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Der zerbrochene Schädel

... Oder auch: Warum Lehrer gemein sind.
von

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Mein gemeiner Lehrer

"Und das war's für heute. Nanaka? Dürfte ich dich gleich sprechen?"

Mein Herz zersprang fast, stieg mir bis in den Hals und hing dort wie ein Kloß, als mein Lehrer diese Worte aussprach. Hinter seiner Brille verbargen sich die Augen, die immer mit einem kühlen Blick in die Klasse sahen. Lediglich, wenn er in seinem Element war, schien dieser Blick zu schwinden. Dann, wenn er sich in Erklärungen der Biologie verrannte, ihn nichts mehr halten konnte, und die Klasse trotz der Fachbegriffe am Ende alles verstand. Er war so ein wundervoller Lehrer.

Und ob seinem häufigen Mangel an Emotionen sah ich nun, dass es etwas war, dass ihn sichtlich zu stören schien. Ich wusste, was es war, und doch versuchte ich, so zu tun, als hätte ich keine Ahnung. Vielleicht war es doch etwas ganz anderes gewesen, als ich gedacht hatte. Ja, vielleicht wollte er mit mir gar nicht über diese Sache sprechen.

"Nanaka?"

"Ja, Herr Katano..."

Mit Beinen wie aus Pudding erhob ich mich von meinem Platz, sah mich selber, als würde ich auf ihn zuschweben. Meine Hände waren kalt, schwitzig, meine Augen brannten. Meine Klassenkameraden schienen sich doppelt so schwer zu bewegen, wie ich. Sie waren schon nicht mehr in der Klasse, als ich auf den Stuhl sank, den Katano vor sich gestellt hatte. Er saß dort, mit überschlagenen Beinen, schob seine Brille zurecht.

Mir war, als würde ich gleich zusammenbrechen, doch ich beherrschte mich.

"Ich muss mit dir über etwas sehr wichtiges reden."

Meine Kehle zog sich zusammen. Alles in mir.

Meine Augen wurden feucht und meine Hände so kalt, dass ich Angst hatte, dass sie gleich sichtbar einfrieren würden. Ich hasste es, Ärger mit Lehrern zu haben. Ich mochte überhaupt Ärger nicht wirklich. Ich war nicht der Mensch, der es darauf abgesehen hatte, mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen. Tatsächlich hatte ich nicht einen Bekannten, niemanden, den ich einen Freund nennen konnte.

"Kannst du es dir schon denken?"

"Herr Katano... Es tut mir... So Leid... Ich wollte das alles doch nicht...", gab ich mit stockender Stimme Preis. Dann kamen einfach die Tränen aus meinen Augen, flossen meine Wangen hinab.

"Was...?"
 

So gestand ich ihm alles.

Es war vor zwei Tagen und ich war noch in der Schule, musste den Biologie-Lagerraum putzen, seitdem wir einen Aufräum-Dienst ernannt hatten. Mit Eimer und Lappen öffnete ich die Tür, schaltete das Licht an. Blitzartig erhellte sich der Raum und ich begonn, die Tische zu putzen, dann den Boden. Erst im letzten Moment fiel mir das Skelett in der hintersten Ecke auf. Es war staubig. Ich wusste, wir würden bald damit arbeiten... Natürlich wollte ich es säubern.

Ich wollte eine gute Schülerin sein!

... Nicht zuletzt, wegen meines Lehrers.

Ich bewunderte ihn. Er war oft so ungezügelt und ich fühlte mich so wohl in seinem Unterricht. Das tat ich in keinem anderen Unterricht, den ich besuchte. Alle anderen ignorierten mich, immer. Auch die Lehrer. Doch Herr Katano war nie so. Er war immer sehr ruhig und fragte mich, ob ich nicht auch etwas zum Unterricht beitragen wollte. Und wenn ich es verneinte, war das auch in Ordnung.

Es war, als wäre ich in einer wundervollen Schule.

Bis ich den Unterricht verließ.

Ich wollte perfekt für ihn sein. Ich legte also den nassen Lappen auf den Kopf des Skeletts, begonn, es abzuwischen. Und, als ich fast fertig war, geschah das Missgeschick, dass mich nun zum Weinen brachte. Ich stieß den Halter an, der Körper fiel hin, ich konnte ihn gerade noch retten.

Dann ein Knall.

Der Schädel lag unten. Zersplittert in Tausende von Teilen. Ich bekam Panik, ich schob die Stücke bei Seite, verließ den Ort.
 

"Ich bin untröstlich... Bitte vergebt mir, Herr Katano. Ich wollte das nicht... Ich... Ich werde alles bezahlen..."

Er sagte nichts...

Hasste er mich nun?

Ich hob den Blick und sah ihn lächelnd vor mir, als er eine Hand in mein Haar legte, nur einen Moment zärtlich hindurch fuhr.

"Halb so schlimm, Nanaka. Du musst nichts bezahlen... Das war ohnehin schon ein ganz altes Modell. Keine Sorge..." "A-Aber wenn ich nicht zahle, dann müssen Sie oder die Schule dafür aufkommen... Ich... Ich werde das bezahlen, in Ordnung?"

Er seufzte, trotz meiner Versuche, es wieder gut zu machen.

"Wenn du es unbedingt wieder in Ordnung bringen willst..."

Ich ballte meine Hände zu Fäusten, blickte ihn energisch an. Ich würde alles tun, was er wollte, damit ich nicht in seiner Schuld stand und ich hoffentlich keine Sechs bekam. Und, damit er mich vielleicht etwas mehr mochte.

"... Dann kleben wir den Schädel nun gemeinsam. Ja?"

Ich nickte, stand sofort auf. Er betrachtete mich voll Argwohn, belächelte mich, und sagte mir, dass ich sonst nie so voller Elan war in seinem Unterricht. Ein bisschen peinlich war das ja schon, aber ich tat einfach so, als hätte ich das nicht gehört.
 

Gemeinsam saßen wir nun da, eine und eine weitere halbe Stunde, im Biologie-Lagerraum. Wir unterhielten uns nur wenig, da er anscheinend nicht wirklich viel zu sprechen hatte, stattdessen waren wir damit beschäftigt, zu kleben. Und endlich war der Schädel fertig. Herr Katano nahm ihn an sich, stellte ihn bei Seite.

"Und nun kommen wir zu dem, was ich eigentlich wollte..."

... Was?

Das...

Das...

Das... War gar nicht das, was wir besprechen wollten?

Er wusste gar nichts davon? Oh nein, wie peinlich. Sofort stieg mir die Röte in den Schädel, meine Augen begannen wieder zu tränen. "Oh nein, Nanaka, nur, weil deine Mitarbeit etwas nachgelassen hat, ist das doch kein Grund zu weinen.", wollte er mich beruhigen, tätschelte meinen Kopf, stierte mich schräg an. Sofort erhob ich mich wieder, wischte mir verstohlen über die Augen, blickte ihn vorwurfsvoll an.

"Sie haben mich... Sie... Sie Schurke!"

"Nanaka! Ohje... Nicht wegrennen..."

Und schon war ich aus dem Zimmer verschwunden.
 

... Und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihn morgen noch einmal sehen musste und, dass ich mich wohl nicht so beliebt damit machte, ihn einen Schurken zu nennen.

Ohje...

Ich hatte das Gefühl alles falsch zu machen.

Warum konnte mein Schädel nicht einfach so zerbrechen!?



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