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The House Jack Built

Supernatural / The Shining – Crossover
von

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Fieber

===
 

Dean hatte es tatsächlich irgendwie geschafft, einen halbwegs annehmbaren Radiosender zu finden.
 

Wusste der Teufel, wie er das angestellt hatte, immerhin befanden sie sich mitten in den Rocky Mountains. Alleine schon der Handyempfang hier oben war grottenschlecht. Und gut, das Geplärr aus den Lautsprechern war mehr knisterndes Rauschen als sonst etwas, aber hin und wieder ließen sich ein paar Fetzen Musik vernehmen.
 

Sam war sich ziemlich sicher, dass sie gerade einen Song von The Doors hörten... auch wenn er zugegebenermaßen sein Leben nicht darauf verwettet hätte.
 

Dean saß am Steuer – mehr aus Gewohnheit als aus irgendeinem anderen Grund, denn der Impala war den Winter über sicher in einer gemieteten Garage untergebracht worden. Der Wagen war bei weitem nicht geländetauglich genug für kurvenreiche, in den nächsten paar Monaten vermutlich spiegelglatte Bergstraßen.

Abgesehen davon hatte Dean sich geweigert, sein Baby dort oben auf dem Hotelparkplatz herumstehen zu lassen, während womöglich ein Schneesturm nach dem anderen tobte.
 

Jetzt fuhren sie den hoteleigenen Truck, der, wenn auch nicht das allerneueste Modell, doch mit einem CD-Player ausgestattet war, was bedeutete, dass Dean sich seine Tape-Kollektion schenken konnte. Sam lehnte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe.

Stattdessen bekam er jetzt eben verzerrtes Knistern zu hören.
 

“...ghosts crowd the young child’s fragile eggshell mind~”
 

Aufbauend, wirklich.

Es war bereits später Nachmittag und sie befanden sich auf dem Rückweg von Sidewinder, dem nächsten zivilisierten Ort. Nicht so sehr, um einzukaufen – was ihr offizieller Vorwand gewesen war, um mit den Leuten dort ins Gespräch zu kommen – sondern viel mehr, um vielleicht das eine oder andere über das Overlook aufzuschnappen. Am besten wären natürlich ein paar Details über die Familie Torrance gewesen.
 

Jack Torrance war vor mehr als zwanzig Jahren den Winter über Hausmeister im Overlook gewesen. Zeugenaussagen aus dem damaligen Polizeibericht zufolge waren er und seine Familie – seine Frau und sein Sohn – mehrmals in Sidewinder gewesen, bevor der Schnee weitere Besuche unmöglich gemacht hatte.
 

Sie hatten sich beide von Anfang an nicht besonders viel davon versprochen. Die Fährte war schließlich kalt und das schon seit gut und gerne zwanzig Jahren. Wie sich herausgestellt hatte, waren ihre Bedenken begründet gewesen. Niemand konnte ihnen etwas Nützliches sagen, geschweige denn ihnen sonst irgendwie weiterhelfen.
 

“...blood stains the roofs and the palm trees of Venice~”
 

Dean begann zu pfeifen und Sam grinste in sich hinein.
 

Die Stimmung war trotz allem ungewohnt heiter.

Der Tag war schön und die Luft so klar, dass man meilenweit sehen konnte. Ein älterer Herr hatte Sam vorhin lange und breit erklärt, dass das als schlechtes Zeichen zu betrachten war. Das bedeute Schnee, hatte er gesagt, in ein paar Tagen spätestens. Da sei er sich ganz sicher.
 

Sam wusste selber nicht wirklich, woran es lag, aber schon seit er heute Morgen die Autotür hinter sich zugeschlagen und Dean den Motor angelassen hatte, fühlte er sich seltsam befreit. Als sei ihm ein schweres Gewicht von den Schultern genommen worden, von dem er vorher noch nicht einmal gewusst hatte, dass es überhaupt existierte.
 

“...bloody red sun of phantastic L.A.~”
 

Dean war den ganzen Tag über ungewohnt ruhig gewesen. Mehr als einmal hatte Sam ihn förmlich schütteln müssen, weil er mit abwesendem Blick ins Leere gestarrt hatte und auch gegessen hatte er verhältnismäßig recht wenig.

Er warf seinem Bruder einen verstohlenen Blick zu.
 

Ob er nicht vielleicht doch krank...?

