Nacht des Schreckens
„Die älteste und stärkste Emotion des Menschen ist Furcht, und die älteste und stärkste Form der Furcht ist die Angst vor dem Unbekannten. Diese Tatsachen wird kaum ein Psychologe bestreiten, und sie begründen ein für allemal Echtheit und Rang der übernatürlichen Horrorgeschichte als literarische Form.“ (H. P. Lovecraft)
Seit Jahrhunderten gab es in jedem Land der Welt den Glauben, der mit Toten zu tun hatte. Viele Völker glaubten, sie kehrten am 31.Oktober aus der Totenwelt und nahmen von den Lebenden besitz. So verkleideten sie sich. In anderen Ländern opferte man ihnen Nahrung und Tiere, damit die Toten ruhig blieben. Über Jahre hinweg hatte sich das verändert und gemischt. Heute glaubte niemand mehr an das Gruselige. Heute war es nur ein Spiel für die Kinder. Sie gingen von Haus zu Haus, klingelten und riefen: „Süßes sonst gibt’s Saures“, woraufhin sie Süßigkeiten bekamen. Die Kinder bekamen was zu Essen und die Eltern waren halbwahnsinnig, da die Kinder sie belagerten und sie jedem etwas geben mussten. Ein Spaß für jedermann.....So denkt man jedenfalls.
Die Nacht war sternenklar. Viele kleine glitzernde Punkte am Himmel schickten ihre kleinen Lichter, doch kamen sie gegen die helle und runde Scheibe nicht an, die sie alle in der Größe überragte. Der Mond stand hoch am Himmel. Vollmond, perfekt für eine Nacht wie Halloween. Er gab den letzten Funken Grusel.... Die Bäume wiegten sich im starken Wind und es hörte sich an als würden sie mit einander flüstern. Murrend fixierten zwei rote Augen den Mond, der so weit weg schien. Die hellen Strahlen fielen auf die Person, die am Fenster stand und verliehen ihr etwas Geisterhaftes. Die Wangen wirkten eingefallen, die Haut war blass und Schatten zogen sich über das Gesicht. Kai strich leicht über das Glas und spürte die Kälte in den Fingerspitzen. Halloween... er hasste diesen Tag, aber es gab etwas, das hasste er noch mehr. Krankenhäuser.... Und hier saß er seit einigen Tagen fest. Er hatte sich eine Lebensmittelvergiftung zu gezogen und stand unter Bewachung. Aber morgen durfte er dann endlich gehen. Nur noch wenige Stunden, dann dürfte er heim. Seufzend strich er sich die Haare aus dem Gesicht und sah wieder zum Mond auf... Ein leiser Gong erklang und Kai blickte zur Uhr. Halb Zwölf. Noch 30 Minuten, dann war Mitternacht. Geisterstunde. Innerlich musste Kai schmunzeln. Als kleines Kind hatte er immer Angst vor dieser Stunde in der Nacht und hatte sich unter dem Bett versteckt. Schwachsinnig, wie er heute wusste. Aber Kinder waren nun mal so... Musternd sah er die Standuhr an. Wozu hatte man ihm das Ding nur hier reingestellt? Es war eine uralte, aus Holz bestehende Standuhr. Knapp zwei Meter groß und dunkel. Das Zifferblatt war schneeweiß und glühte regelrecht im Mondlicht, das auf den Gegenstand fiel.
