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Glimmstängel

von

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Papierberge

Da war sie also wieder. Meine süße, kleine Schreibblockade. Die mich zur Verzweiflung trieb, immer wenn ich meinem Redakteur einen Entwurf meines neuesten Buches vorlegen sollte, jedoch nichts, als sinnloses Herumgetippe auf meinem Laptop dabei zustande kam.

Dabei war ich weltberühmt, eine angesehene Autorin, eine mit Bestsellern in den Regalen der Buchläden. Eine, mit einer eigenen Homepage und einer großen Leser-Fangemeinde. Wenn die wüssten.

Ich nahm einen weiteren Schluck aus meiner Tequila-Flasche und zündete mir eine Kippe an. Weißer Qualm. Beruhigend. Jedoch nicht inspirierend.

Ich pustete die Luft aus.

Um mich herum das Dunkel. Stickige Luft, nur erfüllt von Zigarettenrauch, das stetige Brummen meines Ventilators, der diesen in mein Gesicht blies.
 

Ich saß auf meinem Schreibtischstuhl, eingehüllt in Berge von zerknüllten Zetteln und Entwürfen und mit sonst nichts am Körper, außer meinem Slip und einem alten Unterhemd, zum Arbeiten reicht mir das. Jenes, etwas Alkohol und weiße Glimmstängel der Hoffnung.

Daran kann ich mich halten, wenn ich beim Schreiben abstürze in ein tiefes Loch der Selbstverleugnung, daran hänge ich mich auf, nur so kann ich mich konzentrieren, ungeplagt von den ganzen Gedanken, die sonst durch meinem Kopf irren.

Oh ja, ich hatte einen Dachschaden, warum sonst sollte mich Richard grade anstarren ?
 

Ich drückte den Zigarettenstumpen auf einem schmutzigen Teller vor mir aus, als mich das Läuten meiner Klingel aus den Gedanken riss.

Natürlich.

Während ich mir mit meinen Füßen einen Weg zur Haustür freischob, hatte ich eine Ahnung, wer mich dort erwarten würde, denn meistens wissen die Menschen schon, wer gerade anruft oder wer an der eigenen Wohnungstür läutet, wenn man das Klingeln hört, jedoch machen sie sich keine Gedanken darum. Sie sehen nach, bis sie schließlich feststellen, dass sie schon längst gewusst hatten, welche Person am anderen Ende war. Telepathie oder so etwas Ähnliches muss das sein.
 

Als ich die Tür öffnete, brannte ein schmaler Strahl von hellem Tageslicht herein und eine kleine Person stürmte unbeachtet an mir vorbei in den luftleeren Raum. Dann blieb sie vor den Bergen an Abfall stehen und drehte sich zu mir um.
 

„Susanne!“, hauchte sie, „ wo sind die Entwürfe für das neue Buch, verdammt noch mal ?“ Die kleine Frau sah mich bitter an, mit schokobraunen Augen.
 

„Der Chefredakteur ist dabei, durchzudrehen! Denn bei uns im Verlag geht es wegen dir drunter und drüber ! Die Druckerei muss benachrichtigt werden, die Werbeabteilung braucht Materialien zum Bearbeiten, die Presse giert und hungert jeden Tag in der Warteschleife nach neuen Informationen.

Und, und, und.

Was soll ich denen sagen, wenn ich heute mit Nichts zurück komme ?“ Ihre Stimme klang schrill, aufgedreht durch Übermüdung und Stress.
 

„Herzlich Willkommen in meinem trauten Heim, Madame. Möchten Sie gerne eintreten ?“, merkte ich an, obwohl sich diese Person ohne meine Zustimmung bereits Zutritt verschafft hatte.
 

Ich ließ die Tür erstmal ins Schloss fallen und knipste eine kleine Lampe an der Garderobe an. Jetzt konnte ich ihr besser ins Gesicht schauen.

