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Licht der Finsternis

von

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Verständnis und Zuneigung, wo keine sein sollte

Den gesamten Vormittag verbrachte Raven mit den üblichen Rundgängen zwischen den einzelnen Darbietungen im Schloss, sprach einige Worte mit Anwesenden, die auf einmal sichtbar neugierig geworden waren. Wenn die Gerüchteküche hier nur halb so gut war wie in ihrer Basis, dann wussten mit Sicherheit schon alle Bewohner, dass sie am Vortag mit seiner Majestät unterwegs gewesen war und das dieser Larscha recht direkt zurechtgewiesen hatte.

Kurz vor dem Mittag trat schließlich Lord Alden an sie heran.

„Ihr seht ein wenig gequält aus, Prinzessin.“, meinte er freundlich.

„Es ist ungewohnt, mit einem Mal scheinbar im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses hier zu stehen.“, meinte sie leise und nickte weiteren Passanten freundlich zu, auch wenn ihr Lächeln ein wenig genervt war.

Lord Alden reichte ihr seinen Arm. „Begleitet mich doch einfach, Prinzessin.“

Verwundert legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm und beide verließen den Wintergarten, in dem sie sich aufgehalten hatten.

„Ihr seid heute von allgemeinem Interesse, Prinzessin.“, stellte Lord Alden mit einem Schmunzeln fest.

„Ich denke mal, wenn die allgemeine Gerüchteküche hier im Schloss nur annähernd so gut ist wie in meiner Heimat, dann wird sicher schon die Runde gemacht haben, dass ich gestern an der Seite seiner königlichen Hoheit gesehen worden bin.“, mutmaßte Raven mit einem Seufzen.

Lord Alden nickte. „Das und die Tatsache, dass er sich in einer Auseinandersetzung mit eurer Großmutter auf eure Seite gestellt hat. Was für ihn mehr als ungewöhnlich ist, wenn ich das mal hinzufügen darf.“

„Oh… wieso?“, fragte Raven verdutzt.

Lord Alden nickte einer Gruppe von Frauen zu, die sich sichtlich interessiert an sie heran gedrückt hatten, obwohl der Gang, durch den sie schritten, doch recht breit war und genügend Platz bot.

Erst als sie genügend Platz zwischen sich und die potentiellen Lauscherinnen gebracht hatten, griff Lord Alden das Gespräch wieder auf. „Seine königliche Hoheit mischt sich in familiäre Angelegenheiten normalerweise nur dann ein, wenn ein gravierender Zwist ausgebrochen ist und eine negative Beeinträchtigung der allgemeinen Ordnung droht, was bedeutet, dass es zu Kämpfen kommen würde. Ich gehe mal nicht davon aus, dass dies jemals zwischen euch und eurer Großmutter der Fall gewesen wäre.“

„Natürlich nicht.“, äußerte sie ein wenig empört.

„Verratet ihr mir denn, worum es bei der Auseinandersetzung zwischen euch und eurer Großmutter gegangen ist? Dann könnte ich später vielleicht versuchen, Klarheit zu schaffen.“, schlug er freundlich vor.

„Larscha hatte sich einfach nur Sorgen gemacht, weil sie mich nicht finden konnte. Das man dann mal etwas überreagieren kann ist doch nicht verwunderlich.“, erklärte sie ruhig.

„Und wo ward ihr?“, fragte Lord Alden freundlich weiter nach.

Raven bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sie jetzt viele Beobachter hatten und dass sie keine Chance hatten, ungehört an ihnen vorbei zu kommen.

„Ich hatte mich in einen ruhigen Bereich des Schlosses zurückgezogen, damit ich in Ruhe lesen konnte. Da habe ich dann seine Hoheit getroffen und wir haben uns eine ganze Weile unterhalten.“

„Dann habt ihr euch in seinen Privatbereich verirrt wie es mir scheint. Dort war er auf jeden Fall die letzten Wochen immer anzutreffen, weil er die Audienzen vorbereitete. Erzählt ihr mir, was ihr dort sonst noch getan habt, Prinzessin?“, fragte der ältere Mann überfreundlich.

Ein warnendes Kribbeln lief ihr mit einem Mal über den Rücken. Lord Alden mochte sicher sehr freundlich und ehrlich sein, doch irgendwie hatte sie mit einem Mal das Gefühl, dass er selbst liebend gerne Gerüchte streute.

„Lord Alden, ihr seid definitiv zu neugierig.“, tadelte sie ihn mit einem sanften Lächeln.

„Darf ich daraus schließen, dass ihr mir ebenfalls nicht sagen werdet, was ihr mit seiner Hoheit gemacht habt?“, hakte er fröhlich nach.

„Das überlasse ich eurer Phantasie, Lord Alden.“, forderte sie ihn auf.
 

Silbern schimmernde Augen verfolgten Lord Alden und die junge Frau eingehend aus den Schatten heraus, wie sie den Gang entlang schlenderten. Obwohl sein Berater einiges versuchte, sein junger Gast blieb standhaft und offenbarte nichts darüber, was am vorangegangenen Tag passiert war. Das nötigte ihm Respekt ab, denn er wusste, wie eindringlich sein Berater werden konnte, wenn ihn etwas brennend interessierte. Und dass ihn genau das tat hatte er am Morgen am eigenen Leib erfahren. Aber auch er hatte nicht verraten, wo er am voran gegangenen Nachmittag gewesen war.

Er befand sich in einiger Entfernung zu ihnen und verfolgte den Weg von Larschas junger Enkelin. Doch die Distanz machte ihm nichts aus. Wenn er es darauf anlegte und er seine verfluchte wahre Natur fließen ließ, dann konnte er alle Gespräche innerhalb des Schlosses mühelos verfolgen. Normalerweise interessierten ihn die Vorgänge zwischen den Besuchern im Schloss nicht, doch Raven – er nannte sie in Gedanken tatsächlich nur noch bei ihrem Vornamen, seit sie den Tag mit einander verbracht hatten – hatte sein Interesse und seine Neugierde geweckt. Das war seit ewig langer Zeit nicht mehr so intensiv vorgekommen und er hoffte, dass er der jungen Frau dadurch keinen Schaden zufügte. Denn sein Interesse an einem anderen Lebewesen war in der fernen Vergangenheit oft tödlich für die entsprechende Person gewesen.
 

