Taste in Men
Es regnete in Strömen und Severus war bis auf die Haut durchnässt, als er die schummrige Kneipe betrat. Das Wetter war schon den ganzen Juni ausgesprochen schlecht gewesen und hatte zu Severus Leidwesen die meisten Kräuter in seinem Garten ruiniert. Zwangsläufig musste er nun an den Wochenenden öfters nach London und Zaubertrankingredenzien einzukaufen. Das war nicht nur teuer sondern auch lästig.
Missgelaunt hockte Severus sich an die Bar und bestellte einen Feuerwhiskey während er sich aus seinem Mantel schälte. Der Barmann nickte registrierend und stellte ihm ein Glas auf den Tresen, das er daraufhin füllte. Severus war gerne in dieser schmierigen Muggelkneipe, die Atmosphäre war dunkel und gedämpft und die Gefahr, dass ihn hier jemand erkannte war gleich null, was er sehr zu schätzen wusste. Der Barmann sprach ebensowenig wie er selbst und so verbrachte Severus seine Londonwochenden gerne damit, abends ein paar Gläser Feuerwhiskey anzuschweigen.
Er nahm einen großen Schluck und spürte, wie sich wohlige Wärme in seiner Kehle ausbreitete. Dann lehnte er sich ein wenig zurück und nahm die Bar in Augenschein. Bis auf die üblichen Gestalten, ein alter Mann, der auf dem Barhocker am anderen Ende der Bar zu wohnen schien sassen nur vereinzelt ein paar Leute an den Tischen und unterhielten sich leise. Plötzlich vernahm er aber ein lautes Lachen, das offenbar von dem Raum für Gesellschaften stammte. Das war ungewöhnlich.
„Richard,“ sprach er den Barmann an, der ihn erstaunt ansah, „was ist da hinten los?“ fragte Severus. Richard zuckte mit den Schultern. „'N Haufen junger Kerle, kenn ich nicht, wollten den Extraraum haben.“ brummte der. Severus empfand die Information für wertlos und dachte nicht weiter darüber nach. Stattdessen überlegte er, was er als Prüfungsaufgabe für die bald fälligen ZAGs verwenden könnte und ging in Gedanken die Aufgaben der letzten Jahre durch, als plötzlich ein junger Mann aus dem hinteren Raum kam und an die Bar trat.
Severus musterte ihn, während der eine Runde Bier bestellte. Irgendwie kam er ihm bekannt vor, aber ihm wollte nicht einfallen, woher. Er war groß und kräftig gebaut und hatte eine krumme Nase, die offenbar Resultat mehrerer Brüche war. Eine typische Quidditchverletzung, dachte Severus und merkte, wie ihn unwillkürlich ein mieses Gefühl beschlich. Der Mann sah ihn kurz an und schien ebenfalls darüber nachzudenken, ob und woher er Severus kannte, nahm dann aber das Tablett mit dem Bier und ging wieder ohne ein Wort zu sagen.
Severus leerte sein Glas und bestellte nach. Dann stand er auf um auf Toilette zu gehen. Auf dem Rückweg konnte er es sich nicht verkneifen und wagte einen Blick in den Raum mit dem „Haufen junger Kerle“ wie Richard sie genannt hatte. Völlig entsetzt zog er jedoch seinen Kopf zurück. Nicht schon wieder! Dort saß eindeutig Potter und jetzt wusste er auch wieder, woher ihm der junge Mann an der Bar bekannt vorgekommen war. Das war der Hüter der englischen Quidditchnationalmannschaft und dort hinten saß offenbar die komplette Mannschaft und feierte was auch immer.
