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Ludwig - es geht weiter

von

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Alfred und Gregor

„Was hast du nun vor, Lui?“, Dorothea saß neben ihm in der Kutsche, in die sie sich hinein geschmuggelt hatte, nachdem er ihr abgewöhnt hatte, ihn „Schatz“ zu nennen.

„Ich werde mich durch die nächsten Königreiche schlagen, mal sehen. Vielleicht kann ich dort ja die richtige finden.“

„Aber hast du die richtige nicht schon verloren?“, Dorothea wirkte betrübt, als sie ihm diese Frage stellte: „Hast du sie nicht in Frederike verloren?“

„Die?“, er wurde merkwürdig ernst: „Nein. Wir haben uns viel zu wenig gekannt.“

„Aber wenn du deine Braut besser kennen willst, bevor du weißt, dass sie die „Richtige“ ist, dann wirst du nie eine finden.“, schlussfolgerte sie.

Lui grinste breit: „Nun, dann wird es wohl so sein.“

Die Hexe sah ihn verständnislos an: „Aber ich dachte immer, Frederike wäre...“

Lui wartete einen Moment, aber sie hatte den Satz abgebrochen: „Sie war schon sehr nahe dran und wäre sie nicht... Wären die Dinge anders gekommen, wäre sie die Richtige geworden.“

Dorothea schwieg.
 

„Wir erreichen die nächste Stadt, Prinz.“, ließ Will vom Kutschbock verlauten: „Es hat ja nun auch schon lange genug gedauert.“

Lui seufzte und sah wieder aus dem Fenster. Dorothea war mit ihrem dämlichen Besen unterwegs und die Reise ödete ihn an. Er hatte seit vier Wochen nichts anders als kleine Dörfer und Gaststädten gesehen. Wenn es ganz schlimm gekommen war, hatten sie sogar im Wald übernachten müssen. Dort hatte Will heimlich gefischt, denn sie hatten nicht gewusst, ob sie in den Wäldern und Flüssen der Herrscher jagen durften. Er hatte großen Hunger und wollte sich endlich mal wieder die Beine vertreten.

„Dann beeil dich und suche uns ein Hotel. Ich kann diese grässliche Kutsche nicht mehr sehen.“

„Wie du wünschst.“, Will drängte die Pferde zu größerer Eile und Lui wurde in der Kutsche herum geworfen, bis die Pferde ganz plötzlich anhielten.

„Was ist passiert?“, Lui rappelte sich wütend vom Boden der Kutsche hoch, auf den er gefallen war, als die Kutsche bremste.

Will sprang vom Kutschbock und lief vor die Pferde. Lui, der aus der Kutsche gesprungen war, setzte ihm nach und erblickte einen großen Bären, der mitten auf der Straße stand und schrie.

Will blieb wie angewurzelt stehen, als er nach ihm ausholte und taumelte zurück. Lui kam neben ihm zum stehen: „Was ist denn hier los? Bist du wahnsinnig auf einen Bären zuzulaufen?“

„Es geht nicht um den Bären, Prinz. Es geht um den Vogel. Er wurde mir vor der Nase aus der Luft geschossen.“, Will starrte auf eine Taube hinab, die vor seinen Füßen auf der Straße lag.

„Na und?“

„Der Bär tauchte unmittelbar danach auf und ich konnte nicht weiter. Außerdem wollte ich ihn nicht so da liegen lassen.“

Lui verdrehte die Augen: „Was machen wir jetzt?“

„Ich weiß nicht.“

Das Gebüsch raschelte und plötzlich stand Lisette vor ihnen: „Wo ist er?“

„Wer?“, fragte Lui sie ungehalten.

„Der Vogel.“

„Was ist denn mit dem armen Vogel?“, Will kniete sich vor den Vogel und hielt schützend die Hände über ihn, während der Bär auf Lisette losging.