Seine Gedanken kehrten in die vergangene Nacht zurück. Wie so oft war für ihn an keinen Schlaf zu denken gewesen. Manchmal vergingen mehrere Monate, bevor ihn Schlaf übermannte und er für einige Stunden den Labsal der absoluten Ruhe genießen und einfach nur vergessen konnte.

Am liebsten verbrachte er die dunklen Stunden des Tages, die ihm nach wie vor die liebste Zeit des Tages war, an einem Fenster in seinen Gemächern, wo er einfach nur die Dunkelheit genoss und bewegungslos den Lauf der Gestirne verfolgte. Für gewöhnlich beruhigte die Dunkelheit seine Gedanken, doch in der vorangegangenen Nacht hätte nichts seine Gedanken zum Schweigen bringen können.

Als er sich sicher war, dass außer den diensthabenden Wachen niemand mehr wach war, hatte er einen Zauber angewandt, der so sehr Teil seiner selbst war wie das Atmen. Er konnte Schatten beschwören und sich von ihnen aufnehmen lassen. So konnte er binnen eines Wimpernschlags sogar weit entfernte Orte aufsuchen. Dieses Mal war sein Weg allerdings nicht sehr weit. Die Schatten führten ihn in ein ganz bestimmtes Gästezimmer zu der Person, die nun seine Gedanken bestimmte.

Er lehnte sich in der Dunkelheit des Raumes an die Wand, die Ravens Bett gegenüber lag, verschränkte seine Arme vor der Brust und betrachtete sie nachdenklich. Es war nicht hell im Raum, dennoch konnte er genauso gut sehen wie andere Wesen bei vollem Tageslicht. Er sah nun das erste Mal die wirkliche Länge ihrer Haare, sie reichten in der Tat nur wenig über ihre Schultern und schimmerten im Licht der Monde dieses Planeten in einem angenehm warmen und weichen Licht. Sicher war dieses nächtliche Schimmern etwas, was nur seinen Augen auffiel, ihm, der er eigentlich ein Wesen der Finsternis war. Hier, wo sie vollkommen entspannt vor ihm lag und im Schlaf entschwunden war konnte er vieles von dem spüren, was sie tagsüber so sehr unter Kontrolle hielt. Obwohl tief schlafend konnte er Energie in ihr spüren, die anscheinend auf etwas zu warten schien. So, als hätte sie ihren wahren Platz im Leben noch nicht gefunden.

Von weiterer Neugierde getrieben ließ er behutsam einen Teil seiner Magie fließen, woraufhin sich sein Blick auf die Dinge, die ihn umgaben, veränderte. So konnte er das Leuchten ihrer Lebensenergie genau vor sich sehen, sehen, wie sich ihre Seele in ihrem Körper verhielt. Wieder fiel ihm auf, dass sie anders als andere Lichtgeborene war. Spätestens jetzt hätte er eigentlich seinen Blick abwenden müssen, denn das Strahlen der Lichtgeborenen war für seinen magiebeeinflussten Blick eigentlich viel zu stark und blendete ihn fast minutenlang. Sie hingegen strahlte nicht, sie leuchtete nur, ein sanftes Licht voller Sanftheit und Wärme, welches sein tiefdunkles Inneres anzog wie eine Flamme die Motte.

Er stieß sich von der Wand ab und näherte sich ihr noch mehr, bemerkte schließlich, wie er sich neben dem Bett niederkniete und ganz behutsam mit seinen Fingerspitzen ihre Hand gerührte. Die Wärme ihrer Haut ging sofort auf ihn über, weshalb er blitzschnell seine Hand zurückzog.
 

Es war das erste Mal gewesen, seit er zurückdenken konnte, dass er vor etwas geflohen war. Noch immer spürte er das Echo ihrer Wärme in sich und wie sehr sein Körper sich nach einem Mehr dieser Wärme sehnte. Und grade dies erschien ihm gefährlich. Denn er befürchtete, dass er sie mühelos zerstören könnte. Deswegen unterbrach er seine Konzentration, die noch immer der Unterhaltung von Sahva und Lord Alden gefolgt war, und zog sich in seine Gemächer zurück, um sich erneut in seiner Arbeit zu vergraben.
 

Nur mühsam war sie Lord Alden und seiner freundlichen, aber fast penetranten Neugier entgangen und in ihr Gästezimmer zurückgekehrt. Am liebsten hätte sie sich vor allen Anwesenden versteckt, doch das entsprach so gar nicht ihrem Naturell. Dennoch musste sie für einige Zeit raus aus dem Schloss. Da sie den König nicht erneut mit ihrer Präsenz von seiner Arbeit abhalten wollte – immerhin hatte er was von Vorbereitungen auf eine Audienz erwähnt – beschloss sie, nun doch endlich das zu tun, was sie sich die letzten Tage so sehr versagt hatte.

Schnell trat sie an ihren Schrank heran, während sie sich aus ihrem Kleid schälte, und öffnete diesen. Mit einem Lächeln holte sie eine schwarze Hose und ein gleichfarbiges Hemd heraus. Sie zog sich schnell um, dann schlüpfte sie in bequeme Laufschuhe und band sich ihre Haare einfach im Nacken zusammen. Sie hatte gesehen, dass einige aus der Schlosswache, wenn diese sich in zivil im Schloss aufhielten, ähnlich gekleidet waren und auch ebenso langes Haar wie sie selbst hatten.

Ein kurzer Blick in den Spiegel ließ sie zufrieden feststellen, dass sie sich nicht allzu sehr von den jungen Rekruten unterschied, die sie bei der Schlosswache entdeckt hatte. Doch zur Not band sie sich noch ein Tuch in Piratenart um, dann verließ sie leise und vorsichtig ihr Zimmer.