Doch dann wurde Kai aus den Gedanken gerissen. Sein Blick wanderte zur Türe, als er Schritte hörte. Er wusste, dass die Nachtschwester immer wieder kontrollierte. Es war ihre Pflicht und der Rotäugige hatte sich daran schon gewöhnt. So war er nicht überrascht als die Türe aufging und Licht in den Raum fiel. Eine Taschenlampe richtete sich auf Kais Bett, bevor der Lichtkegel weiter wanderte und Kai fixierte. Sekunden später ging überraschenderweise das Nachtlicht an. Es war eine dunkle Lampe im Eingang und eine zwischen den Betten. Kai war alleine in dem Zwei-Bett-Zimmer, wofür er dankbar war. Er hasste es andere Leute am Hals zu haben. „Guten Abend...“ erklang die vertraute Stimme. Kai kannte diesen Pfleger. Bryan oder so ähnlich. „Hallo...“ erwiderte er nur, bevor er erstarrte. Bryan zog ein Bett an sich, bevor er dieses neben Kais Bett stellte. Deutlich war darunter der Körper zu sehen. Doch war alles zu gedeckt und die roten Augen weiteten sich. Bryan schob doch glatt eine Leiche zu ihm ins Zimmer. Beinahe so als hätte der Pfleger die Gedanken gelesen schüttelte er den Kopf. „Das ist Frau Georgia Kotzinov. Sie taubstumm und 95 Jahre. Wir haben kein freies Zimmer mehr und sie eben aus einem Vierer genommen. Sie stirbt wohl heute Nacht.... Sie schläft aber schon. Sicherlich wird es ein friedlicher Übergang. Also keine Sorge Kai... Gute Nacht und schlaf ruhig“ Damit ging das Licht aus und die Türe zu.
Zurück blieb Kai, der auf das Bett schielte. Ihm war ganz und gar nicht wohl dabei, dass er nun eine Frau im Zimmer hatte, die wohl heute Nacht starb. Murrend setzte sich Kai auf das Fensterbrett. Noch immer musterte er den Körper. Warum hatte Bryan die Frau bis oben hin zu gedeckt? So hässlich konnte sie nicht sein, nicht mal 95 Jahren... oder? //Am Ende ist das eine lebende Leiche...// Schnaubend schüttelte Kai den Kopf und verdrängte alle Gedanken. Er durfte sich nicht so was einbilden.... Langsam wanderte sein Blick zum Himmel auf und versank in seinen Gedanken. Schon immer mochte er den Vollmond. Er hatte eine magische Wirkung auf ihn und verzauberte Kai einfach.
Auf einmal erklang ein leises Klappern. Erschrocken sah sich Kai im finsteren Zimmer um. Automatisch sah er zu der Frau, aber die lag unbewegt im Bett. Sonst gab es hier ja nichts. Unruhig sah er sich noch mal im Raum um, bevor er wieder aus dem Fenster sah. Er sollte sich nicht so reinsteigern, dass die Frau da war. Einfach ignorieren. Erneut erklang das Geräusch und der Rotäugige spannte sich an. Es klang metallisch. So als würden Nägel über Metall kratzen. Sich tief in das silberne Ding bohren und spuren hinterlassen. Leicht faltete Kai die Hände und blickte nun stur aus dem Fenster. Seine Einbildung... Nur seine Einbildung. Auf einmal tauchte ein Schatten am Fenster auf und etwas schlug hart gegen die Scheibe. Erschrocken keuchte er auf und knallte zu Boden. Seine geweiteten Augen blickten zum Fenster, doch erkannte er dann nur den Ast eines Baumes. Klar.... Was sollte da auch sonst sein? Langsam erhob sich der Russe und spürte wie sein Körper zitterte. Kein Wunder, nach einem Schrecken. Kurz sah er sich noch mal im Raum um, wobei er unschlüssig stehen blieb. Er wollte vom Fenster weg aber auch nicht in sein Bett und so näher bei der Frau sein.
