Zum Inhalt der Seite

Das Christkind trägt ein blutrotes Gewand

Challenges bei den Crazy FF Autoren
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ihr kennt das doch alle, dieses tolle Weihnachtsfest? Sicher kennt ihr das, denn jeder wird ja jährlich damit konfrontiert.

Immer wieder schleifen einen die lieben Verwandten irgendwo hin und wollen dann ein sinnliches Fest feiern. Jahr ein, Jahr aus das Gleiche.

Aber was bitte ist so sinnlich daran, sich die Wochen oder auch Monate zuvor bei der Familie einzuschleimen, nur um sich bessere Geschenke erhoffen zu können? Meiner Meinung nach nichts. Und dieses Jahr ist es endlich soweit. Meine Gebete wurden erhört. Denn in diesem Jahr ereignet sich doch wahrlich etwas, womit niemand gerechnet hat – so traurig alles im allen doch eigentlich ist.

Wie ich das meine? Ganz einfach. Ihr könnt mich dabei sogar begleiten.

Momentan befinde ich mich in einem alten Schloss. Es war einmal der Landsitz irgendeines Fürsten, der die Gelder seiner Untertanen zu seinen Gunsten verschwenden wollte. Tja, dabei entstand dann eben dieses Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert. An sich ist es ja recht prächtig, die Räume hoch und mit aufwendigem Stuck verziert und inmitten einem dieser Räume, ziemlich dicht am Eingang des Gebäudes gelegen, steht ein recht großer, bunter, hell erleuchteter Weihnachtsbaum, unter dem neben den Tonnen von Geschenken, mein alter Großonkel George liegt. Ja, er liegt dort. Regungslos und mit einem ansehnlichem Loch in Kopf. Woher das Loch kommt, fragt ihr euch? Na, von dem kleinen Pfeil, der da noch immer drin steckt.

Es handelt sich dabei um einen Bolzen, wie der aus einer Armbrust. Ganz plötzlich schoss das Ding aus einer Richtung auf ihn zu, als wir anderen uns nicht im Raum befanden, und traf den Geizhals genau an der Schläfe. Sonderlich appetitlich sieht das nicht aus, aber schlimmer ist eigentlich nur das Geschrei von Großtantchen Luciel, die schon seit gut einer halben Stunde den lieben Gott verflucht und immer wieder fragt, warum es den guten alten George treffen musste.

Da ich damit beauftragt wurde, mich um meine niedliche, süße, miese, hinterhältige... eben kleine Schwester zu kümmern, bin ich leider noch nicht dazu gekommen, mir den Tatort genauer anzusehen.

Sicher überlegt ihr jetzt, wie man ein Nervenbündel einfach ruhig bekommt? Man nehme einfach das auf die Schippe, was sie gerne hat. Zumindest funktioniert das bei ihr. Das Beispiel heute: Weihnachtslieder singen. Aus „Es ist ein Ros entsprungen“ machte ich eben „Es ist ein Kloß entsprungen (aus meiner Kehle zart)“. Ich fand das in meiner Lage recht lustig- wenn auch alles andere als sonderlich einfallsreich-, sie hingegen nicht. Und natürlich musste sie dann erst einmal petzen gehen; dafür ich hab jetzt meine Ruhe, obgleich mir meine Mutter deswegen noch den ganzen Abend auf den Wecker gehen wird. Schließlich muss sie sich nun um Tantchen UND Töchterchen kümmern.

Mir kann das allerdings vorerst egal sein, denn meiner Meinung nach ist es wichtiger heraus zu finden, was hier genau vorgefallen ist.

Soweit ich weiß, befanden sich zum Tatzeitpunkt die meisten in anderen Räumen. Das soll heißen, wir „Kinder“ (mich eingeschlossen) befanden uns zusammen mit den Müttern in der Küche, jeder für sich mit Vorbereitungen beschäftigt... oder eben mit etwas anderem.

Die Herren hatten sich größtenteils in einem, der Küche und dem Festsaal nicht umweit gelegenen, Raucherzimmer eingefunden, um, wie man es schon damals zu alten Zeiten getan hat, zu rauchen und dabei einen guten Whisky zu trinken.

