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Kapitel 2

,Endlich Sonntag!’ Das war der erste Gedanke, den die alte Frau hatte, als sie an diesem Morgen – wie üblich ein paar Minuten vor dem Wecker – erwachte.

Mit ihrer üblichen Tagesroutine begann sie den Morgen, doch die ganze Zeit hatte sie ein stilles Lächeln auf den Lippen. Der Trödelmarkt war der Lichtblick jeder Woche, wenn ein dunkler Schatten auf ihr Herz fiel oder sie die Einsamkeit einholte – dann dachte sie an Sonntag. Ihre Kinder und auch ihr Mann hatten nie die Freude verstanden, die sie erfüllte, wenn sie zwischen den Ständen entlangschlenderte und sie für den Krempel, den sie immer wieder anschleppte oft getadelt. Aber nun kümmerte es sie nicht mehr: Ihre Töchter waren flügge und ihr Mann war nicht mehr.

Rasch drängte die alte Frau diesen Gedanken beiseite – nichts sollte ihr heute die Freude verderben.
 

Der Marktplatz war wie immer laut und voller Leute – und natürlich voller Stände. Sei es nun Obst, Gemüse, Vasen, Spielzeug, Möbel oder allerhand anderer Trödel, den man so beim ausmisten seiner oder anderer Wohnungen fand. Je nach dem halt.

Langsam ging sie zwischen den Händlern und ihren Angeboten herum – manchmal betrachtete sie mehr die Menschen, die mit der Ware beschäftigt waren, als die Auslage selbst. Oder Hannah verstrickte sich in einen kurzen Plausch mit einem der Verkäufer, ehe sie weiter ging, viele von denen sah sie hier fast genauso regelmäßig, wie sie selbst hier war.

Mit einem Mal blieb sie verwundert stehen. Da war ja ein Stand, den hatte sie noch nie gesehen....

Neugierig schlenderte sie näher zu den Auslegwaren und betrachtete diese neugierig, woraufhin sich der junge Mann hinter dem Tisch von seinem Stuhl erhob und interessiert ihrem Blick über die Tischplatte folgte.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“

Daraufhin sah die alte Frau kurz zu dem Verkäufer auf und schüttelte mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf, bevor sie sich wieder den Auslagen zuwandte. „Nein – ich schaue mich nur um.“

„Nein?“, entgegnete er nur mit einer milden Überraschung in der Stimme. „Das glaube ich ihnen nicht, junge Dame – jeder sucht doch irgendwas...“

Bei diesen Worten konnte Hannah sich nicht helfen und kicherte leise und auf eine fast verlegene Art, die ihrem Alter schon gar nicht mehr angemessen war. Aber so hatte sie schon lange – Jahrzehnte – keiner mehr genannt ,junge Dame’.

„Ach Sie...“, murmelte die alte Frau verlegen und fühle sich dennoch einige Jahre jünger, als sie tatsächlich war.

„Wissen Sie“, setzte der junge Mann an und zog einen großen Pappkarton unter seinem Tisch hervor und begann darin zu wühlen, während er weitersprach. „Wenn ich Sie so sehe, dann kommt mir der Gedanke, dass ich genau das Richtige für Sie hier drin habe...“

Daraufhin lachte die Alte erheitert auf. „Eine echte Verkäuferseele, nicht wahr?“

„Oh – jetzt beleidigen Sie mich aber“, lachte der Andere mit verschmitzt funkelnden Augen. Dabei fiel der Alten auf, dass diese Augen von einem dunklen aber intensiven Blau waren wie das ferne, ruhige Meer an einem sonnigen Tag – und sie wirkten genauso abgrundtief. Irgendwo hatte Hannah schon einmal solche Augen gesehen, aber sie konnte sich nicht erinnern wo das war....

