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Hermetisch

Dahlia und Phoenix....
von

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Ein Weihnachtsgeschenk für Fussel

Hermetisch

Für Fussel
 

Dahlia beugte sich mit einem tiefen Seufzen über die Blätter, die vor ihr auf dem Tisch ausgebreitet waren. Lernen... Sie hasste lernen! Wie zur Hölle war sie noch mal darauf gekommen, Lyrik zu studieren?

Hermetisches Gedicht... Hermeneutik... Gedichte von Celan... Damit musste sich sicher kein normaler Mensch auseinandersetzen! Aber jammern brachte auch nichts. Bald waren die Zwischenprüfungen und sie hatte auch so schon genug Ablenkung. Ablenkung in Form eines völlig naiven, dämlichen Typen, der ihr die Tour zu vermasseln drohte, wenn er ihr nicht bald ihre Kette zurückgab. Ablenkung, die auf den Namen Phoenix hörte. Oder Feenie, wie ihre Schwester ihn zu nennen pflegte.

Idiotischer Kerl. Passend zu Iris. Vielleicht hatte Dahlia deshalb das Gefühl, dass die Nonne zunehmend ihre Autorität untergrub und insgeheim mehr an dem Kunststudenten fand, als sie zugeben wollte.

Aber in vier Stunden traf SIE sich mit ihm. Sie musste die Kette jetzt kriegen – und was man richtig gemacht haben wollte, musste man bekanntlich selbst machen. Bis dahin sollte sie jedenfalls noch ein bisschen über diese hermetischen Gedichte in den Kopf kriegen; und über Hermeneutik, die Art, wie man sie lesen und versuchen zu verstehen sollte.

Also: Ein hermetisches Gedicht ist einfach nur ein Gedicht, dass sich dem Leser so verschließt, dass es für ihn unmöglich ist, irgendwie dahinter zu kommen, worum es eigentlich geht? Da musste jawohl noch mehr dahinter stecken.

Erneut seufzte Dahlia und raufte sich die Haare, die schon lange nicht mehr so schön gekämmt waren, wie üblich. Wieso fand sie nur die Unterlagen nicht, in denen alles weitere stehen musste?

Ein Gedicht, dass so unverschlüsselt, unverständlich, rätselhaft war, dass man es unmöglich verstehen konnte, ohne sich immer wieder damit zu beschäftigen und immer wieder ein bisschen mehr zu verstehen – jedoch niemals alles.

So'n Schwachsinn! Und sowas sollte so unglaublich ästhetisch und künstlerisch wertvoll sein? Wieso war denn 'was wertvoll, was eh niemand verstand? Geschweige denn schön? Sie persönlich zumindest fand Gedichte schön, die hübsch und vor allem einfach zu lesen waren. Und dann sparte sich diese ganze Hermeneutik auch.

ARGH!

Als hätte sie nicht genug mit Phoenix Wright zu tun! Die Kette zurückbekommen. Das war doch eigentlich ihr wichtigstes Ziel.... trotzdem wollte sie nicht durchfallen. Blöder Mist!

Okay, noch einmal von vorne.

Ein hermetisches Gedicht. Ein Gedicht, wie die von Celan, die so verworren waren, so komplex, obwohl sie einfach wirkten, dass es unmöglich war, sie jemals völlig zu verstehen. Soweit war das doch noch ganz einfach. Dann kam die Hermeneutik ins Spiel. Sich mit dem Gedicht auseinandersetzen. Viel Zeit hinein stecken. Und langsam würden einem Sachen auffallen, die man vorher nicht gesehen hatte. Und dann verstand man etwas besser – aber niemals ganz und gar.

Wahrscheinlich sah man nach all der Arbeit und Zeit, die man dafür geopfert hatte, auch erst ein, dass das Gedicht so toll sein sollte, wie ihr Professor ihnen immer versicherte. Hoffentlich. Sie liebte Poesie, sonst hätte sie sich niemals entschlossen, sie zu studieren.... Aber manchmal zweifelte sie an der Entscheidung. Aber jetzt – nach vier Semestern – war es vielleicht etwas spät, darüber nachzudenken. Und genau das war es, was ihr zu schaffen machte.

Als wäre ihre Laune nicht auch so schon schlecht genug gewesen, jetzt war sie eindeutig im Keller. Einfach aufhören, darüber nachzudenken. Außerdem gab es schlimmeres, als vier Semester lang das Falsche studiert zu haben....................

Mit einem dumpfen Geräusch ließ Dahlia ihren Kopf auf die Tischplatte fallen. So ein verdammter, blöder Mist! Lern lieber, statt über so'n Blödsinn zu grübeln!

Gerade, als sie den Kopf wieder hob, nur, um ihn genervt noch einmal auf den Tisch schlagen zu können, klingelte es plötzlich.

Etwas irritiert sah sie auf, wandte sich in ihrer kleinen Wohnung um und sah skeptisch die Tür an, als ob das helfen würde, sie zu öffnen.