Sie wich ihm aus und stolperte zur Seite: „Das verdammte Vieh hat mir mein Essen geklaut.“

„Und was erwartest du jetzt von uns?“, Lui verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihr unbeeindruckt dabei zu, wie sie dem Bären immer wieder auswich.

„Er hat mich beklaut, also bekomm ich jetzt ihn!“, sie rollte sich unter dem Bären hindurch, die sie mit seiner rechten Pranke aus dem Stand angriff und kam direkt vor Lui wieder zum Stehen. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast.

„Was ist mit dem Deal? Willst du jetzt mit der Wahrheit rausrücken oder lassen wir ihn platzen?“, nur Lui konnte sie verstehen, was sie ganz genau wusste.

Er sah ihr in die Augen. Das letzte Mal, als sie ihm so nahe war, hätte er sie fast geküsst. Nein, das stimmte nicht ganz. Es war nicht Lisette gewesen, sondern eine Frau, die aussah, wie sie.

Sie duckte sich zur Seite und Lui hatte alle Mühe auszuweichen, als der Bär sie wieder angreifen wollte.

Er rollte sich zur Seite, stolperte und landete im Gebüsch. Als er zur Seite sah, lag Lisette ebenfalls dort und behielt den Bären im Auge: „Ich hab dir die Wahrheit gesagt.“

Sie sprangen beide zur Seite und der Bär landete in dem Strauch, in dem sie nur kurz zuvor gewesen waren.

Lisette machte einen wütenden Schritt auf ihn zu: „Hast du nicht!“

Lui grinste: „Wenn du mir nicht glauben möchtest, kann ich dir auch nicht weiter helfen.“

Sie wollte gerade auf ihn losgehen, als der Bär sich wieder bemerkbar machte und sie zur Seite zwang.
 

Will hob den Vogel auf und besah sich die Wunde. Die Kugel hatte den Flügel nur gestreift. Als er wieder aufsah, traute er seinen Augen nicht.
 

„Was machen wir mit diesem verrückten Bären?“, Lui rollte sich zu Lisette hinüber, die sich wieder auf die Beine raffte. Der Bäre hatte sie hart erwischt, aber sie hatte noch nicht alle Möglichkeiten ausgespielt: „Ich hätte da eine kugelsichere Lösung.“

Als Lui sich die Pistole ansah, die sie aus ihrem Stiefel zog, raschelte das Gebüsch erneut: „Nein, nicht schießen!“

Er sah auf und erblickte einen alten Mann, der sich schwer atmend auf den Knien abstützte.

Lisette lies die Pistole sinken, als sie bemerkte, dass der Bär zu ihm lief und sich stützend zur Seite stellte.

„Was zum Henker geht hier vor?“

„Wer bist du?“, Lui stand auf und kehrte Lisette den Rücken, die sich selbst aufrappeln musste.

„Ein armer alter Mann, der sich fast zu Tode geschuftet hat und Euch um nichts bittet, außer meine armen Freunde in Frieden zu lassen.“

Will stolperte hinter dem Mann ins Unterholz, in das sie bei ihrer Flucht vor dem Bären geraten waren: „Ich hab den Vogel verarztet.“

Der Alte drehte sich dankbar zu ihm um und nahm ihm den Vogel ab: „Ihr wisst nicht, was ihr Gutes getan habt.“

„Was ist hier los?“, wiederholte Lui Lisettes frage von zuvor.

Der Alte kletterte auf den Rücken des Bären und ritt auf ihm zur Kutsche zurück, wo er sich dann auf die kleine Treppe setzte, die zum Einstieg in die Kutsche diente: „Das hier sind meine Enkel. Sie wurden verwunschen, als sie in einer alten Miene nach mir suchten. Das war das Werk der Königin, weil sie eine Vermählung mit ihren Stieftöchtern scheute.“

„Aber das ist doch sowieso nicht möglich. Eine Prinzessin muss einen Prinzen ehelichen.“, runzelte Lui die Stirn.

