In der Wohnung eines Toten
Hier ist das nächste Kapitel, viel Spaß.
Kapitel 5: In der Wohnung eines Toten
Der Schlüssel wurde im Schloss herumgedreht, bevor die Tür mit einem leisen quietschen geöffnet wurde. Der Flur der Wohnung lag in tiefer Dunkelheit, denn kein Fenster war in die Wand eingelassen um Licht zu spenden. Leise Schritte erklangen, während eine Gestalt eintrat und hinter sich die Tür schloss. Mit einem Klicken sprang das Türschloss wieder in die Verankerung. Der Lichtschalter wurde betätigt und blendete kurz die Augen, welche sich erst an die Helligkeit gewöhnen mussten. Plötzlich nahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel war und drehte sich erschrocken zur Seite. Sein Blick traf direkt in ein paar rote Augen, welche von graublauen Haaren umrahmt wurde. Leise lachte Kai auf, als er sein eigenes Spielbild sah. Ein großer Spiegel war an der Wand befestigt, dessen Rahmen aus blankem schwarzen Metall bestand.
Doch dann wand Kai sich von seiner Spiegelung ab und ging durch den Flur ins Wohnzimmer von der Wohnung seines verstorbenen Bruders. Die Wände waren hell gehallten in einem sanften orange, während auf der einen Seite eine ganze Fensterfront eingelassen war, durch die man ein wunderschöne Aussicht auf die Stadt hatte. Aus dem zehnten Stockwerk sahen die Menschen aus wie Ameisen, während sie eilig durch die Straßen gingen. Menschen waren immer gehetzt, als würde der Sensenmann persönlich hinter ihnen her sein. Die Zeit schien der Feind jedes Menschens zu sein.
Schließlich riss Kai sich vom Anblick ab und sah sich weiter um. Er kannte die Wohnung seines Zwillingsbruders von früher als sie noch zusammen gelebt hatten, und seitdem hatte sich nicht viel verändert. Noch immer waren die hohen Bücherregale zu sehen, welche von Dutzenden Büchern vollgestellt waren. Langsam trat Kai auf eines der Regale zu, während er in Erinnerungen versank. Sein Bruder hatte Bücher geliebt und konnte sich niemals von nur einem einzigsten Buch trennen. Ein wahrer Bücherfanatiker. Seine Sammlung war weitreichend, von Mangas, bis hin zu John Sinclaire Romane von Jason Dark. Doch am meisten hatte Kurai immer Vampirbücher geliebt. Leicht strich Kai über den Buchrücken eines bestimmten Buches. Kurai hatte die Bänder von Black Dagger geliebt und jedes Mal entgegen gefiebert, wenn das nächste heraus kam. Es war immer so süß gewesen und seine roten Augen hatten gestrahlt vor Freude, doch nun würde er niemals die nächsten Bänder lesen. Kurai war Tod.... Er würde niemals mehr zurückkommen. Es schmerzte Kai sich dies einzugestehen. Noch immer war es für ihn schwer zu glauben, dass sein Zwillingsbruder verstorben war. Die Erinnerungen an ihre gemeinsame Kindheit lebten noch immer in seinem Geist und niemals wollte er sie vergessen. Er würde sie für immer in seinem Herzen tragen, und jede Minute ihres gemeinsamen Lebens in Erinnerungen halten. Leicht verklärten sich Kais rote Augen, als er die Vergangenheit vor seinem inneren Auge sah:
Damals hatten sie gerne draußen im Garten gespielt. Da waren noch jung gewesen und so unschuldig. Sie hatten kurz vorher erst ihren siebten Geburtstag gefeiert, zusammen mit der Familie. Vom Aussehen her glichen sie sich und kaum einer konnte sie auseinander halten. Die gleiche Frisur mit den graublauen Haaren, die selben roten Augen. Rot war mehr als selten für die Farbe von Augen, so dass andere Kinder instinktiv vor ihnen zurück schreckten. Eigentlich stand Rot als Zeichen für Kraft, der Gesundheit und natürlich der Liebe, leider verbanden Kinder diese Augenfarbe eher als Zeichen des Teufels und des Unglückes. Doch den Zwillingen war es egal, was die anderen Kinder über sie dachten. Sie hatten sich selbst und brauchten niemand anderen. Leise unterhielten sie sich und kicherten oftmals, als plötzlich zeitgleich ihre Köpfe zur Seite ruckten. Vor dem hohen weißen Gartenzaun stand eine Kreatur, welche größer war als ein erwachsener Mann. Wahrscheinlich würde sie ihren Vater um ganze zwei Köpfe überragen. Viele würden wohl Angst und Schrecken verspüren, wenn sie dieses Wesen sahen. Sie hatte einen Pferdekopf, welcher auf einem langen Hals saß, ähnlich einer Giraffe. Der Körper glich dem eines Vierfüßlers, doch ging er nur auf den Hinterläufen, welche in gespaltenen Hufen endeten. Die Vorderhufen hielt er angewinkelt vor seinem pelzigen Körper, welcher im Sonnenlicht braun glänzte. Aus den Schulterblättern ragten große ledige Flügel, welche an eine riesige Fledermaus erinnerten. *
Leicht runzelte Kai seine Stirn und zeigte auf das Wesen, bevor er sich zu seinem Zwilling beugte. Leise fingen sie zu an zu tuscheln, während sie immer wieder zu dem Wesen hinsahen. Sie wussten nicht ob sie Angst empfinden sollten, oder eher Faszination für dieses ungewöhnliche Tier.