Völlig aus der Reihe fiel natürlich Onkel George. Er hat schon immer eine Abneigung gegen Weihnachten und dem ganzen Getue und Drumherum gehabt - nicht grundlos meinte meine Mutter, dass ich ihm in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich sei -, was einerseits auch erklärt, warum er allein war. Aber warum wollte er noch mal her?

Meine Mutter hat beiläufig gemeint, dass er etwas bekannt geben wollte. Was es war, werden wohl nicht mehr erfahren.

Dann... Dann wollte mein Tantchen nach ihm sehen, verließ daraufhin die Küche und wir hörten nur noch ihren entsetzlichen, markerschütternden Schrei, der in den alten Gemäuern noch lange widerhallte.

Natürlich rannten alle zu ihr und nun stehen, beziehungsweise, sitzen wir alle in diesem Raum, nahe der Tanne, und starren hin und wieder auf die Leiche des Alten.

Nach dem er hier nun schon eine halbe Stunde ziemlich offensichtlich auf dem Boden liegt, erbarme ich mich seiner, greife ein Tischtuch, das auf dem Tisch hinter mir liegt, und bedecke ihn damit. Rasch nimmt der Stoff die Konturen des Körpers an und ebenso schnell sind rote Flecken auf dem bis eben noch strahlendem Weiß zu erkennen.

Scheinbar realisieren auch die anderen erst jetzt richtig, was hier vorgefallen ist und kommen zur Vernunft.

„Wir sollten die Polizei anrufen, oder was meint ihr?“, stellt meine Mutter die Frage in den Raum und erntet entsetzte Blicke.

Natürlich sollte man, aber vielleicht handelt es sich doch nur um einen schlimmen Traum, der gleich wieder vorbei ist. Diese und recht ähnliche Antworten kommen von den anderen Verwandten, die nach längerem Überlegen doch einsehen, dass es das beste sei, zum Hörer zu greifen.

Die Frauen müssen sich zudem dem Anblick oder eher der Tatsache, dass sich in diesem Raum eine Leiche befindet, entziehen und beschließen, dass zwei das Telefon aufsuchen und sich dann alle im Raucherzimmer eintreffen.

Als meine Mutter fragt, ob ich nicht mitkommen möchte, schüttle ich nur den Kopf und meine: „Jemand muss doch hier bleiben und darauf achten, dass niemand etwas verändert.“

Wie ich darauf komme, will sie wissen. Als ich erkläre, dass das hier alles sicherlich kein Zufall ist und höchstwahrscheinlich ein Mord stattgefunden hat, spüre ich die bohrenden Blicke der Anwesenden, die nicht zu glauben wagen, was ich eben gesagt habe.

„Was erzählst du da für einen Unfug, Mike?“ Kathleen sieht mich erzürnt an, die Hände zu Fäusten geballt. Natürlich zurecht, immerhin ist es ihr Großvater der hier am Boden liegt.

„Das ist kein Unfug“, meine ich selbstsicher und fahre sogleich fort. „Wie bitte erklärst du dir den Bolzen, der in seinem Kopf steckt? Ein Unfall? – Sicherlich nicht! – Außerdem kam der Schuss, als keiner von uns im Raum anwesend war. Oder hast du jemanden gesehen, der sich hier herum getrieben hat?“

Kopfschüttelnd, blickt sie zu Boden. „Nein, das habe ich leider nicht. Aber wer hat ihm das angetan?“ Diese Frage stellt sie lautstark, noch immer zornig und sichtlich den Tränen nahe, als sie auf mich zukommt. „Wer, frage ich dich.“ Schluchzend schlägt sie kraftlos auf meine Brust, wiederholt die Frage immer wieder und sinkt dann zu Boden, von mir gehalten.

Sacht nehme ich meine Cousine in die Arme und streiche ihr beruhigend über das nussbraune Haar.

„Ich weiß es nicht. Aber ich werde es heraus finden, das verspreche ich dir.“

Das Versprechen habe ich mir sogleich sehr zu Herzen genommen, denn mit Kathleen habe ich mich schon immer blendend verstanden und mittlerweile sind wir nicht einfach nur Verwandte, sondern auch gute Vertraute und Freunde.

