Kapitel 01
Der Erbprinz des Westens, Sesshoumaru, hatte für einige Tage von seinem Vater die Verantwortung für das Schloss und die Ländereien übertragen bekommen. Der Inu no Taishou war mal wieder unterwegs und sein Sohn ahnte, wo er war: bei dieser menschlichen Prinzessin, dieser Izayoi, bei der er seit ein paar Monaten häufiger war… Der Prinz sah die Briefe durch. Heiratsangebote… die umliegenden Fürsten wollten ihre Töchter mit allen Mitteln verheiraten. War es denn so schrecklich eine Tochter im Schloss zu haben oder ging es den Kerlen nur um politischen Einfluss? Jedenfalls ließ Sesshoumaru die Briefe mit seinem Gift schmelzen.
Er wollte nicht heiraten. Noch nicht. Hoffentlich würde sein Vater das auch weiterhin bedenken und beachten…
Einige Tage später saß der Inu no Taishou in seinem Arbeitszimmer. Er sortierte die Briefe, die er erhalten hatte. Die Angebote von umliegenden Fürsten, die ihre Töchter loswerden wollten legte er weg. Schade eigentlich. Vielleicht würde eine nette Schwiegertochter im Haus seinen Sohn etwas sesshafter machen und er würde nicht ständig durch die Gegend spazieren und sich in ein Abenteuer nach dem anderen stürzen. Und es würde ihn von der Sache ablenken, die der Herr der Hunde ihm noch sagen musste…
Die Tür ging auf, Sesshoumaru kam rein und verneigte sich leicht. „Ihr wolltet mich sehen, verehrter Vater?“, fragte er. „Ja… setz dich, mein Sohn.“ //Oh-oh, er hat so ein ernstes Gesicht…//, schoss seinem Sohn unwillkürlich durch den Kopf, als er sich niederließ. „Ist in den letzten Tagen etwas Wichtiges vorgefallen während ich weg war?“, fragte Inu Taishou. „Nein“, antwortete sein Erbe und musterte einen Stapel Briefe. Die angebotenen Töchter… War er eigentlich der einzige unverheiratete Sohn oder schickten die Väter der Mädchen die Angebote einfach an alle?
„Ich nehme an, du hast die angebotenen Töchter vernichtet?“ Ein Nicken zur Antwort. „Sesshoumaru, ich denke du bist alt und klug genug, um dir denken zu können wo und bei wem ich war?“ Der Hundefürst griff unbewusst zu der Feder, die auf dem Tisch lag und drehte sie in seiner Hand. „Ja, ich kann es mir denken“, erwiderte Sesshoumaru. Was wollte sein Vater ihm mitteilen, dass er so unruhig war und mit einer Feder spielte? Dass diese menschliche Frau Izayoi ab jetzt im Schloss wohnen würde? Hoffentlich nahm er sie nicht offiziell zur Gefährtin, dann müsste der Erbprinz sie nämlich mit Respekt behandeln… einen Menschen! Sesshoumaru kannte Izayoi nicht, er hatte seinen Vater nur mit einem seiner Berater mal über sie reden hören, daher kannte er ihren Namen und ihren Stand.
„Ich möchte, dass du Izayoi kennen lernst.“ Inu Taishou beobachtete das Gesicht seines Sohnes. Der schluckte nur. „Willst du nicht wissen wieso?“, fragte der Herrscher. Sesshoumaru war es egal wieso er ein niederes Menschenweib kennen lernen sollte. „Wieso“, sagte er dennoch.
„In etwas weniger als sechs Monaten wirst du entweder eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder bekommen.“
Bitte nicht, war das Erste, was dem noch einzigen Prinzen dazu einfiel. Er schwieg. Was sollte er auch dazu sagen? Toll, Vater, du hast einen Bastard in die Welt gesetzt? Könnte er sagen, würde ihn allerdings das Erbe und den Kopf kosten.
„Willst du dich nicht äußern oder fallen dir nur unpassende Kommentare ein?“, fragte Inu Taishou.
„Wird das Kind sie nicht umbringen, noch bevor es auf der Welt ist?“
„Das ist Izayoi und mir durchaus bewusst, aber sie will dieses Kind unbedingt. Willst du heiraten?“
Verwirrt sah Sesshoumaru auf. „Heiraten?“, echote er unschicklich.