Doch bevor sie genauer darüber nachdenken konnte, hatte der Andere schon gefunden was er suchte und zog es unter lautem Klappern und Rasseln langsam aus seiner Kiste hervor. Der Alten war klar, dass er so nur um ihre Aufmerksamkeit warb, doch wie das Kind die Augen nicht von dem Straßenkünstler lassen kann, war es auch ihr unmöglich sich seinem Bann zu entziehen. Voller Spannung wartete sie darauf, was er wohl aus seiner Kiste zaubern würde und machte dann große, vor Überraschung weit geöffnete Augen.

Es war ein Teddybär.
 

„Aber nun...“, lachte Hannah. „jetzt veralbern Sie mich doch...“

Und dennoch konnte sie ihre trüben Augen nicht von dem Kuscheltier lassen. Es hatte ein klassisch dunkelbraunes Fell und wie es der Händler so in der Hand hielt, schien es der alten Frau furchtbar weich und kuschelig zu sein, sodass sie das plötzliche Verlangen hatte den Bären, der etwa so lang war wie ihr Unterarm, in die Arme zu schließen und an sich zu drücken.

„Aber nein, junge Dame“, grinste der Verkäufer verschmitzt. „Das würde ich mir doch niemals gestatten.“

Und wie der junge Mann sie so ansah, musste die Alte wieder auf eine fast schon ungehörige Weise Kichern – dieser hier wusste, wie man einen Kunden um den Finger wickelte, dachte sie im Stillen bei sich. Erneut wanderte ihr Blick auf den Bären hinunter, den der junge Mann auf den Tisch gesetzt hatte und mit einer Hand hinten im Nacken festhielt, damit er die Arme des Kuscheltiers mit seinen Fingern bewegen konnte. Daher winkte der Bär nun der alten Frau zu und eine leise Stimme flüsterte: „Kauf mich! Ich will nicht zurück in die Kiste...“

Diese Worte wurden von einem kräftigen Kopfschütteln des Kuscheltiers untermahlt, dass der Verkäufer aufgriff und (wieder mit normaler Stimme sprechend) anfügte: „Das möchte er wirklich nicht – ist nämlich recht staubig da drin...“

Nun musste Hannah wieder Lachen und konnte die Augen immer noch nicht von dem Kuscheltier abwenden. „Wie könnte ich da noch ,nein’ sagen? Was wollen sie für dieses Goldstück“

Diese Frage zauberte ein breites Lächeln auf das Gesicht des Verkäufers. „Für sie, junge Dame: Ein Sonderpreis...“
 

Letztendlich hatte Hannah den Bären für nur 10 Euro erstanden und trug ihn jetzt fest an sich gedrückt über den Markt. Als sie das Plüschtier erst einmal in der Hand hatte, war er genauso weich gewesen, wie er zu Anfang ausgesehen hatte und aus einer fast schon kindisches Reaktion heraus hatte sie sich geweigert eine Tüte für ihre Neuerwerbung zu nehmen. Unbewusst drückte sie das Kuscheltier noch ein bisschen fester an sich. „Wie alt du wohl bist?“, fragte sie es im Stillen. „Du siehst eigentlich noch recht neu aus, aber die Art, wie du hergestellt bist, gibt es heute kaum noch zu kaufen... Sowas wie dich haben wir uns als Kinder immer gewünscht. Aber dann kam der Krieg und Teddybären gab es nicht mehr.“

Mit einem leichten Kopfschütteln dachte sie daran, wie sie einmal ihre Mutter gefragt hatte, ob sie nicht einen Bären bekommen könne – zu Weihnachten. Aber ihre Mutter hatte ihr nur über den Kopf gestrichen und gesagt, dass die Spielzeugwerke jetzt alle für die Rüstungsindustrie arbeiten müssten und deshalb keine Zeit mehr hätten einen Teddybären für sie zu nähen.

Das Kind war damals sehr traurig gewesen, doch hatten es diesen Wunsch auch bald wieder vergessen und erinnerte sich erst jetzt viele Jahrzehnte später wieder daran und blickte auf ihr Kuscheltier herab. „Ja – genau dich wollte ich damals haben.“

Mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht ging die alte Frau wieder nach Hause.



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