Aber wenigstens rein äußerlich wirkte vollkommen gesund. Weder war er ungewohnt blass im Gesicht, noch schien ihm besonders heiß zu sein und er hatte den Wagen so sicher im Griff wie sonst auch. Okay, das hatte genau genommen nicht besonders viel zu sagen. Sam wusste aus bitterer Erfahrung, dass Dean selbst dann noch sicher fuhr, wenn er so viel Blut verloren hatte, dass man ihm hinterher im Krankenhaus zwei Konserven geben musste.
 

“...blood in the streets, it's up to my ankles~”
 

Sam lehnte den Kopf wieder gegen die Scheibe. Der Weg ging aufwärts, Runde um Runde, Kurve und Kurve und er umso näher sie dem Hotel kamen, desto unbehaglicher wurde ihm zumute. Tief in seiner Magengegend hatte sich ein dumpfes Gefühl breitgemacht.
 

“...blood in the streets, it's up to my knee~”
 

Sein Unterbewusstsein wollte nicht zurück, wollte das Overlook niemals wieder betreten müssen, aber er ignorierte es genauso wie den plötzlichen Impuls, Dean zu sagen, dass auf der Stelle umdrehen und zurück nach Sidewinder fahren sollte.

Fort, fort, fort, fort!
 

“...blood on the rise, it’s following me~”
 

Stattdessen sank er im Autositz zurück und die restliche Fahrt verbrachten sie damit, durch das Knistern und Krachen der Lautsprecher um die Wette zu raten, welche Gruppe sie da gerade hörten.
 

===
 

Dean ließ sich aufs Sofa fallen und legte den Kopf zurück.

Dieser Tag war ja wirklich ein voller Erfolg gewesen, dachte er sarkastisch. Jetzt waren sie genauso schlau wie vorher, abgesehen von der wenig beruhigenden Information, dass sie es in den nächsten Tagen vermutlich mit dem ersten Schnee zu tun bekommen würden.

Kurz spielte er mit dem Gedanken, hinüber ins Schlafzimmer zu gehen, um fernzusehen, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, aufzustehen. Abgesehen davon empfing die blöde Kiste ohnehin nur Müll.

Was hatte Sam heute Vormittag auf der Fahrt nach Sidewinder gesagt?
 

Die richtig guten Kanäle mussten erst unten an der Rezeption freigeschaltet werden. Er überlegte. Vielleicht sollte er...?

Zwar hatte er keine Ahnung, wie es ging, aber so schwer konnte das ja wohl nicht sein.

Die Polsterung der Rückenlehne drückte angenehm gegen seinen Nacken. Nahh...
 

Der Weg war zu weit und außerdem war er zu müde. Über das passende TV-Programm konnte er sich auch morgen noch kümmern. Eine bleierne Müdigkeit überfiel ihn und seine Gedankegänge wurden trüb und schwerfällig, ohne dass er es richtig mitbekam.

Mann, dachte er noch, umso mehr ich hier tagtäglich penne, desto fertiger bin ich irgendwie...
 

Dann war er weg.
 

===
 

Er erwachte davon, dass ihn jemand an der Schulter rüttelte.
 

„Dean.“
 

Der automatische Reflex, sich sofort verteidigen zu müssen, verkroch beim Klang der Stimme wieder in dem Loch, aus dem er gekommen war. Anstatt nach seinem Messer zu tasten, versuchte er, eine Antwort hinzubekommen.

„...huhm?“
 

Okay, zugegebenermaßen, die Artikulation war nicht besonders ausgereift.

Er setzte sich auf und eine Sekunde später hatte er keine Ahnung mehr, wo oben und unten war. Alles drehte sich. Sein Kopf fühlte sich viel zu leicht an, sein restlicher Körper dafür unnatürlich schwer, und- Mann, warum war es hier so hell?

Desorientiert blinzelte er gegen das unangenehme Licht an, das seine Augen malträtierte und erst, als er den sachten Druck auf seinem Oberarm spürte, merkte er, dass Sam seine Hand nicht weggenommen hatte.
 

Was vermutlich auch ganz gut so war, denn irgendwie fiel Dean gerade auf, dass ihm das aufrechte Sitzen ohne diese Unterstützung um einiges größere Schwierigkeiten bereitet hätte.
 

„Dean“, sagte Sam wieder, aber es klang ruhig.
 

Was denn? Er war hundemüde, er wollte schlafen.

