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Jumays Kinder

Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs
von

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Entscheidung

Es war kalt. Der eisige Wind peitschte in unbekanntem Ausmaße über die weite Prärie und die Menschen des Schlangenstammes waren sich sicher, niemals einen solchen Winter erlebt zu haben. Ihre Hütten waren nicht für diese Witterung konzipiert und ließen sich die Belastung schon nach kurzer Zeit deutlich anmerken. Die bösen Geister zerrissen und zerfledderten die Felle und Häute, aus denen sie bestanden, so gut es ihnen mit ihren unsichtbaren Krallen nur möglich war, und ließen sie zugig werden und auskühlen. Und darin befanden sich noch immer die Verletzten des großen Angriffs.

Wenn es das einzige Problem gewesen wäre, hätte man sich dem gefügt. Doch was den Menschen nicht bekam, das wollte auch den Tieren nicht gefallen und so begann das Wild zu wandern in Richtungen, die es zu dieser Jahreszeit noch nie eingeschlagen hatte. Doch das Winterquartier durfte nicht so einfach verlassen werden; es war eines der höchsten Gesetze, dass das Land damit geehrt werden musste, eine gebührende Zeit lang in den jeweiligen Quartieren zu verharren. Und daran glaubte nicht nur Moconi fest.

So saßen sie nach kurzer Zeit in einem kalten Loch ohne Nahrung.

Und die Bestien gab es auch noch. Der Seher sagte, sie kämen zurück. Und daran wagte der Häuptling nicht im Ansatz zu zweifeln.

Ohnehin erschien es ihm doch mehr und mehr verlockend, dem klugen Mann zu vertrauen, wo er doch selbst mehr und mehr den Faden verlor und schließlich überhaupt keine Ahnung mehr hatte, was er zu seinem leidenden Stamm sagen sollte.

„Du siehst unsere Lage, Shiran.“, sprach er so an einem abermals eisigen Abend in der Versammlungshütte der besten Jäger, zu der auch der Magier Zutritt hatte, auch wenn er der wohl mieseste Jäger, der lebte, war. Es war angenehm warm dank eines Feuers im Zentrum des geschaffenen Raumes, doch auch etwas stickig, denn nicht der komplette Rauch konnte durch die kleine Abzugsöffnung entweichen.

„Sprich, wie sollen wir handeln?“

Der Seher saß genau auf der anderen Seite der Flammen, Moconi gegenüber. Abstruse Schatten zeichneten sich durch das Feuer auf seinem unverschämt wohlgeformten Gesicht ab, als er ernst antwortete.

„Ich bin ein Berater. So lange es eine höhere Instanz als mich selbst gibt, werde ich mir niemals eine Entscheidung anmaßen, Häuptling.“, stellte er zunächst klar, „Ich sage dir, was ich weiß. Was du daraus machst, ist deine Sache, der ich mich bereitwillig fügen werde. Ich will euch unterstützen, Menschen, nicht euch beherrschen.“

Einige skeptische Blicke wechselten zwischen dem Magier und Moconi, doch ersterer schien keinen Spott üben zu wollen und da das Oberhaupt des Stammes seinen Stolz wahren wollte, ohne sich zu blamieren, nickte es bloß knapp.

„Nun gut, das soll mir zugute kommen. Also sprich, was sagen deine Götter, wie ist die Lage?“

Darauf schien Shiran zufrieden zu sein. Er nickte, dann senkte er seinen Blick erst in die hellen Flammen, ehe er sprach.

„Das Wild wird Sanan leicht finden können. Es ist kein Problem. Aber es wird sich nicht mehr in dem Land des Winters befinden. Hier wird es nur noch wenig Kleinwild geben. Es wird der härteste Winter seit vielen Mondzyklen. Das kommt euch aber auch etwas zu Gute, denn die Berge werden bald nicht mehr passierbar sein, das heißt, die Kalenao können so schnell nicht wieder angreifen.“

Außer, sie würden ungewöhnlich schnell mit ihrem grenzenlos dämlichen Plan, sich Speere, wie die Menschen sie auch hatten, zu bauen, fertig werden. Vielleicht wäre es eine Erwähnung bei Moconi wert gewesen, was für eine intelligente Schwester er doch hatte. Am Ende jedoch hätte das möglicherweise nur dazu geführt, dass er Mahrran nicht mehr ernst genug genommen hätte und das wäre für den Stamm eine Katastrophe gewesen.

Wo er schon bei Katastrophe war, eine mittelschwere würde bald folgen. Er seufzte leise in sich hinein, als er dem Schicksal seinen Lauf ließ.

„Dann hilft alles nichts. Dann müssen wir dieses Land verlassen und dem Wild nach!“, schnaubte Karem, noch ehe Moconi sich zu der Prognose Shirans hatte äußern können, und dieser senkte empört die Brauen.

„Dieses Land zu verlassen kommt nicht in Frage. Dass du daran denkst lästert den Göttern bereits, Karem, das Winterland im Erdmond zu verlassen hätte nicht einmal mein Vater in seinen kühnsten Zeiten fertig gebracht und das will etwas heißen. Nein, es wäre unser aller Tod.“

„In gewissem Maße muss man die Tradition einfach wahren, Karem.“, warf auch Dherac murrend ein und die anderen Anwesenden nickten zustimmend.

Karem zischte bloß verächtlich.

„Was ist denn, Seher, wäre es wirklich eine solche Sünde, dieses Land in einer solchen Situation zu verlassen? Ich sage, wir dürfen uns von diesem Land nicht töten lassen!“

„Wenn du das sagst.“, erwiderte Shiran darauf abwesend, ohne aufzusehen.

„Ja, das sage ich!“

Der Jäger erhob sich entrüstet, was ihm durch die Größe der Hütte sogar einigermaßen bequem möglich war, und sah sich unter seinesgleichen um. Er schien entsetzt.

