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The Last One

Wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest, was würdest du tun?
von

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Last

Diese zwei Kapitel hängen unmittelbar miteinander zusammen, darum lest sie bitte beide direkt hintereinander.
 

"Der letzte Tag... der letzte Tag...", murmelte Maya. Was würde sie an ihrem letzten Tag machen? Wenn sie wüsste, dass sie nur noch diesen Tag hatte, nur noch den einen einzigen, bevor sie ins Gras beißen, die Radieschen von unten betrachten würde?

Das war schwierig. Sie knabberte am Stiel ihres Bleistiftes und klopfte dann mit der Miene auf den Tisch, sodass es leise "Tock tock tock" machte. Aber eine Idee hatte sie deswegen noch lange nicht.

Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Der letzte Tag. Was für eine bescheuerte Hausaufgabe das war. Es war doch morbide, ja, geradezu krankhaft, sich mit dem Tod auseinander zu setzen, wenn man gerade erst Sechzehn geworden war. Es gab noch vieles, was sie ausprobieren wollte, aber so richtig wichtig kamen ihr diese Sachen nicht vor. Und wahrscheinlich würde ein Tag dafür nicht einmal reichen.

Einmal eine Kreuzfahrt in die Antarktis machen, zum Beispiel, und sich die Pinguine ansehen. Nicht die eingesperrten im Zoo. Die richtig echten. Oder im Fernsehen auftreten, sodass alle sie sehen und bewundern könnten. Oder...

"Essen ist fertig!", rief ihre Mutter von unten und froh, ihrer Aufgabe für kurze Zeit zu entgehen, sprang Maya auf und flitzte ungewöhnlich schnell ins Esszimmer, wo der Tisch bereits gedeckt war und es himmlisch roch.

Ihre Mutter warf ihr einen langen Blick zu. "Hast du denn heute so viel auf?"

Maya nickte, doch dann schüttelte sie den Kopf. "Geht so. Ich muss für Ethik etwas Schwieriges schreiben und mir fällt irgendwie nichts ein." Sie setzte sich an ihren Platz und auch ihr Vater und ihr Bruder traten ein.

"Was denn?", fragte ihre Mutter neugierig und stellte das Kartoffelpüree auf den Tisch, wo schon alles andere bereitstand, zog sich einen Stuhl zurecht und setzte sich ebenfalls.

"Wir sollen uns überlegen, was wir an unserem letzten Tag machen würden." Auf drei Paar fragende Blicke hin fügte sie erklärend hinzu: "Also, bevor wir sterben."

Ihr Vater schnaubte. "Was ist denn das für eine makabere Aufgabe? Und so was lernt ihr in der Schule? Kein Wunder, dass die jüngeren Generationen immer dümmer werden."

Maya's Mutter seufzte und ignorierte ihren Ehemann. "Das ist wirklich schwierig. Hast du dir schon etwas überlegt?"

Maya schüttelte den Kopf.

"Ich würde", meldete sich Frederick zu Wort, "den ganzen Tag Eiskrem essen und Erdbeertorte und es wäre mir auch egal, wenn mir davon schlecht wird." Er nickte ein paar Mal bestätigend. "Und dann würde ich mit dem Skateboard den Killerhügel runterrasen. Das wäre sooo cool."

Frederick, Maya's jüngerer Bruder, war erst elf und sein größtes Vorbild war der Kerl, der vor zwei Jahren mit seinem Board den "Killerhügel" - eine asphaltierte Straße am Stadtrand, die gefährlich steil war -, heruntergestürzt und sich dabei beide Arme und ein Bein gebrochen hatte. Seitdem war es sein größter Wunsch, das gleiche zu probieren. Maya verdrehte kurz die Augen ob ihres kindischen Bruders.

"Also ich würde meinen letzten Tag mit euch allen verbringen", verriet Maya's Mutter, pflichtbewusst, wie es sich für eine gute Mom gehörte und strahlte die Familienmitglieder nacheinander an.

