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Was wäre wenn...

von

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Der Anfang

Der Anfang
 

Zeitlosigkeit. Unendliche Dunkelheit. Treiben in langsamen, nie endenden Kreisen. Von vielen umgeben, aber allein. Sich den anderen Seelen bewusst, gefangen wie ich, aber nicht fähig, sie zu erreichen. Kein Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen. Nur die zerdrückende Langeweile der Gegenwart und die schmerzvollen Erinnerungen der Vergangenheit.
 

Ich kenne diesen Ort. Es ist der See der Seelen, ein Bereich in den alle Seelen wandern, wenn sie den Zug der Erde nicht verlassen können. Die Seelen mancher Menschen ziehen nicht weiter, wenn sie gestorben sind. Sie bleiben gefangen im Wasser dieses faulenden Sees, dazu verdammt stumm in seinen Tiefen bis in alle Ewigkeit herum zu treiben.*
 

Allein mit meinen Erinnerungen, ohne Zeitgefühl, ziehen alle meine Taten immer wieder an mir vorbei. Immer wieder halte ich mir meine Fehler vor, was hätte sein können, wenn ich hier und da anders gehandelt hätte, nie dieses verdammte Spinne gestohlen hätte, nie auf die Reise zum Berg der Vampire aufgebrochen wäre, nie die Aufgabe, den Herrn der Vampyre zu töten, angenommen hätte, wenn ich Steve erkannt hätte, wenn Larten Crepsley nicht gestorben wäre, wenn Mr. Tiny mich nicht erschaffen hätte, ... Wie viele meiner Freunde und Artgenossen wären nicht gestorben, wären nicht in den Krieg gezogen? Wie war der Krieg der Narben ausgegangen, wer hatte gewonnen? Oft dachte ich an Steve, unsere Freundschaft, was ich mit ihr verloren hatte, wie er mich hasste, und dass diese Hölle hier für ihn noch viel schlimmer sein musste. Ob ich ihn bedauerte oder mich darüber freute kann ich nicht sagen. Ein wenig von beidem denke ich, schließlich war er mein bester Freund und mein ärgster Feind. Meine Gedanken zogen Kreise, genauso wie ich im See, und fanden keine Antworten, keine Ruhe...
 

Es gab eine Zeit, in der ich so gut wie nichts dachte, in trüber Stumpfsinnigkeit vor mich hin trieb, nichts empfand, gar nichts, nicht einmal mehr wusste, wer ich war. Dann kam die Phase, in der ich zu den Erinnerungen meiner Kindheit zurückkehrte, alles nochmal erlebte, wieder zum Kind wurde, jedes Detail in Gedanken nochmal zurückrief. Alles Techniken der Verdrängung, um die bohrenden Fragen und schmerzenden Erinnerungen tief in mein Unterbewusstsein zu verbannen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ein Licht zu sehen, Wärme zu spüren, geborgen zu sein. Leise Stimmen flüsterten, dass das hier nicht sein konnte, aber ich trug die Hoffnung in mir, dass sich in diesen Momenten jemand an mich erinnerte, meiner gedachte und meine Abwesenheit bedauerte. Trost war rar in diesen Gefilden.
 

Mein jetziges Ich beginnt, sich in der Vergangenheit zu verlieren; ich kämpfe dagegen an. Jemand sagte einmal, dass die meisten Seelen irgendwann vergessen, wer sie einmal waren. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wer es war, der mir diese Information gab. Aber langsam wurde es mir zu anstrengend, immer um mich zu kämpfen. Mein ganzes Leben hatte ich gekämpft und jetzt sollte es auch nach meinem Tod noch weitergehen? Manchmal mischen sich Gedanken mit Erinnerungen, schmelzen untrennbar zusammen, zu seltsamen Gebilden meiner Fantasie. Werde ich verrückt? Kann schon sein. Aber es ist doch egal, oder?
 

Inzwischen kann ich meine Gedanken nicht mehr kontrollieren. Sie kommen und gehen, ohne Halt, ohne Sinn. Meine Gefühle sind stumpf, fast nicht mehr vorhanden. Wahrscheinlich ist es so besser. Es machte keinen Unterschied, ob ich mich weiter mit ihnen - ein tiefer Schmerz breitet sich plötzlich in mir aus. Welch komische Empfindung. Er wird immer stärker, ich versuche, mich zu wehren. Was passiert? Etwas zieht an mir, zieht mich nach... ja wohin? Ich kann mich nicht wehren, mit was denn auch. Es tut weh, immer schlimmer, es hört nicht auf, ich will nicht, lasst-
 

Mein Kopf durchstößt die Oberfläche des Sees, gefolgt von meinen Armen und dem Rest meins Körpers. Es ist unheimlich grell, zu hell für meine Augen, und so kalt wie schon lange nicht mehr. Ich fühle meinen Körper ans Ufer gezerrt werden und rolle mich zusammen, zitternd und schwach. Aber ich bin wieder da, ich bin wieder auf festem Boden, ich bin wieder... am Leben.

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*Anmerkung: Die oberen zwei Textpassagen sind aus 'Darren Shan – Die Söhne des Schicksals'. Ich habe die Bücher nur auf Englisch, daher hab ich die Absätze selbst übersetzt.



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