„Was, bei allen Göttern, wollt ihr tun? Ihr habt es gehört und wenn ihr nach draußen geht, dann seht ihr es mit eigenen Augen! Wir haben keine Nahrung mehr! Die Vorratsgruben sind beinahe leer, wovon wollt ihr denn leben? Von den sauren Bruchbeeren? Mehr wächst hier ja nicht! Die meisten Pflanzen sind in diesem Erdmond gar nicht aufgegangen! Wir können doch nicht einfach hier verweilen, bis wir alle tot sind!“

„Bis wir tot sind!?“

Moconi erhob sich ebenfalls. Karems Geste war eine direkte Beleidigung an ihn gewesen, er hatte ihm sehr deutlich gemacht, dass er seine eigene Meinung über die des Häuptlings stellte und das war an sich eine Schande, wie er sie nicht im Ansatz hätte dulden dürfen. Vielleicht tat er das auch nicht.

„Wenn wir im Erdmond dieses Land verlassen, Karem, dann sind wir des Todes! Einen solchen Traditionsbruch hat nicht einmal mein Vater gewagt... und das will etwas heißen, ich werde mich dem definitiv anschließen. Ich weiß noch nicht, wie wir es machen werden, aber wir haben schon mehr harte Winter überstanden als diesen hier, auch wenn bisher keiner an ihn heranreicht.“

Er seufzte, scheinbar zufrieden mit sich selbst und setzte sich wieder an seinen Platz, die Arme vor der Brust verschränkend. Dann schenkte er seinem wohl ärgsten Widersacher einen Blick, der so scharf war wie seine Speerspitzen aus Obsidian.

„Aber wenn du der Meinung bist, ich beginge einen Fehler, Karem, dann hast du meine Erlaubnis, diesen Stamm mit allen, die du zu den Deinen zählst, zu verlassen. Viel Glück.“

Die Jäger zogen überrascht die Luft ein. Shiran rührte sich nicht.

Es war eine offene Herausforderung gewesen, ein Appell an den Mut des Älteren. Wenn er sie ablehnte, beschämte er sich und seine Familie damit auf ewig. Tat er es nicht, ging er in den sicheren Tod – selbst, wenn er recht hatte und es eine gute Sache war, dem Wild einfach zu folgen, so würde eine so kleine Gruppe Menschen nicht lange in diesem gefährlichen Land überleben können. Zumindest nicht allein.

Und das wusste der Mann auch. Er fletschte ohne es zu merken verärgert seine unverschämt gut gewachsenen, fast weißen Zahnreihen, während er offensichtlich gedanklich abwog, was es nun zu erwidern galt. Shiran hatte unterdessen das Bedürfnis, ihm einmal kräftig auf den Mund zu schlagen, ignorierte es aber gekonnt.

„Gut.“, zischte Karem dann auch und alle Blicke lagen gespannt auf ihm, „Ich... warte noch ein paar Tage. Nicht viele, nur ein paar. Vielleicht fällt dir ja noch etwas anständiges ein, was mich dazu bewegt, bei euch zu bleiben. Ich möchte schließlich nicht ausschließen, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt... wir haben schließlich einen klugen Häuptling. Und wenn der nicht reicht... dann haben wir doch noch unseren Seher, nicht?“

Er grinste letzteren breit an. Shiran zuckte bloß kurz mit einem Mundwinkel.

„Esat vet anet werat, ot faresca Rehm mece vet taronas, keruras tèv.“

Kajira und Sanan, auf deren Anwesenheit der Magier an diesem Tag bestanden hatten, blickten ihn zunächst aus großen Augen an, dann misslang es ersterem, sein Lachen zu unterdrücken und letzterer schüttelte bloß empört den Kopf.

Karem hob irritiert beide Brauen.

„Was... genau hast du da gerade gesagt? Hey, hör auf zu lachen dahinten!“

Kajira reagierte nicht. Sanan brummte.

„Wie respektlos.“

„Hast du das verstanden?“, warf Moconi verblüfft ein, und der Jüngere errötete und schüttelte den Kopf.

„Nein, ich meine... es ist respektlos, einfach irgendetwas zu sagen, obwohl man genau weiß, dass der andere es nicht versteht.“

Damit gab sich der Häuptling zufrieden. Er ignorierte Shiran, der nur leicht vor sich hin grinsend wieder in die Flammen starrte und Kajira, der dem Mann auf seiner Sprache irgendetwas höchst amüsiert zurief und wandte sich wieder an den verärgert den Kopf schüttelnden Karem.

„Nun gut, meinetwegen. Wie gesagt, ich stelle es dir frei.“, er nickte den Reihen an Jägern zu, „Ich denke, das ist genug für heute. Morgen treffen wir uns wieder und ich hoffe, bis dahin hatte einer von uns einen guten Einfall, den er mir dann mitteilen kann.“

Auf seine abschließenden Worte erhob man sich und verließ nach und nach die Hütte, bis nur noch Shiran und Moconi in ihrem Inneren waren. Als ersterer ebenfalls gehen wollte, hielt der Häuptling ihn am Ärmel noch einmal zurück.

„Und du hör auf, Leute, die viel dümmer sind als du, zu beleidigen.“
 

„Dein riesiges Mundwerk wird uns alle umbringen! Es wird uns umbringen, du dummer Mann!“

Karem ließ zu, dass seine kleine Frau ihm vor all ihren Kindern ins Gesicht schlug. Und Ardoma war nicht schwach. Dennoch hatte er das Gefühl, sie täte zu wenig.

„Aber... was hätte Vater sonst tun sollen?“, wagte Suale, ihr ältester Sohn nach Joru, sich vorsichtig einzumischen. Er würde bald seinen nächsten Jahrestag feiern und kurz darauf zu einem erwachsenen Mann werden. Und es würde ihm weitaus besser gelingen als seinem längst verstoßenen Bruder, denn im Gegensatz zu diesem war er tapfer und geschickt.

