennassem Gesicht an. „Das ist dein Part“, sagte er zu ihr. „Zerstöre sie.“

Ungläubig starrte die Halbvampirin auf die zehn Spritzen vor ihr.

„Tust du das nicht, stirbt Renesmee.“

Langsam hob sie den Kopf und sah mich an. In ihren Augen sah ich Schmerzen, so groß wie nie zuvor, dann schloss sie sie, stand auf und zertrat die Spritzen, ehe sie wieder in sich zusammensackte. Vor ihr, sickerte mein Gift zwischen den Glasscherben in den Waldboden.

Es war vorbei... zumindest für mich...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
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Von:  jennalynn
2013-12-14T11:30:39+00:00 14.12.2013 12:30
Ach du scheiße...

Oh sorry...Hallo erst Mal ^^

Das ist jetzt natürlich eine beschissene Situation für Ani und was für Schuldgefüle Mariella erst haben muss.
Dennoch bin ich guter Hoffnung das du es irgendwie gut ausgehen lassen wirst.

Bis gleich...
Von:  funnymarie
2013-09-29T17:06:23+00:00 29.09.2013 19:06
oh je oh je oh je
armer ani, ob er das noch überleben wird?
ein wirklich grandios geschriebenes kapitel
alles war sehr detailliert und realistisch dargestellt, und die zwickmühle,in die ani dann geraten ist, war sehr gut ausgetüfftelt^^
ich freu mich auf mehr
lg funnymarie


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