Mich bedankend, gebe ich sie in die Obhut meiner Mutter. Da wird es ihr sicherlich besser gehen, als hier.
 

Es dauert nicht lange und der Saal leert sich. Letztendlich bin ich mit dem Opfer allein und nutze die Gunst der Stunde, mich etwas genauer umzusehen.

Gut, zuerst die Leiche!

Die liegt direkt vor dem Baum, den Blick in eben diese Richtung gerichtet.

„Nehmen wir einmal an, er stand wirklich davor und sah sich die Tanne genauer an. Sicherlich wollte er sehen, ob alles richtig hängt, da er auf Korrektheit schon immer wert gelegt hat. Sollte es so gewesen sein, wäre der Bolzen zu seiner Linken abgefeuert worden und da befindet sich...“

Ich drehe mich in besagte Richtung und finde dort, an der Wand hängend, ein großes Gemälde vor, das einen Mann aus älterer Zeit darstellt. Ein Portrait, wie man sie schon oft in Kunst- und Geschichtsbüchern gesehen hat, also nichts sonderlich weltbewegendes. Aber... „Was ist das?“

Bei näherer Betrachtung, und dafür gehe ich extra näher an das Gemälde heran, sehe ich, dass unter dem schweren Rahmen, vergoldeter Putz liegt.

Tapeten sind für so große Räume absolut ungeeignet, weswegen man damals die Wände ziervoll verputzt hatte, so auch die Räume dieses Gebäudes.

Der Saal, in dem ich mich befinde, ist golden verputzt worden. Eigentlich ist das Schloss eine Art Museum, in dem man hin und wieder für eine menge Geld Räumlichkeiten anmieten kann. Na ja, nach dem, was heute hier passiert ist, werden die Besitzer es sich noch mal überlegen, ob sie dieses besondere Angebot beibehalten oder die Idee lieber wieder verwerfen.

Vorsichtig taste ich mit meinen Fingern den Rahmen ab und kann sogar einige Schrammen ausfindig machen, die sich ungefähr auf den Höhen befinden, an denen etwas von dem Putz abgebröckelt ist. „Höchst Interessant...“

Laute Stimmen dringen an mein Ohr, die aus dem Nachbarzimmer stammen, in den die Anderen sitzen. Eine Diskussion? Jetzt?

Na ja, bevor ich mich darum kümmern kann, muss ich mir die Leiche genauer ansehen.

Bedächtigen Schrittes begebe ich mich wieder auf den Alten zu, knie mich neben ihn und ziehe vorsichtig das blutgetränkte Tuch weg. Vor mir offenbart sich erneut das bleiche Gesicht des Mannes mit dem korrekten Schnurrbart, bei dem jedes Haar wie immer Millimeter genau gestutzt wurde. Die Augen sind ein Stück geweitet. Hat er sich zuvor vielleicht vor etwas erschrocken? Nein, dazu ist sein Gesichtsausdruck doch zu entspannt.

Der Bolzen steckt noch immer in seiner Schläfe und das entstandene Loch ist auch der Ursprung für die Blutlache, die sich gebildet hat.

Wohl ist mir zwar nicht dabei, als ich den leblosen Körper auf weitere Spuren untersuche, doch bevor die Tölpel der Polizei alle Beweise vernicht... „Was ist das denn?“, frage ich leise, beinahe hauchend. Die Tatsache, das ich so gedämpft spreche, obwohl ich allein im Raum bin, hat mir einen Schauer meinen Rücken hinab gejagt. Ach, das liegt nur an dem kalten Luftzug, der hier eben durch das Zimmer gezogen ist. Bei einem so alten Gemäuer sicherlich nichts besonderes..., glaube ich zumindest.

Beim Durchsuchen fällt mir auf, wie fein der Stoff des Sakkos ist. Er hat mit seinem Geld eben nicht gespart, das hat er eigentlich noch nie. Jedenfalls nicht, wenn es um sein eigenes Wohlergehen gegangen ist.

In einer Innentasche auf Brusthöhe finde ich einen Zettel, der sorgsam zusammen gefaltet ist.

Wieder höre ich die lauten Stimme aus dem Zimmer nebenan und beschließe nun doch mal nach dem rechten zu sehen. Vorher jedoch stecke ich den Zettel in meine eigene Tasche- Zeit werde ich schon noch finden.
 