Die Frau zischte wie eine Schlange, als sie sich so abrupt zu ihm umdrehte, dass ihr langes schwarzes Haar durch die Luft wirbelte. Die jüngeren Kinder wichen in die letzte Ecke der relativ geräumigen Hütte zurück.

„Was, Suale, verstehst du davon? Hat dein Vater auch nur einen einzigen, nennenswerten Grund gehabt, Moconi ins Wort zu fallen? Hat er? Ich glaube nicht!“

„Aber meine Worte mussten gesagt werden, dieser naive Dummkopf glaubt, alles würde schon irgendwie gut werden, wenn man sich nur an die Traditionen hält, das ist doch Quatsch.“

Karem sprach ernst und würdevoll, ließ sich seine vorangegangene Erniedrigung nicht im Ansatz anmerken, ebenso wenig, wie dass er seiner Frau in den meisten Punkten ihrer Anklage absolut recht gab.

Ardoma sah wieder zu ihm auf. In diesem Moment war ihr Gesicht so voller Emotionen, dass die anderen sie sicher nicht wiedererkannt hätten. Die beinahe schwarzen Augen weit aufgerissen, die Wangen gerötet... es gab vermutlich keinen Augenblick, in dem er sie mehr liebte als wenn sie so war.

„Natürlich hast du recht!“, schnappte sie dann und ihre Stimme klang mit einem Mal etwas brüchig, „Natürlich hätten sie auf deine Worte hören sollten... weil du der rechtmäßige Häuptling bist.“

Sie senkte ihr Haupt tief, sodass ihr langes Haar ihr ins Gesicht fiel und letzteres verdeckte.

„Aber sie hören nicht auf dich. Du hättest es ahnen müssen... jetzt müssen wir gehen.“

Sie sah wieder auf.

„Stolz über unser Leben, Karem.“
 

„Nicht, dass ich dir nicht absolut zustimmen würde, aber was du da gesagt hast war ziemlich dreist.“, Sanan seufzte, während er neben Shiran zu seiner Hütte ging, „Ich habe gar nicht gemerkt, dass es Himmelssprache war. Das war ganz schön brenzlig.“

Der Ältere grinste bloß leicht, die noch immer teilweise etwas verstörten Blicke der Menschen um sie herum ignorierend, als er an ihnen und ihren Hütten vorbeitrat.

„Und du bestreitest noch immer deine Herkunft, dummer kleiner Bruder. Ich spreche ständig die Himmelssprache mit dir, das fiel dir nicht auf?“

Der Jüngere hielt abrupt inne, mit großen blauen Augen zu ihm aufsehend. Nein, das war ihm bisher tatsächlich nie aufgefallen. Wie so vieles nicht.

Novaya und Semliya hatten es schnell gewusst, wie er erfahren hatte. Shirans exotische Haar- und Augenfarbe täuschte über ihre Ähnlichkeit hinweg, sie besaßen sogar beide das selbe, abstrus deformierte Gebiss. Ob letzteres wohl der Grund war, weshalb der Seher Karem als Angeber bezeichnet und angedroht hatte, ihm beim nächsten falschen Wort die Zähne auszuschlagen?

„Ich bemerke es.“, seufzte Shiran da und ging weiter, worauf Sanan beinahe gezwungen folgte, „Ich sehe, wie tief es dir zuwider ist. Aber ich möchte, dass du zumindest akzeptierst, dass du einer von uns bist... und nicht von diesen Primitiven hier.“

Er beschleunigte seinen Schritt, um dem Jüngeren das Wort abzuschneiden. Er wollte sich nicht anhören, zu wem er angeblich gehörte und dass sie nicht primitiv waren – er verstand ihn. Aber seine Haltung kränkte ihn dennoch.
 

Moconi war gleichermaßen irritiert und auch erfreut, als Tinash plötzlich vor ihm stand. Er hatte sich sowieso noch auf den Weg zu der Hütte seiner sehr schwer angeschlagenen Familie machen wollen, sich letztendlich aber irgendwie nicht getraut.

„Hast du mich gesucht?“, erkundigte er sich lächelnd und der Jüngere senkte den Blick verlegen.

„Ja, also... irgendwie schon.“

Er hatte natürlich an der Sitzung teilgenommen. Nicht, weil er ein überragend begabter Jäger war, sondern weil momentan nicht nur Teco, sondern auch Porit nicht dabei sein konnten. Ersterer würde vermutlich auch nie wieder zurückkehren.

Die schweren Wunden seines Vaters heilten erfreulicherweise erstaunlich gut, auch wenn der Mann seinen verletzten Arm nicht richtig bewegen konnte. Aber es war nicht sein Speerarm... sie waren guter Dinge, dass er im nächsten Wassermond wieder auf die Jagd gehen können würde.

Bei Teco sah das anders aus. Sein immer wieder zerfetztes, zusammengeflicktes, ansatzweise geheiltes und wieder zerstörtes Bein hatte kapituliert. Es heilte schlecht, nässte und eiterte sogar etwas, obwohl man es sehr sauber hielt. Es war zu nichts mehr zu gebrauchen.

In Tinash verkrampfte sich etwas, als er daran dachte, dass ein so starker, mutiger und begabter Mann wie sein Bruder von nun an so auf seine Hilfe angewiesen sein würde. Es war nicht gerecht.

Aber deshalb hatte er Moconi nicht gesucht. Er hatte das Gefühl, die Götter wollten einfach, dass er sich noch mehr Sorgen schaffte...

„Irgendwie?“, gluckste der Häuptling da und zerwuschelte ihm sein rotes Haar, „Wie darf ich das verstehen?“

Er errötete, ohne ihn anzusehen.