Umsichtig beobachtete sie die Gänge im Schloss, bevor sie diese entlang lief. Da sie sich den Weg eingeprägt hatte, den sie am Vortag mit Tarabas benutzt hatte fand sie schnell die verborgene Tür, die aus dem Schloss führte. Im Gegensatz zum Vortag nahm sie außerhalb des Schlosses aber nicht den Weg in die Stadt hinein, sondern entschloss sich, die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Und wie erhofft führte dieser Weg von Schloss und Stadt weg. Sie legte einige Meter noch gehend zurück. Doch als sie sich ziemlich sicher sein konnte, dass sie niemand vom Schloss aus beobachten konnte, holte sie aus ihrer Hosentasche ihren MP3-Player heraus, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren, aktivierte diesen und begann gleich mit den ersten Takten der schnellen Musik mit dem Laufen.
 

Es war angenehm, sich wieder einmal so richtig zu verausgaben. Die Beschaffenheit der Straße, über die sie lief, war eben und gut, sodass sie sich voll und ganz auf Musik und Atmung konzentrieren konnte. Die schöne Landschaft, die sich an die Hauptstadt schmiegte, tat ihr übriges, dass sie die Strecke genoss. Felder, Wiesen und kleine Waldstücke wechselten sich in rascher Folge ab und die Sonne tat ihr übriges, dass sie sich absolut wohl fühlte. Dabei achtete sie aber immer darauf, dass sie zumindest in Sichtweite der Hauptstadt blieb, da sie sich in dieser Welt ja überhaupt nicht auskannte.

Es war einige Zeit verstrichen, als ihr mit einem Mal warnend ein Schauer über den Rücken lief. Da sie dieses Phänomen bereits ausgiebig kannte verlangsamte sie sofort ihren Lauf und nahm die Kopfhörer aus den Ohren.

//Deine Hilfe wird gebraucht, Sonnenschein.//, vernahm sie mit einem Mal die sanfte telepatische Stimme der Göttin des Lichts.

//Wo, Großmutter?//, fragte sie sofort vollkommen konzentriert, während sie sich den Weg vor und hinter sich genau betrachtete und lauschte.

//Lauf etwas weiter, dann wirst du es hören. Aber beeil dich bitte.//

Sofort lief sie weiter, öffnete aber ihre Aura weit, um noch zusätzliche Wahrnehmungsmöglichkeiten zu haben. Dies war wie eine Verstärkung von Augen und Ohren, so ziemlich die einzige Fähigkeit, die sie von Seiten ihrer Mutter geerbt hatte. So vernahm sie schnell ein Geräusch von Panik unweit vom Weg, der durch diesen Wald führte, auf dem sie unterwegs war. Ihr Geist fing dieses Geräusch ein und blitzschnell lokalisierte er die Ursache. Es klang nach aufgepeitschtem Wasser und dem Schreien eines jungen Mädchens. Sofort stürzte sie vom Waldweg durch die eng stehenden Bäume, ihre besondere Fähigkeit nutzend wie ein Navigationsgerät. So dauerte es nicht lange, bis sie auf einem kleinen Felsenplateau ankam, das steil in einen See abfiel. Und im Wasser einige Meter unter sich konnte sie ein kleines Mädchen verzweifelt dagegen ankämpfen sehen, nicht unterzugehen.

Ihr Körper schaltete auf Automatik um, noch ehe sie sich darüber im Klaren war streifte sie ihre Schuhe ab und versteckte den MP3-Player in einem der Schuhe. Dann trat sie an den Rand des Plateaus und schaute auf den See hinab. Sie hatte keine Angst vor Wasser, ihre Eltern hatten ihr schon in frühester Kindheit das Schwimmen beigebracht. Sie liebte Wasser grade zu. So sprang sie einfach in die Tiefe, aber nicht wie sonst in einem eleganten Köpper, sondern mit den Füßen voran, da sie das Wasser nicht kannte und aufgrund der Klarheit des Wassers die genaue Tiefe nicht erkennbar war.

Das dies eine gute Entscheidung gewesen war kristallisierte sich gleich darauf heraus, als ihr kurz nach dem völligen Untertauchen im Wasser ein scharfer Schmerz durch das rechte Fußgelenk fuhr, als sie auf dem Seeboden aufkam, da sie anscheinend einen großen Stein getroffen hatte. Sie ignorierte den Schmerz und verdrängte ihn in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins, dann schoss sie hinauf zur Wasseroberfläche. Ein kurzer Blick genügte, dann kraulte sie in die Richtung, in der sie letzten Bewegungen des nun untergehenden Mädchens erkannte. Dort angekommen musste sie tauchen, um den kraftlosen kleinen Körper zu finden, der langsam Richtung Boden sank. Schnell hatte sie diesen erreicht und war nun dankbar, dass ihr Vater vor einigen Jahren darauf bestanden hatte, dass sie eine erste Rettungsschwimmerausbildung absolvierte. Mit sicherem Griff zog sie den kleinen Körper mit sich zurück an die Wasseroberfläche und nach einem weiteren Blick zu einem kleinen Strand in der Nähe des Plateaus, von dem aus sie in die Tiefe gesprungen war. Dort zog sie das Mädchen aus der Nässe heraus und legte sie auf das frische Grün. Schnell überprüfte sie die Lebenszeichen und begann schnell aber bedacht mit der Reanimation, da das Mädchen nicht mehr am Atmen war.
 

Er war in die letzten Unterlagen für die Audienzen vertieft, als ihm mit einem Mal ein scharfer Schmerz durch sämtliche Nervenenden fuhr und er die Warnung vor Gefahr spürte.

„Hoheit, was…?“, fragte sein Kammerdiener überrascht, was ihm verdeutlichte, dass seine Augen silbern geworden sein mussten.

Doch er war schon vom Stuhl aufgesprungen. Er hatte so viel Schwung und Kraft dafür aufgebracht, dass der schwere Sessel umfiel, doch ihn kümmerte diese Tatsache nicht. Denn seltsamerweise wusste er augenblicklich, was sich ereignet hatte. Er hastete zur Tür, riss diese auf und lief dann die Gänge hinunter. Dann, als er sich sicher war, dass ihn niemand beobachtete, wob er einen Zauber und verschwand einfach aus dem Schloss. Seine Intuition leitete ihn.
 