Noch ehe ich die Tür öffnen kann dröhnen die Worte meiner Tante an mein Ohr.

„Das ist doch total stumpfsinnig, den Jungen allein zu lassen. Wer weiß, was er da nicht alles anstellt?“

„Er ist kein kleiner Junge mehr, er wird schon wissen, wie er sich zu verhalten hat“, verteidigt mich meine Mutter.

Und sogleich ergreift auch schon mein Onkel Gordon das Wort. „Der Knabe kann gerade mal laufen und schon will er Detektiv spielen? Das ich nicht lache! Ich weiß ja, dass er die Bücher über diesen Halmes und den komischen Franzosen gelesen hat, aber das ist noch lange kein Grund ihn da rumstöbern zu lassen.“

Halmes? Franzose? Erst mal heißt der Gute Holmes und nicht „Halmes“. Und zweitens ist Hercule Poirot kein Franzose sondern Belgier. Mein Onkel ist eben schon immer ein ungebildeter Klotz gewesen.

„Außerdem finde ich noch immer, dass seine Behauptung absoluter Müll ist. Mord... – So ein Schwachsinn!“

„Ach! Mein Lieber Onkel Gordon.“ Oh, wenn Kathleen schon so anfängt, dann folgt gleich ein Hammer. „Wenn du wirklich der Meinung bist, dass da nichts dran ist, dann kannst du sicherlich sagen, wie es kommt, dass Onkel George tot im Nebenzimmer liegt! Vielleicht bist du es ja auch gewesen und willst nur von dir ablenken.“

Der hat sicherlich gesessen.

„Was fällt dir ein? Kathleen, du übertreibst!“

„Warum Mutter? Wir wissen doch alle, dass sein Anteil vom Erbe in Gefahr ist, seit sich Tante Elisa sich von ihm geschieden hat.“

„Wenn es danach geht, hätten wir beinahe alle ein Motiv.“ Da hat sich eben mein Großvater Jefferson zu Wort gemeldet. Der Gute. Aber er ist schon immer sehr direkt gewesen. „Aber vorher finde ich es nur fair, wenn mein Enkel endlich ins Zimmer kommt, anstatt da an der Tür zu lauschen.“

Er lächelt mich an, als ich die Tür hinter mir in Schloss fallen lasse. Erst dann redet er weiter.

„Wie ich schon gesagt habe – es hätte fast jeder ein Motiv. Fangen wir mal mit dir an, Gordon. Kathleen hat schon Recht, seit du dich von Elisa hast scheiden lassen, hat mein Bruder davon gesprochen, dich aus dem Testament streichen zu lassen. Er ist der Meinung gewesen, du seiest es ohne Frau nicht Wert, einen Anteil seines Vermögens zu bekommen.“ Er hält einen Moment inne und lässt seinen Blick von Onkel Gordon zu Onkel Gregory schweifen.

„Du bist aber auch nicht ganz ohne, Gregory, mein lieber Neffe. Wenn ich daran denke, dass du untreu bist.“

„Was?“ Ungläubig starren alle auf den Angesprochenen. Nur Tante Martha lässt ihr zartes Stimmchen erklingen. „Mit wem? – Du...“

„Können wir das nicht Zuhause klären, mein Engelchen?“, fleht ihr werter Gatte und hebt dabei beschwichtigend die Hände.

Sie hingegen droht nur noch, dass er etwas erleben könne und auch von Scheidung ist hier die Rede.

Kathleen, die zwischen ihren Eltern auf einem Sofa sitzt, verfällt in Schweigen und sieht die ganze Zeit abwechselnd zu mir und zu meinem Großvater. Stumm bedrängt ihr Blick, dass er doch fortfahren möge und ich meine „grauen Zellen“ inzwischen in Gang setze.

Der alte Jeff, wie er sich selbst gern hin und wieder nennt, zündet sich indes seine Pfeife an, bläst den Rauch aus und holt dann Luft, um weiterreden zu können, sobald er wieder die Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden hätte.