Schon die Augen offenzuhalten, war eine Herausforderung für sich, aber er versuchte trotzdem, sich zu konzentrieren. Sam wollte irgendwas, da musste er zuhören.
 

„...was?“

Seine Mundhöhle war trocken und kratzig, seine Zunge fühlte sich an wie ein Fremdkörper. Inzwischen hatte er sich einigermaßen an die Helligkeit gewöhnt – wie sich herausstellte, handelte es sich bloß um die Stehlampe in der Ecke, die so dämmriges Licht verbreitete, dass sie im Grunde fast nutzlos war – und konnte Sam mehr oder weniger sehen.
 

Von dem, was er mitbekam, sah sein kleiner Bruder besorgt aus. Nicht ernsthaft gleich-wird-irgendwas-Schreckliches-passieren-besorgt, aber doch beunruhigt.

„Was?“, fragte er noch einmal, „Sam, stimmt was nich’...?“
 

Die Worte klangen verwischt, stolperten so unbeholfen aus seinem Mund, als hätten sie darin keine Übung und Sam schüttelte den Kopf.

„Nein“, sagte er, „Alles in Ordnung. Die Sache ist nur, ähm... so wie’s aussieht, hast du Fieber.“
 

Dean hatte das deutliche Gefühl, diese Behauptung so entschieden und lautstark wie möglich abstreiten zu müssen, doch irgendwie fehlte ihm die Kraft dazu.

„Blödsinn“, war alles an Empörung, das er aufbringen konnte, „Das weißt du doch gar nich’...“
 

„Tut mir leid“, sagte sein kleiner Bruder mit einem leisen Schmunzeln, „Aber ich bin mir ziemlich sicher.“
 

Der Versuch, ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen, scheiterte offenbar, denn Sams Lächeln verbreiterte sich. Seine Hand lag immer noch auf Deans Schulter und jetzt zog er behutsam am Stoff des T-Shirts.

„Los, komm. Aufstehen.“
 

Dean ließ sich mitziehen, größtenteils deshalb, weil ihm nichts anderes übrig blieb.

„Wie spät is’ es?“
 

„Elf“, sagte Sam, ohne auch nur einen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen.
 

„Schwachsinn.“
 

„Okay, sorry“, er bugsierte ihn ins Schlafzimmer, „Mein Fehler. Drei Minuten vor elf.“
 

Es war vollkommen klar, dass er nicht die Wahrheit sagte – vermutlich deshalb, weil er wusste, dass Dean sich weigern würde, schlafen zu gehen, wenn er die echte Uhrzeit erfahren würde. Wahrscheinlich war es gerade mal halb acht oder irgendwas ähnlich Erbärmliches.
 

„Sammy“, Dean war froh, als sein Bett in Reichweite kam, denn das Gehen war doch um einiges anstrengender, als er gedacht hatte, „...s’ist echt traurig, wie grottenschlecht du lügst.“
 

Sam sah unbeeindruckt aus. „Verklag mich doch.“
 

Zu sagen, dass er Dean beim Hinsetzen auf die Bettkante half, war übertrieben, aber er zog seine Hände erst zurück, als er sicher war, dass Dean nicht sofort wieder umkippen würde.

„Brauchst du Hilfe?“
 

Diesmal gelang der finstere Blick etwas besser.

„Was denn, Sam, hast du’s schon so nötig?“
 

Er hörte das Grinsen mehr, als dass er es tatsächlich sah – hauptsächlich deshalb, weil es von Sekunde zu Sekunde schwieriger wurde, die Augen offen zu halten.

„Na schön, bitte“, Sam legte ihm kurz die Hand in den Nacken, bevor sein Gewicht von der Matratze verschwand, „Dann viel Vergnügen.“
 

Seine Schritte entfernten sich ein Stück weit, aber Dean wusste, dass sein kleiner Bruder das Zimmer nicht verlassen würde. Als er sich bückte, um sich die Stiefel auszuziehen, wurde ihm einen Augenblick lang schwindelig und er musste warten, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte.
 

„Mann“, murmelte er missmutig, „Nur zwei beschissene Minuten im Regen...“

Nach einer halben Ewigkeit hatte er Stiefel, Socken und Jeans geschafft und fühlte sich so erschöpft, als hätte er soeben eine besonders steile Felswand bezwungen.

Genug, entschied er, mehr brauchte es gar nicht. Einfach nur schlafen.
 

