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Der Mensch ist frei geboren

und überall liegt er in Ketten.
von

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Sophophora

Das Kunstlicht brannte hell und grünlich auf die Haarschöpfe der sechs Personen, die um einen kreisrunden Tisch saßen. Vor ihnen lagen Stapel von braunen Dokumenten, glänzend im zu hellen Licht und dennoch verblichen wirkend. Das ständige dumpfe Geräusch der Dampfmaschinen, die die Energie für die Glühlampen bereitstellten, erfüllte wie immer den Besprechungsraum.
 

Es war die Stadt auf DE-X5, dem fünften vom ehemaligen Deutschland kolonialisierten Planeten. Heute gab es kein Deutschland mehr. DE-X5 blühte allerdings auf. Es war der größte, herrlichste und am dichtesten bevölkerte Planet im weiten Umkreis. Niemand war sich sicher, ob dieser Planet nicht sogar der menschenreichste Planet des Weltalls war. Die Stadt war jedenfalls riesiger als alles andere von Menschenhand erschaffene; gegen diese Stadt waren andere Städte auf anderen Planeten nur Dörfer. Die Dörfer auf DE-X5 waren selbst schon Städte, auch wenn sie weiterhin ihre Namen tragen durften.
 

Daher befand sich auf DE-X5 auch die Regierung der Allianz der Freien Kolonien, und mit der Regierung stand hier das militärische Hauptquartier. Waren die Planeten Blutbahnen, so war DE-X5 das Herz, der Puls, der unermüdlich schlug, Tag und Nacht, zum metallischen Scheppern der Dampfmaschinen, um die Welt aufrecht zu erhalten.

Ludwig Beilschmidt war früh gekommen. Zu früh. Aber auch die anderen waren korrekt genug, pünktlich zum vereinbarten Meeting im Besprechungszimmer zu sein, mit kleinen Kupferschalen vor ihnen, die monatealte Plätzchen feilboten.

Es waren die sechs führenden Köpfe der AFK, diejenigen, die tatsächlich die Macht in den Händen hielten. Sicher, der PRÄSIDENT hatte offiziell alle Macht inne, und seine Minister lenkten offiziell ihre Ressorts, aber in weiten Kreisen war bekannt, dass der PRÄSIDENT und seine Minister nur Strohpuppen waren, die von denen ablenkten, die tatsächlich an der Macht saßen. Und diese Sechs saßen hier, im Zentrum der Macht, sechs Menschen, die über Milliarden von Soldaten und Milliarden von Großkronen verfügten, und sie entschieden über das Schicksal des ihnen bekannten Weltalls.
 

„Die Sitzung ist eröffnet.“, leitete Ludwig Beilschmidt eben jene ein. Obwohl der Stapel Dokumente vor seinem Sitz verheißungsvoll aussah, kam er nicht dazu, auch nur mit dem ersten Tagesordnungspunkt zu beginnen.

„Ich bin dafür, wir bringen sie alle um!“, warf sein älterer Bruder in den Raum und knallte dabei mit funkelndem Blick und angespannter Faust auf den Tisch. „Wofür haben wir die ganzen Soldaten, wenn nicht, um diese Rebellen umzubringen?!“

Das brachte ihm ein Augenrollen von der einzigen Frau der Runde ein, eine wohlproportionierte, rothaarige Amazonin, die von ihren Kollegen, die es nicht so gut mit ihr meinten, nur „Zicki“ genannt wurde. Niemand nannte sie Zicki.

„Schmarrn, das sagt sich für dein dämliches Saupreißgehirn so leicht, aber wir können die nicht einfach niedermähen.“ Der dunkelblonde Mann mit dem feinsten Anzug von ihnen allen neben ihr nickte.

„Da muss ich Zenzie leider Recht geben. Wir brauchen subtilere Methoden. Wir können nicht immer Drauflosschlagen und hoffen, dass nichts übrig bleibt...“
 

Diesmal ein Augenrollen von Gilbert.