Aber wer wusste schon, dachte Maya insgeheim, was ihre Mutter wirklich tun würde. Vielleicht mit einem südländischen Casanova nach Spanien fliehen, wie es immer in den Fernsehserien gezeigt wurde, oder womöglich sogar den ganzen Tag im Wellnesssalon verbringen und sich verwöhnen lassen?

Maya sah auffordernd ihren Vater an, denn nun war er an der Reihe. "Wenn ich nur noch einen Tag hätte", begann er langsam und starrte angestrengt in die Luft, als würde er dort sehen, was er tun würde, "würde ich die Arbeit schwänzen, eine Grillparty im Garten veranstalten und viel Bier trinken."

Er grinste Maya's Mutter an und zwinkerte ihr zu, als sie ihn mit einem langen, geduldigen Blick bedachte, der wahrscheinlich so etwas ausdrücken sollte wie "Denk bloß nicht dran".

"Also", fasste Maya zusammen, "ihr würdet alle etwas tun, das ihr euch bis jetzt entweder nicht getraut habt oder nicht machen dürft? Mom ausgenommen?"

Frederick und ihr Vater nickten synchron.

"Weißt du", sagte Maya's Mutter, "ein berühmter Dichter sagte mal 'Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter.’" Sie lächelte.

"Schatz", mischte sich ihr Vater mit fachkundiger Miene ein, "das war kein berühmter Dichter, sondern James Dean, der das gesagt hat, da bin ich mir ziemlich sicher."

"Und ich bin mir sicher, dass es nicht James Dean war", entgegnete ihre Mutter leicht gereizt.

"Könnte auch Sinatra gewesen sein." Er zuckte mit den Schultern.

Maya kicherte. Die kleinen Streitereien ihrer Eltern waren immer außerordentlich lustig. Und jetzt wusste sie auch in etwa, was sie schreiben wollte.

Es waren nur Kleinigkeiten, wie eine Gartenparty oder die Lieblingssorte Eiskrem, oder etwas, das man sich wünschte, aber sich noch nicht getraut hatte zu tun.

"Und ich", sagte sie schließlich, "will mal so richtig schnell Autofahren."
 

Als sie später am Abend - es war schon dunkel und zu dieser Zeit befand sich für gewöhnlich niemand mehr auf den Straßen -, durch die Vorstadt fuhr, um dank Frederick am Diner Eiskrem für die ganze Familie zu holen, erinnerte sie sich daran, was ihre Mutter gesagt hatte. Jeden Tag sollte man so leben, als wäre es der letzte.

Sie wurde mutiger und trat auf das Gaspedal. Es war ja sowieso niemand auf den Straßen.
 

Er war direkt hinter der Kurve und sie sah ihn nicht kommen.
 

Es war ihr letzter Tag.

Der letzte Tag ihrer Kindheit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2010-10-30T21:58:08+00:00 30.10.2010 23:58
Eine interessante Thematik. Gefällt mir. Denn auch, wenn ich mir vorstellen kann, dass sie schon oftmals aufgegriffen wurde, habe ich noch keine Geschichte dazu gelesen und auch nie wirklich das Bedürfnis dazu gehabt, weil es in meinen Augen zu klischeebelastet ist.
Aber deine Wendung ist schön. Und auch, wenn ich fand', dass die Spannungskurve mittendrin ein wenig gestockt hat aufgrund Formulierungen, die du ein wenig zu "steif" gestaltet hast, war ich wahnsinnig beeindruckt von den letzten Sätzen. Wirklich sehr schön, sehr eindrucksvoll. Und das würde ich nicht sagen, wenn's mich nicht wirklich so sehr berührt hätte ;)

"Maya verdrehte kurz die Augen ob ihres kindischen Bruders."

Diesen Satz hab' ich mir rausgepickt. Erst war ich mir fast nicht sicher, ob das "ob" grammatikalisch korrekt ist, aber ich denke schon. Nur klingt er wirklich sehr steif ;) Du hast offensichtliches einen großen Wortschatz, versuch' das ganze nur nicht so zu "konstruiren". Dinge eindrucksvoll oder stark ausdrücken kann man auch mit einfacheren Wörtern und einfacherern Sätzen. Versuch' das ganze einfach ein wenig fließender zu gestalten. Aber das kommt bestimmt bei mehr Übung.

