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Another Side, Another Story

The Traitor's Tale
von

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Unerwartete Hilfe

Kapitel 6: Unerwartete Hilfe
 

Staunend beobachtete der junge Aristokrat, wie aus den Schatten der Bäume weitere Söldner traten, während Viktor – den fassungslosen und vor Wut fast spuckenden Rowd gänzlich ignorierend – auf das Schafott zuschritt und sagte:
 

„Ha, endlich haben wir euch eingeholt. Ich hoffe doch, dass wir nichts allzu Wichtiges unterbrochen haben?“ Er grinste und Jowy spürte unendliche Erleichterung sein Herz fluten. Die Stricke, die tief in seine Handgelenke geschnitten hatten, wurden ebenfalls durchtrennt, dann wurde er von Flik hochgezogen, genau wie Riou.
 

„Aber… aber was…?“, stammelte dieser verblüfft und sah von einem Söldner zum anderen.
 

„Ihr hättet nicht einfach so davon laufen sollen“, fuhr Viktor noch immer grinsend fort, „Ich war ganz überrascht, weil ihr plötzlich weg wart.“
 

„Warum…?“, begann Jowy verwirrt, während sein Blick über die toten Highlander glitt und über Rowd, der von Söldnern eingekreist stand und die Zähne fletschte. Viktor runzelte die Stirn und rief dann:
 

„Hast du es nicht verstanden? Ihr beiden wart meine Gefangenen! Ich kann euch doch nicht einfach so entkommen lassen.“ Das Grinsen des Söldneranführer schien von einem Ohr zum anderen zu reichen.
 

„Viel eher bist du neugierig gewesen“, erwiderte Flik und führte die beiden Jungen vom Schafott. Jowy warf ihm einen kurzen dankbaren Blick zu, doch der blaugekleidete Söldner winkte ab.
 

„Ja, das mag sein“, überlegte Viktor laut, „aber Pohl kam zu mir und bat mich, für euch die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Scheint, als hätte er gewusst, dass hier was faul sein würde. Also sind wir los.“ Jowy machte sich eine mentale Notiz, sich herzlich bei Pohl zu bedanken.
 

Er konnte sein Glück kaum fassen. Ausgerechnet die Menschen, denen er nicht vertraut hatte, die sie gefangen gehalten hatten, die eigentlich ihre Feinde waren, hatten sie gerade vor dem sicheren Tod bewahrt. Doch bevor er auch nur ein Wort des Dankes aussprechen konnte, brach Rowd plötzlich mit einem Schrei durch die Reihen der Söldner, die ihn umstellt hatten, und rannte ins Dickicht der Bäume, wo er aus ihrer Sicht verschwand.
 

„Hey!!“, bellte Viktor wütend, „Hier geblieben!!“ Er folgte Rowd in den Hain hinein, genau wie zwei andere Söldner, die beschlossen hatten, ihrem Anführer sicherheitshalber zu folgen.
 

„Danke“, hauchte Jowy erleichtert und Flik nickte, dann wandte er sich an einen der verbliebenen Söldner:
 

„Warren, geh zurück zu den anderen und sag ihnen Bescheid, dass sie das Camp abbauen sollen.“ Der Mann nickte, gab ein kurzes Handzeichen, das Flik erwiderte – offensichtlich einen Gruß innerhalb der Söldner – und lief in die Richtung zurück, aus der die Rettungsmannschaft erst vorhin gekommen war. Flik nickte zufrieden, dann schob er das Schwert, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, zurück in die Scheide und sagte zu einem der anderen Söldner:
 

„Hey, Caden-“
 

„Verdammt, wie der laufen kann!“, unterbrach Viktors Bass seinen Kollegen, während der Zwei-Meter-Mann aus dem Unterholz gestapft kam, „Vor ein paar Jahren hätte ich ihn noch gekriegt.“ Die anderen Söldner folgten ihrem Anführer und wirkten ziemlich geknickt.
 