Den Hals überstrecken, Nase mit zwei Fingern verschließen, den Mund des Unfallopfers öffnen und vorsichtig Luft in die Lungen atmen. All diese Theorie schoss ihr mit beinahe mechanischer Ruhe durch den Kopf, während sie genau diese in die Tat umsetzen konnte. Ein Atemstoß, dann Schauen, ob es eine Reaktion gab, wieder Beatmen…

Ein krampfhaftes Husten ließ sie erleichtert auflächeln, dann drehte sie den kleinen Körper zur Seite, damit das Mädchen das geschluckte Wasser ausspucken konnte.

„So ist gut. Alles raus damit was keine Miete bezahlt.“, raunte sie der Kleinen zu und wartete auf die typische Reaktion auf den Schock, nachdem das Husten verklungen war.

Und auch nur wenige Sekunden später wechselte der der quälende Husten in panisches Weinen. Sofort nahm sie das Mädchen in die Arme und wiegte es sanft.

„Schhh… alles ist gut…“, raunte sie der Kleinen sanft ins Ohr.

Dann mit einem Mal fuhr ihr ein kühles Prickeln die Wirbelsäule entlang. Sie konnte nicht mehr tun als sich kurz irritiert versteifen, dann berührte auch schon eine fremde Hand die Stirn der Kleinen.

„Alles in Ordnung?“, erklang dann mit einem Mal Tarabas’ Stimme direkt neben ihr und sie sah erschrocken auf.

„Wo kommt ihr denn her… wieso…“, fragte sie vollkommen perplex.

„Ich konnte spüren, dass etwas passiert war. Fragt jetzt bitte nicht weiter.“, bat er fast ein wenig kühl.

Sie nickte nur irritiert, doch dann sah sie, dass er anscheinend des Mädchens wegen beunruhigt war. Sanft strich sein Daumen über deren Stirn, woraufhin sich das panische Schluchzen der Kleinen verringerte und schließlich ganz beruhigte. Daraufhin schloss Raven, dass er eine Art Zauber anwenden musste, den sie allerdings nicht spüren konnte.

„Haben dir deine Eltern nicht gesagt, dass du auf den Wegen bleiben sollt, junge Dame?“, fragte Tarabas das Mädchen schließlich mit seiner nun samtweichen, tiefdunklen Stimme, die Raven absolut unter die Haut ging.

Das kleine Mädchen nickte nur leicht und verängstigt.

„Dann sei froh, dass der dunkle Fürst dir gnädig war und dir einen guten Geist geschickt hat, der dich vom ewigen Tor zurückgeführte. Bitte pass das nächste Mal auf, denn die Schutzgeister sind launisch und nicht immer zugegen. Und du willst doch nicht, dass deine Eltern allein bleiben müssen, oder?“, fragte er weiter.

„Nein, Sir.“, wisperte die Kleine nur verschüchtert.

„Gutes Mädchen.“, lobte Tarabas leise und etwas, was man mit viel Fantasie für den Hauch eines Lächelns halten konnte, huschte über sein Gesicht. „Und nun lauf nach Hause.“

Ein sanfter Windstoß hüllte sie ein, woraufhin sowohl Raven, als auch das Mädchen kurz ihre Augen schlossen. Als sie diese wieder öffneten war die Kleidung beider wieder vollkommen trocken. Dankbar lächelte Raven Tarabas an, dennoch schoss ihr gleich durch den Kopf, dass der Zauber, den sie im Windstoß gespürt hatte, ganz anders als alles war, was sie bislang gespürt hatte. Nicht unangenehm, im Gegenteil, sondern fast schon ein wenig erregend.

„Vielen Dank, Herr Waldgeist. Bei euch auch.“, bedankte sich das kleine Mädchen sowohl bei Tarabas, als auch bei Raven mit einem kleinen Knicks, dann lief es vom See fort zurück in den Wald.

„Ich bin ja schon als vieles bezeichnet worden, doch Waldgeist ist neu.“, murmelte Tarabas, bevor er sich nun Raven zuwandte.

„Ihr seit verletzt.“

Es war eine Feststellung und auch ein kleiner Vorwurf, den sie in seinen Worten hörte.

„Bin ich?“, fragte sie überrascht, doch kaum, dass diese Worte ihren Mund verlassen hatten, kehrte der scharfe Schmerz zurück, der ihr durch ihren Fuß gefahren war, als sie ins Wasser gesprungen war. „Ja, bin ich anscheinend.“, murmelte sie mit einem leisen Aufzischen, dann wandte sie sich dem schmerzenden Knöchel zu.

Ein kurzer Blick genügte um ihr zu vergewissern, dass sich ihr rechter Fuß bereits anschickte, die Form zu ändern. Sie musste etwas tun, wenn sie einigermaßen vernünftig ins Schloss zurückkehren wollte. Deshalb stand sie vorsichtig auf und belastete den Fuß behutsam. Dann humpelte sie vorsichtig in Richtung der Felsen, von denen aus sie in die Tiefe gesprungen war.

„Dürfte ich fragen, was ihr vorhabt, Sahva?“, erklang Tarabas Stimme scharf hinter ihr.

„Dort oben sind meine Schuhe und etwas, was ich hier nicht zurücklassen möchte. Das wollte ich…“

Tarabas schüttelte nur kurz mit dem Kopf, dann hob er seine Hand. Gleich darauf schwebten die besagten Stücke in der Luft vor ihm.

„Ihr solltet doch gespürt haben, dass ich der Magie mächtig bin. Auf die Idee, mich zu fragen, scheint ihr anscheinend nicht zu kommen, habe ich recht?“, fragte er düster.

„Das erschien mir unhöflich.“, meinte Raven ein wenig kleinlaut und kam zurück gehumpelt.