„Und was sollen wir sonst mit den ganzen Soldaten machen, ihr Zwerghirnis? Uuuuh-“ Er stand auf und positionierte sich als Parodie seiner eigenen Untergebenen. „'Ich bin ein Soldat, aber ich töte keine Rebellen! Hahaha! Ohhh, ein Schmetterling, ist der nicht hübsch?! Hui-'“
 

„Gilbert. Setz' dich wieder hin.“ Mit hinter seinem Hinterkopf verschränkten Armen befolgte Gilbert die freundliche Bitte seines Bruders, sank wieder auf seinen Stuhl und sah die restlichen Anwesenden an, als hätte er den Konflikt widerspruchslos für sich entschieden.

„Ihr habt natürlich alle Recht. Wir haben keine Armee, um die Zölle zu überwachen und zu überprüfen, ob die Alchemisten alle ihre Arbeit tun. Und wir haben ein Problem mit diesen Rebellen. Sie haben in den letzten Wochen mehrere Lokomotivnetze lahmgelegt. Der Start der Transplanetarraketen auf den Routen 12-15 und 12-13 wurde enorm gestört. Und das ist erst der Anfang. Andererseits haben Unterratsministerin Eichinger und Hauptobersturmgeneral Häberle Recht. Du stellst das übersimplifiziert dar.“
 

Gilbert schnaubte.

„Und wie wollt ihr das besser machen, Sesselpupser?“
 

Ein bisher sehr schweigsamer, braunhaariger Mann räusperte sich. Seine Stimme klang wie eine messerscharfe, klare und glänzende Rasierklinge, die den Raum durchschnitt. Georg war zwar im Gegensatz zu Gilbert Beilschmidt und Lukas Häberle nicht Teil des Militärs, aber er hätte sich wunderbar in dieses Machtgefüge einpassen können, wenn er nur gewollt hätte. Jedoch, um es mit Gilberts unsterblichen Worten auszudrücken: Georg wollte lieber ein Sesselpupser bleiben, statt sich auf dem Schlachtfeld die filigranen Finger schmutzig zu machen.

„Wir müssen an der Wurzel ansetzen. Der Schlange den Kopf abschlagen. Es muss einen oder zwei Anführer geben. Sind diese ausgemerzt, bleibt von der Organisation nichts mehr übrig.“

Der Mann, der neben ihm versunken im Stuhl saß und so wirkte, als würde er verschwinden, mit einem Plätzchenkrümel im Mund, sah ihn verstohlen und misstrauisch an.
 

„Aber was, wenn es keine Schlange ist, sondern eine Hydra?“, fragte er Georg, dessen kühler Blick abschätzig über ihn lief.

„Albrecht, du scheinst das wichtige nicht zu verstehen. Das ist keine Vereinigung, wie wir sie kennen, kein diszipliniertes System. Diese Rebellen sind ein chaotischer Haufen, der zusammengehalten wird von einem charismatischen Anführer. Haben wir diesen ausfindig gemacht...“ Er starrte die Fliege an, die es sich auf seinem Dokumentstapel gemütlich gemacht hatte. „... sind sie mausetot.“ Man konnte glauben, er würde die Fliege in einer rasanten Bewegung erschlagen, aber alles, was sie tat, war, fort zu fliegen und sich an der feinen, mit goldenen Verzierungen überzogenen Wand nieder zu lassen.
 

Albrecht schüttelte den Kopf und blickte einen Moment lang, als würde er Hilfe erwarten, zu Gilbert, der damit beschäftigt war, sich die Zähne auszubeißen an einem fünf Monate altem Plätzchen.

„Nein, nein, der Kopf wächst nach. Der Kopf wächst nach. Die hören nicht auf, wenn wir ihren Führer töten. Die machen weiter. Die wollen unser Leben zerstören. Die werden sich mit den Aliens verbünden.“ Er seufzte kurz. „Ich stimme Gilbert zu. Wir müssen all unsere militärischen Mittel einsetzen und diese Gruppierung an der Wurzel ausrotten, dass niemand mehr von ihnen übrig bleibt, nicht einmal, um die Geschichte ihres Scheiterns zu erzählen.“

„Mit den Aliens?“ Lukas sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Albrecht nickte.

„Natürlich. Die Aliens. Sie alle hassen unsere Gesellschaft und wollen uns zerstört sehen. Wir müssen uns wehren! Sie werden uns alles nehmen, was uns lieb und teuer ist!“

„Und was ist dir lieb und teuer, Albrecht?“ Wieder Lukas. Die genrunzelte Stirn entspannte sich. Die Frage war unschuldig und scheinbar harmlos, aber jeder im Raum wusste, wie tief sie in Albrechts Fleisch schnitt.