Die sonst unnahbare Marie trug an dem Tag dunkle Augenringe, ihr Gesicht war faltig und verkrampft, die Augenbrauen angestrengt zusammengekniffen. Die Frisur saß auch schon mal besser, ihre schwarzen Haare hingen in Strähnen an ihr herunter, jedoch wollte ich mir diesen Kommentar verkneifen.
 

„Ach. Ich arbeite daran, die Abfassung müsste bald fertig sein. Morgen oder so. Dann darfst du wiederkommen und sie abholen.“ Ich versuchte die miese Situation, in der ich mich befand, herunterzuspielen. Ob sie an meiner Stimme gemerkt hatte, dass ich noch beinahe nichts geschafft hatte ?
 

„Die Deadline !“, kreischte sie, „Sie war vor 2 Tagen ! Seid 2 Tagen sollte der Verlag sich um die Veröffentlichung deines nächsten Meisterwerkes kümmern ! Der Zeitplan ! Die Fans ! Die Presse ! Gott bewahre mich ! Der Zeitplan ist ein völliges Durcheinander !“ Sie stöckelte aufgedreht in meinem Flur hin und her, bis sie fast über einen der Papierberge fiel.
 

Jonathan. Aber das wusste sie natürlich nicht.

Wie hätte ein normaler Mensch auch verstehen können, dass ich den Müll in meiner Wohnung inzwischen richtig gern hatte, den kleinen und großen Anhäufungen von Papier liebevoll Namen gegeben habe, wie meinen Kindern, damit ich nicht ganz so einsam war, während ich schrieb.

Deshalb musste das dort Jonathan sein, der Berg vor meinem Fernseher hieß Markus, der vor meinem Schreibtisch Tobias, der Papierhaufen an meinem Sofa hieß Richard und der kleine Haufen am Schrank hieß Lisa, denn er hatte zwei kleine Ausbuchtungen, wenn man ihn sich genau angesehen hätte.

Doch Lisa war immer zickig zu mir, wenn ich mich mit ihr unterhalten habe, immer musste sie das letzte Wort haben, deshalb mochte ich Lisa nicht und hatte in Erwägung gezogen, sie bei Gelegenheit zu verheizen..
 

„Marie.“ Ich ging zu ihr, nahm ihre Hand und zog sie an mich. Sie schaute mich verwirrt an.

„Am besten setzen wir uns erstmal und trinken etwas zur Beruhigung,“ flüsterte ich und geleitete sie zu meiner Couch-Garnitur, mitten hindurch den Papierabfall.

Ich hatte noch überlegt, ihr meine kleinen Freunde vorzustellen, sie hätten sich bestimmt prächtig verstanden, jedoch hätte sie mich dann vermutlich für völlig verrückt gehalten. Jemand, der im Dunkeln sitzt, sich betrinkt, raucht und mit seiner Wohnungseinrichtung Selbstgespräche führt, sollte von den netten Männern in den weißen Kitteln abgeholt werden.
 

Sie schwang ihre Beine aus den Pumps, die sie trug, auf das Sofa und sackte schluchzend in sich zusammen, die Arme um die Knie geschlungen.

„Ich werde meinen Job verlieren.“, murmelte sie. „Ich werde auf der Straße sitzen und um Geld betteln müssen. Oh, meine Wohnung ! Meine große, helle Wohnung !“

Dann tauchte ihr verzweifeltes Gesicht vor mir auf.

„Arbeite!“

„Du hast 24 Stunden ! Sonst wirst du es noch bitterlich bereuen, dass ich deine Assistentin gewesen bin!“

War das gerade ein Knurren von ihr ?
 

Egal. Ich hatte schon verstanden. Es war ohnehin unverzeihlich gewesen, dass ich den Abgabetermin nicht eingehalten hatte, denn nur wegen meiner Apathie steckte Marie jetzt in beruflichen Schwierigkeiten.