„Nein, in diesem Land nicht. Hier wurde schon sehr früh festgelegt, dass dem nicht so ist.“, fuhr der Alte fort: „Sie schafften es, mich aus der Miene zu holen, wurden dann aber zu einer Taube und einem Bären.“

„Sind die Prinzessinnen noch ledig?“, Lui kratzte sich am Kinn: „Und welchen Brustumfang haben sie?“

Der Alte sah ihn entgeistert an.
 

„Du kannst auch immer nur an Brüste denken.“, Lisette erhob sich wieder und zog ihre Pistole: „Sieh es nicht als Feindseligkeit gegen dich, Lui, aber wenn ich dich töte, tue ich allen Frauen auf der Welt einen Gefallen.“, sie entsicherte sie und zielte auf ihn: „Das heißt, nimm es doch persönlich, denn ich kann dich nicht ausstehen!“

Will schritt dazwischen und drückte ihren Arm hinunter: „Was ist dann passiert?“

Lisette kämpfte mit ihm um die Pistole, die er wieder gesichert hatte und Lui übergab. Dieser ließ sich durch ihren Jähzorn nicht beeindrucken und enthielt ihr die Pistole vor, während er den Alten nicht aus den Augen ließ.

Dieser starrte sie mit unverhohlener Überraschung an. Was waren das für Leute? Waren sie immer so merkwürdig?

„Seit meine Enkel zu Tieren geworden sind, hetzt die Königin Jäger in den Wald um sie erlegen zu lassen.“

„Wer schießt schon auf Tauben.“, Lisette verdrehte die Augen.

„Du.“, antwortete ihr Lui und wandte sich wieder an den Alten, der immer weniger von dem Verstand, was zwischen ihnen vorging: „Was nun?“

„Wenn ich Schneeweißchen und Rosenrot erreichen könnte, dann könnten sie gerettet werden, aber das ist mir nicht möglich.“, der Alte sah betroffen zu Boden.

„Warum sollte die Königin eine solche Verbindung nicht wollen, wenn es doch gestattet ist?“, Will runzelte die Stirn und hielt Lisette in Schach.

„Weil sie durch eine Heirat der beiden das Reich verlieren würde. Seit der König vor einem Jahr starb, herrscht sie alleine über das Land.“, er kraulte dem Bären den Kopf und streichelte der Taube übers Gefieder.

Lisette gab auf und lief zu ihrem Gewehr hinüber. Sie trat mit dem rechten Fuß darunter und kickte es nach oben, sodass sie es mit der Hand ergreifen konnte. Als sie damit auf Lui zielen wollte, knurrte der Bär ungehalten und sie ließ es wieder sinken: „Das heißt nicht, dass du aus dem Schneider bist.“

Lui schenkte ihr einen ungläubigen Blick und wandte sich von ihr ab: „Da hast du aber Glück gehabt, dass ich gerade in so guter Stimmung bin, Alter. Ich kann in den Palast, ich bin ein Prinz.“

Er trat an dem Alten vorbei in die Kutsche und forderte ihn dazu auf, ihm zu folgen.
 

„Ich verstehe nicht, was ich hier soll.“, Lisette verschränkte die Arme und lehnte sich auf dem Kutschbock zurück.

„Ich schätze, er hat noch etwas mit dir zu bereden. Vielleicht ein neuer Auftrag.“, Will scheuchte die Pferde voran und behielt dabei den Bären im Auge, der dicht neben der Kutsche herlief.

„Wie lange wird der da noch da bleiben?“, Lisette deutete mit einem Kopfrucken auf ihn.

„Ich schätze, er wird uns bis zum Schloss begleiten, zusammen mit der Taube.“, Will hielt die Kutsche vor der Treppe zum Schloss und Lui stieg aus der Kutsche, die Taube auf dem Arm.