„Un… gütige Finsternis.“, stieß er leise und kopfschüttelnd aus. „Und deswegen riskiert ihr mit eurem verletzten Fuß eine Kletterpartie, nur weil ihr es unhöflich hieltet, mich um Hilfe zu bitten?“, fragte er noch einmal nach, während seine Aura immer düsterer wurde. „Ist euch die Art meiner Magie denn so zuwider?“

Verblüfft starrte Raven ihn an. „Was meint ihr?“

Tarabas spürte, dass sie wirklich verblüfft über seine Äußerung war, denn sie sah ihn mit ihren bernsteinfarbenen Augen offen und verwirrt an.

„Wie fühlt es sich für euch an, wenn ich Magie benutze?“, fragte er nach und zwang sich, die Flamme an Zorn, die ihn seinem Innern aufzulodern versuchte, niederzukämpfen.

„Kühl. Anders als ich es kenne.“, antwortete sie noch immer verwirrt.

„Und welchen Schluss zieht ihr daraus?“, fragte er zähneknirschend.

Raven spürte überdeutlich, dass er aufgebracht war und anscheinend kurz davor stand, seine Beherrschung zu verlieren.

„Hoheit, ich habe keine Ahnung, worauf ihr hinaus wollt. Ihr werdet von meiner Großmutter sicher unterrichtet worden sein, was für eine Enttäuschung ich in Sachen Magie bin. Was also soll jemand Magieunbegabtes wie ich in euren Augen bei eurer Magie erkannt haben?“, fragte sie kühl und mit vor der Brust verschränkten Armen zurück.

Als hätte sie ihm einen Schlag versetzt zuckte er kurz zusammen, dann fiel der kalte Zorn, den sie die ganze Zeit gespürt hatte – und der ihr insgeheim die Drohung von absoluter Gefahr vermittelt hatte, was sie sich aber nicht hatte anmerken lassen – in sich zusammen. Innerlich seufzte sie erleichtert auf, auch wenn sie nicht verstand warum.

„Verzeiht. Ich war ungerecht zu euch.“, murmelte er schließlich zerknirscht.

Er streckte ihr seine Hand entgegen mit der stummen Bitte in seinen Augen, dass sie zu ihm kam.

Ohne zu zögern kam sie näher und legte dann auch ihre Hand in seine. „Was soll an eurer Magie so ungewöhnlich sein?“, fragte sie nun entspannter nach.

„Ihr sagtet, sie würde sich kühl anfühlen. Sicher doch auch unangenehm, oder?“, fragte er statt eine Antwort zu geben.

„Nein…“, fragte sie irritiert nach und runzelte die Stirn, weil sie nicht wusste, worauf er hinaus wollte.

Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Das sollte sie eigentlich für euch als Erbin eines Lichtgeborenen. Ich bin Schwarzmagier, Sahva.“

Überrascht sah sie ihn an und obwohl sie es eigentlich verhindern wollte huschte ihr ein erfreutes Lächeln über das Gesicht. Er bemerkte es natürlich.

„Anscheinend wollt ihr mich noch mehr verblüffen, Sahva. Erklärt mir bitte, wieso ihr als Erbin eurer Mutter bei diesem Geständnis nicht entsetzt seid, sondern euch anscheinend darüber sogar freut. Denn das kann ich sogar überdeutlich spüren, auch wenn ihr es krampfhaft zu unterdrücken versucht.“

Sie hatte vergessen, dass er ihre Gefühle anscheinend genauso leicht erahnen konnte wie sie die seine oder das, was sie sich einbildete, was seine Gefühle waren.

„Ich bin nicht die Erbin meiner Mutter.“, antwortete sie leise.

„Bitte?“, fragte er noch verblüffter nach.

„Ich bin nicht die Erbin meiner Mutter.“, wiederholte sie geduldig.

„Ihr seid die Erstgeborene eurer Mutter, der Hohepriesterin des Lichts. Natürlich seid ihr die Erbin eurer Mutter.“, äußerte er entrüstet.

„Nein, bin ich nicht. Meine kleine Schwester ist ihre Erbin, nicht ich. An mir sind sämtliche magischen Fähigkeiten vorbei gegangen. Und als immer ersichtlicher wurde, dass meine Schwester bereits mit 6 Jahren wesentlich mächtiger war als ich es jemals werden würde, habe ich mein Erbe abgelegt. Sehr zur Erleichterung der Priester muss ich dazu sagen.“, erklärte sie ruhig.

Vollkommen entrüstet und auch kurz sprachlos starrte er sie an. „Es ist euch aber bewusst, dass es Völker gibt, die eure Schwester niemals als Erbin anerkennen werden, solange ihr lebt? Keines der dunklen Völker wird eure Schwester beachten, sollte sie einmal in die Verlegenheit kommen, mit ihnen in Verhandlung treten zu müssen.“

„Nicht?“, fragte sie überrascht. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet.

„Nein. Bei den dunklen Völkern herrscht das Geburtsrecht vor. So lange ihr noch lebt oder nicht ein Amt übernehmt, welches höher angesiedelt ist werdet ihr immer die Erbin eurer Mutter bleiben.“

„Und wenn ich es ihnen sage, dass ich als Erbin ungeeignet bin und aus freien Stücken ohne Zwang mein Amt niedergelegt habe, das zählt nicht?“, fragte sie weiter.

Anerkennend zog er eine Augenbraue hoch. Sie hatte die Beschreibung ihres Verzichts genau richtig beschrieben, dass es selbst ein finsterer Advokat richtig verstehen musste.

„Selbst dann nicht.“, bestätigte er ihre Frage.

Vollkommen entsetzt sah sie ihn an.

„Und was wäre ein höheres Amt als das der Erbin meiner Mutter?“, fragte sie weiter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas Höheres gibt, oder?“

//Kluges Mädchen.//, dachte Tarabas mit immer wachsender Anerkennung. „Wenn ihr Hohepriesterin eines dunklen Gottes werdet beispielsweise.“, erklärte er geduldig.

„Na toll.“, zischte sie mit finsterer Miene. „Das eine will ich nicht sein, das andere werde ich niemals sein, selbst wenn ich das wirklich wollen würde.“

Tarabas ging neben ihr in die Hocke.