„Ist irgendwo verschwunden“, knurrte Viktor weiter, „verdammter Mist, dass ich die Gegend nicht kenne.“
 

„Vielleicht wirst du auch einfach nur alt?“, schlug Flik mit einem Grinsen vor und Viktor schnaubte, dann rief er, die Bemerkung ausdrücklich ignorierend:
 

„Los, Männer, lasst uns hier abhauen. Wenn der Depp seine Leute alarmiert, möchte ich nicht mehr hier sein.“
 

„Wartet!“, rief Jowy dazwischen und die Blicke aller wandten sich ihm zu.
 

„Wir können hier nicht weg“, fuhr er fort und als Viktor den Mund öffnete, um ihm zu widersprechen, fügte er erklärend hinzu, „Wir müssen Nanami retten.“
 

„Wen?“, fragte Flik verblüfft.
 

„Meine Schwester“, erklärte Riou, „sie ist noch in der Zelle. Ich kann sie nicht einfach zurücklassen!“
 

„Sie werden sie töten“, stimmte Jowy ihm zu, „oder als Druckmittel benutzen.“
 

„Ich verstehe“, nickte Viktor nachdenklich, dann breitete sich wieder ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, „Klingt nach Spaß. In letzter Zeit hab ich überhaupt keine Bewegung bekommen.“
 

„Und jetzt hast du wieder diese dämliche Angewohnheit, deine Nase in Dinge zu stecken, die dich nichts angehen“, seufzte Flik, als wenn er daran schon gewöhnt wäre, „Was soll ich nur mit dir machen?“
 

„Boss, hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragte der Mann namens Caden und Viktor nickte bestimmt:
 

„Aber ja.“ Dann sah er zu Riou und sagte:
 

„Zeig uns den Weg, Kleiner.“
 


 

Später konnte Jowy unmöglich sagen, wie sie es geschafft hatten, unbemerkt zurück nach Kyaro zu schleichen und ebenfalls ungesehen zu den Militärkasernen zu gelangen. Die Söldner schienen in der Lage zu sein, mit den Schatten zu verschmelzen, und selbst Viktor bewegte sich trotz seiner Größe und Masse überraschend leise fort.
 

Bei den Kasernen angekommen, verbargen sie sich in den Büschen davor. Der Gebäudekomplex, in dem die Stadtwachen lebten und junge Rekruten trainiert wurden, lag etwas außerhalb der eigentlichen Siedlung, doch immer noch innerhalb der Stadtmauern und plötzlich war Jowy heilfroh, dass die Büsche und Bäume vor den Kasernen so viel Deckung boten und die Nacht, die inzwischen hereingebrochen war, ihnen zusätzlichen Schutz gab.
 

„Zwei Wachen am Eingang“, flüsterte Viktor mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, der eher danach aussah, als hätte er gerade den Spaß seines Lebens, und nicht wirklich zu der Rettungsaktion passen wollte, die er gerade anführte.
 

„Sie erwarten ja auch nicht, dass irgendjemand sie in ihrer eigenen Stadt bedroht“, erwiderte Flik augenverdrehend. Viktor ging gar nicht erst darauf ein – er schien Fliks sarkastische Kommentare grundsätzlich zu ignorieren – und wandte sich den Jungen zu:
 

„Okay, Riou, Jowy. Rein da!“ Doch Flik ergriff ihn am Arm, bevor er sich aus seiner Deckung bewegen konnte.
 

„Nicht immer mit dem Kopf durch die Wand!“, knurrte der blaugekleidete Söldner, als würde er mit einem unartigen Kind sprechen, „Wir müssen sie leise ausschalten, damit wir Zeit haben, abzuhauen!“
 

„Ach was“, winkte Viktor entschieden ab, „Angriff ist die beste Verteidigung. Los, Männer!“ Zwei der Söldner schlichen zur Mauer der Kaserne und drückten sich daran entlang, bis sie fast neben den zwei Highlandern standen. Einige schnelle Bewegungen folgten, woraufhin die beiden Gardisten entweder ohnmächtig oder tot zu Boden sanken – Jowy wollte es eigentlich nicht wissen.
 