Ihr Verhalten lockte die Erwachsenen und ihre Mutter hockte sich neben sie, während ihr langes dunkelblaues Haar an ihrem Körper hinab hing. Ihre Augen waren genauso rot, wie das ihrer Kinder. „Was habt ihr denn so spannendes zu tuscheln? Was ist denn da hinten?“, fragte sie mit einem hauch von Neugierde. Sie würde zu gerne Wissen was in den Köpfen ihrer Kinder vor sich ging, dass sie sich so komisch verhielten..
Leicht legte Kurai den Kopf schief und sah zu seiner Mutter auf. „Siehst du sie nicht Mama? Die Kreatur da hinten. Sie erinnert mich an ein Pferd, doch hat sie Fledermaus Flügel. Sie sieht echt ulkig aus“, kicherte er.
Verwirrt folgte seine Mutter die Richtung in die beide sahen, doch sah sie nichts, dass auf dieser Beschreibung zu traf. Das einzigste was sie vor dem Zaun sah, war ein Busch, doch meinten ihre Kinder diesen bestimmt nicht. Niemand vermochte zu sehen, was die Zwillinge wahrnahmen. Immer öfters traten solche Erscheinungen auf, während sie älter wurden und langsam fing die Frau an sich sorgen zu machen. Erneut stellte sie ihre Kinder zur rede, und während Kurai dazu stand wich Kai aus, leise nuschelte er: „Ich habe nur mitgemacht, da ich Kurai nicht enttäuschen wollte. Ich hab ihn doch lieb und wollte ihm nicht weh tun. Daher habe ich getan, als würde ich auch das sehen, was er sah.“
„Kai! Du siehst sie doch auch. Ich weiß es! Warum sagst du so was?!“, fragte Kurai aufgebracht, während seine roten Augen ihn verletzt angesehen hatten. Für ihn brach eine Welt zusammen, dass sein Zwilling nicht zu ihm stand. Dabei konnte er sie doch auch sehen. Er musste doch zustimmen. Doch schüttelte Kai nur den Kopf.
Von diesem Tag an vermochte Kai wirklich nicht mehr diese Wesen zu sehen. Er verlor die Gabe, während er mit seinem Zwilling niemals wieder darüber sprach. Sie entfremdeten sich in Gewisserweise, auch wenn sie versuchten es zu überspielen.
Als Kai daran dachte tat es ihm weh, dass er seinen Bruder damals in Stich gelassen hatte. Er hätte die Wahrheit sagen sollen, dass er sie auch gesehen hatte. Doch kurz danach konnte er sie wirklich niemals mehr sehen. Vielleicht war es nur die Fantasie von Kindern, ähnlich Fantasiefreunden. Als er es geleugnet hatte kam er drüber hinweg. Aber ging es ums Prinzip. Er hätte zu seinem Bruder stehen sollen. Nun war es zu spät, Kurai war Tod. Er könnte seinen Fehler nicht mehr gut machen. Nach dem Tod eines Geliebten Menschens wurde einem immer deutlich, was man hätte anders machen sollen.
Traurig wand Kai sich von den Büchern ab und sah sich nach etwas um, dass auf Kurais geheimnisvollen Freund hinwies von dem er im Telefonat gesprochen hatte. Vielleicht fand er ein Foto, ein Brief, oder irgendwas anderes. Am Besten wäre wohl die ganzen Personalien samt Bild, doch war dies wohl sehr unwahrscheinlich zu finden. Außer er hätte wirklich sehr viel Glück. Leise seufzte Kai auf, bevor er die Schublade eines kleines Schrankes durchsah. Lose Fotos von ihnen als Kinder waren zu sehen. Sie waren damals so glücklich gewesen, voller Lebenslust. Unter den Fotos waren auch zahlreiche Zeitungsausschnitte. Leicht lächelte Kai, als er die Ausschnitte erkannte. Sein Bruder schien jeden Bericht gesammelt zu haben, den er geschrieben hatte. Alle Artikel die Kai veröffentlicht hatte lagen feinsäuberlich ausgeschnitten unter den Fotos. Sein Bruder schien ihn trotz allem geliebt zu haben. Auch wenn es Kai rührte dies zu wissen, war es doch nicht das, was er erhofft hatte zu finden. Er wollte eine Spur zum Mörder finden... Fahrig strich Kai sich durch seine graublauen Haare, während er überlegte, wo sein Bruder die Dinge über seine große Liebe versteckt haben könnte.