Ich wollte ihr das nicht zumuten, wo sie doch jemand ist, der gerne seine starke Persönlichkeit zeigt, jedoch im Inneren ziemlich schutzbedürftig ist.

Mir hätte Marie völlig Schnuppe sein können, wenn ich sie nicht einfach nur viel zu süß gefunden hätte.
 

„Okay, okay.“

„Die gute, alte Susi wird das Kindchen schon schaukeln!“, sagte ich mit fester Stimme und klopfte mir auf die Brust, während ich mir meinen Stuhl unter den Hintern zog. Mein Laptop wartete sehnsüchtig auf mich. Vielleicht könnte ich jetzt das aufschreiben, was mir seid Wochen im Kopf herumgespukt ist ?
 

Ich wollte aber noch einen kleinen Schluck nehmen, nur noch einen.

Einen Frustschluck, auf den unweigerlich eine Frustkippe folgen müsste.

Ein Frustfick wäre natürlich auch nicht ganz verkehrt gewesen, aber damit war nicht zu rechnen.

Richard nickte mir zu.
 

Mein Gesicht war heiß, vermutlich war es inzwischen knallrot angelaufen.

Ich wandte mich Marie zu, reichte ihr die Flasche rüber und fragte: „Ähm... Tequila?“
 

Sie grinste mich nur verschmitzt an und nahm mir den Alkohol ab. Dann setzte sie an und trank die ganze Flasche aus.
 

Indirekt hatte ich sie gerade geküsst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  EpiDemie
2011-05-30T13:21:30+00:00 30.05.2011 15:21
mami ;__; führ die story fort.. würd gern wissen wies weiter geht u know ;A;
Von: abgemeldet
2010-04-20T17:59:46+00:00 20.04.2010 19:59
Der letzte Satz ist genial.
Ansonsten ist der Rest eigentlich auch genial...
Freu mich auf den Rest.
Von:  EpiDemie
2010-03-26T21:19:34+00:00 26.03.2010 22:19
gosh flasht mich die story
die muss weiter gehen mami o__o
du hast n stil drauf der mich begeistert
du schreibst das halbwegs so wie sin city ist
also von der art her
und diese art find ich so geil
also zum beispiel
"Ich nahm
einen weiteren Schluck aus meiner Tequila-Flasche und zündete mir eine Kippe
an. Weißer Qualm. Beruhigend. Jedoch nicht inspirierend.
Ich pustete die
Luft aus.
Um mich herum das Dunkel. Stickige Luft, "

*Q*~
+funkel+
vorallem das am ende mit der flasche *Q*~

gawd <3~
hammer mami *O*
Von:  Dielli
2010-03-25T21:45:41+00:00 25.03.2010 22:45
Ich finds sehr interessant, schreib weiter, ich garantiere dir meine Anteilnahme am nächsten Kapitel.

Ich liebe die Papierberge.
Von: Swanlady
2010-03-25T18:49:24+00:00 25.03.2010 19:49
Ich liebe die Idee, dass sie ihren Papierhaufen Namen gibt. *lach* Ich bin echt gespannt, wie sich das alles entwickeln wird, ich werd auf jeden Fall dran bleiben. :)
Von:  Angel-of-the-Night
2010-03-25T15:30:35+00:00 25.03.2010 16:30
Der Anfang ist schon mal echt gut^^
richtig witzig, hat mich echt aufgemuntert war bis grad noch voll angepisst wegen der Schule, da muss ich mich ja beinahe bei dir bedanken <lol>
bis dann^^
lg
Von:  Jumuto
2010-03-25T13:27:44+00:00 25.03.2010 14:27
OK XD
finde ich gut
werde ich weiter verfolgen.
Ich wiette sie wird betrunken und dann küssen sie sich
Von:  Shimizu
2010-03-25T11:41:27+00:00 25.03.2010 12:41
xD das fängt ja sehr witzig an, werde es im auge behalten und freu mich auf die fortsetzung...^^

gruß Shimizu


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