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Des Engels Tagebuch

Rrazpharroth
von

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Alte, neue Bekanntschaft

Zehn Jahre sind nun seit meinem Amoklauf vergangen. Die Jahre lasten sehr auf meinen Schultern. Wie lang ist die Ewigkeit, wenn schon zehn Jahre so lang sind? Meine Glieder tun weh. Menschen können an Einsamkeit sterben. Warum ich nicht?

Die Wüste hat sich seitdem nicht verändert. Einmal hat es geregnet. Für ein paar Tage war die Wüste Lebhaft und unglaublich bunt. Aber Schönheit scheint sich auf dieser Welt nicht lange zu halten.
 

Ich habe schon so oft überlegt, doch wieder unter die Menschen zu treten. Es gab Momente in denen ich sogar überlegt habe mich selbst zu töten. Ein Gedankengang der niemals in Frage käme. Das ist wohl der Mensch in mir. Tot lebt es sich einfacher. Der Instinkt zu überleben ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Man lernt mit der Situation zu leben. Man resigniert. Man denkt auch nicht mehr groß darüber nach. Aber immer diese Schlüsselszenen in denen alles aufschäumt und man sich davon übergeben muss.

Leider muss ich gestehen, dass ich lange nicht mehr an Gabriel gedacht habe. Aus dem Grund dass jeder Gedanke an sie furchtbar weh tut. Man flüchtet vor Unangenehmen. Selbstschutz – trotz des schwachen Lebenswillen.
 

Ein leises Motorengeräusch wird vom Wind zu mir getragen. Es ist ungleichmäßig laut. Ich schaue mich um. In weiter ferne entdecke ich ein Auto. Es ist noch zu weit um genaueres zu erkennen. Bestimmt wieder ein sturer Wissenschaftler. Wie ich sie doch alle hasse.

Ich beobachte das Auto. Es ist das einzige was sich momentan bewegt. Nur schleppend überquert es die Dünen. Es kommt mir immer näher. Ich weiß nicht wie ich das Gefühl beschreiben soll, dass in mir gerade aufpocht. Hoffnung? Verzweiflung? Ekel? In irgendeiner Weise alles. Ich umklammere meinen Körper mit meinen Armen. Wende mich ab. Ich will nicht zu den Menschen zurück. Ich will sie mir nicht mehr antun müssen. Ich habe sie satt.
 

Das Auto bleibt unmittelbar in meiner Nähe stehen. Ich höre wie der Motor stoppt. Will aber nicht hinsehen. Die Person kann mich nicht sehen. Die Barriere erlaubt es nicht. Ich höre eine Stimme. Sie kommt mir bekannt vor. Aber ich verstehe nicht was sie sagt. Da läuft die Person gegen meine Barriere. Automatisch muss ich hinschauen. Die Person wird zurückgeschleudert und landet unsanft auf der Motorhaube. Was ich aber sehe lässt mich aus allen Wolken fallen. Sie hat den weiten Weg auf sich genommen um mich zu finden?! Sie steht auf und läuft zur Barriere. Sie berührt sie vorsichtig mit dem Finger, wird aber wieder abgewehrt.

„Zero? Ich weiß, dass du hier bist! Zeig dich!“ Gabriel steht dort und schaut verzweifelt in meine Richtung. Ich weiß nicht ob ich mich ihr zeigen soll. Da rennt sie absichtlich gegen meine Barriere: „Komm raus und zeig dich!“ Ihre Stimme klingt zittrig und aufgeregt. Sie ist gealtert. Größer und schlanker ist sie geworden. Ich kann mich nicht bewegen. Sämtliche Gefühle die ich all die Jahre mühsam verdrängt habe kommen hoch. Es kommt mir vor als würde ich gleich platzen.
 

Immer und immer wieder läuft sie gegen die Barriere. Ich halte das nicht länger aus und löse sie auf. Gabriel stolpert und fällt hin. Wir schauen uns beide mit ungläubigen Blicken an. Weder ich wage meinen Augen zu trauen, noch sie. Da springt sie auf und rennt auf mich zu. Unglaublich wie schnell sie ist. Mit Wucht fällt sie mir in die Arme und reißt mich von der Mauer. Sie weint. Aber warum? Plötzlich laufen mir auch Tränen über mein Gesicht. Ich weiß immer noch nicht was ich denken soll oder wie ich das Gefühl beschreiben soll.

„Ich habe dich so vermisst, Zero!“ Sie schluchzt atemlos. Als ob diese Worte der Startschuss gewesen wären schließe ich meine Arme fest um ihren Körper. Ich schließe die Augen und genieße sie. Nie wieder will ich sie los lassen. Es ist wie eine Sucht. Dieses erlösende Gefühl.
 

Sie hebt den Kopf und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Ihre Tränen sind schwarz? Rund um ihre Augen ist alles schwarz verschmiert. Sie Lächelt. Ihr Lächeln! Ich wusste gar nicht dass es noch herzerwärmender sein kann! Sie mustert mich eindringlich. Ihre Augen glänzen. Sind so voller Leben. Zehn Jahre ist es her, dass ich ihr in die Augen gesehen habe.