„Da ich nun schon mit dem Teil der Familie angefangen habe, mache ich dort auch weiter, denn selbst der „kleine“ Carlton hat es faustdick hinter den Ohren.“

„Ach, was du nicht sagst. Ich muss gestehen, dass ich dir nicht so ganz folgen kann!“, höre ich hinter mir die helle Männerstimme des Beschuldigten, der an der Wand neben dem Kamin lehnt.

Lachend hebt mein Großvater die Pfeife an seine Lippen und nimmt einen weiteren Zug.

„Ja, mein Guter. Dein Großvater hat gern über dich gewettert. Du hättest du so einen verschwenderischen Lebensstil und würdest sein hart erarbeitetes Geld nur aus dem Fenster schmeißen, sofern du es in die Finger bekämst. Also wollte er auch dich aus dem Testament nehmen.“

Wütend schnaubt Carlton und wechselt nervös das Standbein.

Endlich hat auch Onkel Gregory seine Stimme wieder gefunden. „Dein Sohn ist aber auch nicht gerade der Liebling meines Vaters gewesen, wenn ich mich recht entsinne. Wenn ich überlege, wie er damals regiert hatte, als Michael meinte, Künstler werden zu müssen. Hah!“

Mein Vater seufzt laut und lehnt sich mit bedrücktem Gesichtsausdruck in seinem Lehnstuhl zurück. Also hat auch er ein Motiv?

„Es stimmt. Ständig hat der alte Zausel auf mir herum gehackt und meinte, dass ich meine Familie nie ernähren könnte. Geirrt hat er sich, denn ich habe erfolgreich meine Bilder verkauft und meiner Familie geht es wirklich nicht schlecht.“

Eine kurze Zeit des Schweigens tritt ein, die Carlton für sich nutzt, um ebenfalls jemanden beschuldigen zu können.

„Aber auch du, Onkel Jeff, standest nicht sonderlich in der Gunst des Alten. Er meinte des Öfteren, du wärst neidisch auf das Geld und den Erfolg deines Bruders gewesen, weil er schon von Anfang an bevorzugt wurde. Schließlich hat er auch die Firma übernommen.“

Francis, meine Schwester löste sich von unserer Mutter, hüpfte von ihrem Schoß und kletterte auf den des alten Jeffs, wie ich es früher immer gern getan habe.

„Aber Opa...“, setzt sie gerade zum Sprechen an, als erneut ein Schrei ertönt und wenig später die Tür aufgerissen wird.

Es ist Christa, die als Christkind (in Gestalt des Weihnachtsengels) verkleidet, in das Zimmer stürmt.

Christa ist die uneheliche Tochter von Onkel Gordon und Tante Elisa. Sie ist mit Leib und Seele Schauspielerin und wurde deshalb von meiner Mutter gebeten, für die kleine Francis eine kleine Einlage hinzulegen. Wie verabredet, trägt sie das weiße Gewand mit goldenen Flügeln, einen ebenso goldenen Heiligenschein, der einige Zenitmeter über ihrem blonden Haar schwebt, das sie offen trägt.

Natürlich ist der Auftritt nun dahin, denn gleich ist wieder der tote Gorge das Thema.

„Was ist passiert?“, will sie wissen, als sie sich wieder beruhigt hat. Doch sie erntet nur ein Kopfschütteln seitens Tante Martha.

„Wir wissen es noch nicht, aber unser Westentaschen- Sherlock wird uns sicherlich bald sagen“, lacht Carlton lauthals und geht inzwischen sichtlich nervös im Raum auf und ab. Hat er etwas was zu verbergen?

Da die Aufmerksamkeit auf Christa gelenkt ist, nutze ich die Gelegenheit und wende mich meinem Großvater zu.

Francis kauert noch immer auf seinem Schoß und zupft verspielt an einer Strähne des mittlerweile brustlangen Bartes.

„Sag mal Grandpa, hat eigentlich von den Verdächtigen jemand das Zimmer verlassen, während Onkel George allein im Saal gewesen ist?“

Er nickt. „Natürlich. Jeder von uns ist zwischendurch mal auf der Toilette gewesen. Allein, versteht sich.“

Na klasse. Jeder mit Motiv hat kein Alibi. Das kann ja heikel werden.