Wer sollte das denn sein? Außer Iris besuchte sie für gewöhnlich keiner. Wer denn auch? Immerhin war sie eine eiskalte Mörderin, die sich nur dafür interessierte, dass ihren Plänen keiner in die Quere kam. Unbeeindruckt zuckte sie die Schultern. Gab sicher für alles 'ne Selbsthilfegruppe, falls sie sich es mal anders überlegen sollte; aber an und für sich war sie mit der Gesamtsituation vollkommen zufrieden.

Es klingelte wieder. Klar – immerhin hatte die Tür noch nicht gelernt, sich selbst aufzumachen.

Dahlia streckte sich kurz auf ihrem Stuhl und stand dann auf. Es klingelte noch zweimal. Jaja, sie war ja nicht taub! So schnell konnte sie auch wieder nicht zur Tür rennen.

Sie blickte durch den Türspion. Phoenix Wright. In einem rosa Pulli, mit einem roten Herz auf der Brust und um den Hals wie immer einen dicken, ebenso roten Schal geschlungen. Sein Kleidergeschmack hatte sich anscheinend kein bisschen verbessert, seit sie ihm das letzte mal im Gericht begegnet war.

Kurz warf sie einen Blick hinter sich, in den großen Spiegel, der an der Badezimmertür hing. Sie sah aus, als hätte sie bis gerade eben noch in ihrem Kleid im Bett gelegen. Ihre roten Haare waren ein Desaster.

Aber das noch zu richten, bevor sie die Tür aufmachen MUSSTE, war aussichtslos. Und was sollte es auch? Vielleicht schaffte sie es ja auch, so schlimm auszusehen, dass er sie abstoßend genug fand, Schluss zu machen und ihr dann endlich die Kette zurückzugeben? Bei diesem Gedanken drängte sich ihr ein Schmunzeln auf das Gesicht, bevor es wieder klingelte und sie schnell die Tür auf riss, bevor dieser Idiot auch noch alle umliegenden Mietwohnungen aufschreckte.

Phoenix jedoch drückte weiter auf der Klingel herum und schaute gar nicht nach vorne, um zu bemerken, dass das längst nicht mehr nötig wäre.

„Feenie“, sagte sie tonlos, weil so viel Blödheit auf einmal wirklich kaum fassbar war.

„Oh, hallo Dollie“, rief er sofort, ließ endlich von der Klingel ab und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, während seine Wangen sich beinahe so rot färbten, wie sein Schal.

„Du bist vier Stunden zu früh“, stellte sie trocken fest.

„Ja, ich weiß“, räumte Phoenix ein und grinste dabei weiterhin fröhlich aus der Wäsche, als wäre ihm das alles völlig egal. „Aber ich konnte es einfach nicht mehr abwarten, dich zu sehen.“

Egal, wie sehr sie sich selbst mahnte, sie KONNTE darauf einfach nichts liebes, freundliches erwidern. Stattdessen trat sie einen Schritt von der Tür zurück und machte eine einladende Geste.

Dankbar trat der Kunststudent ein und begann, den Schal von seinem Hals abzuwickeln. „Du siehst so hübsch aus, heute.“

Irritiert drehte sich Dahlia noch einmal herum und starrte ihr zerstrubbeltes Ebenbild im Spiegel an, bevor sie tatsächlich lachen musste. Kein schadenfrohes Lachen. Ein ganz normales, ehrliches. So hatte sie schon lange nicht mehr gelacht. Dieser Idiot war entweder blöder als irgendwer sonst, oder Liebe machte wirklich blind.

Aber zumindest war jetzt ihre Stimmung, die vor ein paar Minuten noch elend war, jetzt unendlich mal besser. Und sie konnte sich endlich dazu aufraffen, ihre lächelnde Maske wieder aufzulegen, mit der sie Phoenix schon seit ihrer ersten Begegnung täuschte.

„Setz dich doch“, sagte sie sanft mit einem engelsgleichen Lächeln auf dem Gesicht. „Möchtest du etwas trinken?“ Sehr gut! Er hatte die Kette um den Hals. Das hieß, sie war potenziell zu kriegen – und zwar heute!

„Habe ich dich bei irgend etwas gestört?“, überhörte er ihre Frage völlig und besah sich dabei den Stapel an Gedichten von Celan, die am Rad ihres Schreibtisches gestapelt waren.

„Nicht weiter wichtig“, antwortete sie liebenswürdig. Sie hatte das Gefühl, sich nachdem sie ihn abgewimmelt hatte, ihr Lächeln abschrauben zu müssen... „Nichts ist so wichtig wie du.“ Auf unausgesprochenes Kommando wurde sie leicht rot und hob gespielt schüchtern die Hand zum Mund. Sie hatte diese Rolle so oft geprobt, es war kein Problem mehr für sie, jemanden zu täuschen. So konnte sie sich also ganz auf ihr Ziel konzentrieren: Die Mordwaffe, die ihr Besucher um den Hals trug.