„Los!“, rief Flik, packte Jowy am Arm und zog ihn mit sich. Geduckt und schnell eilten sie in den Innenhof der Kasernen und Jowy wollte bereits in die Richtung abbiegen, in der die Gefängniszellen lagen, doch beim Klang einer nur allzu bekannten Stimme blieben er und Riou schlagartig stehen:
 

„Ich warne euch! Geht mir aus dem Weg! Ich muss sie retten!!“ Die Söldner waren ebenfalls stehen geblieben und wechselten nun verwirrte Blicke, doch Jowy entdeckte auf der anderen Seite des Innenhofs im Lichte der Fackeln einige Personen, von denen eine Nanami war. Sie rannte gerade an einigen Soldaten vorbei und schaffte es noch in der Bewegung, jeden von ihnen zwischen den Beinen zu treten, sodass sie alle mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden sanken.
 

„Wer ist das?“, fragte Flik entsetzt und beobachtete, wie das Mädchen wutschnaubend auf eine weitere Gruppe Soldaten zu rannte, die sich ihr in den Weg stellten.
 

„Nanami“, antworteten Riou und Jowy wie aus einem Mund und Viktor fragte nur leise:
 

„Seid ihr euch ganz sicher, dass wir sie retten müssen?“
 

Nanami war derweil vor den Highland-Soldaten stehen geblieben und blickte sie wütend an.
 

„Jetzt bin ich wirklich sauer!“, verkündete sie und nahm eine der Grundstellungen ein, die Meister Genkaku sie vor so langer Zeit gelehrt hatte, „Im Namen von Großvater Genkaku, hier ist seine geheime Technik!!“ Sie brach plötzlich aus ihrer Position aus und schrie dabei:
 

„Goldvogel-Heiligblumen-Drachenzahn-Ruhmes-Schlag!“ Ob diesem eindrucksvollen Kampfschrei noch eine Bewegung folgte, erfuhr Jowy nie, da allein er ausreichte, um die Soldaten in Panik zu versetzen. Erschrocken aufschreiend machten sie auf dem Absatz kehrt und liefen an den völlig perplexen Söldnern vorbei, Nanami auf ihren Fersen.
 

„Okay! Haltet aus, Jungs, ich komme, um euch zu retten!!“, rief sie laut. Vor Wut offensichtlich sprühend rannte sie an ihren Rettern vorbei und Jowy drehte sich bereits verwirrt nach ihr um, um sie zurückzurufen, als sie schlitternd von selbst zum stehen kam und langsam zurück kam. Stirnrunzelnd und mehr als verwirrt bahnte sie sich einen Weg zwischen den Söldnern vorbei – die respektvoll zur Seite wichen – und blieb vor Riou und Jowy stehen.
 

„Riou?“, fragte sie ungläubig, „Jowy? W-Was macht ihr denn hier? Sie wollten euch doch hinrichten!“
 

„Wir wollten dich retten“, erwiderte der Blonde peinlich berührt und sie lachte laut auf.
 

„Ihr macht mir ja Spaß!“, rief sie aus, „Ich wollte euch auch retten!“
 

„Das ist ja alles schön und gut“, beschloss Flik, der sich als erstes wieder zusammenriss, „aber wenn wir noch länger hier bleiben, werden sie uns sofort einsperren. Erst recht, nachdem die junge Dame hier so einen Krawall gemacht hat. Lasst uns hier verschwinden.“ Riou packte Nanami resolut am Arm und zog sie mit sich, während die Gruppe kehrt machte und die Kasernen schnurstracks verließ.
 

„Welche Richtung?“, fragte Viktor nur und Riou zeigte nach Westen:
 

„Dort entlang.“
 


 

Durch Hinterhöfe und Seitengassen eilten sie im Dunkeln zurück zu den Stadttoren, während sich in der Stadt allmählich ein ziemlicher Tumult erhob.
 