„Hey, was hast du vor?“, Lisette sprang vom Kutschbock und stellte sich ihm in den Weg: „Wenn du mit denen da rein gehst, bist du so gut wie tot.“

„Schön das dich das stören würde.“

Sie trat einen Schritt auf ihn zu: „Das Einzige was mich daran stören würde, wäre, dass ich nicht die Kugel abfeuern könnte, die dir den Gar ausmacht.“

„Auch das ist tröstlich.“, er lief an ihr vorbei und ließ sie stehen: „Kommst du jetzt?“

„Warum sollte ich mitkommen?“

„Du kannst dir Geld verdienen, das habe ich dir schon gesagt.“

Lisette verdrehte die Augen.

„Und du bekommst die Pistole wieder.“

Sie brauchte keine drei Sekunden um zu ihm aufzuholen: „Was soll ich machen?“

„Halt einfach die Klappe und komm mit.“, er sah an ihr herunter: „Mach den Mantel zu. Ich kann deinen Aufzug vielleicht als normal in meinem Land erklären, aber die Waffen fallen auf jeden Fall auf.“

Sie verdrehte die Augen abermals und schloss den Mantel.

„Und zapple nicht so rum.“

„Ich zapple nicht!“, knirschte sie durch die Zähne und folgte ihm immer tiefer in den Palast.
 

„Der Bär kann hier nicht hinein.“, ein Bediensteter des Palastes verstellte ihnen den Weg in den Thronsaal.

„Dann sollte er vielleicht mit mir kommen. Wo kann ich mich frisch machen?“, Lisette sah ihn sehr ernst an und für einen Augenblick dachte Lui an die Geschichte der Prinzessin zurück, die ihm die Königen erzählt hatte. Den Gedanken daran verwarf er sofort wieder, als ihre Stimme erneut erklang: „Die Taube nehme ich auch mit.“

Er sah sie verwundert an. Was hatte sie vor?

„Nun gut, folgt mir bitte.“, der Diener öffnete die Türen zum Thronsaal und Lui trat ein, während Lisette mit den Tieren verschwand.

„Womit kann ich Euch helfen, mein Prinz?“, empfing ihn die Königin, die prachtvoll auf ihrem Thron saß, die hohe Krone auf dem Kopf.
 

„Nun halt schon still.“, Lisette gelang es nur mit aller größter Mühe die Taube im Arm zu behalten, die begann wild in ihren Armen zu zappeln: „Du kannst doch sowieso nicht fliegen.“

Der Bär setzte sich vor die Tür und schnüffelte aufgeregt.

„Sag bloß, du kannst sie hier riechen.“, Lisette öffnete ihm die Tür: „Mach aber langsam, ich muss ja schließlich hinterher kommen können.“
 

„So ist das also. Ihr sucht eine Frau.“, die Stimme der Königin klang nachdenklich und wenig begeistert: „Wollt ihr euch vielleicht ausruhen?“

„Nur zu gerne. Aber ich muss noch auf meine Schwester warten. Sie musste vor der Tür warten.“

Die Königin zog die Augenbrauen hoch und rief einen Diener herbei, der Lui in ein Zimmer bringen sollte.

„Arbeitest du schon lange für dieses Haus?“, fragte Lui ihn.

Der Diener schüttelte mit dem Kopf und bog in den nächsten Flur ein.

„Bist du immer so gesprächig?“

Der Diener drehte sich zu ihm um und zog die Kappe hoch, die er auf seinem Kopf trug: „Für gewöhnlich nicht, aber wir wollten doch nicht, dass der alten Hexe da drinnen auffällt, dass nicht ihr Diener unter dem Anzug steckt, oder Lui?“

Lui seufzte: „Ich hätte es mir denken können. Wo hast du die Sachen her und wo sind die Tiere?“

„Die sind sicher, was man von dir nicht unbedingt behaupten kann.“

„Ach und warum bin ich nicht sicher?“, äffte er Lisette nach und trat einen Schritt auf sie zu, sodass sie den Kopf leicht in den Nacken legen musste, damit sie ihm in die Augen sehen konnte.