Sich unter der Decke zusammenzurollen war eine wahre Wohltat und keine zehn Sekunden später hatte die Müdigkeit den Kampf gegen seinen Unwillen mit fliegenden Fahnen gewonnen.
 

===
 

Als er wieder aufwachte war es dunkel, was vermutlich daran lag, dass es Nacht war und seine Gliedmaßen waren so schwer, dass er nicht einmal dann hätte aufstehen können, wenn er gewollt hätte.

Der Fernseher lief. Zumindest schloss er das aus dem Geflacker, dass er aus den Augewinkeln sehen konnte, denn Ton war keiner zu hören.
 

Der Versuch, sich auf die andere Seite zu drehen, scheiterte kläglich. Nicht, dachte er verschwommen, dass er besonders großen Wert darauf gelegt hätte. Gott, er war todmüde. Irgendwie schaffte er es, wenigstens den Kopf zu bewegen und anscheinend war das genug, um Sams Aufmerksamkeit zu erregen.
 

„Dean?“, das klang leise, fragend, „Bist du wach?“
 

Er brummte irgendetwas, teils weil er keine Kraft für ausführliche Antworten hatte, teils weil er wusste, dass das ohnehin ausreichen würde. Dann schloss er die Augen wieder. Sams Stimme erwischte ihn gerade noch, bevor er wieder wegdriften konnte.
 

„Ist dir schlecht?“
 

Huh? Schlafen, er wollte schlafen. Zählte das?

Er machte ein fragendes Geräusch, das in seinen eigenen Ohren absolut nichtssagend klang, aber anscheinend war er der einzige, der das so sah.
 

„Schon gut, schlaf weiter“, Sams Stimme klang ruhig und das war mehr als tröstend, „Und falls dir doch noch schlecht wird... also, falls du kotzen musst, meine ich – dann sag Bescheid, okay?“
 

Dean gab ein zustimmendes Grunzen von sich. Und das war mehr oder weniger das Ende ihrer Unterhaltung.
 

Die nächsten paar Stunden (Tage?) waren ein einzige Ineinanderfließen von Realität und seltsamen Träumen. Ihm war heiß, dann wieder kalt und Sams Gesicht war die einzige Konstante in einer Welt, die an den Rändern verschwamm.

Einige völlig wahllose Erinnerungen blieben hängen – kaltes Wasser, das irgendwie seinen glühenden Rachen hinunterstürzte, obwohl er sich ziemlich sicher war, kein Glas in der Hand zu haben. Sam, der etwas sagte. Tabletten – Gott, war ihm heiß – noch mehr Wasser.
 

Er selbst, wie er sich, in Boxershorts und durchgeschwitztem T-Shirt, schwer aufs Badezimmerwaschbecken stützte und sein eigenes, ungesund gerötetes Gesicht wie gebannt im Spiegel betrachtet, bis die Tür aufging und ihn irgendjemand vorsichtig von dort fortzog.
 

Die Worte „achtunddreißig Komma acht“, weil sie irgendwie wichtig zu sein schienen.
 

Er wachte auf und es war hell, er schloss sekundenlang die Augen und als er sie wieder öffnete, war es dunkel. Sein Bruder redete auf ihn ein, ohne dass Dean richtig mitbekam, was er sagte. Ein Löffel wurde ihm in die Hand gedrückt, vermutlich sollte er etwas essen. Wie aus dem nichts tauchte eine Tasse vor seiner Nase auf und er gab sich Mühe, ehrlich, aber er war zu müde. Zu anstrengend.
 

Plötzlich war der Löffel verschwunden, die Tasse wurde an seine Lippen gehoben. Er trank, schluckte gehorsam – es schmeckte nach nichts.

Tief in seinem fieberumnebelten Gehirn dachte er, dass das wahrscheinlich auch ganz gut so war. Davon wurde ihm wenigstens nicht übel.
 

Schlucken, Pause. Schlucken, schlucken-

-ersticken.
 

Der Gedanke kam aus dem Nichts, aus dem dunstigen Hinterhalt seiner inzwischen vollkommen verwischten Welt und diesmal war es umso schlimmer, als dass er ihm nichts Rationales entgegensetzen konnte.
 