„Die Spione sind ausgebrochen!!“, schrie eine Frau irgendwo in ihrer Nähe und ihre Stimme hallte seltsam laut durch die Nacht.
 

„Verriegelt eure Türen!“, brüllte jemand anders.
 

„Durchsucht die Stadt!!“, bellte ein Dritter und Flik fluchte.
 

„Schneller“, zischte er, die Gruppe der Flüchtigen antreibend.
 

Jetzt, wo er rannte, wurde Jowy zum ersten Mal wirklich bewusst, wie sehr sein geschundener Rücken eigentlich schmerzte. Er war vor nicht allzu langer Zeit noch so schwer verletzt gewesen, dass er das Bett nicht verlassen konnte, und diese Wunden waren noch nicht ganz verheilt gewesen, als er Hals über Kopf aus dem Dorf Toto aufgebrochen war, um Riou zu retten. Nun hatte er neue, offene Wunden auf dem Rücken und er spürte, wie der Stoff seines bereits zerrissenen Oberteils unangenehm an der Haut klebte – er wollte gar nicht erst über die Schmerzen nachdenken, die er haben würde, wenn man seine Verletzungen verarzten würde.
 

Sie hielten in einem stockfinsteren Hinterhof kurz an, um zu verschnaufen und Jowys Blick fiel auf Nanami, die schwer atmete.
 

„Übrigens“, sprach er sie an, während er selbst nach Luft schnappte, „was war das gerade für eine Technik?“
 

„Mir hat Großvater sie auch nie gezeigt“, meinte Riou und beide Jungen blickten das Mädchen erwartungsvoll an und auch die Söldner schienen interessiert zuzuhören.
 

„Ähm“, machte Nanami, während sie unglaublich rot wurde, was sogar im Dunkeln noch sehr gut zu erkennen war, „das… ja… das ist doch völlig egal. Lasst uns einfach hier verschwinden.“
 

„Richtig“, nickte Flik, der um eine Ecke spähte und dann die Flüchtlinge weiterwinkte.
 

Als sie endlich die Stadttore hinter sich gelassen hatten, war Jowy völlig aus der Puste. Er war in den letzten anderthalb Wochen – zumindest schätze er, dass es anderthalb Wochen waren – mehr gerannt, gelaufen und geflohen als je zuvor in seinem Leben und irgendetwas sagte ihm, dass dies noch eine ganze Weile so weitergehen würde. Das Schicksal hatte seinen Lebensweg plötzlich eine derart scharfe Kurve nehmen lassen, dass er langsam befürchtete, nicht mehr hinterher zu kommen.
 

Aus den Wäldern, welche die Stadt Kyaro umgaben, tauchten plötzlich die anderen Söldner hoch zu Ross und mit ein paar Fackeln in den Händen auf und Jowy atmete erleichtert auf, als er ein paar unbemannte Pferde entdeckte.

„Wir haben schon befürchtet, sie hätten euch geschnappt“, sagte der Söldner, den Flik vorhin zu den anderen zurückgeschickt hatte, „Es wurde plötzlich so laut.“
 

„Sie sind uns jedenfalls auf den Fersen“, antwortete Flik kurz angebunden, während er sich auf ein Pferd schwang, „also lasst uns hier abhauen, bevor sie uns wirklich erwischen.“ In Windeseile saßen die Söldner auf und Jowy fand sich hinter Caden sitzend wieder, Riou und Nanami teilten sich eins der anderen Tiere.
 

„Fackeln aus!“, befahl Viktor und die Männer folgten seinem Befehl.
 

„Halt dich gut fest“, raunte der Caden Jowy zu, während er an den Zügeln zog, „es könnte holprig werden.“ Der Aristokrat ließ sich dies nicht zwei Mal sagen.
 


