ESKAPADEN.
Lily Evans war betrunken.
Sie wusste es. Er wusste es. Alle wussten es. Denn Alkohol war das Einzige, was die dazu bringen konnte, sich dermaßen zu verhalten. Es war nicht so, dass sie nicht mit Alkohol umgehen konnte, es war lediglich die Tatsache, dass sie die Wirkung kannte und genau diese sich zu Nutzen machen wollte.
Sie wollte einfach mal den Abend genießen, denn dazu – und das war nicht nur ein Gerücht – war sie oftmals zu prüde. Es war eine traurige Tatsache, dass jeder wusste und es von ihr erwartete, sich gebildet und still zu verhalten, während andere sich von einer in die nächste Eskapade ritten. Ihr Verhalten hielt sich allerdings dennoch in Grenzen. Alice war schon mit Frank Longbottom verschwunden und Lily hatte sie seit ungefähr einer Stunde nicht mehr gesehen, was sie weiterhin dazu trieb, etwas mehr über den Durst zu trinken, denn sie war nicht gerne alleine und wenn sie es war, wurde ihr schnell langweilig. Normalerweise würde sie dann anfangen zu lernen, doch auf einer Party war das nicht angesagt, also vergriff sie sich am Punsch, der, wie sich herausstellte, zum größten Prozentteil aus Alkohol bestand. Der Höhepunkt war, als sie ihre Vorliebe für Feuerwhiskey entdeckte, denn das brennende Gefühl in ihrem Hals konnte fast das in ihrem Herzen überdecken.
Denn, und dafür verdammte sie sich, warf sie James Potter verstohlene Blicke zu, der zu ihrer Missgunst - und das gefiel ihr ebenfalls kein bisschen - nicht davon abgeneigt war, anderen Mädchen Aufmerksamkeit zu schenken und mit ihnen zu liebäugeln. Es war sicherlich nicht so, dass sie nichts von seinen Liebschaften wusste, die er die ganzen Jahre über in Hogwarts hatte und wahrscheinlich immer noch zu pflegen wusste, was ihr natürlich auch nichts ausmachte, aber dennoch verspürte sie den starken Drang, ihren Feuerwhiskey, den sie in ihrer Hand drehte, in sein Gesicht zu schütten, doch kam sie zu dem Entschluss, dass ihr dieser viel zu schade war und sie ihn lieber genoss – den Whiskey, nicht James. Vielleicht würde ihr all das weniger ausmachen - es machte ihr auch so wenig aus, davon war sie überzeugt -, würde James nicht immer wieder beteuern sie wäre etwas Besonderes, gar Einzigartiges für ihn, würde er sie nicht immer wieder nach einem Date fragen und manchmal sogar seine Liebe beteuern. Er war ein elender Lügner und genau damit hatte sie große Probleme. Sie hasste es angelogen zu werden und besonders von jemandem, der so großkotzig und hochnäsig und arrogant war, wie James Potter, der sich was auf seinem guten Aussehen – das konnte sie leider Gottes nicht abstreiten – und seinem Quidditchtalent einbildete.
Lily wollte keineswegs so viele Gedanken an den jungen Zauberer verschwenden, aber immer wenn er in ihr Blickfeld trat - und bei Merlin, das tat er an diesem Abend oft -, bekam sie diese rasende Wut auf ihn. Es war einfach sein Auftreten und die Art, wie er versuchte, die anderen mit seinen Zauberkünsten zu beeindrucken oder unlustige Späße machte, wobei sich selbst ihr ein Lächeln auf die Lippen schlich, aber das war dem Alkohol zu verdanken, der ihr oft die klare Sicht auf viele Dinge nahm, und sein überhebliches Grinsen, wenn er ihr einen Blick zuwarf und bemerkte, dass selbst Lily Evans, ihm Aufmerksamkeit zu schenken schien. Aber das war bloß Einbildung, denn Lily war einfach nur langweilig, weshalb sie ihr Augenmerk auf selbst belanglose Dinge, in dem Fall James Potter, richtete. Dass es sich etwas darauf einzubilden schien, war nicht ihr zu verdanken.