Liebe Grüße,
zuckerwuerfelchen
Von:  xXKikiXx
2010-10-29T06:04:20+00:00 29.10.2010 08:04
Sehr, sehr gelungen und ich hatte schon nach Ende von Teil 1 eine grausame Vorahnung, aber dazu mehr im zweiten Teil ;)

Du hast die Stimmung von Maya sehr gut herübergebracht. Ihre Nachdenklichkeit, wie sie wirklich versucht sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, und dann das Gespräch am Esstisch.
Das fand ich wirklich niedlich. So stellt man sich ne typische >normale< Familie vor. Bzw. so wird uns erklärt durch Bücher und fernsehen, das >normale< Familien so auszusehen haben. Ist zwar in Wahrheit wohl selten so, aber ich gebe mich dieser Illusion auch liebend gerne hin. Außerdem fand ich den Dialog beim Essen echt gut. Die liebende Mutter, der nervende Bruder, der Vater der seine Arbeit nicht so gerne hat. Doppeltes Sternchen dafür. Ich finde die Figuren dadurch alle sehr sympathisch und kann sie mir gut vorstellen, was beim lesen ja wichtig ist (in meinen Augen).
Ich nehme mal an Maya kommt aus Amerika da sie mit 16 schon Autofahren darf. Zumindest kombinierte ich das so. Ist aber auch nicht weiter wichtig, fiel mir nur so ein ;)

Das Ende mag ich sehr von Teil 1. Weil der Schluss > Es war ihr letzter Tag.
Der letzte Tag ihrer Kindheit< mir Gänsehaut beschert hat und somit war ich gezwungen schnell weiter zu lesen. Was, so denk ich, auch sehr wichtig für eine gute Geschichte ist.

Von:  MitsuruSenpaii
2010-10-27T06:40:48+00:00 27.10.2010 08:40
Soo.
Hab nun erstmal das erste Chapter dieser FF gelesen - wollte erstmal einen Kommentar dazu schreiben ( aus verschiedenen Gründen. Zum einen, um mir selbst ein bisschen die Spannung zu wahren, und zum anderen, um meine Vermutungen nieder zu schreiben & danach schauen zu können, ob ich Recht hatte. )

Wenn ich mir meinen Vorkommentar anschaue, merke ich mal wieder, dass ich anscheinend in keiner "normalen" Familie aufgewachsen bin ^_^"
Mein "Vater" hat niemals so imo "überzogen" reagiert - zumal ich eine solche Aufgabe in der Tat schon in der Schule hatte ( allerdings in Religion statt in Ethik. Und das gleich zweimal - nämlich an zwei verschiedenen Schulen. )
Und meine Mutter hat auch niemals so "korrekt" geantwortet.
... und die Reaktion meines kleinen Stiefbruders verkneif ich mir lieber komplett.

Nun gut. Ich für meinen Teil finde die Familie fast schon zu Stereo-F like - kann aber auch daran liegen, dass ich ( wie erwähnt ) nicht in einer "normalen" Familie aufgewachsen bin. Kann also nicht beurteilen, in wie fern die Reaktionen & die ganze Situation "normal" ist oder nicht.

Zum Vorkommentator:

Mit "Er" wird wohl ein männlicher Gegenfahrer gemeint sein.
Das, oder der kleine Junge, der am Anfang des nächsten Chapters erwähnt wird *mal reingelinst hat*
Könnte mir gut ( jetzt, da ich die ersten Zeilen des 2. Chapters gelesen habe ) vorstellen, dass Maya den kleinen überfährt und dadurch ihre Kindheit endet.
Immerhin besteht der letzte Satz ja nicht aus "Es war der letzte Tag ihres Lebens." sondern aus "Es war ihr letzter Tag.
Der letzte Tag ihrer Kindheit."

Aber hm, mal schauen, ob ich recht habe.

Was den Schreibstil betrifft, habe ich eigentlich wie gehabt nichts zu beanstanden. Das einzige, was mir aufgefallen wäre, wurde bereits genannt ( hab mich in der Tat auch gefragt, was Maya da fährt - wird ja leider nicht genauer erklärt. Aber vielleicht kommt das yah noch im 2. Chapter ).