 

Sie ritten so lange, bis sie den Fuß der Tenzaan-Berge erreichten und als sie die Pferde anhielten, wusste Jowy, dass er die nächsten Tage Schmerzen haben würde und das an Stellen, die ihm zuvor noch nie weh getan hatten.
 

Einige Feldflaschen mit Wasser gingen um, während er zu Riou und Nanami trat, die zurück in die Richtung blickten, aus der sie gerade gekommen waren.
 

„Meint ihr… Meint ihr, wir werden jemals zurückkommen…?“, fragte Nanami leise und strich sich eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Sie wirkte plötzlich sehr, sehr traurig und irgendwie verloren.
 

Jowy folgte ihrem Blick, sagte jedoch nichts.
 

Er wollte nicht zurückkehren. Hier gab es nichts mehr, was ihn hielt. Er hatte keine Familie mehr, die wenigen Freunde, die er unter den Städtern gehabt hatte, waren entweder tot oder glaubten, er wäre ein Verräter, und die zwei Menschen, die ihm noch wichtig waren, standen hier neben ihm.
 

Ja, er war in Kyaro groß geworden und auch, wenn er an einem anderen Ort geboren war, so würde diese kleine Stadt wohl für immer seine Heimat bleiben. Doch mehr als Erinnerungen – schöne und schmerzhafte – blieben ihm hier nicht.
 

„Eines Tages kommen wir bestimmt wieder zurück“, versicherte Riou ihr lächelnd und Jowy sah ihn einen Moment lang an.
 

In den ruhigen, braunen Augen erkannte er dieselbe Ruhe, die immer in ihnen gestanden hatte. Doch dazu war noch etwas Anderes hinzugekommen, eine Art Entschlossenheit, für die er seinen besten Freund bewunderte.
 

Denn Jowy selbst war alles andere als entschlossen. Kurz kehrten seine Gedanken zu den dunklen Augen der Prinzessin zurück, doch er verscheuchte das Bild wieder. Im Moment hatte er nun wirklich andere Sorgen.
 

„Meinst du?“, fragte Nanami nach und riss Jowy damit aus seinen Gedanken, „… Ja. Ja, du hast Recht. Also ist es kein Lebwohl…“
 

„Geht und seht nicht zurück“, ertönte hinter ihnen überraschend Viktors tiefe Stimme, „schaut immer nach vorn. Dann werdet ihr auch nicht stolpern.“ Jowy wandte sich zu dem Söldner um, doch in der Dunkelheit war es unmöglich, dessen Gesichtsausdruck zu erkennen, da weder Mond noch Sterne zu sehen waren und der Himmel über ihnen stark bewölkt.
 

„Ist bei euch dreien alles in Ordnung?“, fragte Flik, der ebenfalls dazu kam und Jowy zuckte die Achseln:
 

„Wir leben.“
 

„Könnt ihr noch weiterreiten?“, erkundigte sich Viktor und als die drei Jugendlichen bejahten, fuhr er fort, „Wir werden es langsam angehen lassen, um die Pferde zu schonen, aber ehrlich gesagt will ich nicht mehr Zeit auf highlandischem Boden verbringen als unbedingt nötig.“
 

„Hm“, brummte Jowy vage und sah noch einmal zurück zur Stadt Kyaro, deren Lichter nur noch kleine Pünktchen in der Ferne waren, über die Ebene hinweg gut erkennbar.
 

„Aufsitzen!“, rief Flik den Söldnern zu und kurze Zeit später saß Jowy wieder hinter Caden im Sattel.
 

„Geht’s dir gut, Junge?“, fragte er Mann und der Blonde nickte nur, dann setze sich die Gruppe in Bewegung.
 

Irgendwann waren er, Riou, Nanami, Flik und Viktor fast auf einer Höhe miteinander und der Söldneranführer fragte:
 

„Also, wollt ihr uns jetzt vielleicht erzählen, wie ihr vor zwei Wochen im Fluss gelandet seid?“ Es war bereits ganze zwei Wochen her? Dann hatten sie mehr Zeit in der Zelle verbracht, als Jowy gedacht hatte.
 