Meine Schwester lässt von dem Alten ab und rennt zu den anderen, während ich weiter mit ihm plaudere und er mich fragt, was ich davon halte. Ich meine, dass es nicht leicht wird, da so viele in Frage kommen, doch ich würde sicherlich noch einen entscheidenden Hinweis finden.

„Ich zähle auf dich, mein Enkel. Du, deine Schwester und Kathleen, ihr wart die Einzigen, über die mein verdrießlicher Bruder nie ein schlechtes Wort verloren hat. Er meinte immer, aus euch wird mal etwas werden, auf das man stolz sein könne. – Enttäusche ihn also nicht.“

„Das werde ich nicht.“
 

Grübelnder Weise, habe ich mich in eine Ecke des Raumes verkrochen, es mir anbei in einem Ohrensessel bequem gemacht und tippe, wie es schon immer meine Art gewesen ist, wenn ich nachdenke, auf meiner Nasenspitze herum.

Eher beiläufig lasse ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Das hier ist einer der wenigen Räume, der mit Möbeln einer jüngeren Zeit eingerichtet ist. Der Kamin entspricht zwar dem Baustil des 15. Jahrhunderts und scheint demnach original zu sein, dennoch lassen das Aussehen des anderen Mobiliars eher das 18. oder 19. Jahrhundert vermuten.

In der Mitte des Raumes steht ein niedriger Eichentisch, auf dem sich die Rauchutensilien der Männer befinden. Eingekreist wird dieser von zwei ledernen Zweisitzern – auf denen allerdings auch problemlos drei Leute Platz hätten -, sowie zwei weiteren Ohrensessel an den Stirnseiten. Eine recht ungewöhnliche Anordnung, wie ich finde. In den vier Ecken des Raumes befinden sich ebenfalls Sessel und links und rechts des Kamins findet man zusätzlich noch Lehnstühle.

An den Wänden sind allerhand Trophäen angebracht; scheinbar war das hier das Jagdzimmer der edlen Herren gewesen. Eine Geflogenheit, denen ich selbst im Geschichtsunterricht nichts abfinden kann.

Im Großen und Ganzen ist alles in einem angenehmen Tannengrün gehalten, was dem Raum eine gewisse Wärme verleiht.

Na ja, egal. Erst einmal gilt es, den fall zu lösen. Wer kann der Mörder sein? „Hm...“

Während ich drohe in meinen Gedanken zu versinken, kommt Kathleen auf mich zu und setzt sich auf die Seitenlehne.

„Was gibt es?“, frage ich, ohne wirklich mitbekommen zu haben, wer da eigentlich neben mir sitzt. Erst ihre liebreizende Stimme, weckt mich gänzlich.

„Mir ist da etwas aufgefallen, was mir keine Ruhe lässt. Ich dachte, du könntest vielleicht etwas damit anfangen.“

Ich lass von meiner Nasenspitze ab, blick zu ihr auf und lehne mich zurück. „Und was wäre das?“

Sie beugt sich leicht zu mir herunter und lugt in die Richtung, in der man Christa, Carlton und Onkel Gordon vorfinden kann. „Es geht um Christa. Francis musste vorhin zur Toilette, wusste aber nicht wo lang. Eher unbewusst hat die Kleine unseren „Engel“ gefragt, und siehe da: sie konnte ihr tatsächlich den Weg beschreiben, obwohl sie ja erst seit kurzem im Schloss anwesend ist.“

Der Tatsache, dass da etwas nicht stimmen kann, nicke ich zustimmend und beginne von neuem sinnierend mit dem Finger zu tippen.

Plötzlich springt mir noch etwas ins Auge, das ich zuvor nicht bemerkt habe und das mir sicherlich dabei helfen wird, alles aufzuklären.

„Wann soll die Polizei eintreffen?“

Meine Cousine sieht auch ihre Armbanduhr und schätzt: „Zehn Minuten, vermute ich.“

Ohne weiter etwas zu sagen, erhebe ich mich und verlasse das Zimmer, um erneut dem Toten einen Besuch abzustatten.

Dort angekommen, finde ich alles vor, wie ich es zurück gelassen habe. Zumindest vermute ich das auf dem ersten Blick.

Ich gehe abermals auf die Leiche zu, streiche dabei mein Haar zurück und entdecke doch wirklich etwas, das zuvor noch nicht da gewesen ist.