Und mehr hab ich dann auch eigentlich nicht mehr dazu zu sagen.

Greeting
Yoko

[FCY]
Von:  Seira-sempai
2010-10-21T16:55:25+00:00 21.10.2010 18:55
Hey^^
Ich habe mir gerade den ersten Teil von The Last One durchgenommen.
Wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest, was würdest du tun? Interessante Frage. Ich schätze, jeder würde sie anders beantworten. Aber die Frage in einer Hausaufgabe zu stellen. Das ist schon etwas blöd. Und ich finde es auch verständlich, dass Maya das nicht sofort beantworten kann. Ich meine, wer kann das Schon. Außerdem sind ihre Ideen oder Pläne sehr realistisch. Zumindest ist nichts dabei, was für eine Sechzehnjährige nicht möglich ist.
Die Reaktion der Eltern auf die Hausaufgabe war nicht anders zu erwarten. Die Mutter schweigt und der Vater regt sich über die Lehrer auf. Das kenne ich. Ist in vielen Familien so.
Die Idee von dem jüngeren Bruder finde ich lustig und man merkt ihm an, dass er noch richtig wie ein kleines Kind denkt. Eiscreme und Erdbeertorte. Und dann mit dem Skateboard einen Hügel runterfahren. Ich finde das passt zu Jungen in dem Alter.
Bei mir zu Hause ist meine Mutter auch immer die einzige, die auf solche blöden Fragen noch sinnvoll antwortet.^^ Der Vater übertreibt es natürlich wieder und wird deshalb von der Mutter mit bösen Blicken bestraft. Er scheint nicht besonders gern auf Arbeit zu gehen...
Die Streiterei der Eltern finde ich sehr gelungen, denn diese Art von kleinen Streits gibt es fast in jeder Familie und es handelt sich auch nur um eine Kleinigkeit, die eigentlich egal ist.
Das mit dem Schnell Auto fahren mag ich besonders, da ich das auch ganz gerne mache. Vor allem in den Kurven^^
Dank ihres Bruders darf Maya Eis kaufen. Na ja, es gibt schlimmeres. Und außerdem kann sie sich so ihren 'Traum' erfüllen. Nur leider hat sie gerade Gegenverkehr...

Alles in allem finde ich den ersten Teil deiner Geschichte sehr gelungen. Die Charaktere sind realistisch und waren mir auf anhieb sympatisch. Auch das soziale Umfeld ist gut gewählt.

Aber am Schluss sind mir ein paar Kleinigkeiten aufgefallen. Maya ist gerade erst sechzehn geworden, richtig? Wie kann es sein, dass sie da mit dem Auto (ich gehe davon aus, da du kurz zuvor geschrieben hast, dass sie schnell Auto fahren will) Eis kaufen fährt? Ich glaube nicht, dass ihre Eltern sie schwarzfahren lassen.
Falls das Fahrzeug kein Auto ist, solltest du das besser dazuschreiben. Moped darf man ja auch schon ab 16 fahren.
Und wie kommst du dazu, den gegenverkehr als 'er' zu bezeichnen. Wäre da Fahrzeug oder Auto nicht vielleicht besser angebracht?
Du solltest den letzten Abschnitt noch einmal überarbeiten:
Als sie später am Abend - es war schon dunkel und zu dieser Zeit befand sich für gewöhnlich niemand mehr auf den Straßen -, durch die Vorstadt fuhr,...
Zwischen Straßen und durch reicht es, wenn du es mit einem - trennst. Das Komma danach st völlig überflüssig. Und auch bei Sie wurde mutiger, und trat auf das Gaspedal. muss das Komma weg.
Ansonsten habe ich keine Fehler gefunden. Nur diese zwei Kleinigkeiten am Schluss.

Aber solche Kleinigkeiten passieren jedem Mal.^^
Und das ändert nchts daran, dass deine Geschichte sich eben einen Platz in meiner Favo-Liste verdient hat.

Seira


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