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Wahre Erkenntnis

One-Shot
von

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Ich sehe Wiesen, ich sehe Felder, ich sehe die Wolken am Himmel. Spüre den Wind, wie er mir die Haare ums Gesicht weht, spüre die Frische der Frühlingsluft auf der Haut, spüre die Wärme der Sonne. Rieche den Duft der Blumen, die mich umgeben. Höre das Summen der Bienen, die fleißig nach Nahrung suchen. Höre das Rauschen des Bachs, der wenige Schritte von mir das Schmelzwasser in die Ferne treibt. Hier bin ich Frei. Hier gehöre ich her. Nur hier bin ich, wer ich wirklich bin.
 

Lauschend liege ich im Gras und erfreue mich an dem Leben der Erde. Mein Körper ist entspannt, kein Muskel schmerzt vor Anstrengung, keine Erschöpfung durch Arbeit. Nein, nichts von alledem ist hier. Auch die Zeit spielt keine Rolle. Sie zwingt mich nicht mehr, nach ihr zu leben und zu handeln. Es ist egal, wann ich mich erhebe, oder ob ich es überhaupt mache. Ich muss nicht mehr suchen, muss nicht mehr wandern, muss nicht mehr kämpfen. Muss keine Schmerzen mehr ertragen. Muss kein Leid mehr sehen.
 

Ja, hier ist das Paradies. Eine blühende, lebende Landschaft, so weit das Auge reicht. Und niemand ist hier, der mich aufschreckt. Keiner, der stört. Ich muss nicht mehr fliehen oder um mein Leben kämpfen. Es ist ruhe. Es ist Frieden. Das erste mal in meinem Leben bin ich glücklich. Das erste mal bin ich ruhig. Ich verspüre nicht den Drang wachsam zu sein, als wüsste mein Inneres, dass mir hier keine Gefahr droht.
 

Lange habe ich nach diesem Ort gesucht. Oft war ich den Grenzen meiner Kraft zu nahe. Mehr als einmal musste ich mit ansehen, wie das Leben vergeht, wie Freund und Feind gleichermaßen sterben. Am Ende sind wir alle gleich. Oder gibt es im Tot einen Unterschied? Ich habe keinen gefunden. Er ist immer ein Verlust und das Ende.
 

Aber hier gibt es kein Ende, keinen Verlust und kein Leid. Gibt es diese Worte hier überhaupt? Kann man an diesem Ort etwas mit den Worten anfangen? Ich denke nicht. Noch nie musste man sich hier damit beschäftigen. Noch nie musste man hier sehen, was sie bedeuten. Keine Gedanken werden hier verschwendet. Es ist das Paradies. Nichts Schlechtes wird hier je geschehen. Nichts Böses auch nur einen Fuß hier hinsetzen.
 

Warum mach ich mir dann diese Gedanken? Ich bin hier, der Rest ist Vergangenheit. Ich muss mich damit nicht mehr beschäftigen. Nicht mehr daran denken. Es spielt hier keine Rolle. Und doch fragt ein kleiner Teil meines Herzens, warum ich keine vollkommene Ruhe finde.
 

Ich bin ruhig. Ich bin friedlich. Ich bin glücklich. Und trotzdem sagt mein Herz mir, dass ich etwas vergessen habe. Aber was? Was habe ich vergessen? Und warum ist es mir wichtig? Dem Wind lauschend setze ich mich auf der Wiese auf. Kann er mir sagen, was ich vergessen habe? Wie lange ich hier so still verweile weiß ich nicht mehr, aber eins weiß ich. Absoluten Frieden finde ich nur, wenn ich erfahre, was ich vergessen habe.
 

Eine Suche ohne Anhaltspunkte. Eine Suche ohne große Chancen auf Erfolg. Woher kenn ich dieses Gefühl nur? Warum ist es mir so vertraut? Und warum weiß ich, dass auf dem Weg oft Hinweise auftauchen, egal wie lange es dauern mag? War ich schon einmal auf der Suche nach etwas wichtigem? War ich schon einmal unterwegs, ohne zu wissen, wo mein Ziel ist?
 

Umso mehr ich mich damit beschäftige, um so unruhiger werde ich. Mich beschleicht mehr und mehr das Gefühl, etwas wichtiges übersehen zu haben. Aber was? Warum ich? Warum muss immer ich eine solche Vorahnung haben?
 

Allein. Ich bin hier allein. Erst jetzt fällt mir auf, dass niemand hier ist. Nur die Bienen und Blumen. So weit ich reise, so weit ich laufe. Nichts. Ich treffe niemanden sonst. Wo bin ich? Ist das wirklich das Paradies? Warum bin dann nur ich hier? Leicht panisch laufe ich, bis mir die Luft ausgeht und meine Lungen brennen. Mein Körper schmerzt von der Anstrengung.
 

Schmerzen? Warum fühle ich im Paradies schmerzen? Warum fühle ich ein Leere? Sollte dies nicht das Paradies sein? Sollte ich mich geirrt haben? Nein, das kann nicht sein. Es muss das Paradies sein. Der Duft hat mich doch geführt.
 

Welcher Duft? Der Duft der Blumen. So rein und klar, dass ich ihm durch die Welt folgen konnte. Lange habe ich gesucht. Musste viel sehen und erleben. Musste oft kämpfen. Aber war ich alleine? Nein. Ich habe das Gefühl, als sei ich trotz der Schmerzen und Anstrengungen nie alleine gewesen. Wer aber war da?
 

Freunde. Meine Freunde. Aber wo sind sie jetzt? Wir waren doch zusammen auf der Suche. Haben zusammen alles erlebt. Warum sind sie dann nicht hier. Bei mir. Mit mir im Paradies.
 

Kann ich es Paradies nennen? Heißt es nicht immer, dass einem im Paradies nichts fehlt? Aber mir fehlt etwas. Die Gemeinschaft mit ihnen.
 

Es wird dunkel. Die Nacht bricht herein und ich höre das Zirpen der Grillen. Sehe den Vollmond. Ich erhebe meine Stimme und rufe nach ihnen. Vielleicht hören sie mich. Plötzlich spüre ich einen Stoß in die Seite.
 

"Kiba, was ist mit dir los. Warum jaulst du uns die Ohren voll?" Tsume sieht mich mit verschlafenem und grimmigem Blick an. "Es war nur ein Traum." Hige rührt sich auch und nuschelt verschlafen. "War’s zumindest ein guter?" War er gut? Am Anfang ja. "Nein, nicht ganz." Ich sehe mich in der Höhle genauer um, sehe meine schlafenden Freunde. Hige, Toboe, Tsume, Blue und Cheza. Ja, hier ist das wahre Paradies. Hier bei meinen Freunden. Egal wie viel wir erdulden und erleben. So lange wir zusammen sind, haben wir das Paradies schon gefunden. Es war schon immer da.



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