„Aber Dollie, du musst doch lernen!“, rief er entsetzt und sprang wieder von dem Stuhl auf, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. Wie von der Tarantel gestochen rannte er plötzlich Richtung Tür.

„Halt, wo willst du hin!“ Gerade noch so schaffte sie es, ihm hinterher zu kommen und ihn am Arm zu packen, bevor er aus ihrer Wohnung geflohen war. Noch hatte sie die Kette nicht! Noch konnte er doch nicht einfach gehen!

„Na, ich störe dich beim Lernen“, antwortete er entschlossen und sah ihr ehrlich in die Augen. „Wenn du meinetwegen durchfällst, könnte ich mir das nie verzeihen.“

„Vorhin sagtest du noch, dass du es nicht erwarten konntest, mich zu sehen“, konterte sie und bemühte sich, etwas niedergeschlagen und traurig auszusehen.

„Hm.“ Der Typ schien tatsächlich darüber nachdenken zu müssen. Was hatte sie denn jetzt gesagt? Hatte sie sich irgendwie verraten? „Stimmt.“ Ein kräftiges Nicken untermalte diese simple Antwort.

Für einen Moment wusste Dahlia wirklich nicht, was sie dazu sagen sollte. Verwirrt blinzelte sie ein paar mal und schüttelte leicht den Kopf. Dieser Kerl war völlig unberechenbar!

„Aber das habe ich ja.“ Mit einem mal war er wieder fröhlich und ging winkend zur Tür heraus, die er vorhin schon geöffnet hatte.

„Warte! Bleib hier!“, rief sie ihm etwas unbeholfen nach. Also das war ihr noch nie passiert; dass jemand einfach so vor ihr weg lief!

„Okay.“ Mit einem dicken Grinsen stand er plötzlich wieder vor ihr.

„Was?“ Nun war sie vollends aus dem Konzept gebracht.

„Wenn du möchtest, dass ich bleibe, dann bleibe ich natürlich noch etwas.“

„Schön...“, gab sie zurück – mittlerweile doch etwas unsicher. Was um alles in der Welt ging denn nur im Kopf dieses Jungen vor? „Übrigens hättest du, wenn du gegangen wärst, deinen Schal vergessen.“

„Oh, du hast recht.“ Verlegen kratzte er sich erneut am Kopf und lachte schüchtern. „Aber dann hättest du einen Grund gehabt, mir hinterher zu laufen.“

Sie hinderte gerade noch eine ihrer Augenbrauen daran, nach oben zu wandern und ihn als den unlogischen Typen zu entlarven, der er war. „Wolltest du denn nicht, dass ich Zeit zum lernen habe und eben nicht dir zu folgen?“

„Ja, aber das wäre auch süß gewesen...“, stellte Phoenix fest.

Dahlia konnte nur noch innerlich den Kopf schütteln. Langsam glaubte sie zu wissen, was Iris an ihm fand. Und warum sie das vorher nicht gemerkt hatte.

„Weißt du was?“, lächelte sie und diesmal war darin etwas anderes. Etwas ehrliches. Nur ein kleines Fünkchen, aber doch war es da. „Du bist hermetischer als die Gedichte von Celan.“

Verwirrt sah er sie an. „Ähh.... häh?“

Doch sie antwortete nicht, sie lächelte nur in sich hinein, während sie etwas zu trinken holte.

Ein hermetischer Junge, dessen Wert und innere Schönheit man erst erkannte, wenn man sich immer wieder mit ihm auseinandersetzte. Und egal, wie lange man Zeit mit ihm verbrachte, man würde ihn nie ganz verstehen können... aber vielleicht etwas besser.

Sie würde diesen Kerl sicher nie mögen und sie würde sich auch nicht mehr davon abbringen lassen, ihn so oder so aus dem Weg zu räumen. Und sie würde nur mit ihm reden, um die Kette zurück zu bekommen und aus keinem anderen Grund. Aber wer sagte denn, dass sie dieses zweckmäßige Gespräch denn nicht auch ein bisschen genießen durfte?
 


 

Ich weiß, du hast keine Lust auf Schnulz-stories, deshalb ist es nur eine Freundschaftsstory geworden. Ich hoffe, man erkennt das ^^°

Auf jedenfall wünsche ich dir frohe Weihnachten. ><



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mogelbaum
2008-12-27T10:39:24+00:00 27.12.2008 11:39
Ja da muss ich Franziska_von_Karma zustimmen: Toll geschrieben!
Nur eins ist etwas komisch.. Nach dem Armando-Fall war sie doch in Untersuchungshaft, wenn ich mich nicht täusche^^
Von:  Hime_Kirara
2008-12-18T07:31:46+00:00 18.12.2008 08:31
Gut geschrieben!
Genauso stell ich mir Dahlia vor *gg*


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