Der Russe trat unruhig von einem Bein aufs andere. Nun war es wieder totenstill im Raum. Langsam ging er dennoch auf sein Bett und ließ sich zögerlich auf die Matratze sinken. Sie gab unter seinem Gewicht nach und er seufzte leise. Mit einem Zischen zog er die Beine aufs Bett und wich zurück. Eben war etwas an seinem Bein vorbei gestreift. So kalt und fahrig.... wie eine flüchtige Berührung. Langsam glitten Kais Finger zur Taschenlampe, die er auf dem Nachttisch hatte. Glücklich schlangen sich die Finger um das kalte Metall, dass er fest an sich drückte. Er wollte wissen was das eben war. Aber er hatte Angst das Licht an zu machen. Kopfschüttelnd schaltete er das Licht ein und ließ den Lichtkegel über den Boden gleiten. Nichts..... Nur Boden. Erleichtert nickte sich Kai zu und fischte sich das Buch. Schlafen konnte er nicht so wollte er etwas lesen. Er öffnete das Buch und hielt die Taschenlampe darauf. So versuchte er sich darauf zu konzentrieren, Buchstabe für Buchstabe zu lesen. Aber es ging nicht. Seit einigen Sekunden hatte er das Gefühl, dass ein kalter Wind ihn streifte. Immer wieder. Seinen Nacken, so dass sich ihm die Härchen aufstellten und er erschauderte. Über die Hände, die Kai dann unruhig rieb. Ebenso hatte er das Gefühl, dass es immer kälter wurde. Dabei war die Heizung doch an. Unruhig hob der Russe erneut die Taschenlampe, wobei er leicht stärker ausatmete. Überrascht erkannte er, dass sich sein Atem formte. Eine kleine Wolke verließ seinen Mund und glitt durch die Luft, bevor sie sich auflöste. So kalt? Zitternd zog sich Kai die Decke über die Beine. Langsam ließ er die Taschenlampe zur Frau wandern. Der Körper lag noch immer unbewegt im Bett, doch hatte Kai das dumpfe Gefühl beobachtete zu werden. Im zweiten Stock war das, durch das Fenster unmöglich und hier war niemand. Nur diese.... taubstumme alte Dame. Aber die lag im Sterben und hatte sicherlich wenig Interesse an Kai. Seufzend lenkte er den Strahl wieder auf das Buch. Erstarrt sah Kai auf die Seite, die er offen hatte. Etwas Rotes lief von oben langsam nach unten über die Seite. Es war zähflüssig und dunkel. Auf einmal fiel etwas von oben auf die rote Masse. Ein Tropfen.... Unsicher schluckte Kai und krallte sich eng um die Lampe. Er fasste allen Mut und richtete die Lampe langsam an die Wand. So wanderte der Lichtkegel über die Wand hinauf langsam an die Decke. Immer weiter bis es endlich über Kais Bett lag. Doch nichts. Die Decke war weiß wie immer. Verwirrt suchte Kai die Decke ab, bevor er wieder auf sein Buch sah. Doch auch da war nichts..... Das Buch sah aus wie immer. Leise lachte Kai. Seine Einbildung drehte durch und reizte seine Nerven und die Fantasie. Wo sollte auch auf einmal das Blut herkommen?
DING! DING! DING! Automatisch sah Kai zur Uhr und erstarrte. Mitternacht! Aber nicht das, war es was ihm Angst machte. Das unheimliche war etwas anderes. Das weiße Zifferblatt glühte rot auf und die Zeiger drehten sich wild im Kreis.
DING! DING! DING! Mit einem Ruck knallte das Fenster auf und schlug mehrmals hart gegen den Rahmen, während kalter und starker Wind aus dem Freien herein ins Zimmer blies. Er zerrte an Kai wie kalte Hände und ließ ihn erschaudern. Unsicher biss er sich auf die Lippe, unschlüssig worauf er sich konzentrieren sollte.
DING DING! DING! Erneut erklang das Klappern und Kai sah sich um. Die roten Augen waren geweitet, wobei der Russe noch blasser als sonst wirkte. Dumpfe Schritte hallten auf einmal im Raum wieder und erneut hörte er auch das Tropfgeräusch und spürte deutlich wie die Tropfen auf die Decke an seinen Beinen fiel. NEIN! Panisch warf Kai die Bettdecke weg und kam auf die Beine, wobei er gegen das Bett stieß. Fluchend schloss er das Fenster.