„Ich möchte dich bloß vorwarnen.“, entgegnete er dann und bemerkte dennoch aus den Augenwinkeln, dass der Ältere seine Brauen vor Irritation anhob. Er sprach besser gleich weiter, ehe der ihn noch falsch verstand...

„Wenn Karem sich wirklich dazu entschließt, dieses Lager zu verlassen, dann... werde ich vermutlich... demnächst eine Frau an mein Feuer nehmen.“

Das hatte gesessen. Als er sein Haupt vorsichtig wieder anhob, sah Moconi ihn an, als stünde er seiner längst verstorbenen Mutter gegenüber. Das konnte er ihm gewiss nicht verdenken, innerlich schaute er schließlich genau so dumm, peinlicherweise über seine eigenen Worte.

„Du... möchtest eventuell... eine Frau an dein Feuer nehmen? Eine Frau?!“, er schnappte nach Luft, dann kratzte er sich am Kopf, auf dem das extrem dichte, dicke dunkelbraune Haar wie so oft nach allen Himmelsrichtungen abstand, „Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, versteh mich nicht falsch. Freut mich ja... aber es wundert mich.“

Und wie ihn das wunderte, hatte Tinash ihm nicht vor höchstens einem Mond noch groß und breit erklärt, warum das nichts für ihn war und vermutlich auch niemals etwas für ihn sein würde? Wie seltsam, auch wenn er es natürlich begrüßte.

„Jetzt heiratest sogar du vor mir, ach Himmel.“, er schüttelte den Kopf und der Jüngere lächelte mitleidig. Er hatte es aber auch nicht leicht.

Eigentlich hatte Tinash nicht ernsthaft vorgehabt, Lauys Bitten wirklich nachzukommen – so lange sie sich noch so dumm stellte, konnte ihr schließlich nichts geschehen. Aber wenn Karem das Lager mit „denen, die er zu den Seinen zählte“ verließ, würden sowohl seine älteste Tochter, als auch sein Schwager mitgehen, so viel war sicher. Und dann würde es keinen Ausweg mehr geben...

Verdammt, sie hasste Randary so, wie hätte er zulassen können, dass sie in seine Finger geriet, wo sie ihn doch so respekt- und liebevoll behandelte?! Er konnte es nicht... er würde sie beschützen.
 

Es gab keine ernsthafte Lösung für die Probleme des Stammes, stellte man fest, als man sich schließlich wieder zur Beratung traf. Der Vorschlag, nur eine Hand voll Jäger kurzzeitig aus dem Land des Winters zu schicken, um für den Stamm zu jagen, fand am meisten Anklang, auch wenn sich nicht klären ließ, wie nur wenige Männer einen ganzen Stamm versorgen sollten – und wie sie eine ausreichend große Beute bitte zu ihm bringen sollten.

Karem jedoch ließ das keine andere Wahl. Er schnaubte.

„Dann werde ich wohl gehen.“

Er hatte keine Zeit, sich über Tinashs entsetzten Ausdruck zu wundern, als alle Blicke, teilweise geschockt, teilweise ergrimmt auf ihm ruhten.

„Der Mann stellt seinen Stolz höher als er selbst groß ist. Das kann er machen, besonders in einer Zeit, in der es dem Stamm so gut geht wie jetzt – da brauchen die Brüder ja keine Hilfe.“, spottete Dherac als erster und verengte die blauen Augen zu Schlitzen, während er Karem herablassend von der Seite musterte. Moconi hob kurz die Brauen über seine Bemerkung – sie war nicht unwahr und dennoch hätte sie ihn schmunzeln lassen, wenn die Lage nicht gerade so bitter gewesen wäre. Die losen Zungen hatten Novaya und Semliya nicht zufällig, sicher nicht...

„Sieh dich zu nichts gezwungen.“, flötete er so, innerlich aus unerfindlichen Gründen erheitert, „Ich meine, wenn dir das Risiko zu groß ist...“

„Das Risiko, meine gute Familie diesem dem Tode geweihten Stamm mit dem törichten Häuptling und dem zwielichtigen Seher auszusetzen, das ist mir zu groß, das kann ich nicht zulassen!“

Er erhob sich.

„Ich werde wie angekündigt alle mitnehmen, die ich zu den Meinen zähle.“, er deutete auf Kajira, „Der da gehört nicht dazu.“

Moconi seufzte. Irgendwie hatte er das Gefühl, das war ein Moment, in dem es sich nachzugeben gelohnt hätte. Karem war ein ausgezeichneter Jäger, aus seinem ältesten Sohn wäre schon sehr bald einer geworden und möglicherweise nahm er auch noch seinen Schwager mit – ein herber Verlust in dieser schweren Zeit, wie Dherac rasch bemerkt hatte.

Aber irgendwie hatte er nicht wirklich Lust dazu. Vielleicht war es kindisch, aber das war dieser Mann auch – letztendlich würde er es sein, der von dieser Sache mehr Nachteile hatte als der Stamm, er hätte nicht unnötig viele Gedanken an diese Sache verschwenden sollen, es gab genügend andere, wichtigere Dinge, die seine volle Aufmerksamkeit verlangten.

So nickte er bloß leicht lächelnd.

„Deine Tochter, Dherac, versteht sich gut mit dem da, ist in eurer großen Hütte vielleicht noch ein klein wenig Platz frei?“

Kajira, der wohl irgendwie ahnte, worum es ging, plapperte darauf aufgeregt los, worauf Shiran sich wohl zum Übersetzen angehalten fühlte.

„Er meint, ihr könntet ihn ruhig ganz gehen lassen, er würde kein Wort von dem, was er hier mitbekam, weiter verraten.“

„Und am Besten begleite ich ihn noch, das kann er ja vergessen!“, schnarrte Karem darauf und verschränkte missgelaunt die Arme vor der Brust, obwohl es ihn an sich gar nicht mehr direkt betraf, was mit dem Magierjungen geschah.