„Weil die alte Schnepfe da drinnen sich jetzt schon wieder ausmalt, wie sie dich um die Ecke bringen kann.“

„Warum bist du dir da so sicher?“, er sah auf sie herab ihn ihrem Pagenkostüm: „Und wo hast du die Sachen her?“

„Sagen wir, ich rieche so was auf fünf Kilometer Entfernung.“, sie wandte sich ab: „Wo ich die Sachen her hab, zeig ich dir jetzt, wenn du genug von dem Kaffeekränzchen hier hast.“

Lui schnaufte. Was hatte er auch erwartet. Gar nichts, weil es nichts zu erwarten gab!
 

Sie betraten einen Raum mit vielen, großen Fenstern, die den Raum in natürliches Tageslicht tauchten, als wären Wände und Dach gar nicht da. In einer Ecke war eine kleine Sitzecke mit drei weißen Sofas und einem Teppich. Auf diesen Sofas saßen zwei junge Frauen. Die eine hatte blondes Haar und ganz helle Haut, die andere Rotes und leicht gebräunte Haut.

Die Taube saß auf dem Arm der Blonden, während die Rothaarige dem Bären den Kopf kraulte.

„Lass mich raten. Schneeweißchen und Rosenrot?“

„Genau.“, Lisette ließ ihn in der Tür stehen und ging mit großen Schritten auf sie zu: „Mach die Tür hinter dir zu, sonst werden wir noch von dem Stiefmuttermonster erwischt.“

Sie ließ sich auf eine Couch fallen und zog sich die Mütze vom Kopf. Lui blieb vor den Prinzessinnen stehen und begrüßte sie überschwänglich. Dabei nutzte er jede Gelegenheit ihre Oberweiten zu bewerten, jedoch behielt er im Hinterkopf, dass sie bereits vergeben waren. Außerdem waren ihm A-Körbchen sowieso zu klein.

Er ließ sich neben Lisette nieder, die ihm nur widerwillig Platz machte, aber keine andere Wahl hatte, da kein anderes Sofa mehr frei war: „Was nun?“

„Das fragen wir Euch. Wie können wir den Zauber rückgängig machen?“, Schneeweißchen sah ihn flehend an.
 

„Habt Ihr euch denn nicht erschrocken, als Ihr den Bären saht? Die Taube ist ja nicht so ungewöhnlich, aber der Bär?“, Lui saß Rosenrot gegenüber und sah zu, wie die Rothaarige den Bären am Kopf kraulte. Schneeweißchen war mit Lisette und der Taube in das Nebenzimmer verschwunden, um ein Bettlaken zu holen, mit dem sie den Bären zudecken wollten. Wenn die Königin ihn zu Gesicht bekam, flogen sie auf.

„Ich habe ihm in die Augen gesehen und wusste es.“, sie drückte ihm einen Kuss zwischen die Ohren auf den Kopf: „Ihr sucht eine Prinzessin habe ich gehört.“

„Ja, so ist es.“

„Jemand bestimmten?“

„Nein. Zumindest nicht, dass ich es wüsste.“

„Es ist schön, wenn man den Menschen gefunden hat, den man liebt. Lasst Euch Zeit bei Eurer Suche, Ihr werdet sie schon finden.“

Lui sah ihr in die Augen: „Ich habe noch nicht alle Möglichkeiten ausgespielt.“

„Was meint Ihr?“, sie sah ihn verwirrt an.

„Ich muss eine Freundin rufen, vielleicht ist der Tod Eurer Mutter nicht die einzige Lösung.“, Lui erhob sich und verließ den Raum mit den Worten: „Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr aufpassen würdet, dass Lisette keine Dummheiten anstellt. Es liegt in Eurem eigenen Interesse, wenn Euch etwas an Eurer Schwester liegt.“

Rosenrot sprang sofort auf und lief zu dem Zimmer hinüber. Als sie die Tür öffnete erblickte sie ihre Schwester, die belustigt auf einem Stuhl saß, während sie zusah, wie Lisette sich über ihren Aufzug ärgerte.