Und ihr Verhalten war ganz Eindeutig dem Alkohol zu verdanken, denn Lily würde niemals unter klarem Verstand, davon war nicht nur sie, sondern auch der ganze Rest überzeugt, mit James Potter tanzen. Ihr Verstand war genauso vernebelt wie ihr Blick und ihre Beine zitterten genauso stark wie ihr Herz und dennoch war es ihr möglich solche Gedanken zu fassen. Und James wusste mit großer Wahrscheinlichkeit, dass das Ihrige Verhalten nur auf die vielen Whiskeys zurückzuführen war, denn ihre Beine waren so schwach, dass sie sich beinahe mit ihrem gesamten Gewicht an seine muskulöse Brust drückte und in seinen Armen lag. Für Lily war das bloß eine – durchaus angenehme – Abwechslung zu dem Sofa, auf dem sie die meiste Zeit verbracht hatte. Sie vergrub ihre Nase in James Brust und zog seinen Duft ein. Er roch so unwiderstehlich. Dann legte sie ihr Ohr an seine Brust und ließ sich sanft von ihm zu der Musik bewegen.
Unter normalen Zuständen hätte sie dies niemals getan – aber das Schlimmste an der Situation war, neben der Tatsache, dass sie sich zu James angezogen fühlte, in verschiedenen Weisen -, dass sie diejenige war, die beide dazu gebracht hatte, zu tanzen. Irgendwann im Laufe des Abends und viel zu vielen Feuerwhiskeys später war sie aufgesprungen, was dazu führte, dass sie beinahe eine Sechstklässlerin umgeworfen hatte, die gerade an ihr vorbeiging, denn in ihrem Kopf drehte sich ihr Blickfeld, und war auf James zugestürmt und hatte ihm ihren Zeigefinger in die Brust gebohrt, an der in diesem Moment ihr Kopf verweilte. Ihr war durchaus nicht entgangen, dass sie und amüsierten Blicken beäugt wurde, aber dennoch ließ sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen, welches dieses in dem Moment war, war ihr in diesem Augenblick immer noch nicht klar geworden. Es war einfach ein Impuls, der sie plötzlich überkommen hatte. „Du“, hatte sie genuschelt und den Druck auf seine Brust etwas verstärkt, „was fällt Dir eigentlich ein?“
Was sie damit meinte, wurde ihr dann in dem Moment erst bewusst. Er hatte sie den ganzen Abend über nicht beachtet, wenn man die zahllose Blicke nicht bedachte, die er ihr zugeworfen hatte, aber seine Fragen haben gefehlt, ob sie mit ihm etwas trinken möchte, oder mit ihm ausgehen, oder mit ihm tanzen. Als James lachte, blickte sie ihn erst an, bis dahin war ihr Blick auf ihren Finger und seine Brust gerichtet. „Evans, ich denke, du bist betrunken.“ Seine Stimme war fest, während ihre schon leicht zu lallen begann, als sie sagt: „Sei still, du großkotziger Mistkerl!“ Selbst ihr Repertoire an Beleidigung schien mit ihrem klaren Verstand zu schwinden. „Was fällt dir ein, mich nicht um einen Tanz zu bitten, huh?!“ Lily kniff die Augen zusammen und fixierte James, der sie verwundert anschaute. Natürlich, sagte sie das nur, weil sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlte, nachdem er ihr Ego so lange gepuscht hatte – es war doch unvermeidliche zu behaupten, dass dies nicht geschehen wäre, denn wer würde nicht etwas überheblich werden, wenn der große James Potter einen jeden Tag nach einer Verabredung fragte und sogar seine Liebe beteuerte. „Bestehst du darauf, Evans?“, fragte er überrascht. Sie nickte nur leicht, als er sie schon zur Tanzfläche zog und seine Arme um ihre Taille legte.
Dann wurde ihr, ihm und allen anderen klar, dass Lily Evans nicht ganz bei sich zu sein schien. Aber vielleicht führten einfach viel zu viele Sachen dazu, dass sie sich so verhielt. Nicht nur der Alkohol.
Anfang des 5. Jahres.