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Schicksalstag

(vorläufiger Titel)
von

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Flucht aus Jusenkyo

Als Travis wieder aufwachte, war das Gras um ihn herum feucht vom Morgentau. Seine Nase tat zwar weh, aber es schien nichts gebrochen zu sein.

Noch mal Glück gehabt, dachte er.

Dann bemerkte er die Kälte, die sich in seinem Körper angesammelt hatte, und er stand von dem nassen Boden auf. Jetzt spürte er seine Knochen. Stöhnend und steif ging er zu dem Zelt, das nicht seines war, nahm etwas von dem Holz, dass er nicht geschlagen hatte und zündete es mit dem Feuerstein an, der nicht ihm gehörte. Wenig später kochte er Wasser in einem verbeulten Blechtopf und machte sich einen Tee, den er nie zuvor getrunken hatte, und der keinesfalls den gleichen Effekt wie sein Kaffee hatte. Auch seine Lebensmittel waren verschwunden und durch irgendwelche Konservendosen ersetzt worden. Auf keinen Fall so komfortabel, wie einfach eine Tüte aufzureißen, aber wenigstens hatte er einen Dosenöffner.

„Ich habe mich erstaunlich schnell mit dieser Situation abgefunden.“ sagte er zu sich selbst.

Nach dem Essen begann er zu packen, denn so wie die Lage im Moment war, konnte er nicht einfach hier bleiben. Wenn er wirklich in China gelandet war, musste er ein Telefon finden.

„Oh Mann, das glaubt mir eh niemand.“

Sein GPS, das ihn die Hälfte eines Monatsgehalts gekostet hatte, war auf mehr oder weniger wundersame Weise zu einem einfachen Kompass geworden, und weil er nie gelernt hatte, sich damit zu orientieren, ging er einfach nach Norden, bis er einen gemütlichen Fluss fand, dem er dann stromabwärts folgte.

Wenig später erreichte er den Rand des Waldes, der hier scheinbar nur aus Bambus zu bestehen schien. Vor ihm tat sich ein felsiges Tal auf, dahinter lagen einige Berge.

Der Weg am Fluss entlang war nicht einfach, aber zum Glück wurde er nur wenige hundert Meter durch einen ausgetretenen Pfad abgelöst, auf dem das Laufen trotz der spitzen Steine doch wesentlich angenehmer war als in dem unwegsamen Gelände, das Travis zuvor passiert hatte.

Seid er gestern Ryoga getroffen hatte, war ihm niemand anderem mehr begegnet, und langsam machte er sich sorgen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, in welchem Teil von China er sich befand. Wenn er überhaupt in China war. Und zu allem Überfluss begannen seine Füße in den leichten Schuhen schon gegen Mittag zu schmerzen. Kurz entschlossen verließ er den Weg und stieg einen leicht ansteigenden Felsen hinauf. Links von ihm breitete sich wieder der Bambuswald aus und etwa dreißig Meter unter ihm erstreckte sich ein größeres Tal voller kleiner Tümpel.

Er setzte den schweren Rucksack ab. Man merkte schon den Unterschied zwischen moderner Wanderausrüstung und altertümlichem... Zeug.

Der Rucksack hatte nicht einmal einen Stützrahmen, von der scheuernden Kleidung ganz zu schweigen. Wiedereinmal blickte er an dem blauen Oberteil mit dem breiten schwarzen Gürtel - eher ein Stück ausgefranstes Tuch – entlang zu der weit geschnittenen, olivfarbenen Hose. Im Verlauf des Vormittags hatte er irgendwann wegen den steigenden Temperaturen die Ärmel hochgekrempelt. Jetzt waren seine Unterarme von einer trockenen Staubschicht bedeckt.

Seufzend wischte er seine Arme an der Hose ab, bevor er begann, sich ein Mittagessen zuzubereiten.

Die Unbeschriftete Konservendose, für die Travis sich entschieden hatte, entpuppte sich offenbar als eine Art Fleischsuppe, nicht die beste Mahlzeit bei so warmem Wetter, aber sicher auch nicht die schlechteste. Nur sein Wasservorrat ging langsam zur Neige, er würde wohl nach dem Essen in den sauren Apfel beißen müssen und irgendwo Holz und einen Bach finden, damit er Wasser abkochen konnte.