DING! DING! DING! Dann herrschte Stille. Alle Geräusche verstummten. Panisch ließ er die Taschenlampe über sein Bett wandern, doch nichts. Genauso schien auch die Uhr wieder normal und auch sonst war niemand da. Adrenalin pumpte sich durch Kais Venen, während sein Herz im Brustkorb hämmerte. Seine Hand zitterte und der Lichtkegel huschte einige Zentimeter hin und her. Mühsam versuchte Kai sich zu fassen. So ängstlich war er doch sonst nicht. Was war nur mit ihm los?
“Angst?“ Erstarrt stand Kai am Fenster und spannte sich an. DAS war sicherlich keine Einbildung. Langsam drehte er die Lampe zum Bett. Kaum traf der Lichtkegel das Ziel, keuchte der Russe auf. Panisch ließ er die Taschenlampe fallen, welche klirrend zur Boden fiel. Das Licht flackerte einige Male auf und ließ so Schatten, über das ohnehin schon hässliche Gesicht huschen, bevor es erlosch. Doch Kai würde diesen Anblick nie vergessen. Es war nicht das Gesicht einer alten Frau, die im sterben lag sondern eine widerliche grüne Fratze. Die Augen glühten rot, während die Zähne ekelhaft gelb wirkten und zerfressen. Die Wangenknochen waren wie eingefallen gewesen und erstarrt. Wie der Tod. Deutlich hörte Kai wie dieses Ding vom Bett glitt und hart auf dem Boden aufkam. Klappern erklang und etwas rollte über den Boden. Kai wich soweit zurück wie es nur ging und drückt sich an das kalte Fenster hinter ihm.
Panisch sah er sich um, und war dankbar für das fahle Mondlicht, das ins Zimmer fiel. Aber das verging ihm als er sah WAS auf ihn zu gerollt kam. Knochen! Weiße, blanke und im Mondlicht glühende Knochen. Sie blieben verstreut liegen, während der kahle Schädel mitten im Raum lag. Mit der Rückansicht zu Kai. Zittrig krallte sich Kai in das steinerne Fensterbrett und biss sich die Lippe blutig. „Angst?“ erklang erneut das schaurige Hauchen und die Knochen fingen an zu zittern. Das Klappern ging von ihnen aus. Sie zitterten regelrecht, doch Kai hatte nur Augen für den Schädel. Dieser glühte immer wieder blau auf, bevor er sich mühelos im Kreis drehte und das leere Gesicht Kai ansah. Die Höhlen waren dunkel und leer. Nur Knochen...Doch dann ging im Inneren ein grüner, schwacher Schein ein und der Rotäugige hatte das Gefühl in das Gesicht der Hölle zu blicken.
„Ich hab dich gefragt, ob du Angst hast?“ erklang eine kräftige Stimme. Sie war melancholisch und sanft. Der Kopf hob langsam vom Boden ab und schwebte so einen knappen Meter über dem Boden. Hinter dem Schädel schien es auf einmal dunkler zu werden. Der Schatten war schwarz wie die Nacht und stach sogar in der Finsternis hervor. Doch dann veränderte er sich und nahm menschliche Gestalt an. Eisblaue Augen fixierten Kai, während sich glatte und helle Haut über den Kopf zog. Es wirkte beinahe Puppenhaft. Nicht zu letzt, da silberne Haare alles umrahmten und ihm etwas... Gutaussehendes gaben. Der junge Mann nahm den Kopf in die Hand und lächelte kalt. „Bekomme ich nun eine Antwort?“ hauchte er frech. „Oder so vor Angst gelähmt, dass du nicht sprechen kannst?“ Mit einer achtlosen Bewegung warf er den Schädel weg. Dieser knallte zu Boden und zerplatzte in kleine Splitter, die quer durch den Raum flogen. Obwohl der Mann groß und sicherlich schwer war, machten seine Schritte nicht ein Geräusch. Panisch sah sich Kai um. Wohin sollte er flüchten? Sein gesamter Körper zitterte, doch konnte er sich nicht rühren. Wie angewurzelt stand er da und sah den anderen nur an. Schmerzvoll hämmerte sein Herz gegen die Knochen und raubten ihm schon fast die Luft. Sein Atem war nun mehr denn je eine kleine Wolke. Die Kälte fraß sich in seine Knochen. Die Gänsehaut jagte Kai den Rücken runter, während er spürte wie ihm Schweiß über die Stirn rann.