Der Seher hob darauf nur eine Braue, erhob sich dann jedoch zur Überraschung aller. Er wollte für etwas einstehen?

Moconi war nicht ernsthaft verwundert, Karem war er nie so ganz wohlgesonnen gewesen, das hatte man leicht erkennen können. So beobachtete er bloß interessiert, was geschah.

„Egoismus ist letztendlich das, was irgendwann einmal siegen wird, nicht wahr, Karem? Das glaubst du und du hast damit tatsächlich recht.“, er strich sich eine seiner ungewöhnlich langen Haarsträhnen aus dem Gesicht und einige der Anwesenden erschauderten unter den seltsamen Worten, die der Mann in seinem noch sehr viel seltsameren Akzent zu ihnen sprach, „Doch bist du damit noch etwas zu früh an, dummer Mann. Nicht in unserer Welt, die wir kennen und nicht bei jemandem wie dir wird das stimmen, Karem. Mit anderen Worten, ich weiß, dass ich es nicht verhindern kann, aber ich heiße weder deine Entscheidung, zu gehen, noch deine Reaktion auf Kajiras Bitte hin gut. Zudem hätte er gar nicht mit dir gewollt...“

Er grinste leicht, als kurzzeitig Schweigen die Hütte erfüllte. Karem senkte grimmig seine Brauen. Dann grinste er jedoch auch.

„Tut dir die Intelligenz, die du zu haben glaubst, eigentlich irgendwann auch einmal weh, Bestie?“, wollte er wissen, „Um ehrlich zu sein schert es mich einen Dreck, was du denkst oder was dieser Haufen von Narren hier tut. Und jetzt... wie würdest du das sagen? Entschuldige mich...“

Er bewegte sich auf den Ausgang zu, hielt kurz vor dem Verlassen der Versammlung jedoch noch einmal inne und sprach zu dem Seher, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen.

„Ehe ich es vergesse, Bestie. Sag mir, was deine Eltern mit dir falsch gemacht haben, damit ich es nicht versehentlich bei meinen Kindern auch so mache...“

Die Jäger verstanden nicht, worauf ihr nun wohl ehemaliger Jagdbruder anspielte und Moconi legte unbewusst kindlich seinen Kopf schief, als er irritiert zu dem erröteten Shiran blickte, der darauf dann zischte wie eine Schlange.

„Sorge dich nicht, Karem. Meine Zähne tun das, wofür sie gemacht wurden, sehr gut. Wenn du nicht gleich verschwindest, beweise ich es dir auch gern...“
 

Tinash fühlte sich schwindelig, als er die Versammlungshütte wenig später ebenfalls verließ. Er hatte sich das genau überlegt, aber er hatte doch nicht miteinkalkuliert, dass es wirklich geschehen würde. Verdammt, er wollte keine Frau an seinem Feuer... aber er wollte auch nicht von seinem schlechten Gewissen getötet werden. Außerdem hatte er sein Vorhaben bereits mehr oder weniger ausgesprochen, er musste zu dem stehen, was es gesagt hatte.

Er musste es tun. Sofort, ehe er es sich anders überlegte!
 

Er hatte Karem erst eingeholt, als der seine Hütte gerade erreicht hatte. Der Mann schenkte ihm einen mehr als nur grantigen Blick – kein Wunder, der Zeitpunkt, zu dem er hier ankam, war ja auch mehr als nur ungünstig. Vielleicht hätte er es schon früher tun sollen...

„Ich habe wichtiges mit meiner Familie zu besprechen!“, schnaubte der Ältere, als er Tinash bemerkte. Zeitgleich kam auch Ardoma aus der Hütte, die skeptisch die Arme vor der Brust verschränkte.

„Ich... kann es mir denken, darum geht es auch etwas, irgendwie.“, erwiderte sein Gegenüber darauf und klang zu seinem Bedauern nicht halb so sicher und entschlossen, wie er sich das ausgemalt hatte, „Ich... will nicht lange herum reden. Ich befürchte nur, wenn ihr den Stamm verlasst, dann... alle von euch. Das... kann ich so nicht zulassen, deshalb wollte ich dich darum bitten, Karem, … dass ich Lauy an mein Feuer nehmen darf.“

Er wusste nicht, wer ihn in jenem Augenblick dämlicher anschaute. Er registrierte bloß, dass sich Ardoma als erstes wieder fing und sich darauf ungewöhnlich steif zum Eingang ihrer Hütte bückte und nach ihrer ältesten Tochter rief, die kurz darauf erschien und den Kopf schief legte, als sie Tinash vor ihrem Vater entdeckte.

Letzterer fasste sich, durch diese Überraschung tatsächlich leicht grinsend, an den Kopf.

„Seltsame Dinge geschehen an diesem Tag!“, rief er aus und der Jüngere dachte bei sich, dass er recht haben musste, als er registrierte, dass Ardoma Lauy tatsächlich in die Arme geschlossen hatte. Irgendwie... besitzergreifend. Das Mädchen schien von der Geste ebenso irritiert, sagte aber kein Wort und erwiderte sie stumm.

„Also, langsam, nur um sicher zu gehen, dass ich mich nicht gerade eben verhört habe, oder so.“, gluckste Karem da, „Du... möchtest, dass Lauy deine Frau wird?“

„Such dir eine andere! Sie ist ein Kind, sie wird dir keine gute Frau sein!“, zischte Ardoma darauf gewohnt leise, aber ungeahnt aggressiv und drückte ihre Tochter weiter an sich. Ihr Mann ignorierte sie.

„Es überrascht mich, dass... du eine Frau an deinem Feuer haben möchtest. Nicht, dass es mich nicht freut, aber es überrascht mich. Ich muss dich allerdings enttäuschen, Lauy ist noch ein Mädchen.“

Er sah zu seiner Tochter, die darauf den Kopf hob.