-er würde ersticken, die warme, klumpige Flüssigkeit würde so lange seine Kehle hinab rinnen, bis er würde einatmen müssen und dann-
 

Hätte er einigermaßen klar denken können, hätte er sich vermutlich gesagt, dass es nur Fieberträume waren, ekelhafte Fantasien, die sein Unterbewusstsein hervorkramte, während sein Immunsystem versuchte, die Krankheitserreger in seinem Blut zu beseitigen. Aber er konnte nicht klar denken. Alles, was er hörte, war die leise, flüsternde Stimme, die in seinem Kopf widerhallte, als gäbe es dort ein Echo.

Ein beinahe unwiderstehlicher Hustenreiz überfiel ihn, doch das konnte er nicht, durfte er nicht tun. Wenn er hustete würde er sich verschlucken-
 

-und wenn er das tat, war alles aus, denn die Flüssigkeit würde nicht aufhören zu rinnen und er würde nicht mehr atmen könne, weil seine ganze Luftröhre voll sein würde mit-
 

Er gab einen protestierenden Laut von sich, widerspenstig und gleichzeitig hilflos.

Und plötzlich war die Tasse verschwunden. Im ersten Moment erschreckte ihn das noch mehr, aber dann fiel ihm ein, dass Sam ja da war, also ging das schon in Ordnung.
 

„Dean?“, die Stimme klang, als käme sie von weit, weit weg und er musste sich konzentrieren, um den Inhalt der Worte überhaupt mitzubekommen, „Stimmt was nicht?“
 

Er murmelte etwas, das „Alles bestens.“ heißen sollte, auch wenn er sich nicht sicher war, wie viel davon man tatsächlich verstehen konnte und war froh, als man ihn endlich wieder schlafen ließ.
 

===
 

Bis zuletzt war er sich nicht sicher, ob er wach war oder das Ganze nur geträumt hatte.
 

Er lag im Bett, immer noch ziemlich schwach und mit Gliedmaßen, die sich zu schwer anfühlten, aber wenigstens mit klarem Kopf. Das Zimmer sah so aus wie immer. Auf dem Nachtkästchen zwischen ihren beiden Betten stand ein volles Wasserglas, daneben lag eine angebrochene Packung Tabletten. Dem Licht nach zu urteilen, das matt durch die Fenster fiel, musste es Nachmittag sein.
 

Von seinem kleinen Bruder war weit und breit nichts zu sehen. Im ganzen Apartment war es totenstill – aber Dean konnte sich verschwommen an eine Hand erinnern, die sich auf seine Schulter gelegt hatte und an Sam, der ihm leise erklärte, er müsste mal kurz weg, aber es würde nicht lange dauern. Er war sich recht sicher, dass die Erinnerung real war und die Unterhaltung vor nicht allzu langer Zeit stattgefunden hatte.
 

Und das war der Punkt, der ihm irgendwie seltsam vorkam, denn er konnte sich nicht erklären, was dieses tatsächlich existierende Bruchstück in seinem Fiebertraum verloren hatte. Es war ein greifbarer Teil der wirklichen Welt, was hatte es hier zu suchen?

Denn dass es sich um einen seiner vielen seltsamen, krankheitsbedingten Träume handelte, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel.
 

Wo sollte der Junge auch sonst herkommen?
 

Er stand am Fußende seines Betts, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, mit gesenktem Kopf und sah so aus, als würde er jede Sekunde losheulen. Entfernt erinnerte er Dean an Sam in diesem Alter, hauptsächlich wegen der zögernden Haltung und der Blässe, die vermuten ließ, dass er mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbrachte als gut für ihn war.
 

Allerdings sah der Junge hilflos und unsicher aus, wo Sam früher, und da war Dean sich irgendwie ziemlich sicher, in entschlossener jetzt-erst-recht-Manier trotzig das Gesicht verzogen hätte.

Er überlegte noch, ob er überhaupt etwas sagen sollte oder ob es nicht doch besser war abzuwarten, was weiterhin passieren würde, als der Junge plötzlich den Mund aufmachte.
 

„Du bist schwierig.“
 

Dean runzelte die Stirn. „Was?“
 

„Sie sagen...“, der Junge kam einen Schritt näher, jetzt berührte er das Bett schon fast und Dean wusste nicht, ob der Ausdruck in seinen Augen Hoffnung oder Bestützung war, „Sie sagen, du bist schwierig. Schwer zu knacken. A-aber-“
 

Er wirkte, als würde er tatsächlich anfangen zu weinen.
 

„Wer sagt das?“, fragte Dean verblüfft.

Es war keine bewusste Entscheidung, aber tief drinnen wusste er, dass dieses Gespräch wichtig war.
 