„Das sieht aus, als ob sich da jemand hingekniet hätte.“

In der Blutlache ist der deutliche Abdruck von Stoff zu erkennen, auf den Druck ausgeübt wurde. Da das Blut bereits angetrocknet ist, ist die Spur deutlich zu sehen.

Ja, das passt bisher zusammen. Fehlt nur noch das Motiv. Vielleicht kann ich die Person ja zu einem Geständnis bringen...

Ich höre, das sich Schritte nähern, also sehe ich zu, dass ich hinter die große Tanne komme, um mich da zu verstecken.

Während ich da steht und warte, greife ich in meine Jackentasche und hole den Zettel hervor, den ich dem „alten Zausel“ entnommen hatte und sehe ihn mir jetzt genauer an.

Das ist doch... - In meinen Händen halte ich das Testament.

Mein Großonkel hat selten jemanden vertraut, weswegen ich davon ausgehe, dass es das Original ist und keine Abschriften existieren. Er hat es sicherlich stets sicher verwahrt gehabt und wollte heute preisgeben, was darin geschrieben steht.

Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es sogar zwei Blätter sind. Auf dem anderen sind Vermerke zu lesen, mit denen er begründet, warum gewisse Leute nichts von ihm erben würden.

Selbst Christa ist vermerkt. Und bei ihr ist es ein ähnlicher Grund, wie bei meinem Vater. Wenigstens ist der Alte bei seiner Meinung geblieben und hat keine Sympathiepunkte verteilt.

Meine Neugierde treibt mich voran, als ich das Rascheln von Stoff bemerke.

Langsam schreite ich um den Baum herum und treffe auf verdutzte Blicke seitens Christa.

Wusste ich es doch.

„Ich dachte mir schon, dass du her kommst.“

„Du?“

Ich lächle bitter, denn ihr Blick sagt mir, dass sie ahnt, was hier gleich passiert.

„Du weißt es, habe ich Recht?“

Das ist jetzt aber ein schnelles Geständnis. Dennoch lasse ich mir meine Verwunderung nicht anmerken und nicke nur knapp. „Den Anderen mag es vielleicht nicht aufgefallen sein, weil die Aufregung noch immer viel zu groß ist, aber ich weiß, dass du für Gewöhnlich nicht die Beine über einander schlägst, wenn du sitzt.“ Ich deute auf einen Fleck, der sich an dem weißen Stoff des Gewandes befindet. „Da du das Zimmer zwischenzeitlich nicht verlassen hattest, musstest du das Blut schon vorher am Stoff gehabt haben. Vermutlich, bevor du geschrieen hast und zu uns gekommen bist.“

Es ist wirklich ein Wunder, dass niemand weiter darauf geachtet an. Möglicher weise liegt es auch daran, dass die Nerven einfach nur blank liegen.

Auch sie nickt nun. „Und wie glaubst du habe ich es angestellt?“

„Ich weiß, dass du in einem Theaterstück mal die Rolle des Vaters des Wilhelm Tell gespielt hast. Den Umgang mit der Armbrust beherrscht du demnach.“ Ich halte kurz inne und hole tief Luft. „Neben dem Gemälde hat sich der Putz gelöst. Sicherlich nicht grundlos, denn ich gehe davon aus, dass es hier Geheimgänge gibt und hinter dem Portrait dürfte einer sein.“

Christa seufz schwer und ergreift dann das Wort. „Eigentlich gibt es keine wirklich direkten Beweise: keine Fingerabdrücke oder der gleichen. Das Einzige, dass mich verdächtig machen könnte, ist der Fleck am Kostüm. Ich habe Klebstoff an den Fingern, musst du wissen; das hinterlässt keine Fingerabdrücke.“

„Ich schätze auch, dass du vorher schon einmal hier gewesen bist, um dich umzusehen. Vermutlich, nachdem die Räumlichkeiten angemietet worden sind. Einen Vorwand wirst du schon gefunden haben. Daher konntest du Francis auch den Weg zur Toilette beschreiben.“ Ich sehe zu Boden, als hoffe ich dort etwas zu finden. Dann jedoch blicke ich sie fragend wieder an. „Nur, das Motiv fehlt mir. Für einen Mord ist ein verlorenes Erbe nicht triftig genug.“