„Muss ich das wirklich tragen?“, sie sah an dem Kleid hinab, dass sie angezogen hatte. Ihre Begeisterung hielt sich bei weitem in Grenzen.

„Ich laufe niemals in Hosen herum und solche Sachen, wie Ihr sie tragt, besitzt auch keine von uns.“, entschuldigte sich Schneeweißchen: „Aber Ihr habt die gleiche Haarfarbe wie ich, vielleicht kann es zumindest mir gelingen zu entkommen und Hilfe zu holen.“

„Für mich musst du keine Hilfe holen, Schwester. Du solltest lieber sehen, wie es dem Alten geht. Er ist nun schon so lange allein im Wald.“, Rosenrot ließ sich neben ihrer Schwester auf einem Stuhl nieder. Der Bär tapste zu ihrer Seite und ließ sich dort nieder um einzuschlafen.

„Wo ist der durchgeknallte Prinz?“, Lisette war sehr wütend.
 

„Dorothea, wo steckst du?“, Lui stand auf dem Balkon und sah wütend in den Abendhimmel hinauf: „Ich weiß genau, dass du mich hörst, also komm her!“

Es geschah nichts. Lui brauste auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Wo war diese verdammte Hexe, die ihm sonst immer auf den Geist ging?

„Dorothea! Dorothea!“

„Was ist denn los, mein Schatz?“, sie stand urplötzlich hinter ihm und himmelte ihn an. Lui hatte alle Mühe, nicht auf sie loszugehen.

„Du kommst jetzt mit mir.“, er trat durch die Balkontür zurück in den großen Raum, in dem er zuvor mit Rosenrot gesessen hatte, die Hexe auf den Versen.

„Was ist denn los? Wo ist Will?“

„Der ist bei unserer Kutsche.“, Lui drehte sich zu ihr um und ließ sich auf einem Sofa nieder: „Du musst deine Haare rot färben und dich als Prinzessin Rosenrot ausgeben.“

„Bitte was?“, sie sank in die Polster eines Sofas ihm gegenüber: „Spinnst du? Was geht hier vor?“

„Wir müssen irgendwie dafür sorgen, dass sie den Bären und den dämlichen Vogel wieder zurückverwandelt.“

„Warum sollte sie das tun? Welchen Bären und welche dämliche Taube?“

Lui seufzte.
 

„Eure Hoheit, ich würde Euch gerne zwei meiner Freunde vorstellen.“, Lui erhob sich aus seiner Verbeugung und blieb dem königlichen Thron gegenüber im Saal stehen.

„Aber gerne doch.“, sie wirkte weniger begeistert, befürchtete sie doch, noch weiter Anwärter auf ihre Töchter zu haben: „Ich werde sie gerne empfangen, sagt mir nur wann.“

„Sie sind schon da und warten nur noch auf Euer Einverständnis.“, Lui wandte sich um und sah zu, wie sich das Tor öffnete und der Bär mit der Taube herein kam.

Die Königin wirkte entsetzt. Das konnte doch nicht wahr sein!

„Das sind Eure Freunde?“, krächzte sie fast und rang ihre Hände.

„Ja, sehr gute sogar.“

„Schön, dann werde ich sie gerne in Empfang nehmen.“, sie erhob sich und faltete die Hände vor ihrem Bauch zusammen: „Sie sollen auch meine Töchter kennen lernen.“

Ein Diener holte die Töchter herein. Schneeweißchen trug den Kopf merkwürdig gesenkt und hatte tiefe Schatten unter den Augen, aber das viel der Königin nicht auf.

Die Tiere kamen näher und blieben vor ihr stehen. Der Bär knurrte aufgebracht und die Taube spannte drohend ihre Flügel.

„Ihr kennt sie doch sicher, oder etwa nicht?“, fuhr Lui fort und näherte sich rückwärts dem Tor um sie alleine zu lassen.