„Nein... nein, Vater, ich bin schon eine Frau. Seit kurzem... ich kann zu Moconi!“

Ihre Mutter schlug ihr an den Hinterkopf.

„Sprich keinen Unfug!“, forderte sie und errötete. Sie hatte ihre Blutung auch lange verheimlicht...

„Hör nicht auf das Kind.“, seufzte Karem darauf auch und schüttelte den Kopf, „Und selbst wenn... Lauy ist nicht so wie normale Mädchen. Sie ist anders, sie wird im Geiste ein Kind bleiben. Du bist ein passabler Jäger und hübsch dazu, suche dir ein anderes Mädchen, Tinash. Hier gibt es genug, aber nicht Lauy.“

Tinash sah die Familie verblüfft an. Hier lief irgendetwas falsch. Zu seiner Irritation schien es Lauy auch zu verwirren, sie schenkte ihm bloß einen fragenden Blick, als er sie kurz ansah.

„Aber... ihr seid nicht immer da. Sie muss doch an irgendein Feuer, oder nicht?“, wagte er zu fragen und Ardoma antwortete prompt, ohne ihn dabei anzusehen.

„Sie kann zu meinem Bruder. Er ist jünger als ich, er wird gut zu ihr sein, auch wenn sie nicht gut zu ihm sein kann. Geh, Tinash.“

Erst als Karem seiner Frau einen wütenden Blick zuwarf, bemerkte der junge Mann den Fehler, den die Frau gemacht hatte, während sie ihm geantwortet hatte.

Die Tradition schrieb vor, dass eine Frau nur zu einem Verwandten ans Feuer durfte, wenn es keinen anderen Mann gab, der für sie sprechen wollte. Und den gab es in diesem Fall.

Tinash grinste.

„Aaah.“, kommentierte er gedehnt, „Das geht so aber nicht. Ihr müsst sie mir geben. Moconi wird das bestätigen.“

Karem senkte brummend sein Haupt, während seine Tochter erstrahlte. Ardoma starrte bloß apathisch vor sich in die Luft.

„Ich... kenne die Regel, du Spinner.“, knurrte der Mann da und sah wieder auf, „Nun gut. Aber pass bloß auf sie auf, wage dich und krümme ihr ein Haar oder sei nur einmal schlecht zu ihr, glaube mir, ich werde es spüren und ich werde kommen mit meinem besten Speer, egal wo ich mich gerade befunden habe, und werde dir den Hals aufschlitzen, dich schlachten und an die Kojoten verfüttern.“

Tinash zweifelte nicht an seinen Worten.
 

Karem würde noch etwas länger bleiben. Er würde Lauy zu Moconi führen, damit der sie zu einer Frau machen konnte und dann die Zeremonie der Heirat begleiten, wie es seine Pflicht als Vater war.

Als Tinash nachdem er diesen schweren Schritt gewagt hatte zu seiner Familienhütte zurückkehrte, war es ihm, als sei er vollkommen benebelt. Was hatte er da nur getan?

„Ich weiß, dass ich eine wertlose Last bin, du könntest mich trotzdem grüßen.“

Er fuhr zusammen, als er die Hütte hatte betreten wollen und plötzlich eine bekannte Stimme direkt neben sich vernahm.

Teco saß am Eingang. Er hätte ihn an sich nicht übersehen dürfen. Jetzt hob sein älterer Bruder skeptisch beide Brauen. Irgendwie musste man ihm wohl ansehen, dass er ziemlich durch den Wind war...

„Was ist los?“

Er entschloss sich, sich ihm einfach sofort anzuvertrauen.

Sie waren von klein auf sehr verschieden gewesen. Teco war talentiert in allen Lebensbereichen. Er war laut, auffällig und bildschön. Kein Mann konnte besser aussehen als er.

Tinash hingegen war bis auf seinen roten Haarschopf immer unauffällig gewesen, weder besonders talentiert, noch völlig unbegabt, weder schön, noch hässlich. Sie hatten nichts, was sie verband, dennoch hatten sie sich immer gut miteinander verstanden.

So setzte er sich einfach seufzend neben ihn. Nebenbei fragte er sich, wie er wohl nach draußen gekommen war; sicherlich mit Hilfe.

„Ich bin... ganz verwirrt.“

Teco seufzte und sah in den Himmel.

„Warum? Was gibt es neues im Rat? Irgendetwas besonderes?“

Er hatte es so geliebt, im Rat zu sein. Er war der Jüngste gewesen... er war unmittelbar nach seiner Prüfung schon dabei gewesen und es hatte ihn so stolz gemacht. Er hatte gern mitentschieden und die anderen mit seiner Intelligenz beeindruckt... intelligent war er noch immer. Aber die Zeiten, in denen er das beweisen durfte, waren vorbei.

„Karem will tatsächlich gehen. Ja, und da... gab es doch diese Sache mit Lauy, du weißt schon. Ich meine... ich habe nachgegeben.“

Er errötete und senkte sein Haupt. Zu seiner Überraschung schien Teco nicht sonderlich überrascht zu sein, er sah ihn nicht einmal an, sondern grinste bloß.

„Damit habe ich gerechnet. Du und dein großes Herz... hoffentlich hast du dir da nichts zugemutet, was du nicht ertragen kannst... egal, wie es kommt, ich bin auf deiner Seite.“

Als Tinash ihn darauf dankbar ansah, senkte er den Blick.

„Ach ja, da war noch etwas.“, brummte er darauf, „Ich... muss noch zu Moconi. Also, ich möchte allein mit ihm sprechen, deshalb soll er nicht zu uns kommen. Leider kann ich aber nicht so einfach zu ihm, also...?“

Er schaffte es nicht, es auszusprechen. Er schaffte es nicht, nach Hilfe zu fragen. Es zerriss ihn innerlich, diese Schande.