„Bevor ihr es schafft mich vollkommen zu verwirren, etwas, was seit Jahrhunderten niemandem mehr gelungen ist, beantwortet mir bitte erst einmal meine erste Frage. Wieso seid ihr nicht entsetzt darüber, dass ich ein Schwarzmagier bin?“

Sie sah ihn an und man konnte quasi sehen, dass sie das Für und Wider dessen abwog, was sie als nächstes sagen würde. Dann seufzte sie leise.

„Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit allen möglichen dunklen Glaubensrichtungen und den Riten und Sitten dieser Völker in der Welt des Lichts. In Eigenstudium versteht sich, da es hier kaum jemanden gibt, der mich unterrichten wollen würde.“

Nun war es an Tarabas, entsetzt zu schauen. „Das ist nicht euer Ernst, oder?“, fragte er nach.

„Doch, vollkommen.“, bestätigte sie ihm ernst.

„Und eure Mutter? Sie weiß doch sicher nichts davon, oder?“

Raven nickte. „Doch, sie weiß davon. In Punkto Fragen über dunkle Angelegenheiten, wie ich es nenne, wendet sie sich immer an mich. Aber sonst wissen nur sehr wenige von diesem Hobby. Nur meine Eltern, meine Geschwister und meine zweite Großmutter. Selbst Großmutter Larscha weiß nur einen Bruchteil. Sie hält mein Wissen einfach als eine Art 'Spinnerei'.“

„Moment... ihr stammt von der Göttin des Lichts ab, Sahva. Wie könnt ihr dann...“

„Das wisst ihr?“, unterbrach ihn Raven überrascht.

„Ich müsste blind und absolut unerfahren sein, um das nicht zu bemerken, Sahva. Außerdem bin ich über die Umstände der Empfängnis eurer Mutter genauestens informiert worden. Ja, ich weiß, dass ihr von der Göttin abstammt.“, erklärte er ihr ein wenig barsch.

„Oh.“, meinte sie nur und besaß in seinen Augen auch noch die Frechheit, ein wenig verlegen zu lächeln.

„Die Göttin weiß da doch sicher auch nichts von, richtig? Was mich nicht weiter wundern würde, da diese sich ja bekanntlich nicht in die Belange der Lebenden einmischt.“, meinte er und seine Laune wurde wieder frostiger.

Dennoch fürchtete Raven sich nicht.

„Sie ist die zweite Großmutter von der ich sprach.“, korrigierte sie ihn sanft.

Damit schockierte sie ihn sichtlich.

„Die Göttin weiß es?“, fragte er dennoch einmal nach.

„Ja. Sie hat mich dazu sogar ermutigt. Vieles von der Literatur, aus der ich gelernt habe, habe ich von ihr erhalten.“

Sein Gesichtsausdruck war daraufhin so komisch entsetzt, dann Raven Mühe hatte, eine Maske aus Freundlichkeit zu behalten und nicht aufzulachen.

„Gütige Finsternis, wann sind die Welten untergegangen und wieso hat mich niemand darüber informiert?“, fragte er sich leise, woraufhin Raven nun doch zu kichern begann.

Sie erntete einen bitterbösen Blick, der ihr sogar einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.

„Verzeihung.“, meinte sie mit krampfhaft erzwungener Neutralität. Diese finstere Miene hatte ihr sofort sämtliche Härchen aufgestellt und sie wissen lassen, dass absolute Gefahr bestand. Dennoch schaffte sie es, dass man ihr die Vorsicht nicht ansah.
 

Man sah Tarabas an, dass er arg mit sich rang und er sich wieder beherrschen musste.

„Wisst ihr…“, begann sie deswegen, um ihn auf andere Gedanken als die deutlich spürbare Wut zu bringen.

„Ich bin schon immer anders gewesen als wie man es der Tochter der Hohepriesterin des Lichts zugestehen würde. Zwar brachte mir meine Mutter alles bei, was ihren Glauben anging, doch sie hat mich nie gedrängt, ihn auch wirklich anzunehmen. Ich habe auch bei Lichtpriestern Unterricht gehabt, doch ich stand dem, was sie erzählten, immer irgendwie kritisch entgegen.“

Sie seufzte leise und entschied sich, ihm von dem Priester und dem einschneidenden Erlebnis zu erzählen, das sie mit 14 gehabt hatte.

„Das erste Mal, dass mir wirklich vor Augen geführt wurde, dass ich mich anders verhalte als erwartet, war mit 14. Ich war während der Schulferien zu Besuch bei meinen Großeltern im Schloss der Shino und hatte dort an einer Art Seminar teilgenommen, in dem ein Priester uns genauestens die Vorzüge des Lichtglaubens gegenüber dunklem Glauben verbreitete. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt schon ein wenig mit dunklen Glaubensrichtungen auseinandergesetzt, wenn auch noch nicht wirklich lange. Während des Unterrichts kamen in mir immer mehr Fragen auf, denn vieles von dem, was der Mann erzählte, widersprach meiner Logik. Und das, obwohl ich erst 14 war.“

Sie grinste leicht schief, dann sah sie Tarabas an, der ihr auch aufmerksam folgte.

„Ich wartete ab, bis ich den Priester nach dem Seminar allein antraf und bat ihn, mir zum besseren Verständnis auch etwas über dunkle Glaubensrichtungen zu erzählen, damit ich die Zusammenhänge besser verstehen konnte. Immerhin ist es ja eine der Hauptlehren im Lichtglauben, dass es zwei Seiten von Magie und Leben gibt, die in Balance zueinander stehen müssen, damit das Leben harmonisch verläuft. Zuerst war der Priester auch sehr erfreut, weil es immerhin die erstgeborene Tochter seiner Hohepriesterin war, die ihre Frage an ihn richtete. Doch er wich meinen Fragen aus, bezeichnete alle Angehörigen des Dunklen Glaubens als Dämonen und Monster. Kurz gesagt, das restliche Gespräch verlief sehr unerfreulich, je mehr ihm bewusst wurde, dass ich einen Großteil dessen, was er von sich gab, in Frage stellte, sogar auf theologischer Basis. Es hat am Ende nicht mehr viel gefehlt, dann hätte er mich geschlagen, weil er sich nicht mehr anders zu wehren wusste. Seitdem bin ich als eine Art Ketzerin verschrien unter den Priestern.“

Sie gab sich ruhig und gelassen, doch dieses Ereignis war einschneidend während ihrer Pubertät gewesen und hatte sie sehr getroffen gehabt.