Er räumte gerade seine Utensilien zusammen, als er am anderen Ende des Tals Bewegungen wahrnahm. Er konzentrierte sich, konnte aber nur rote und weiße Flecken vor dem Steinigen Hintergrund erkennen. Schnell packte er fertig, schulterte den Rucksack und machte sich an den Abstieg. Vielleicht hatte er endlich jemanden gefunden, der Ihm helfen konnte. Er folgte dem Pfad weiter in Richtung des Tals. Nach einer Windung stand er endlich vor dem ersten Tümpel, dessen Wasser erstaunlich klar und tief erschien. Er machte einen großen Bogen darum, mit diesem Gewicht auf dem Rücken ins Wasser zu fallen war etwas, worauf er gut und gerne verzichten konnte.

Allerdings stellte sich diese Taktik als immer schwieriger heraus, je weiter er in das Zentrum des Tals vorstieß. Inzwischen konnte er auch erkennen, wer sich am Ende des Tals aufhielt. Ein Panda und jemand mit einem roten Hemd. Allerdings entfernten sich die beiden gerade scheinbar fluchtartig von Travis' Position, der Panda erstaunlicher Weise auf nur zwei Beinen und mit einem guten Vorsprung vor dem Mädchen.
 

Habe ich sie dermaßen erschreckt? Wahrscheinlich kommen hier in der Gegend nicht allzu oft fremde vorbei.
 

Travis beschleunigte seine Schritte noch ein wenig. Offenbar ein Fehler. Gerade so schaffte er es, sein Gleichgewicht zu halten, beinahe wäre er gestürzt.

Er beschloss, es ruhiger angehen zu lassen, zu ertrinken wäre sicherlich keine schöne Angelegenheit. Allerdings nützten alle guten Ratschläge nicht mehr viel. Er trat auf einen moosbedeckten Stein, der sich gemeiner Weise unter einem Grasbüschel versteckte. Vom Gewicht des Rucksacks aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte er noch zwei schritte, dann trat sein Fuß auf eine schräge, nasse Fläche und Travis stürzte ins Wasser. Glücklicher weise ist es nicht tief, dachte er, bevor er spürte, wie das Gewicht des Rucksacks ihn weiter unter Wasser drückte.

Panisch begann er, gegen die Riemen des tödlichen Gepäckstücks zu kämpfen. Endlich schaffte er es, sich auf den Rücken zu drehen und die Riemen abzustreifen, die ihn beständig weiter in die Tiefe zogen. Mit letzter Kraft stieß er sich vom Boden ab und tauchte Prustend und schnaufend aus dem Wasser auf. Dann schüttelte er den Kopf und spuckte einen Schwall Wasser aus, bevor er sich hinab bückte und den Rucksack, der gerade einmal einen halben Meter unter der Wasseroberfläche am Grund lag hochzog. Dann erst fiel ihm der Handschuh auf, der seine Hand bedeckte, ebenso wie das Sperrige Stück Metall, dass seinen Bauch und einen Teil der Brust bedeckte. Die Hand, die eigentlich frei sein sollte, hielt den hölzernen Schaft eines langen Speeres in der Hand, dessen gerade spitze in der Sonne funkelte. Schwerter steckten in seinem Gürtel. Japanische Schwerter. Kein Wunder, dass er so schwer aus dem Wasser hochgekommen war, er steckte von Kopf bis Fuß in einer Rüstung, nur der Helm fehlte und er hätte ausgesehen wie ein Komparse in „The last Samurai.“ Aber auch der Helm ließ nicht lange auf sich warten, er baumelte an der anderen Seite seiner Hüfte, zusammen mit einer ledernen Gesichtsmaske.

„Was zum Teufel. Was zum...“

„Oh, Sehr traurige Geschichte, wirklich sehr traurig.“ Ließ sich ein kleiner Kern vernehmen, der plötzlich hinter Travis aufgetaucht war. Nachdem er sich umgedreht hatte, stapfte er aus dem Wasser. Unwillkürlich ärgerte er sich, dass sich der Kerl nicht in den Staub warf, sondern ihn einfach nur traurig ansah.

„Ja, sehr traurig. Legende erzählt von ehrenwertem Samurai aus Japan, der geschworen blutige Rache an Verrätern, der ertrunken hier lange zuvor, vor 600 Jahren in dieser Quelle. Jetzt, wer immer Fällt in Quelle wird zu ehrenwertem Samurai. Oh, aber Sir haben Glück gehabt, gleich nebenan sein Quelle von ertrunkener Seeschlange, sehr traurig und ein bisschen peinlich für Schlange.“

Travis blickte unwillkürlich auf den Tümpel nebenan. Kurz spielte er mit dem Gedanken, diesen unwürdigen genau dort hinein zu werfen, dann besann er sich eines Besseren.