„Du siehst wunderschön aus.“ Sie fährt mit ihrer Hand zart über meine Wange. Bewundert meine schimmernde Haut. Dann durch mein Haar. „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Diese Haut, die Farbe deines Haars und deine Augen.“ Ihre Stimme klingt erwachsen.
 

Plötzlich verliert sich ihr Lächeln. „Du schaust aber krank aus. So Müde.“ Ich wende meinen Blick ab, als wolle ich ihn verstecken. Sie steigt von mir runter. „So große Flügel. Ich habe sie mir nicht so groß vorgestellt.“ Ich stehe auf und weiche ihren Blicken aus. „Hast du hier zehn Jahre ganz allein verbracht?“ Ich nicke stumm. Sie setzt sich wieder ihren Hut auf. Ich werfe ihr einen prüfenden Blick zu. Sie setzt sich in den Schatten der Ruinenmauer. Ihr Haar ist gewachsen. Sie hat es sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Nur ihr Pony ist offen. Sie klemmt es sich hinter ihr Ohr. Sie trägt eine weiße dreiviertel Hose und ein weißes Trägertop. Ihre Haut schimmert vom Schweiß. Sie schaut unter ihrem großen weißen Hut zu mir.
 

„Nach all den Jahren, in denen wir nun getrennt waren hast du mir nichts zu sagen?“ Ihre Frage lässt mich erstarren. Jetzt kommt der unangenehme Teil. Ich bekomme kein Wort über die Lippen. Vielleicht aus Angst vor der Reaktion. Ihr Blick bohrt sich unter meine Haut. Wie damals als ich zu ihr in die Klasse kam. Sie sucht Antworten. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich weiß auch nicht was sie hören will. Nur schwach und leise bringe ich es heraus:

„Es tut mir Leid…“ ich schaffe es aber nicht ihr dabei in die Augen zu sehen. Ich schäme mich zu sehr.

„Setz dich zu mir.“ Zögerlich setze ich mich neben sie. Meine Flügel bieten zusätzlichen Schatten für Gabriel. Sie schaut mich immer noch ungläubig an: „Du bist nicht um ein einziges Jahr gealtert.“ Sie hört sich an wie ein Wissenschaftler. „Aber das beiseite.“ Sie nimmt meine Hand. „Egal was passiert ist, nichts ändert sich zwischen uns.“ Wieder lächelt sie mir warm zu. Ich beginne mich wohler zu fühlen.

„Du bist mir nicht böse?“

„Wie könnte ich? Du hast es ja nicht absichtlich getan.“ Mein Blick sinkt. „Oder doch?“

„Niemals!“

„Myke hat mir alles erzählt. Zumindest soviel sie wusste.“

„Sie lebt?“

„Ja. Sie ist unversehrt.“ Ein Glück. Ich hatte Angst ich hätte sie getötet.

„Wie geht es ihr?“

„Myke geht es sehr gut. Sie ist nun Dozentin auf einer Universität in Gashtiwon. Sie hat geheiratet und erwartet sogar bald ein Kind.“ Ich bin ja so froh, dass Myke doch noch ein angenehmes und ruhiges Leben führen kann. „Sie hat die ganze Angels-Geschichte hinter sich gelassen. Wir sind gute Freunde geworden. Wir treffen uns öfter mal.“

„Beruhigend zu hören. Aber wie ist es dir ergangen?“ Gabriel schaut mich kurz an. Als ob sie prüfen wolle, ob ich diese Frage ernst meine.

„Die Sommerferien waren auf jeden Fall vorbei; an jenem Tag.“ Dabei setzt sie ein verwunschenes Lächeln auf. „Wir hatten trotz des Chaos in Yeron pünktlich wieder Schule. Andere Schulen mussten wegen der Zerstörung geschlossen bleiben.“ Ich sehe ihr an, dass ihr diese Erinnerungen schwer auf der Seele liegen. Ich fühle mich schlecht. „Aber die Klassen sind alle sehr dünn geworden. Es kamen kaum neue Schüler, viele sind ums Leben gekommen oder aus Yeron geflohen um der Armut zu entgehen. Richtigen Unterricht haben wir kaum gemacht. Keiner war wirklich anwesend. Selbst den Lehrern ist es schwer gefallen.“ Sie drückt meine Hand etwas fester. „Ich bin nach der Schule studieren gegangen. Anthropologie und Gentechnik. Ich habe eine Diplomarbeit über Das mögliche Verhalten über das Volk der Rrouharran geschrieben.“ Sie schweigt eine Weile. Es hört sich nicht so an, als wäre sie stolz darauf. „Damit wollte und konnte ich das Interesse der Angels Corporation auf mich ziehen.“ Was? Erschüttert schaue ich sie an. Ich dachte die Organisation hätte ich zerstört?! „Es war die einzige Möglichkeit, Zugriff auf deine Daten zu bekommen. Ich habe mich nur auf sie eingelassen um dich zu finden.“ Verzweifelt schaut sie mich an.