„Ja, heiraten. Willst du eine Frau?“
„Nein, will ich nicht.“ Was sollte die Frage denn jetzt bewirken? Wollte sein Vater ihn ablenken? Ihn davon ablenken, dass bald ein Bastard im Schloss wohnen würde?
„Schade… In einer Woche möchte ich, dass du mitkommst. Bis dahin kannst du von mir aus durch das Land ziehen oder sonst was machen. Tu mir nur einen Gefallen und stürz dich nicht in irgendwelche Kämpfe. Izayoi soll sich nicht aufregen und das würde sie, wenn du verletzt auftauchen würdest.“
Damit war das Gespräch beendet. Sesshoumaru erhob sich, verneigte sich leicht und ließ seinen Vater dann allein. Der überlegte schon, wie das Gespräch wohl verlaufen wäre, wenn er erst das Thema Heiraten angesprochen hätte und dann erst Izayois Schwangerschaft…
Sesshoumaru hatte sich auf direktem Weg seine Rüstung und sein Schwert geholt und war aus dem Schloss gegangen. Er wollte seine Gedanken erst mal ordnen… Sein Vater bekam ein Kind mit einer Menschenfrau… Einen Bastard… Der Prinz hatte seinen Vater immer sehr geschätzt und verehrt, der Herrscher war in seinen Augen ein perfektes Vorbild: klug, mächtig, ein gerechter Mann. Und jetzt? Ein Hanyou im sonst so perfekten Familienstammbaum.
Und noch ein anderer Gedanke kam dem Inu-Youkai auf: Wenn das Kind ein Junge war, würde sein Vater Sesshoumaru enterben? Der Weißhaarige schüttelte leicht den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Sein Vater war gerecht und klug: Sesshoumaru war der Ältere und als solcher der Erbe. Und, das war ein entscheidender Punkt, ein Hanyou würde nie im Leben von Youkai als Herrscher über sie akzeptiert werden.
Izayoi war nervös. Sie sollte Sesshoumaru heute kennen lernen, den Sohn ihres Geliebten, den Bruder ihres Kindes… Bis jetzt hatte sie nur Gerüchte gehört, er sei ein grausamer Menschenhasser, aber das konnte sie sich nur schwer vorstellen, war Inu Taishou doch so ein gütiger Mann. Die Prinzessin hatte sich aus ihrem Schloss geschlichen. Noch hatte niemand mitbekommen, dass sie in anderen Umständen war, entehrt worden war und ein Kind in ihrem Leib trug, von einem Youkai. Aber bald würde sie das nicht mehr verbergen können… Die Schwarzhaarige war an der Lichtung angekommen, wo sie sich treffen wollten. Sie sah sich um, aber noch war niemand zu sehen.
Sesshoumaru verspürte nicht die geringste Lust dieses Menschenweib kennen zu lernen, geschweige denn dass er ein Geschwisterkind wollte, was zur Hälfte ein Mensch war. Ein vollwertiger Youkai, in Ordnung, aber doch kein Hanyou! Dennoch folgte der Prinz seinem Vater. Beide waren unbewaffnet und trugen keine Rüstung. Der Hundeherr wollte Izayoi nicht beunruhigen oder aufregen. Des Babys wegen.
„Liebster…“ Der Youkaiprinz wollte sich am liebsten umdrehen und gehen, riss sich aber zusammen, als diese Menschenfrau sich an den Hals seines Vaters warf. Inu Taishou drückte Izayoi kurz an sich, ehe er sich von ihr löste und einen Schritt zur Seite ging, so den Blick auf seinen Sohn vollständig freigab. „Izayoi, das ist mein Sohn Sesshoumaru. Sesshoumaru, das ist Izayoi“, stellte er vor. „Guten Tag“, grüßte die Schwarzhaarige. Sesshoumaru gab keinen Mucks von sich. „Ich denke, ihr solltet einen Spaziergang machen. Wir treffen uns dann später hier wieder.“ Und damit war der Inu no Taishou verschwunden.
Die menschliche Prinzessin sah ihm kurz nach und blickte dann wieder zu dem zweiten Inu-Youkai. Der erwiderte den Blick kurz und ging dann an ihr vorbei. Izayoi sah ihm unsicher nach. „Worauf wartest du? Mein Herr und Vater wünscht, dass wir gemeinsam spazieren gehen“, sagte der Weißhaarige ohne sich umzudrehen. Sie folgte ihm.