„Wir…“, begann er unschlüssig, verstummte jedoch wieder. Nicht, weil er den beiden nicht vertraute – nach der Rettungsaktion traute er ihnen mehr als seinem eigenen Stiefvater – sondern weil ihm klar wurde, dass er all das, was passiert war, selbst noch nicht ganz begriffen hatte. Vielleicht weigerte sich sein Kopf auch vehement dagegen…
 

Doch Riou ergriff wie selbstverständlich das Wort und erzählte mit leiser, fester Stimme von dem Hinterhalt der Highland-Armee und auch das, was Rowd ihnen gegenüber erwähnt hatte.
 

Als er geendet hatte, herrschte Schweigen. Die Söldner, die seiner Geschichte ebenfalls gelauscht hatten, blieben stumm und schienen ihren eigenen, düsteren Gedanken nachzuhängen.
 

„Luca Blight“, hörte Jowy Viktor murmeln, „Ich habe von ihm gehört… aber dass er so grausam ist…“
 

„Woher wusstet ihr überhaupt, wo ihr uns suchen müsst?“, fragte Riou, „Wir haben euch nie erzählt, dass wir aus Kyaro kommen.“
 

„Das nicht“, antwortete Flik, „aber es war nicht gerade schwer, zwei flüchtigen Gefangenen zu folgen, die zu Fuß unterwegs waren und eindeutige Spuren hinterlassen haben. Die Leute in Ryube erinnern sich sehr gut an den Freiwilligen, der den reisenden Schaustellern geholfen hat.“
 

„Und in Kyaro selbst war es auch nicht schwer, euren Aufenthaltsort herauszubekommen“, pflichtete Viktor seinem Kollegen bei.
 

Sie ritten noch eine Weile und nachdem Jowy sich ein paar Mal dabei erwischt hatte, wie ihm die Augen zugefallen waren, rief Viktor leise:
 

„Lasst uns hier unser Nachtlager aufschlagen. Hier sieht man ja die Hand vor Augen nicht.“
 


 

Als sie am Lagerfeuer beieinander saßen, merkte Jowy erst, wie müde er wirklich war. Sein Rücken schien in Flammen zu stehen und jedes Mal, wenn er einen Arm oder den Kopf bewegte, schoss heißer Schmerz durch seinen wunden Körper.
 

Zwei der Söldner hatten sich erbarmt, ihre Feldlazaretterfahrung anzuwenden, um die Wunden der Jungen zu versorgen, und nun hockte Jowy vor einem grimmig aussehenden Mann mit Vollbart, der erstaunlich vorsichtig die eingetrockneten Fetzen seines zerrissenen Oberteils von den Wundrändern löste.
 

Als der Aristokrat zum wiederholten Male vor Schmerz zusammenzuckte, tätschelte der Söldner ihm die Schulter und sagte:
 

„Halt durch, Junge. Das wird eine lange Nacht.“ Von dieser Aussicht eher mäßig begeistert verzog Jowy das Gesicht und ergab sich seinem Schicksal, als der Söldner, dessen Namen er immer noch nicht kannte, ihm resolut die traurigen Überreste des ehemaligen Kleidungsstücks über den Kopf zog. Trotzdem konnte er sich ein Zischen nicht verkneifen, als der Mann eine Salbe auf die Wunden auftrug, die sich anfühlte, als würde sie sich direkt in seine ohnehin wunde Haut fressen.
 

„Die Salbe hilft, die Wunden zu schließen“, erklärte der Bärtige, während er einige Verbandsrollen hervorholte, „heb die Arme und lass sie erst runter, wenn ich es dir sage.“ Leise murrend – es tat weh, sich zu bewegen – tat Jowy wie ihm geheißen und entblößte dabei offenbar die halb verheilte Verletzung, die ihm das Nebelmonster zugefügt hatte.
 