„Ich denke schon, dass ich sie kenne. Sie kommen mir bekannt vor.“, die Königin sah dem Bären in die Augen und runzelte die Stirn.

Das war nicht die Reaktion, mit der Lui gerechnet hatte. Er hatte erwartet, dass sie alles abstreiten würde, aber dem war nicht so. Wieso nicht?

Er besah sich Rosenrot und Schneeweißchen genauer, die auch die Stirn in Falten gelegt hatten. Etwas stimmte nicht und das wussten sie alle.

Lui wandte sich um und erblickte Will, der mit einem Bären und einer Taube an der Kutsche wartete. Er versuchte die Tiere loszuwerden und sie zugleich vor den Schlosswachen zu schützen.

Rosenrot, alias Dorothea kam zu ihm herausgerannt und blieb neben ihm stehen: „Was ist hier los, Lui? Irgendetwas stimmt mit diesen Tieren nicht. Du hättest sie mir zeigen sollen.“

Lui wandte sich wieder um und erblickte Lisette, die die Tiere gebannt anstarrte. Die Königin war wie erstarrt und die königlichen Geschwister liefen die Treppe zu ihm hinab, die in die Eingangshalle führte.

Sie waren sehr aufgeregt und kamen knapp neben ihm zum stehen: „Was ist nun? Hat sie ihre Meinung geändert?“

Schneeweißchen sah an ihm vorbei in die Halle: „Was geht dort vor? Warum sind sie alle wie erstarrt?“

„Sieh doch.“, Rosenrot deutete durch das zweite Tor hinaus zu Will: „Warum sind unsere Liebsten denn dort unten?“

Lui fuhr erschrocken zu ihnen herum: „Was?“

„Na, Alfred und Gregor sind doch dort unten bei der Kutsche. Sollten sie nicht in dem Thronsaal sein?“

„Jetzt weißt du, was ich meinte.“, Dorothea rannte in die Halle zurück: „Diese Tiere sind nicht normal!“

„Warte!“, Lui lief ihr nach: „Was sind sie?“

„Du solltest sie gleich töten!“

„Aber was sind sie denn?“

„Geister, nehme ich mal an. Oder Dämonen.“

„Wie kann ich sie töten?“

„Ich weiß es nicht, aber du solltest dich beeilen, denn sie hypnotisieren die Königin und versteinern Lisette langsam.“

Lui sah sich hilfesuchend um und packte Dorothea schließlich am Arm: „Dort oben, schieß die Kette durch!“

Sie hob die Hand und ein Lichtblitz durchschnitt die Kette, die den Kronleuchter über dem Thron hielt. Die Tiere sahen erschrocken zu auf, als sie das Krachen hörten und Lisette, die schneller begriff, sprang auf die Königin los und rutschte über den Boden unter dem Kronleuchter hinweg.

Mit einem lauten Krachen landete der Leuchter auf den Tieren, die zu Staub zerfielen, der in der Luft das Gesicht des Alten aus dem Wald bildete, bevor er vom Winde verweht wurde.

„Was?“, schnappte die Königin: „Was ist hier los?“

„Halt die Klappe.“, Lisette erhob sich und riss sich das falsche Haar vom Kopf: „Du bist echt selten dämlich. Erkennst nicht mal deine eigene Tochter!“

„Lisette!“, schalt sie Lui, der auf sie zukam und der Königin aufhalf, die Rotkäppchen entgeistert anstarrte.

„Mutter, oh Mutter!“, die Geschwister kamen auf sie zugerannt, Alfred, der so braunes Haar hatte, wie der Bär zuvor und Gregor, dessen schwarzes Haar den Federn der Taube glichen hinterdrein.

Die Königin sah sie lächelnd an und nahm sie in die Arme.

„Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist?“

„Natürlich Eure Majestät.“ Lui lies sich auf dem Thron nieder: „Wir begegnete im Wald einem Bären und einer verletzten Taube, die mit einem Alten vor Jägern flüchteten. Uns wurde erzählt, dass die Tiere von Euch verflucht wurden um einer Heirat mit Euren Töchtern vorzubeugen.“

Die Königin öffnete den Mund um etwas einzuwerfen, aber ihr entkam kein Ton.

„Wir kamen also hier her, um den Zauber rückgängig und den Rest kennt ihr.“

„Der Geist stammte aus der alten Miene.“, erklärte Alfred.

„Er hat unseren Vater getötet und seinen Platz eingenommen. Um uns zum Schweigen zu bringen, musste er uns in Tiere verwandeln. Aber er konnte so nicht an den Thron heran kommen, also brauchte er unsere Gestalten, von denen Rosenrot und Schneeweißchen wussten.“, fuhr Gregor fort und ergriff liebevoll die Hand Schneeweißchens.

„Womit kann ich Euch etwas Gutes tun?“, die Königin wandte sich dankbar an Lui.

„Ich bräuchte Proviant und einen Schlafplatz für mich und meinen Diener dort draußen.“

„Wie Ihr wünscht. Was ist mit den Damen?“

„Dorothea benötigt keine Hilfe und da Lisette keine Dame ist, steht ihr auch nichts dergleichen zu.“, warf Lui ein, bevor irgendjemand etwas sagen konnte.

„Mir reicht ein Gewehr und Eure Immunität!“, Lisette ging auf Lui los, trat auf den Unterrock ihres Kleides und viel ihm vor die Füße.

„Das wäre aber nicht nötig gewesen, Lisette.“, Lui verschränkte die Arme vor der Brust und sah verächtlich auf sie hinab. Was er aber als nächstes sah, überraschte ihn doch etwas.

Lisette erhob sich. Aber es war nicht ein normales wütendes aufstehen, wie er es von ihr bisher immer gesehen hatte, sondern ein graziöses Erheben. Sie trug ein wahrlich langes Kleid mit einem breiten Reifrock, der es nicht leicht machte, sich zu erheben. Aber Lisette, die keine Übung darin haben konnte, bewältigte die Aufgabe mit Leichtigkeit und Anmut.

Danach wandte sie sich genauso wütend zu der Königin um, wie er es von ihr kannte: „Wo ist das Gewähr?!“
 

„Ihr wollt uns also wirklich schon verlassen, Prinz?“, die Schwestern hatten sich zu beiden Seiten eingehakt und himmelten ihn von der Seite her an.

„Ich denke, es wäre klüger, nach der nächtlichen Feier der letzten Nacht.“, Lui warf einen Blick über die Schulter und erblickte die vor Wut kochenden Blicke Alfreds und Gregors, die offenbar der Meinung waren, es sei höchste Zeit für seine Abreise.

„Womit können wir Euch einen letzten Gefallen erweisen?“

„Was wisst Ihr über das Königreich an der Westküste?“

„Nicht sehr viel.“, Rosenrot blieb mit gerunzelter Stirn stehen. Sie wirkte enttäuscht.

„Dort lebte eine Königsfamilie, deren Tochter schon im Alter von vier Jahren verschwand. Keiner fand sie wieder und die Familie litt so sehr unter ihrem Verlust, dass sie ihr Reich verkommen ließen und es nun verlassen ist.“, Schneeweißchen sah betroffen zu Boden und zog einen Schmollmund: „Seit dem konnte es keiner mehr betreten.“

Lui wandte sich zu den Beiden um: „Und jetzt nur noch eine Frage.“

Alfred und Gregor kamen näher und blieben schließlich fast hinter den Prinzessinnen stehen. Lui lehnte sich zu diesen vor: „Welche Körbchengröße habt ihr?“

Die beiden Jungen kamen vor Wut schnaubend auf ihn zu und er suchte das Weite. Wieder ein Königreich, dass er nicht mehr würde betreten können.



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