Erinnerungen
Akemi,
gib deiner Schwester bitte diese Kassettenbänder, wenn sie alt genug ist. Bewahre sie sicher vor ihnen auf. Ich bin sicher, du verstehst. Danke.
Mama liebt dich.
Akemi starrte auf das zerknitterte Stück Papier. Selbst nach all den Jahren war Mamas chaotische Handschrift nicht verblasst.
Ein Nationalmuseum hätte das Papierstück nicht besser aufbewahren können, wie es Akemi getan hatte.
Okay, sie hatte es in ihre Geldbörse gestopft, nachdem sie diese Notiz bekam und es dort für einige Zeit vergessen. Für ein paar Jahre war dieses Stück Papier verlegt, schließlich fand sie es irgendwann.
Worauf es ankam; sie hatte es trotz des hohen Risikos aufgehoben.
Sie behielt es, um sich selbst an ihre Aufgabe zu erinnern, an die Grund zu leben … und Mama zu gedenken.
Sie erinnert sich nicht gut an Kaasan, doch sie erinnerte sich an Mama und liebte sie. Sie liebte Shiho-chan. Natürlich liebte sie auch Tousan, obwohl sie ihn nicht oft gesehen hatte.
Leicht schüttelte sie den Kopf, als würde sie damit verhindern, einzunicken.
Bei der summenden Heizung, den geschlossenen Vorhängen und einzig der brennenden Schreibtischlampe, war es nicht allzu schwer sich müde zu fühlen.
Dennoch war sie sich bewusst, dass sie nicht den Kopf schüttelte, weil ihre Augenlieder immer schwerer wurden, sondern weil sie ihre Gedanken von den belastenden Erinnerungen befreien wollte.
Bald, sagte sie sich selbst, bald. Bald würde die Dunkelheit enden. Bald würde die Traurigkeit vergehen.
Und morgen würde sie einem alten Freund einen Besuch abstatten.
Aus der offenen Schublade zog sie ein geöffnetes, braunes Päckchen und steckte die Kassettenbänder in einen wasserfesten Plastikbeutel. Als sie den Beutel verschloss, warf sie einen Blick auf das gerahmte Foto.
Es war das letzte Mal, das Shiho-chan in eine Camera blicken wollte.
Shiho-chan war etwa fünf Jahre alt und sie um die Zwölf. Ein bläuliches Blumenkleid tragend, stand sie dort mit hinter den Rücken gefaltenden Händen, hatte den Kopf zur Seite geneigt und einen hohen Pferdeschwanz.
Shiho-chan war in Jeans und einem einfachen, weißen Shirt gekleidet, hielt sich gebeugt und hatte die Hände auf den Knien platziert. Hinter ihnen ragte der Tokyo Tower. Akemi konnte sich nicht an die Person erinnern, welche das Foto schoss, aber es musste ein Tourist gewesen sein. Die Schwestern waren aus dem Haus geschlichen und hatten entschieden, das ein Foto ein gutes Souvenir für dieses Erlebnis war.
Das war das letzte Mal, dass sie Shiho-chan so glücklich gesehen hatte.
„Bald“, sagte sie entschieden. Sie nahm ihren Blick vom Foto und hob den Kalender von ihrem Schreibtisch. „Bald.“