Als sie einige Zeit schweigend gegangen waren, beschloss Izayoi den Youkai neben sich ein bisschen auszufragen, denn dafür war dieser Spaziergang ja gedacht. „Und gibt es ein… Mädchen… was… du gern hast?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein.“
„Will dein Vater dich verheiraten?“
„So verlangt es die Tradition.“
„Und du hast nichts dagegen?“
„Wieso sollte ich?“
Die Prinzessin sah auf den Weg vor sich. „Wirst du mir auf jede Frage antworten?“, wollte sie wissen.
„So wünscht mein Herr und Vater es“, antwortete Sesshoumaru.
„Hast du schon mal getötet? Ich meine… Menschen?“
„Ja.“
„Grundlos?“
„Nein.“
„Was… was denkst du über mich und deinen Vater?“
„Nichts.“
„Aber… Gar nichts? Machst du dir keine Gedanken darüber, was nach der Geburt des Kindes passiert? Und auch jetzt, in den nächsten Wochen? Oder darüber, dass ein Hanyou bald zu deiner Familie gehört?“, fragte Izayoi verständnislos.
„Es ist nicht mein Kind und somit nicht meine Aufgabe mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Ein Hanyou hat eine ziemlich geringe Überlebenschance in dieser Welt. Er wird verachtet werden, darüber muss ich mir keine Gedanken machen“, erwiderte der Weißhaarige.
„Freust du dich denn nicht ein bisschen auf das Kind? Du wirst großer Bruder, ein Vorbild.“ Die Menschenfrau sah wieder in das unbewegte Gesicht des jungen Dämons.
„Halbbruder. Du bist nicht meine Mutter.“ Sesshoumaru betonte das Wort „meine“. Er wollte sie ja nicht direkt verletzen. Menschen liefen immer aus, wenn es ihnen emotional schlecht ging, besonders die Frauen.
„Machst du dir darum keine Gedanken? Weil ich nicht deine Mutter bin?“
//Wärst du meine Mutter wäre ich mit meinen ersten Schritten getürmt//, dachte der Prinz. „Nein, daran liegt es nicht. Es geht mich nun mal nichts an was mein Herr und Vater wann, wo, wie und mit wem macht. Es ist ganz allein seine Angelegenheit, alles was dich und dieses Kind anbelangt hat mich nicht zu interessieren.“ So langsam aber sicher zerrte diese Fragerei an seiner Selbstbeherrschung.
Das merkte auch Izayoi, aber noch war ihre Neugier nicht befriedigt. „Was ist mit deiner Mutter geschehen?“
„Sie ist ausgezogen, in ihr eigenes Schloss.“
Die beiden erreichten die Lichtung, von der sie losgegangen waren. Inu Taishou erwartete sie bereits. „Ah, da seid ihr ja wieder. Hattet ihr Spaß?“, fragte er. „Ich fand es toll“, erwiderte seine Geliebte, sein Sohn schwieg wieder. „Sesshoumaru, geh doch schon mal vor, ich hole dich gleich ein“, wandte der Taishou sich an den Erbprinzen. Der verneigte sich leicht und ging.
Sobald er außer Seh- und Hörweite war, lief er los. Er wollte so schnell wie möglich wieder ins Schloss und ein Bad nehmen, um den Gestank von Izayois Parfüm, in dem sie wohl gebadet hatte, wieder loszuwerden.
Währenddessen redete Izayoi auf seinen Vater ein. Sie verstand zwar, dass der Herr aller Hunde auf einen gewissen Respekt von seinem Sohn ihm gegenüber bestehen musste, aber Sesshoumaru… er schien keine eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen… „Izayoi, ich bin der mächtigste Dämonenherrscher des Landes, wenn mein eigenes Kind mir keinen Respekt zollt, wie sollten es dann meine Untertanen? Jeder an meiner Stelle würde verlangen, dass Sesshoumaru „mein Herr und Vater“ sagt und keine vertrauliche Anreden benutz. Einige würden von ihm sogar die Anrede „Oyakata-sama“ fordern, andere einen Kniefall. Ich fordere Respekt, Höflichkeit und eine leichte, aber sichtliche Verbeugung, besonders im Beisein von anderen dämonischen Fürsten. Und so werde ich das auch mit unserem Kind handhaben.“
„Ja, das… kann ich nachvollziehen. Aber… wieso muss dieser Respekt denn auch hinter verschlossenen Türen sein oder vor mir? Dein Sohn wirkt wie eine Marionette und nicht wie ein selbstständig denkendes und empfindendes Wesen. Er ist doch dein Sohn, dein Fleisch und Blut“, warf Izayoi ein. Ihr Vater forderte ebenfalls Respekt, aber nicht so sehr.