„Die Göttin hat mir dann sehr geholfen, denn ich hatte daraufhin Angst weiterzuforschen. Aber seitdem bin ich sehr vorsichtig damit, wem ich erzähle, was für Interessen ich wirklich habe.“

Sie nahm ihr Tuch vom Kopf und tauchte es dann in das kühle Nass des Waldsees, um es dann fest um ihren anschwellenden Knöchel zu wickeln.
 

Tarabas hatte ihr die ganze Zeit schweigend zugehört und auch auf telepatischem Wege ihre Worte nachvollzogen. Dabei hatte er automatisch die entsprechende Erinnerung gefunden, die ihre Worte bestätigten. Sie hatte grob das erzählt, was er in ihren Erinnerungen fand. Aber nur grob. Das, was der Priester an diesem Nachmittag alles zu ihr gesagt hatte, während sie diskutiert hatten, war mehr als beleidigend gewesen und hatten der Seele der Heranwachsenden Schaden zugefügt, die von der Göttin dann eingedämmt worden war. Wenigstens etwas, worüber er ihr gegenüber dankbar sein konnte. Sein Zorn legte sich dabei, weil sie so amüsiert gewesen war, doch ein tiefer Groll gegenüber dem Priester blieb. Und würde bleiben, das wusste er.

„Und forscht ihr immer noch?“, fragte er dann weiter.

Sein Zorn legte sich wieder, wurde nun aber wieder von Neugierde ersetzt.

„Ja, so gut es geht. Denn oftmals fällt mir die Übersetzung der Texte, die ich erhalte, sehr schwer. Oder sie wurden so verfasst, dass sie Lichtpriestern verborgen bleiben und ich muss mich durch Verschlüsselungen kämpfen. Das ist sehr zeitaufwändig.“

Sein scharfer Blick richtete sich direkt in ihren und er schwieg nachdenklich. Gleichzeitig spürte sie aber in ihrem Inneren, wie ein ganz leichter, kühler Hauch durch sie hindurch glitt. Instinktiv wollte sie dieses Gefühl abblocken, da sie es niemandem erlaubte, in ihr Innerstes zu schauen, doch sie zwang sich zu entspannen und öffnete sich weiter.

Anerkennend zog Tarabas eine Augenbraue hoch.

„Ich hatte Recht, ihr könnt mich wirklich spüren, auch wenn ich sehr vorsichtig bin.“, stellte er mit einem kleinen Kopfschütteln fest.

Auf seiner Suche in ihren Erinnerungen hatte er blitzschnell sehr viel erfahren, nachdem sie sich so geöffnet hatte.

Raven nickte. „Es ist wie ein kühler Hauch. So spüre ich euch immer, auch wenn ich euch nicht sehe.“

Wieder musterte er sie einige Augenblicke, dann erhob er sich wieder. „Ich habe grade gesehen, dass ihr eure dringendste Frage bezüglich der Dunklen Völker noch nicht beantwortet bekommen habt. Nämlich nach dem zentralen Anker der Dunklen Völker. Ihr fragt euch, ob es auch einen oder mehrere Götter gibt, die wie eure Großmutter verehrt werden.“, fasste er ihre Gedanken zusammen.

Sie nickte. „Darauf habe ich bislang nur Fragmente gefunden.“

„Dann denke ich, werde ich euch weiterhelfen können. Nehmt euch für heute Abend nichts vor. Ich werde versuchen, euch das zu erklären.“

Überrascht sah sie ihn an.

„Danke…“

„Ich habe mich zu bedanken, Sahva. Denn durch euch darf ich sehen, dass es zumindest einem Lichtgeborenen nicht gleichgültig ist, wenn den dunklen Völkern in dieser Welt etwas passiert. Diesbezüglich hatte ich eigentlich nie Hoffnungen gehegt.“

Dann reichte er ihr seine Hand.

„Seid ihr mutig, Sahva?“, fragte er mit einem Mal.

„Ich denke…“, meinte sie etwas misstrauisch und legte ihre Hand in seine. Sie war angenehm kühl stellte sie fest.

„Gut.“ Ein Schmunzeln blitzte in seinen Augen auf, dann schien das eisblau mit einem Mal silbern zu werden. Dann wurde es kurz vor ihren Augen komplett schwarz.
 

Als sie wieder richtig sehen konnte war ihr kalt, doch die Kälte verschwand augenblicklich wieder. Und sie staunte, denn mit einem Mal befand sie sich wieder im Schloss, in ihrem Gästezimmer, um genau zu sein. Tarabas stand neben ihr und sah sie aufmerksam an. Schließlich, als er spürte, dass sie sich von dem Zauber wieder erholt hatte – was in seinen Augen überraschend schnell geschah – ließ er ihre Hand wieder los.

„Wow… ein Teleportationszauber?“, fragte sie überrascht und sah ihn an.

Erst verstand er nicht, was sie meinte, doch anscheinend verursachten ihre Erinnerungen, die er erlaubt von ihr genommen hatte, dass er wusste, was sie meinte.

„So etwas ähnliches. Fühlt ihr euch gut?“

Sie nickte. „Bis auf meinen Fuß, ja.“, meinte sie, humpelte aber in einer Geschwindigkeit zum Bett, die Übung zeigte.

„Ihr habt euch anscheinend schon öfter die Füße verletzt.“, stellte er trocken fest.

„Die Füße, die Hände, und ein Arm, während meiner Trainingszeiten kommt das durchaus vor. Deswegen habe ich immer Dinge mit, die mir bei Verletzungen helfen.“, erklärte sie freundlich, dann humpelte sie weiter zum Kleiderschrank, um die Box herauszuholen, von der Larscha zwar wusste, dass sie sie mit hatte, aber nicht, was drin war. Damit kehrte sie zum Bett zurück und stellte sie darauf.