Der Junge schniefte.

„Mein Daddy“, sagte er, „Und die anderen. Alle. Ich hab’s nicht so genau verstanden, weil ich wegmusste, aber sie haben gesagt, mit dir... mit dir werden sie noch eine Menge Arbeit haben.“
 

Dean sah ihn nur an.

„Warum?“, fragte er sacht.
 

„Weiß nich’... dir fällt es leichter. Daddy hat gesagt, so war’s bei ihm auch, ganz am Anfang. Dann h-hat er... hat er gelacht.“
 

Das Bedürfnis, den Kleinen, dem nun wirklich Krokodilstränen aus den Augen tropften, zu trösten, war stärker als alles andere, auch wenn Dean mit einem Mal ein flaues Gefühl in der Magengegend hatte.

„Aber das ist doch gut“, sagte er beruhigend, „Oder? Keine Panik, ich halte was aus. Die werden mich schon nicht kriegen.“
 

„Doch!“, es war ein Aufschrei aus purer Verzweiflung, „Doch, werden sie! Verstehst du nicht? Die kriegen j-jeden! Und dass es bei dir so schwer ist, macht es für sie nur noch interessanter!“
 

Das kribbelige Gefühl in seinem Magen wurde stärker.

„Warum?“, hakte Dean nach und war sich im Klaren darüber, dass seine Stimme bereits ungeduldig klang, „Was soll das heißen? Warum bin ich schwierig?“
 

Der Junge zuckte mit den Schultern, aber es war Resignation und keine Geste, die verdeutlichen sollte, dass er die Antwort nicht wusste.

„Weil“, sagte er und sah dabei kreuzunglücklich aus, „Weil du dir eher selbst was tun würdest als ihm.“
 

Mit einem Schlag war die Situation erschreckend real.

Dean konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören, sein Magen machte einen ungesunden Satz. Sam.

Es ging um Sam.
 

„Was zum-“, setzte er an, aber da zuckte der Junge so erschrocken zusammen, als hätte er in der Ferne ein Geräusch gehört, das nur für ihn bestimmt war.
 

„Ich muss gehen“, flüsterte er, während er hektisch zur Wand zurückwich, „Muss weg, sonst finden sich mi-“
 

Mitten im Satz war er verschwunden.
 

Dean fuhr in die Höhe und wusste in der nächsten Sekunde nicht mehr, ob er gerade aufgewacht oder schon die ganze Zeit über wach gewesen war. Im Augenblick hatte er ohnehin andere Sorgen.

Er schlug die Decke zurück und stürzte ins Badezimmer, gerade als er das Türschloss klicken hörte, und exakt in der Sekunde, in der Sam das Schlafzimmer betrat, musste er sich übergeben.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  genek
2009-06-01T19:03:02+00:00 01.06.2009 21:03
Hast du gerade eine kreative Phase oder so? o.O
Das geht ja spannungsmäßig ab wie eine Me163! Das mit dem Geisterjungen habe ich wirklich nicht kommen sehen, klasse Wendung. Bin gespannt, wie wir jetzt zum Prolog kommen sollen.
Aber armer Dean. Kaum eine Krankheit lässt einen sich mieser fühlen als eine heftige Erkältung. Diese Ganz-Körper-Erschlagenheit - uah -.-
In diesem Sinne: Gesundheit! und viel Krativität :D
lg gene k.
Von:  blumenpups
2009-05-31T21:39:20+00:00 31.05.2009 23:39
ERSTÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!
Und das ganz ohne ENS XD Manchmal bin ich ja doch zu was nutze ^^
Tja, was soll ich sagen? Ich glaube, ich würde mich nur wiederholen *nachdenklich am Kopf kratz*
Wieder mal eine Glanzleistung, die du hier hingelegt hast, und dann auch noch so fix o_Ô
Und wieder so super geil *^^* Man will einfach nur weiterlesen, von daher...nehm ich das von vorhin zurück und sag nur noch eins: MACH SCHNEEEEEEELLEEEEER! XD ^.~
Tja...kein besonders herausragender Kommentar, aber ich bin auch momentan nicht so ganz auf der Höhe XD Tut mir also Leid ^^
Jedenfalls: Fazit.
Hat mir wieder unglaublich - beinahe übernatürlich - gut gefallen und ich bin mal wieder gespannt, wie's weitergeht ^^
LG, pups


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