"In deinem Kopf..."
Their violence causes silence
Who are we mistaking?
But you see – it’s not me – it’s not my family
In your head they are fighting
With their tanks and their bombs
And their bombs and their guns
In your head they are crying
And their violence causes silence
We must be mistaken
In your head they are dying
Zombie.
~
Es ist vier Uhr in der Frühe, als er aufwacht. Scheppernde Geräusche aus dem Hof vor seiner Haustür dringen durch seine Fenster; selbstverständlich haben sie ihn geweckt. Widerwillig versucht er, seine verkrampften, erstarrten Glieder zu lösen und seine Hab-Acht-Stellung zu verlassen, doch es funktioniert nicht, natürlich nicht.
Mit Mühe lockert er den Griff um die Waffe, die er im Halbschlaf unter seinem Kissen hervorgezogen hat. Er kann nicht auf sie verzichten, egal, wie oft er sich vom Gegenteil zu überzeugen versucht. Wenigstens kann er schlafen, sagt er sich, wenigstens das.
Es wundert ihn noch immer, dass er nachts nur schläft.
Und nicht etwa auf einem Friedhof liegt.
Wieder scheppert es draußen, und sofort sind seine Muskeln steif vor Anspannung. Er kann es nicht verhindern, und er weiß: An Schlaf ist nicht mehr zu denken, nicht so. Nicht, wenn ihn die Geräusche bis in seine Träume verfolgen, nicht, wenn jedes Klirren und Knacken ihn an verbranntes Fleisch und blutende Wunden erinnert.
Schließlich steht er auf. Er ist längst hellwach, er war es schon vom ersten Moment an, in dem die störenden Töne an seine Ohren drangen. Es geht nicht mehr anders, es wird nie mehr anders gehen; die Erinnerungen werden ihn immer verfolgen. Jede Unebenheit in seinem Leben wird ihn daran erinnern. Mit jedem weiteren Geräusch, das er von außen vernimmt, spannt sich sein Körper weiter an, und die Unruhe dringt in jede Pore seines Seins. Es war zu erwarten, sagt er sich, und trommelt mit nervösen Fingern auf das Fensterbrett, vor dem er nun steht. Die Rollläden sind bis auf einen winzigen Spalt geschlossen, sodass niemand in sein Sanktuarium sehen kann. Ein Schutz vor Eindringlingen, wenn auch ein lachhafter. Zumindest können sie ihn so nicht anvisieren, doch er, er sieht sie genau.
Im Hof treten großmäulige Halbstarke auf einen Berg alter Dosen ein. Sie sind betrunken und stolzieren umher, als würden sie eine Glanzleistung verbringen, während sie die Reste alten Blechs unter ihren Füßen zermalmen. Das Blech gibt unter ihren Sohlen nach und – schmilzt in der Hitze der flammenden Glut, zerfrisst die Körper, die daneben liegen, und – er schüttelt den Kopf.
Es hört nicht auf, das wird es niemals.
Das weiß er; doch er kann es nicht abstellen.
Adrenalin strömt durch seinen Körper, als eine weitere Dose gegen die Backsteinmauer fliegt und zu Boden fällt. Er merkt nicht einmal, dass seine Finger sich schmerzhaft um den Griff seiner Waffe verkrampfen. Stattdessen starrt er weiter durch den Schlitz im Rollo wie durch das Visier eines – seines? – Gewehrs.
Jeder Teil seines Körpers schmerzt durch die enorme Anspannung. Dass er sie abschalten will, reicht nicht, und so lehnt er sich gegen die Wand – steif, resigniert, müde, leer.
Ruhe ist alles, was er jetzt will. Ruhe, die nicht von dem Getöse schwirrender Kampfjets und feuernder Gewehre unterbrochen wird, in der keine Granatensplitter sich in seine Haut bohren und sie auf ewig vernarben.
Er streift sich seinen Morgenmantel über und öffnet die Haustür.
Auf Zehenspitzen schleicht er die Treppe hinunter. Niemand wird es hören, hofft er, und die Sonne brennt auf seinen Kopf hinab. Sand weht um seine Füße, und er sehnt sich nach seiner Familie.
Doch sie ist tot, und er ist wieder hier; der Sand verschwindet. An seine Stelle treten die staubigen Stufen des Treppenhauses.
Es ist nicht die Sonne, die auf ihn herabscheint, sondern nur der helle Vollmond.
Sie können ihn sehen, sie schauen ihn an, sehen ihn auf sie zukommen, und es macht ihn nervös. Das Klirren des Blechs, des Metalls, das Echo detonierender Granaten verstummt.
Übrig ist nur das Wimmern der Verletzten.
Aber es ist kein Wimmern, und sie sind nicht verletzt, und in Wahrheit ist er nicht dort, sondern in der schäbigen Einfahrt seiner schäbigen Wohnung, und sie lachen. Sie lachen, und es macht ihn rasend. Die toten Körper im Sand sehen seltsam grotesk aus, wenn die lachenden Soldaten mit maskenhaften Grimassen darauf hinabsehen.
„Probleme, Alter?“, fragt eine der Stimmen, grinsend, doch er hört sie nicht, er sieht nur. Zwischen brennenden Häusern und verkohlten Menschen sieht er nur die Gesichter – nein, Masken, es sind Masken! – derer, die darüber lachen.
Er fühlt das kühle Metall in seiner Hand und weiß, dass er das Gleiche tun muss wie sie.
Doch er wird nicht dabei lachen.
Staub, oder Sand, ist es Sand?, wirbelt auf, als die beiden Körper wie Sandsäcke auf den Boden fallen. Es klappert nicht wie das Blech, wie der Stahl, es ist nur ein dumpfes Geräusch. Einer der Köpfe landet auf einem Stein, und vielleicht bricht der Schädel, doch er weiß es nicht. Er sieht nur Blut, Blut im Sand.
Das Metall wiegt schwer in seinen Fingern, und er kann den widerwärtigen Geruch des Schießpulvers riechen, vermischt mit dem des Bluts und verbrannter Häuser und Körper und Kinder und Männer und Stahl, geschmolzener Stahl.
Sein Blick senkt sich auf seine Hände. Es klebt Blut daran, sein eigenes? Sicher ist er sich nicht, und er will es nicht wissen, und die Körper liegen leblos auf der Erde.
Die Masken sind erstarrt.
Er wendet sich ab, weg davon, und diesmal dreht er dem Kampf den Rücken zu, nur dieses eine Mal.
Wenn er Glück hat, ist er bald vorbei.
Zumindest für ihn, zumindest das. Wie die starren Masken.