„Er ist in den ersten Jahren von seiner Mutter erzogen worden. Sie brachte ihm das alles bei. Und sie lehrte ihn auch, dass es eine Demütigung ist, wenn man den Herrn und Vater nicht siezen und mit Respekt behandeln muss, selbst hinter verschlossenen Türen, denn dann unterstellt der Vater einem unloyal und dumm zu sein. Ich habe ihm im Übrigen nie verboten eigene Entscheidungen zu treffen. Wenn er noch nicht dazu bereit ist zu heiraten oder noch nicht die Richtige gefunden hat, soll es mir gleich sein, mein Leben hängt nicht am seidenen Faden.“
„Trotzdem.“
Inu Taishou lächelte leicht. Sie war wie ein trotziges Bauernkind. „Er hat vor dir besonders betont, dass er loyal mir gegenüber ist, damit du es mir erzählst und ich ihn nicht enterbe, wenn unser Kind ein Junge werden sollte. Und die Idee, dass ich ihn herabstufen könnte stammt auch von seiner Mutter, bei der war er nämlich bis gestern. Ich muss gehen und du solltest auch besser zurück in dein Schloss, sonst suchen deine Leute dich noch.“ Er küsste sie zum Abschied, dann trennten sich ihre Wege.
Sesshoumaru hatte es geschafft lange vor seinem Vater am Schloss zu sein und ein Bad für sich anheizen zu lassen. Gerade wollte er in sein eigenes Badezimmer gehen, als sein Vater auftauchte. „Du hast dich wirklich vorbildlich verhalten, mein Sohn. Hat deine Mutter dir eingeredet, dass ich dich enterben könnte, wenn das Kind ein zweiter Sohn wird?“ fragte der Herrscher. „Sie hat es gesagt“, erwiderte sein Sohn.
„Ich hoffe du weißt, dass ich dich nie enterben würde, egal was du tust und egal mit wem ich noch einen Sohn bekomme.“
„Natürlich, verehrter Vater.“
„Gut. Wenn du dein Bad beendet hast, komme bitte in mein Arbeitszimmer, ich möchte etwas mit dir besprechen.“
„Wie Ihr wünscht, verehrter Vater.“ Sesshoumaru verneigte sich, sein Vater ging.
Als der Erbprinz im heißen Wasser lag, hing er seinen Gedanken nach. Es stimmte, seine Mutter hatte ihn eindringlich davor gewarnt, dass er sich vorsehen musste, da sein Vater ihn womöglich enterben könnte, wenn der Hanyou ein Junge werden würde. Sein Vater kannte seine ehemalige Gefährtin gut genug, um zu wissen, dass sie so etwas sagen würde. Und Sesshoumaru kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er nicht lügen würde, er würde seinen ältesten Sohn nicht enterben. Aber was war mit dieser Izayoi? Sie hatte sich viel zu sehr für den jungen Dämonenprinzen interessiert, seiner Meinung nach. Wenn dieser Bastard erst mal auf der Welt wäre, würde sie sicherlich mit dem Kind ins Schloss ziehen, da die Menschen sie verstoßen würden.
Sesshoumaru hoffte inständig, dass diese Menschenfrau nicht versuchen würde seine Mutter zu spielen. Menschen verstanden ihre Rolle als Mutter immer noch anders als Youkai…
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Das war das erste Kapitel. Nach über einem Jahr Schreibpause... Na ja. Was lange währt wird hoffentlich gut. ^.~
Im nächsten Kapitel wird es dann ein bisschen spannend, on stellen werden wir das wohl im Laufe der nächsten Woche, spätestens am Wochenende.
lg
Jenny & Hani