Sein Bruder machte es ihm so leicht wie möglich, als er ihm einfach wortlos aufhalf und ihn dann so stützte, wie er es sich gewünscht hatte.
 

Es war nicht leicht. Obwohl die Hütte des Häuptlings nicht weit entfernt war, mussten sie öfters pausieren. Sie schwiegen, bis Teco kurz vor ihrem Ziel etwas sprach.

„Ich wünschte, ich wäre ein Kind. Dann dürfte ich einfach so weinen.“

Mehr sagte er nicht. Tinash wusste nicht, was er hätte erwidern sollen.

Moconi war zu ihrem Glück genau dort, wo sie ihn auch gesucht hatten. Dem Älteren gelang es tatsächlich allein, ins Innere der Hütte zu gelangen, wo sein Cousin ihn verblüfft empfing. Sein Bruder entschloss sich, auf ihn zu warten. Der Häuptling hatte sicherlich besseres zu tun, als Krüppel durch das Lager zu begleiten...

„Du hättest auch ruhig jemanden schicken können, ich wäre doch zu dir gekommen!“, begrüßte Moconi ihn verblüfft und legte seinen Kopfschmuck beiseite, den er gerade am reparieren war. Der Jüngere brummte und war so frei, sich auf den Schlaffellen niederzulassen.

„Nein, ich wollte mit dir unter vier Augen sprechen, Häuptling.“

Entgegen seiner Worte schloss er seine Lider jedoch und legte sich flach hin. Er war so furchtbar erschöpft... dabei hatte Tinash ihn quasi getragen. Wie peinlich.

„Nun gut, wenn du es sagst. Worum geht es?“

Er hörte, wie Moconi sich neben ihn setzte und nun vermutlich auf ihn herab sah. Als er die Augen wieder öffnete, zeigte sich, dass seine Instinkte ihn nicht ihm Stich gelassen hatten.

„Nun, es geht um... ach.“, Teco zwang sich dazu, sich wieder aufzusetzen, auch wenn ihm nach schlafen war. Dafür war er sicher nicht hergekommen. Bei seinem Cousin zu übernachten stellte er sich ohnehin etwas gruselig vor...

Er wandte den Blick ab, ehe er weiter sprach, und zog das gesunde Bein ein Stück an.

„Es geht um Calyri.“

„Oh.“, erwiderte der Häuptling wenig geistreich, dafür aber ernüchtert und hielt es für besser, ebenfalls irgendwohin zu sehen, wo es wenig interessantes gab. Der Jüngere fuhr fort.

„Ich kenne die Tradition und du kennst sie noch viel besser. Du hast Großvater immer mehr gelauscht als ich... jedenfalls weiß ich, dass ich kein Anrecht mehr auf sie habe. Das habe ich ihr auch gesagt, ich habe sie weggeschickt, wie du sicher mitbekommen hast.“

Das hatte er. Und er hatte nicht gewusst, ob er sich darüber hatte freuen sollen oder nicht. Schließlich war es nur ein trauriges Zeugnis dessen, was Teco in Zukunft bevorstand. Er würde zugrunde gehen... alle wussten es. Jeder im Stamm behauptete es. Und der junge Mann wusste es auch selbst. Es war nicht gerecht von den Göttern...

„Das habe ich zur Kenntnis genommen, ja.“

Er spürte, dass Teco ihn wieder ansah. Es war ein merkwürdiger, bitterer, aber auch sehr stolzer Blick, wie er von einem verwundeten Raubtier hätte stammen können, und er fühlte sich schwach, weil er es nicht schaffte, ihn zu erwidern.

„Nimm du sie dir. Keiner wird mehr schlecht über dich reden, du hast sie mir lang genug gelassen. Ich will nicht, dass eine so gute Frau wie Calyri am Feuer ihrer überfüllten Familienhütte auf ewig versauert, bloß weil wir uns nicht einigen konnten. Nimm sie, dann ist sie glücklich. Immerhin.“

Darauf sah Moconi wieder auf. Ungewohnte Worte von einem Mann mit einem für gewöhnlich so großen Mundwerk wie Teco es hatte. Gehabt hatte. Die Bestien hatten alles verändert. Er verabscheute sie...

„Bist du dir da sicher? Du bist sehr tapfer. Ich kann ihr auch anweisen, zu dir zu gehen und...-“

„Damit verstößt du gegen die Tradition, Cousin! Und das ist das Letzte, was dieser Stamm im Moment gebrauchen kann!“

Da hatte er leider recht. Je älter er wurde, desto mehr bemerkte Moconi zu seinem Entsetzen, dass sich die Tradition häufig nicht mit seinem Gewissen vereinbaren ließ. Wobei sie ihm dieses Mal sogar einen lang ersehnten Wunsch zu erfüllen schien...

„Ich... weiß ehrlich gesagt nicht, was ich tun soll. Vielleicht nehme ich Calyri zu mir... vielleicht auch nicht.“

Mehr vermochte er nicht zu antworten, als er sein Haupt unglücklich wieder senkte.
 

Es kostete die letzten Vorräte, die Feierlichkeiten zu Tinashs Heirat vorzubereiten. Man opferte sie gern, obwohl der junge Mann mindestens ein dutzend Mal erklärt hatte, es sei nicht nötig. Seine Entscheidung gab dem Stamm unbeabsichtigt wieder Hoffnung – ein neues Paar, vielleicht brachte das Glück und stimmte die Götter gütig mit ihnen, damit der nächste Mondzyklus besser begann, als der letzte zu enden schien.

„Alle betreiben so einen Aufwand wegen mir, das ist ja ganz furchtbar.“, jammerte der junge Jäger schließlich auch am Morgen des Tages, an dem es für ihn soweit sein sollte, während seine Mutter Tanest und seine Schwester Bylema ihn für das Ritual schmückten.