„Achtung, nicht erschrecken.“, meinte sie nur zu Tarabas, dann aktivierte sie die verborgene Technologie der Box. Sie vergrößerte sich um das fünffache und ging dann auf.

„Was war das für ein Zauber? Ich habe gar nichts gespürt.“, meinte Tarabas sichtlich überrascht und kam näher, um sich die Box anzusehen.

„Kein Zauber. Das ist Technologie von Alpha. Eigentlich sind es Umzugsboxen, die man nach dem Einräumen um einen bestimmten Faktor verkleinern und hinterher wieder zurück vergrößern kann. Äußerst praktisch, da sie nicht viel Platz wegnehmen.“, erklärte sie, dann holte sie diverse Dinge aus der Box, die der Schwarzhaarige noch nie gesehen hatte. Unter anderem einen Tablet-PC, dessen glänzende, deaktivierte Oberfläche er vorsichtig berührte.

„Das Ding ist nicht gefährlich, keine Sorge.“, meinte sie mit einem sanften Lächeln, dann holte sie eine kleine Ledertasche aus der Box und öffnete sie. Und holte etwas heraus, was wie eine dünne schwarze Socke aussah. Behutsam versuchte sie, die Socke, die unter ihrem kühlenden Tuch war, zu entfernen, doch dies stellte sich als recht schmerzhaft heraus, was man ihrer Miene deutlich ansah.

„Wartet.“, meinte Tarabas nur, ließ von dem PC ab und berührte dann die Socke an ihrem Fuß.

Sie verschwand einfach und legte ein Fußgelenk frei, welches stark geschwollen war und sich anschickte, lustige Verfärbungen anzunehmen.

„Das sieht nicht gut aus.“, meinte er besorgt, doch Raven winkte nur ab.

„Das ist morgen wieder abgeheilt.“, meinte sie nur, dann zog sie das sockenartige Ding, welches sie aus der Box herausgeholt hatte, auf.

Da es mit Klettverschluss zusammengehalten wurde war dies problemlos möglich und genauso schnell war die Konstruktion auch am Fuß befestigt. Es war ein hochtechnisches Gewebe, welches die Heilung in großer Geschwindigkeit vorantreiben würde. Es gehörte zur Standardausrüstung der kämpfenden Truppen von Alpha.

Als die ‚Socke’ richtig saß holte Raven aus der Ledertasche einen kleinen Controler heraus, aktivierte diesen und steckte ihn auf das Gewebe, wo er scheinbar ohne Hilfe hielt. Gleich darauf zog sich ein leichter, bläulicher Schimmer einmal komplett über das Gewebe, als die Gerätschaft den kompletten Fuß scannte. Dann erlosch das Leuchten und das Gewebe wurde wieder schwarz, schimmerte aber mehr als zuvor.

Tarabas hatte dem Ganzen schweigend zugeschaut. Er war erfahren in Zaubern jeglicher Art, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Und wieder spürte er nicht einen Hauch von Magie.

„Dieses Gerät unterstützt die Zellheilung und beschleunigt sie.“, erklärte sie freundlich. „Alles ohne Magie, da so etwas in meiner Heimat weitestgehend unbekannt ist. Selbst meine Mutter benutzt auf Alpha keine Magie.“, erklärte sie unaufgefordert.

„ Die Verwendung von Magie ist ja hauptsächlich auch nur sehr wenigen Völkern oder Personen vorbehalten, soweit ich weiß. Eine so große Konzentration an Magiern wie bei den Shino ist eher ungewöhnlich. So wurden in meiner Heimat halt andere Möglichkeiten entwickelt.“

Dann sah sie Tarabas freundlich an. Da er die Dinge, die sie auf dem Bett liegen hatte, noch immer sehr nachdenklich ansah, schloss sie daraus, dass er sich häufig der Magie bediente.

„Nicht so häufig, wie ihr denkt, Sahva.“, beantwortete er ihre nicht ausgesprochene Bemerkung, was sie verblüfft aufsehen ließ.

Er schmunzelte.

„Ihr habt mir erlaubt, eure Gedanken und Erinnerungen zu berühren. Jetzt kann ich euch anscheinend noch besser verstehen als vorher.“, meinte er mit einem leicht entschuldigenden Blick.

„Ich wusste gar nicht, dass so etwas möglich ist.“, kommentierte sie dies trocken.

„Ich auch nicht, Sahva. Das ist auch mir neu und ich habe einiges an Erfahrung aufzuweisen.“

Ruhig sah er sie für einige Augenblicke an, dann senkte er ein wenig seinen Blick. Dadurch sah er irgendwie ein wenig verletzlich aus, weswegen sich in ihrem Inneren etwas zusammenzog.

„Aber wisst ihr, in manchen dunklen Welten heißt es, dass man manchmal das große Glück haben kann, eine verwandte Seele zu finden. Und mit dieser verwandten Seele soll man dann besondere Eigenschaften verbinden. Ich hielt so etwas bislang als eine Art Märchen, aber vielleicht ist da mehr dran, als ich es für möglich gehalten habe.“

Tarabas richtete sich wieder richtig auf.

„Und ihr meint, wir wären so verwandte Seelen?“, fragte sie ein wenig hoffnungsvoll.

Ihre verträumte Ader machte sich grade stark bemerkbar und die Worte hatten ihren Mund verlassen, bevor sie sie zurückhalten konnte. Wofür sie sich hätte ohrfeigen können.

„Wer weiß, vielleicht…“, antwortete er nur, dann ging er langsam in Richtung ihrer Zimmertür.

„Kommt heute Abend einfach zu Beginn der Dämmerung zu mir. Ihr wisst ja, wo sich meine Gemächer befinden. Ich freue mich schon darauf.“

Dann war er mit einem Mal verschwunden, nur ein kühler Hauch war zu verspüren, als er wieder einmal seine Magie nutzte.



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