„Das tut jetzt nichts zur Sache!!“ kam die scharfe, schnelle Erwiderung.
 

Währenddessen hatte der Obersekretär des Ministers für Innere Angelegenheiten, Ludwig Beilschmidt, die linke Hand angestrengt über seine Stirn gelegt und versuchte, sich zu konzentrieren.

„Bitte fasst doch alle noch einmal zusammen, was wir tun sollen gegen die Rebellen.“
 

„Ausrotten!!“, kam sofort die unverwechselbare, frohe Stimme Gilberts.
 

„Den Führer ausfindig machen und eliminieren.“ Georgs Ansatz war ruhiger und überlegter, aber nicht weniger kaltblütig.
 

„Wenn wir sie alle töten, wird das die Bevölkerung in Aufruhr versetzen. Wir müssen das geschickt erledigen. Durch die Hintertür.“ Lukas starrte auf die Fliege an der Wand, während er sprach.
 

„Wir infiltrieren sie ideologisch.“, schlug Zenzie vor.
 

„Es wäre von Vorteil, sie kalt zu stellen, bevor sie sich verbünden können mit den Aliens.“ Albrechts Stimme zitterte ein wenig, ob vor Wut, Angst oder Kälte, konnte niemand so wirklich sagen. Der einzige, der das eventuell sagen könnte, war Gilbert, und dieser war damit beschäftigt, debil zu grinsen.
 

Ludwig nickte.

„Dann beläuft es sich am Ende auf zwei Positionen. Wir stimmen ab. Gilbert,-“ Sein Bruder unterbrach ihn grinsend. „Das ist 'Herr Hauptbrigadegeneral', hast du das immer noch nicht gelernt, Lutz?“

Ludwig begann erneut. „Herr Hauptbrigadegeneral...“ Stolz erhob sich Gilbert. „Herr Hauptobersturmgeneral, Herr Brigadegeneral,...“ Lukas und Albrecht standen auf. Ersterer richtete noch korrekt seine Krawatte. „... Herr Unterregierungsdirektorrat, Frau Unterratsministerin...“ Auch Georg und Zenzie erhoben sich. Als Ludwig aufstand, waren also alle erhoben.

„... dankeschön. Wir werden entscheiden, ob wir mit militärischer Gewalt gegen die Rebellen vorgehen, oder ob wir friedlichere Mittel nutzen. Bitte, wenn Sie der Meinung sind, dass Gewalt genutzt werden sollte, dann setzen Sie sich bitte wieder hin.“

Sofort ließ sich Gilbert auf den Stuhl fallen und sah erwartungsvoll zu Ludwig auf, der stehen blieb. Albrecht zögerte kurz, dann setzte er sich ebenfalls wieder auf den Stuhl, ebenso wie Georg, der daraufhin elegant die Hände übereinander faltete. Einige Sekunden verstrichen, ehe sich auch Lukas ruhig setzte.
 

Es war beschlossene Sache. Die Freie Armee der Gerechtigkeit würde ausziehen, um den Rebellen den Gar aus zu machen. Und noch ahnte niemand, welch verheerende Folgen diese Entscheidung nach sich ziehen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  pokingmadness
2010-12-09T22:29:36+00:00 09.12.2010 23:29
Ziemlich cool, ziemlich intelektuelles Zeugs, was sie von sich geben, weckt in der Tat das Interesse meiner Wenigkeit. Ich warte auf mehr! ;D

Nur... du solltest Albi endlich mal ne größere Rolle geben. Das macht mich voll traurig, dass du ihn immer so ignorierst ;____; Ich mein ja, ich weiß, sein Charakter is voll nicht ausbaufähig und es ist schwierig ihn zu schreiben, aber bitte, BITTE, gib dem Typen ne Chance. Für mich. :c

Habe ich schon erwähnt, was für einen umwerfenden Schreibstil du besitzt? Der haut mich wirklich jedes Mal wieder vom Hocker! UND vom Stuhl! Stell dir das mal vor!! Nur weiter so, Madame! c:


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