„Ich lasse dir die Ehre zuteil werden, dieses Gepäck für mich zu tragen. Und jetzt führe mich fort von diesem verfluchten Ort!“ sagte Travis, reichte dem Mann den Rucksack und fragte sich unwillkürlich, woher diese Stimme, und vor allem diese Ausdrucksweise kam. Er folgte dem Mann über einen unsichtbaren, aber sicheren Pfad bis an den Rand des Tals, an die gleiche Stelle, an der auch der Panda und das Mädchen verschwunden waren. Derweil redete der Mann, der sich nicht vorstellte, außer mit seinem Beruf - Touristenführer – von heißem Wasser, kaltem Wasser und Flüchen. „Oh, Sir. Viele Kommen heute nach Jusenkyo, gerade eben zwei ehrenwerte Herren verlassen haben. Wenn beeilen, sicher noch können einholen, falls wollen nicht alleine reisen. Oder können bleiben bei mir für Nacht, ich kochen heute Schweinefleisch.“

„Nein. Gib mir warmes Wasser, dann verschwinde ich.“ Travis Stimmung war auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Er war gerade einmal 21, hatte eben erst angefangen Geld zu verdienen, auf ein Auto zu sparen... Und jetzt das.

„Oh, wie Sir wollen.“
 

In einem fremden Land, in einer Realität, die eigentlich nicht existieren sollte. Jetzt wusste er auch, woher ihm das ganze bekannt vorkam. Eine Fernsehserie aus Japan, die er gesehen hatte, als er noch zur Schule gegangen war. Jusenkyo, Ranma, und natürlich sein alter Freund Ryoga, den er ja gestern schon getroffen hatte. Als er sich mit dem heißen Wasser zurück verwandelt hatte, gab er dem Touristenführer noch einen Tipp. „Gehen sie wieder zu den Quellen, ich denke, Sie werden dort noch jemanden finden, der heute Ihrer Hilfe bedarf.“

Dann wandte er sich ab, um sich aus dem Staub zu machen, bevor Ranma und sein Vater auftauchten. Aber sein Blick blieb wie gebannt am Spiegel hängen, der neben der Eingangstür hing.
 

Das bin ich nicht.
 

Er trat näher an den Spiegel. Sicher, er sah sich ähnlich, aber sein einstmals braunes Haar war schwarz. Seine Augen waren immer noch braun, aber größer und etwas dunkler als er sie in Erinnerung hatte. Insgesamt kam er sich kleiner vor als sonst, und das fiel ihm erst auf, als er den Türrahmen betrachtete. Früher war er eins achtzig groß, keine Seltenheit in Deutschland. Jetzt war er ein gutes Stück kleiner, so schien es. Und er kam sich jünger vor.
 

Aber darüber musste er sich später Gedanken machen, jetzt hieß es erst einmal verschwinden.

Warum, das wusste er nicht, aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass es besser war, nicht mit Ranma und seinem Vater zusammenzutreffen. Er schulterte den Rucksack, verabschiedete sich und ging dann zügig hinaus. Er folgte dem Pfad weiter, der von Jusenkyo fort führte.

Ohne genau zu wissen, wo lang er musste, folgte er an jeder Abzweigung einfach seinem Bauchgefühl, bis er schließlich das Felsige Gebiet verlassen hatte.

Es wurde langsam Abend, vor Ihm erstreckte sich eine hügelige Graslandschaft. Hinter ein Paar Büschen einige Meter vom Wegrand entfernt baute er sein Zelt auf und begann damit, Holz für die Nacht zu sammeln.

Über den Schreck hatte er vergessen, nach einem Wasserlauf Ausschau zu halten, und so musste er mit dem bisschen Vorlieb nehmen, was er noch hatte. Glücklicher weise fanden sich in einer der Konservendosen, die sich beim schütteln besonders flüssig anhörte, eingelegte Pfirsiche, so dass er wenigstens aus der Dose trinken konnte.

Schließlich legte er sich auf dem harten Boden schlafen. Er war erschöpft von dem Tag, und seine Füße dankten es ihm nicht gerade, dass er den ganzen Tag ohne anständige Schuhe gelaufen war.

Bevor ihm die Gedanken an seine Situation vom schlafen ablenken konnten, konzentrierte er sich noch einmal auf das Gefühl, in einer Rüstung zu stecken.

Er hatte sich irgendwie stärker gefühlt, nachdem er aus dem Wasser gestiegen war. Stärker, mächtiger, selbstbewusster als er jemals für möglich gehalten hätte. Beinahe unverwundbar hatte er sich gefühlt. „Wenn die einzigen Folgen von meinem Fluch diese Rüstung und mein Selbstbewusstsein sind, kann ich damit leben.“

Mit diesem Gedanken schlief er recht schnell ein.



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