Immer näher kam der Silberhaarige und lächelte kalt. „Ich wittere deine Angst.....Ich spüre wie die Panik durch deine Venen zieht. Deine Muskeln zittern und die Zweifel nagen tief in dir. Du weißt es.... du weißt, dass ich dich töten werde und mir deine Seele nehme....“ „NEIN!“ schrie Kai auf und rannte an dem Kerl vorbei. Er riss die Türe auf und blinzelte im Licht. Viel zu hell für seine Augen. Doch zwang er sich einfach los zu rennen, wobei sich seine Augen langsam daran gewöhnten. Panisch sah er sich um. „BRYAN! BRYAN!“ „Es ist nutzlos.... niemand kann dir helfen... niemand“ lachte der Silberhaarige. Er trat aus dem Raum und sah Kai amüsiert an. „Mach mal die Türe da auf... los“ Unsicher fixierte Kai die Türe neben sich auf die der andere zeigte. Sollte er sie wirklich aufmachen? Er tat es mit einem Ruck, bevor er heißer aufschrie. Die Leiche Bryans war vollkommen entstellt. Der Kopf dröhnte auf dem obersten Regal, des Schrankes. Blut lief über die Holzregale nach unten..... seine Hände waren an die Wand genagelt, genauso wie seine Füße und sie bildeten mit dem Kopf ein verkehrtes Pentagramm. Den Teufelsstern. Der restliche Körper lag zerrissen am Boden. Als hätte sich eine wilde Bestie auf ihn gestürzt. Gedärme und Knochen lagen herum, überall Blut. Blut an den Wänden, auf allen Regalen und am Boden. Mitten in einer tiefen Pfütze lag das Herz. Erstarrt stand der Russe da und konnte den Blick nicht abwenden. POCH! POCH, POCH! Mit einem Ruck fing das Herz an zu zucken, so als würde es noch leben. Stolpernd wich Kai zurück und spürte einen harten Druck auf der Schulter. Die Hand hielt ihn eisern fest und er hörte das Hauchen des Silberhaarigen nah an seinem Ohr. „Komm mit mir.... und du stirbst langsam...“ „NEIN! LASS MICH!“ Die Angst verlieh Kai Kraft und er riss sich los. So hetzte er den Gang entlang und die Treppe rauf. Gehetzt schnappte er nach Luft als er erneut in einem Gang ankam. Unruhig sah er sich um. Klar denken hatte er lange aufgegeben. DAS konnte man damit erklären.