Ein verächtliches Schnauben ist zu vernehmen, ehe sie sich auf mich zu bewegt. „Nein, nicht direkt. Du musst wissen, dass ich einen Haufen Schulden habe und da mein Vater nicht mit Geld umgehen kann, besitzen meine Eltern nicht genug, um mir zu helfen. Also dachte ich, fragst du einfach mal den Großvater. Doch der lachte mich nur aus. Ich sei ein Taugenichts, solange ich nicht einen anständigen Beruf wählen würde. Ich liebe die Schauspielerei und mittlerweile kann ich mir selbst mein Studium nicht mehr leisten. Ich habe das Geld wirklich nötig. Das alles hat ihn aber nicht interessiert. Auch nicht, als ich meinte, ich würde alles verlieren, um einen Teil des Schuldenberges begleichen zu können. Da habe ich den Verstand verloren und diesen miesen Plan geschmiedet.“

Ich weiß, dass sie käme aus der Sache fein raus, wenn ich jetzt nicht hier stünde. Das Blut könnte sie sicherlich anders erklären. Als Schauspielerin ist sie wirklich talentiert, was ihr eine Hilfe dabei wäre.

Warum sie es mir trotzdem erzählt? Ich schätze mal, das liegt an diesem blöden Fest, das jeden irgendwie zur Vernunft bringt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Merle_Miau
2009-01-04T19:14:28+00:00 04.01.2009 20:14
Halloooo~ So, hier das versprochene Kommi, aus der Auswertung vom Zirkel ^^~
Wie du selbst in deiner Kurzbeschreibung gesagt hast, findest du selbst, dass deine Fanfiction sehr chaotisch ist und ehrlich gesagt, muss ich dir das auch sagen. Sie wirkt sehr schnell geschrieben, hektisch, als hättest du keine Zeit gehabt. Vielleicht hattest du das auch nicht, weil du unbedingt bei der Challenge mitmachen wolltest und nur noch wenig Zeit hattest. Es sind einige Rechtschreibfehler drin, die das Lesen manchmal zum Stocken bringen und es etwas erschweren – mit zumindest xD – dem Zusammenhang noch zu folgen. Dein Mike macht mal das, dann tut er wieder dies, plötzlich ist er da und dann... macht er das.
Was mir noch nicht gefallen hat und was einem auch ein bisschen die Lust am Weiterlesen verdorben hat, war meiner Meinung nach, dass du mit dem Titel – was einem aber erst hinterher klar wird – schon verrätst, wer der Täter ist. Als in der Mitte der zweiten Seite plötzlich Christa auftaucht, in einem Christkindsgewand und völlig aufgelöst fragt, was denn los gewesen sei und man dann auch noch erfährt, dass sie für das Kind das Christkind spielen sollte, da wusste ich – ich weiß ja nicht, wie es den anderen ergeht – sofort, wer der Mörder bzw. die Mörderin war.
Dein Protagonist erinnert mich ein wenig an meinen Freund, was nicht unbedingt ein Pluspunkt ist... xDDD~ Nein, war nur ein Spaß, als an ihn erinnern tut er mich wirklich, aber natürlich ist das ein Pluspunkt! *grinsel*
Von dem Chaos abgesehen, war die Idee wirklich gut und wie du selbst geschrieben hast, wenn du die ganze Sache überarbeitest, die Handlungen, die Mike vollbringt ein wenig ordnest, dann wird das ganze eine wirklich gute, kriminologische Fanfiction. Du musst dir ein bisschen darüber im Klaren werden, wer ist Mike, wie steht er zu seiner Familie... Wer ist seine Familie. Dann kann das ganze wirklich unglaublich toll und spannend werden!

Ich freue mich trotzdem wirklich, dass du mitgemacht hast^^ Und ich bin froh, dass du dich doch noch dazu entschlossen hast, eine Fanfiction einzureichen! Und wie du gemerkt hast, reiße ich auch niemandem wirklich die Birne ab xD~
Ich bedanke mich bei dir und hoffe, dass du nicht allzu traurig bist~ ^^


Zurück