Plötzlich vernahm er das Geräusch eines umdrehenden Schlüssels. Dann bemerkte er, wie die Haustür geöffnet wurde. War das etwa, Kurais geheimnisvoller Freund? Unsicher spannte Kai sich an, während Schritte ins Wohnzimmer führten. Grüne Augen wurden weit aufgerissen, als die die Person im Zimmer sahen. Kurz blinzelte Kai verdutzt bei der Reaktion des Mannes, dessen Orangehaare wild abstanden. Kurz glitt sein Blick über den Körper, als er die Polizeiuniform erkannte. Scheinbar hatte die Polizei den selben Einfall wie er selbst gehabt. Einmal schienen sie nicht auf den Kopf gefallen zu sein. Ein Wunder~. Kai überlegte schon den Tag im Kalender rot anzustreichen.
Brooklyn stand im Türrahmen zum Wohnzimmer und rang um seine Fassung, als er einen lebendigen Toten vor sich sah. Sein Keifer klappte auf, während er nicht verstand, was hier vor sich ging. Der junge Mann vor ihm, sah genauso aus, wie die letzte Leiche des Massenmörders. Wie war der Name noch einmal? Kurai Hiwatari... Aber der Mann vor ihm konnte es unmöglich sein. Auch wenn sie sich glichen, hatte er selbst den Toten gesehen. Das Herz war durchbohrt und er war definitiv Tod gewesen. Doch dann erinnerte er sich wieder an die Akte, die er gelesen hatte. Kurai Hiwatari hatte einen Zwillingsbruder, den er selbst angerufen hatte um die traurige Botschaft zu verkünden. Aber im ersten Moment hatte der Orangehaarige echt gedacht, dass vor ihm der Tote stand. Leicht schüttelte er den Kopf, bevor er sich räusperte: „Mein Name ist Brooklyn York, ich glaube wir haben kürzlich mit einander telefoniert. Ich hätte jedoch nicht gerechnet sie hier anzutreffen.“
Kai erinnerte sich an den Namen. Der Polizist hatte ihm vom Tod seines Bruders berichtet. Jedoch hätte er ihn sich eher anders vorgestellt. Das klassische Bild eines übergewichtigen Polizisten mit fettiger Haut traf dieses mal überhaupt nicht auf den Mann vor sich zu. Scheinbar ermittelten zumindest halbwegs gute Polizisten am Mordfall seines Bruders. So nickte Kai knapp. „Ich erinnere mich, Herr York. Doch war ich hier um die Hinterlassenschaften meines Bruders durchzusehen, aber es ist gut, dass ich sie hier treffe. Ich hatte eh vor mit dem zuständigen Ermittler zu reden.“
„Dann bin ich ihr falscher Ansprechpartner. Herr Ivanov hat den Fall übernommen und mit diesem sollten sie dann auch reden. Ich war nur der Bote für ihre traurige Nachricht über den Todesfall ihres Bruders, aber wenn sie wollen bringe ich sie zu ihm. Er hat sicherlich noch Fragen an sie, wen sie eh schon hier sind. Immerhin kannten sie ihren Bruder sicherlich sehr gut.“
Leise schnaubte Kai. „Denken sie das nur, weil wie Zwillinge waren? Nur weil wir der selben Eizelle entsprungen sind, heißt das nicht, dass wir die selben Gedanken teilen oder für des Rest unseres Lebens zusammenhängen. Jeder führt sein eigenes Leben.“
Leicht lächelte Brooklyn und versuchte die Stimmung zu lockern. Der Rotäugige vor ihm schien noch immer mit dem Tod seines Zwillings zu kämpfen und war deshalb derart gereizt. „Natürlich nicht, aber sie waren seine Familie und dort könnte es durchaus sein, dass er ihnen irgendwas gesagt hat. Die Wohnung werde ich mir später noch einmal ansehen, mit ihrer Erlaubnis natürlich. Doch wenn sie schon hier sind, wollen sie sicherlich so schnell es geht mit dem zuständigen Ermittler reden“, meinte er beschwichtigend.
Leise seufzte Kai auf, bevor er zustimmend nickte. So schloss er die Schrankschublade mit den Fotos wieder und wand sich dem Polizisten erneut zu. „Also gut, ich habe nichts dagegen einzuwenden mit diesem Herrn Ivanov zu reden. Wir können ruhig sofort los.“ Auch wenn er bezweifelte, dass es so viel bringen würde mit diesem Polizisten zu reden. Er wolle nur die Akte vom Mordfall seines Burders, denn in anderen Sachen war die Polizei unfähig. Dieser Ivanov war sicherlich nicht besser und entsprach eher dem Bild eines üblichen Polizisten als sein Kollege York. Wahrscheinlich war dieser Ivanov gerade irgendwo dabei ein viertes Frühstück zu nehmen, während der Körperumfang über den Gürtel hinaus gedrückt wurde. Er erwartet nichts von diesem Kerl, doch würde er ihn aufsuchen. Irgendwo müsste er ja Anfangen den Mörder aufzuspüren und vielleicht hatte die Polizei zumindest einen kleinen Hinweis. So gab Kai nach und verließ zusammen mit Brooklyn schon wieder die Wohnung um den zuständigen Ermittler aufzusuchen.
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* die Beschreibung gleicht einer wahren Legende vom: „Der Teufel von Jersey“, welcher im Januar 1909 von Einwohner in New Jersey gesichtet wurde.