Sofort verlangte Nanami zu wissen, was passiert war, und Riou, der ebenfalls von einem Söldner verarztet wurde, berichtete ihr vom Kampf gegen das Nebelmonster weiter oben in den Bergen.
 

„Dann gab es dieses Nebelmonster also wirklich?“, fragte Viktor verblüfft, „Und ich dachte, dass wären nur Gerüchte. Schade, dass ich nicht dabei war.“ Flik verdrehte die Augen und erwiderte:
 

„So, wie ich dich kenne, wärst du kopfüber in den Kampf gestürzt und hättest als Erster am Boden gelegen.“ Jowy grinste bei der Vorstellung leicht. So langsam wurden seine Arme lahm und es wurde immer anstrengender, sie oben zu halten, während der Söldner hinter ihm seinen Rücken fast völlig verband.
 

„Fertig“, schnaufte er jedoch irgendwann und der Blonde ließ erleichtert die Arme sinken.
 

Ja, das würde eine lange Nacht werden.
 

Er konnte doch nur auf dem Rücken einschlafen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mismar
2010-05-31T12:47:47+00:00 31.05.2010 14:47
So beim nächsten Kapitel hat mir eins gefehlt: Mukumuku >D
Ich fand einfach die Stelle unmenschlich geil, wo Nanami die ganzen Kerle auf den Gängen verprügeln wollte und sie dann haltlos an den anderen vorbei lief, während Mukumuku stehen blieb und sich wieder Riou anschloss.
*lol* Ne, anderseits hätte es die ganze Situation ins Lächerliche gezogen, obwohl Nanami das auch ganz schön alleine kann.

Ansonsten fällt mir gerade wieder ein, dass du nur Personen beschreibst, die Jowy zum ersten Mal sieht. Eigentlich finde ich diesen Effekt sogar gut, wenn man darüber nachdenkt, anfänglich hat mir da was gefehlt, weil Nanami nicht beschrieben wurde, aber dann ist mir dieses System bewusst geworden und das ist wirklich eine gute Idee :> Super~

Hier kleiner Rechtschreibfehler: „sagte der Söldner, den Flick vorhin zu den anderen zurückgeschickt hatte“ Wäre so ein typischer Fehler von mir gewesen XD Flik mit „c“ zu schreiben.

Und dein neues Cover gefällt mir sehr, da sieht das Bild nicht mehr ganz so… komisch bearbeitet aus, weil dieser Weißraumrest noch drumherum geklebt hat bei dem davor. Jetzt sieht es wirklich viel, viel schöner aus~ obwohl ich so etwas trotz Ausbildung als Gestalter nicht kann. (ich bewundere daher alle, die es können)
Von:  Flordelis
2010-02-15T22:11:08+00:00 15.02.2010 23:11
*sich auf das Kapitel stürz*
Die Rettungsaktion war klasse, besonders Nanamis Auftritt und die Reaktionen der anderen darauf hast du herrlich beschrieben.
Auf Pferden wegzureiten finde ich übrigens um einiges besser, als den ganzen Rückweg zu Fuß anzutreten. X"D
Jowy und Riou tun mir Leid, so viele Verletzungen, das ist bestimmt nicht angenehm, aber wenigstens werden sie doch verhältnismäßig gut versorgt. ^^
Der letzter Satz ist klasse, der haut nochmal richtig rein - und zumindest für mich kam er total unvorbereitet. X"D
Und noch einmal darf ich sagen, wie toll ich es finde, wie du die Beziehung zwischen Viktor und Flik darstellst, wirklich wie im Spiel. XD


> lüsterte Viktor mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, der eher danach aussah, als hätte er gerade den Spaß seines Lebens, und nicht wirklich der Rettungsaktion passen wollte, die er gerade anführte.

Ich glaube, hier fehlt ein "zu" vor "der Rettungsaktion".
Ansonsten würde ich hier seit einer Minute erfolglos grübeln, was mich an diesem Satz stören könnte.


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