„Die Organisation ist also nicht zerstört?“

„Bei deinem Ausraster hast du nur den Oberen Verwaltungsbereich beschädigt. Die Laboratorien und Daten zu den Experimenten sind unter der Erde verschont geblieben.“

„Aber wer leitet sie jetzt?“

„Dr. Hemmington. Der Bruder des damaligen Vorstands.“ Ich glaube es nicht… Ich habe nicht einmal das erreicht, was ich hätte erreichen können. „Mittlerweile sind die Skysoldier offizielle Waffen des Militärs von Merakia. Damit sind die Angels ganz offiziell zur Militärmacht geworden.“

„Skysoldier?“

„Du weißt nichts davon?“ Ich schüttele den Kopf. „Das sind Klone von dir. Welche die genetisch so verändert sind, dass sie weder Schmerz noch Emotionen empfinden Können. Sie befolgen strikt Befehle. Sie werden zu hunderten produziert. Merakia hetzt sie alle auf Disenion.“ Ich erinnere mich daran, dass der Professor mal erwähnte, dass ich nur einer von vielen sei. Aber die Skysoldier hat er in meiner Gegenwardt nie erwähnt.

„Und du hast dabei geholfen?“

„Nein. Nicht direkt. Als ich eingestellt wurde, waren sie schon bei der Produktion. Ich sollte nur Nachforschungen anstellen, aus bestehenden Daten. Ich will dem ganzen aber ein Ende machen. Dazu brauche ich aber Hilfe.“ Sie schaut mich an.

„Oh nein. Ich werde ganz sicher nicht diese Wüste verlassen.“

„Zero!“

„Nein. Außerdem heiße ich nicht mehr Zero. Ich heiße Rrazpharroth. Niemals mehr will ich, dass du mich so nennst.“

„Du willst doch auch, dass das alles ein Ende hat!“

„Ich will meine Ruhe vor den Menschen. Ich will nichts mehr mit all dem zu tun haben!“ Ich stehe auf und entferne mich ein paar Schritte. Sie läuft mir nach. Ich wende ihr den Rücken zu.

„Du willst mich damit also allein lassen? Du willst dir die Augen, Ohren und Mund zuhalten? Da habe ich wohl zu viel von dir verlangt!“ Sie schweigt kurze Zeit. „Schön!! Du hast ja wohl nichts zu verlieren! Du kannst jeder Zeit diesen Planeten verlassen. Du hast scheinbar niemanden, den du beschützen willst!!“ Sie weint. „Dann Verschwinde doch von hier, wenn du uns alle so hasst!! Ich zwinge dich Nicht. Keiner zwingt dich mehr zu irgendwas. Also worauf wartest du?! Mach die Fliege!“ wütend läuft sie zum Auto. Es stimmt was sie sagt. Ich hätte längst verschwinden können. Ich bin aber nicht gegangen, weil ich an etwas hänge. Ob ich jemanden beschützen will…

„Gabriel…“ Ich drehe mich um. Da hat sie schon fast das Auto erreicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-02-01T20:37:03+00:00 01.02.2010 21:37
Heyho Tora, Tora, Tora
Kann mich der Vor-Posterin nur anschließen. Ende ist schön offen und spannt einen auf die Folter, um zu wissen wie es weitergeht!
Ein Glück, dass Myke ein Happy End hat - hat sie verdient!
Was ich allerdings ein wenig fragwürdig finde, ist, dass sie es ihm nicht übel nimmt, dass er ihre halbe Heimatstadt in Schutt und Asche gelegt hat und mehrere hundert Menschen um's Leben gekommen sind? Schon ein wenig seltsam, schädigt dem Kapitel jedoch nicht!
Weiter so, Tora, ToRa, tOrA!
Mfg Jezal
Von: abgemeldet
2010-02-01T19:55:51+00:00 01.02.2010 20:55
Zuerst so schön, und zum Schluss so traurig.
Aber Gabriel hat wirklich Recht. Zero hätte schon längst verschwinden können. Sie hat sich nicht viel verändert, finde ich. Vielleicht ist sie älter geworden, und reifer; aber das Stürmische ist ihr geblieben. Ich mag das :)
Die zehn Jahre, die du unbeschrieben hineingeworfen hast, machen die Geschichte interessanter. Überhaupt schaffst du es sehr gut, abwechslungsreich zu schreiben, trotzdem aber die Handlung nicht zu wirr werden zu lassen!
Das nächste Kapitel werde ich erst in den nächsten Tagen lesen, ich muss noch BIU lernen... xD
Aber schreib unbedingt schnell weiter! Du kannst wirklich stolz auf die Geschichte sein. :)

viele liebe Grüße
hiromi.


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