„Alles in Ordnung?“ erklang eine Stimme. Panisch sah Kai auf und erkannte jemanden. Ein rothaariger, junger Mann im Schlafanzug. Seine blauen Augen sahen Kai ruhig an und der junge Russe wusste, dass das ein Patient hier in der Klinik war. Auch wenn er sich fragte, warum nicht schon lange mehr hier waren. „Ein... ein... weiß nicht was. Er hat den Pfleger getötet und... Blut. So viel Blut..“ sprudelte es panisch aus Kai hervor. Sanft nahm der Rothaarige seine Hand „Ich weiß. Es ist jedes Jahr das Selbe. Es geht von Zwölf Uhr bis genau Ein Uhr. Komm! Ich weiß wie du dich retten kannst...“ Damit zog er Kai mit. Überrumpelt ließ sich der Rotäugige mitziehen und blickte zurück. Deutlich sah er den Silberhaarigen, der lachend näher kam „Es gibt kein Entkommen.... nicht vor mir!“ schrie er den beiden nach. „Komm! Hör nicht auf ihn. Konzentrier dich auf mich. Ich bin Yuriy und du?“ „Ich.... ähm... Kai...“ „Freut mich Kai“ erwiderte der Rotschopf und zerrte Kai den Gang entlang. „Wir haben nicht mehr viel Zeit...“ zischte er und stürmte mit Kai in einen Raum. Ruhig sah sich der Rotschopf um und zog Kai mit sich. „Schließ die Augen und vertrau mir...“ Kai nickte nur und schloss die Augen. Vielleicht war es ein Fehler.... aber er wollte vertrauen. Er musste vertrauen.... Er spürte wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Ein lautes Krachen erklang und Kai spürte wie sich Scherben in seine Haut bohrten. Zischend öffnete Kai die Augen und erstarrte. Yuriy schwebte mitten in der Luft, während Kai auf den Boden zu raste. Er begriff, dass der Rotschopf ihn belogen und aus dem Fenster gestürzt hatte. Deutlich erkannte Kai, wie durchsichtig der andere im Licht des Mondes war. Ein Geist.... kam die Erkenntnis. So sah er zu wie der sich langsam auflöset. „Nur der Tod kann dich retten...“ erklang ein letztes Mal die Stimme des „Retters“. //Sterben?//
Kai sah wie der Boden näher kam. Der Wind zerrte an seinem Schlafanzug, doch milderte das seinen Sturz nicht im Geringsten. Die Meter flogen nur so an Kai vorbei und er kam auf den Boden zu. Und dann kam der Aufprall.... Schmerzen und Finsternis umgaben den Rotäugigen und alles verschwand in der Kälte.
„NEIN!“ Mit einem Ruck schlug Kai die Augen auf und setzte sich senkrecht ins Bett. Panisch sah er sich um und erkannte sein Krankenhauszimmer. Was zum..? Zögerlich glitt sein Blick zum Bett neben ihn. Darin lag tatsächlich der schlafende Rotschopf. „Guten Morgen Kai...“ lächelte der Rotschopf und setzte sich auf. „Du hast ja ganz schön unruhig geschlafen... alles ok?“ Besorgnis klang in Yuriys Stimme und langsam sickerte Erkenntnis in Kais Gedanken. Er hatte Yuriy gestern kennen gelernt und sie lagen beide in einem Zimmer. Und da Halloween war hatten sie sich Horrorgeschichten erzählt. So hatte er unruhig geschlafen. Erleichtert atmete Kai aus und sank ins weiche Bett. „Wow...“ murmelte und sah zu Yuriy. Erleichtert blickte er die blauen Augen an. Keine Monster, keine Geister und kein Tod.
“Hattest du Angst?“ erklang eine kalte Stimme und Kai fuhr herum. Deutlich erkannte er im Spiegel an der Wand den Silberhaarigen, der ihn kalt ansah. „Es gibt kein Entkommen.... nicht vor mir“ Damit verschwand das Bildnis, während Kai zu dem Rotschopf sah. Der ebenso geschockt war. „War das heute Nacht kein Traum?“ murmelt der Rotschopf, wobei Kai schwieg.
Noch ein Jahr. Noch 365 Tage... dann war wieder Halloween. Wieder die Nacht der Nächte und der Schrecken würde erneut beginnen. Oder war alles nur Einbildung? Er würde es heraus finden. Nächstes Jahr an diesem Tag. Wenn die Uhr erneut Mitternacht schlug und die Geisterstunde an Halloween ausrief. Die Dunkelheit würde erneut seine Finger nach ihnen ausstrecken und die Kälte sie umklammern....
“Die Menschen fürchten sich immer vor dem, was er nicht versteht. Die Dunkelheit umfängt alles Mystisches und Unheimliches. So ist die Dunkelheit das gruseligste Mysterium, das es gibt. Vor allem die Dunkelheit in den Herzen der Menschen.“ (von Unbekannt)