„So ein Unfug!“, schnaubte die Frau lächelnd, während sie ihm die wertvolle Weste richtete, „Ich verstehe zwar nicht so ganz, wie du darauf kommst, ausgerechnet Karems verrückte Lauy an dein Feuer zu nehmen, aber es macht mich glücklich zu sehen, wie aus dir ein richtiger Mann wird.“

„Wo ihr schon von einem richtigen Mann sprecht...“, Porit kam in seine Hütte geklettert und strahlte. Es ging ihm gut und er war glücklich, bloß dass sein Arm noch immer durch eine Lederschlinge gestützt werden musste, das war etwas unpraktisch, aber das ignorierte er an diesem Freudentag gekonnt.

„Ich habe dir viele Dinge zusammengetragen, du wirst dir und deiner Frau schon bald eine eigene Hütte bauen können. Ich meine, mit ihr bei uns zu leben, das ist kein Umstand.“

Tinash errötete. Selbst sein verletzter Vater bemühte sich so sehr um ihn!

„Jetzt schau nicht so deprimiert, heute ist ein guter Tag, du hast den ganzen Stamm glücklich gemacht!“

Als er seinem älteren Bruder in sein Gesicht blickte und ein Grinsen entdeckte, konnte er auch endlich lächeln.
 

Teco lag falsch, nicht der ganze Stamm war glücklich.

Lauy wäre es an sich gewesen. Niemand konnte sie nun mehr zwingen, zu Randary ans Feuer zu gehen! Und dieses seltsame Ritual, vor dem sie sich so lange gefürchtet hatte, hatte sie nun auch hinter sich... Moconi war sehr freundlich gewesen.

An sich hatte sie also allen Grund zur Heiterkeit, aber ein vollkommen fremdartiges, bedrückendes Bild direkt vor ihr ließ das nicht zu. Es war ihre Mutter, die sie feierlich herrichtete und dabei stumm, aber bitterlich weinte.

Ardoma hatte nie geweint. Sie hatte auch nie gelacht und für diese Gefühlslosigkeit hatte das Mädchen seine Mutter immer verabscheut. Sie war bestenfalls sauer gewesen und dann hatte sie sie geschlagen. Warum weinte sie dann jetzt? Resak war im Gegensatz zu seiner älteren Schwester wirklich etwas dumm, den konnte sie doch weiter verhauen, wenn sie fort war!

Sie entschloss sich, etwas zu sagen.

„Das wird eine gute Sache, Mutter. Wirklich!“

Und darauf fing sie sich eine schallende Ohrfeige. Ja, sie war sich sicher, sie verstand ihre Mutter wirklich nicht.

„Du dummes Mädchen!“, zischte sie gewohnt leise und ballte ihre schlanken Hände zitternd zu Fäusten, „Erst Joru, dann du! Ihr seid allesamt dumme und nichtsnutzige Kinder! Aber ihr seid meine Kinder! Ich will nicht, dass du gehst...“
 


 

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Lalala, eine Hochzeit... <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Linchan
2011-08-21T19:01:41+00:00 21.08.2011 21:01
...wir sind erst bei 27, omg, und erst ab 39 hab ich kommis vorgeschrieben q___q damned!

Äh, was war denn hier eigentlich? oô ach ja, Karem macht sich alle zum feind xD Karem ist irgendwie episch, ich mag ihn... und ach ja, da war die geile Szene mit den Zähnen, wo Shiran ihn so disst und Kajira sich totlacht XDDD hahaha XD

Ah hier gabs ja auch Karem-Familienszenen <3 Ardoma ist toll, ich mag sie irgendwie... aaaw <3 irgendwie sind Karem und Ardoma ja episch^^

Die Sache mit den Sprachen finde ich auch cool, also, dass Sanan die unterbewusst einfach kann un das garnicht merkt, aaaw <3 ach aaw... Sanan soll Shiran anherzen! óo

Hahaha. Tinash heiratet. ich finde das so süß... und Moconi denkt sich wtf xD ach mann lauy .///////. *wiegt sie jetzt mal* q__q! Aaaw, und Karem geht weg .___. irgendwie dramatisch die szene, fand aber gut óo aaw... aber hahahaha lol, Karem und Shiran lieben sich halt. Diese Zahnfetischisten XD.... haha XD

> „Nun gut. Aber pass bloß auf sie auf, wage dich und krümme ihr ein Haar oder sei nur einmal schlecht zu ihr, glaube mir, ich werde es spüren und ich werde kommen mit meinem besten Speer, egal wo ich mich gerade befunden habe, und werde dir den Hals aufschlitzen, dich schlachten und an die Kojoten verfüttern.“
Lool... oh noin, schlimme dinge sgat er óo ach aaaw, ich finde es so süß dass Ardoma Lauy anherzt und behalten will .____. alle haben lauy lieb, Lauy ist süß! óo Und Tinash auch, er herzt sie unschuldig an ^o^

Und Teco .___. Teco ist so toll, ich habe ihn lieb! Er ist so tapfer und arm .___. Wie er nicht wagt auszusprechen dass Tinash ihm helfen soll, das war echt ergreifend und niedlich irgendwie oò
> „Ich wünschte, ich wäre ein Kind. Dann dürfte ich einfach so weinen.“
.____.! der arme...

Ach mann, irgendwie eeh so viel mit Lauy zu lesen >/////< <3!! ich fand Ardoma in der letzten Szene toll und herz .//////. ich meine, das war so rührend óo
> „Erst Joru, dann du! Ihr seid allesamt dumme und nichtsnutzige Kinder! Aber ihr seid meine Kinder! Ich will nicht, dass du gehst...“
.////////. mochte! Liebt wenn Eltern ihre Kleinen anherzen óo Mochte Kapi viel <33 liebt! ^o^ Wow noch echt viele Kapis zwischen online und dem wo du jetzt bist... wtf was kam denn da alles dazwischen? XD *gar nicht mehr so genau weiß* xDD? ist gespannt <333


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