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Momente, die entscheiden.
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Zerstörung der G.

Sie hatte sich über all die Jahre selbst zerstört, das wusste sie ganz genau. Sie wusste es schon seit vielen Stunden. Tagen. Wochen. Jahren. Doch nie hatte sie etwas dagegen unternommen. Wozu auch? Diese Zerstörung war ganz still und heimlich abgelaufen und war nicht einmal so schmerzhaft, wie manch einer vielleicht angenommen hätte. Nein, ganz und gar nicht. Niemals hatte sie Schmerz empfunden in diesen letzten Jahren. So etwas wie Schmerz ließ sie schon lang nicht mehr an sich heran. Sie wusste immerhin zu genau, wie man ihn vertreiben konnte. Ein stummer Schrei. Ein schneller Schlag. Ein kurzer Schnitt. Und schon war er wieder weg, der Schmerz. Selbst er wollte ihr dann keine Gesellschaft mehr leisten. Das mochte niemand so recht, doch das konnte sie verstehen. Wer will schon bei jemand sein, der sich selbst zerstört? Niemand, genau.
 

Auch das wusste sie schon lange. Doch sie war nicht einsam, schon lange nicht mehr. Dieses Wort kannte sie schon gar nicht mehr, ebenso wenig, wie sie noch Schmerz kannte. Auch die Einsamkeit vermochte ihr keine Gesellschaft zu leisten und zog mit dem Schmerz Arm in Arm von dannen. Die beiden wankten ein wenig, als sie sie verließen. Ob das am Rotwein lag? Halt, was für ein Rotwein?
 

Sie sah an sich herunter und betrachtete ihre geballte Faust. Kleine filigrane Splitter waren zu erkennen, die noch immer in ihrer Hand steckten und schwach im Neonlicht, das eiskalt von der Decke strahlte, aufblitzten. Nein, das war kein Rotwein, das war Blut. Sie öffnete die Faust und betrachtete die roten Fäden, die langsam ihre Hand und ihren Arm hinunter liefen, fasziniert. Auch wenn sie nicht zum ersten Mal Blut aus ihren Wunden fließen sah, so hatte sie es doch noch nie in diesem grausamen Neonlicht betrachtet. Anstatt wie heißer Saft puren Lebens wirkte ihr Blut nur noch kalt und erloschen. Erloschen wie das Feuer, das einst in ihrem Herzen brannte, als sie den Schmerz noch kannte.
 

Sie nahm die Hand herunter und sah sich um. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass ihre Beine sie nicht mehr gehalten hatten und sie zusammengesunken war. Rastlos wanderte ihr Kopf umher und ihre Augen wurden von den aufblitzenden Spiegelscherben geblendet, die vor ihr lagen. Dieselben Scherben hatten schon in ihrer Hand geblitzt. Was war passiert?
 

Ach ja, sie hatte sich selbst zerstört. Und sie hatte den Spiegel geschlagen, weil sie den Anblick dieser jämmerlichen Person nicht mehr ertragen konnte. Blasses Kind mit toten Augen. Das wollte sie nicht sehen. Doch dieses Mädchen wollte nicht weggehen. Sie hatte die Kleine sogar angeschrien, doch das blasse Ding hatte nur zurückgeschrien und eine Fratze gezogen. So eine Frechheit wollte sie nicht auf sich sitzen lassen und hatte den Spiegel zerstört.
 

Sie hob den Kopf und sah den leeren Fleck, wo einst der Spiegel gehangen hatte. Die weißen Fließen grinsten sie frech an und wirkten trotzdem wie pures Eis in dem toten Neonlicht. Sie mochte weiß nicht und deswegen stand sie auf, um auf die Wand zuzugehen. Die Scherben bohrten sich arrogant in ihre Sohlen, doch das störte sie nicht. Sie war ja schon zerstört. Was konnten da schon ein paar Scherben ausmachen? Sie hob den blutigen Zeigefinger und schrieb in tiefroten Lettern ihren Namen auf die Fließen, die nicht weiß sein sollten: »Greta.«



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