Paralysiert ließ Severus sich wieder auf seinen Hocker fallen und trank sein zweites Glas Feuerwhiskey mit einem Zug aus. Er musste hier weg und zwar schnell! Er bedeutete Richard, dass er zahlen wollte und griff nach seinem immer noch klammen Mantel, als er plötzlich ein ihm leider viel zu bekanntes Glucksen hinter sich vernahm. „Sieh mal einer an. Ich hätte ja nicht gedacht, sie in einem solchen Etablissement zu treffen, Professor!“ erklang Potters Stimme. Potter Stimme, an deren Tiefe und Männlichkeit er sich immer noch nicht gewöhnt hatte.
Entnervt drehte Severus sich um. „Schade, ich dachte ich könnte Ihnen einfach so entkommen Potter...“ grummelte er und rang sich etwas ab, das wohl wie ein Grinsen aussehen sollte. Wie erwartet gluckste Potter und der Drang ihm einfach in die Fresse zu hauen sprengte fast Severus Brust. „Warum wollen Sie denn immer vor mir fliehen?“ fragte der Jüngere gespielt naiv. „Weil Sie mir unsagbar auf den Geist gehen!“ fauchte Severus und wollte seine Aussage im nächsten Moment fast bereuen, denn Potter sah plötzlich wieder aus wie ein bedröppelter Zwölfjähriger. „Schon gut.“ murmelte er und wandte sich zum Gehen.
Severus wusste nicht, was ihn ritt, doch ehe er sich versah, hatte er seinen ehemaligen Schüler am Arm gepackt und hielt ihn auf. „Nun seien Sie doch nicht so empfindlich. Sie können doch sonst auch so vortrefflich austeilen.“ murrte er und sah Potter das erste mal richtig an. Die überraschten grünen Augen. Das viel zu enge schwarze T-Shirt, das zudem auch noch viel zu weit ausgeschnitten war. Die engen Hüftjeans und das stets wirre Haar. Und die rote Wangen, die offenbar auf ein paar Bier zuviel zurückzuführen waren. Potter schwieg und schwankte ein bisschen. Er war offenbar ziemlich betrunken.
Als hätte er sich verbrannt ließ Severus nun dessen Arm los und gebot Potter, sich zu setzen. Soviel dazu, dass er vorbereitet sein wollte, wenn er Potter das nächste Mal sah. Severus verfluchte sich selbst in Gedanken, als er seinen Mantel wieder ablegte und sich zurück auf seinen Hocker schob.
„Was machen Sie hier?“ fragte er ihn und bestellte dann zwei Feuerwhiskey. „Wir feiern. Vizeweltmeister.“ grinste Potter wie ein kleines Kind. „Gratulation.“ murmelte Severus. Ein paar Minuten saßen sie so, schweigen an ihren Getränken nippend.
„Warum gibt es hier eigentlich Feuerwhiskey?“ fragte der Jüngere ihn dann plötzlich. „Das ist doch eine Muggelbar.“ Severus zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Severus war das nie als ungewöhnlicher Umstand aufgefallen, doch jetzt wo Potter es erwähnte...er sah zu Richard, der ihr Gespräch offenbar verfolgt hatte und nun verschwörerisch grinste. „Alles klar!“ gluckste Harry und Severus schalt sich einen Idioten, dass ihm nie aufgefallen war, dass sein Barmann ein Zauberer war.
„Ist Ihnen das nie aufgefallen, Professor? Werden sie etwas nachlässig im Alter?“ stichelte Potter. Was sollte das schon wieder? Gerade hatte der Junge offensichtlich noch geschmollt und nun riskierte er schon wieder eine dicke Lippe. „Sonst haben Sie sich allerdings gut gehalten, muss ich sagen. Wie alt sind Sie jetzt? Fünfzig?“ plapperte Potter weiter. Severus verpasste ihm einen wütenden Blick. „Fünfundvierzig, falls sie das etwas angeht, Potter!“ blaffte er. Der sah amüsiert zurück. „Oh...naja, trotzdem.“ lachte er und nahm noch einen Schluck Whiskey. „Im Ernst, Professor, wie machen Sie das? Färben Sie ihre Haare...?“
Severus verpasste ihm einen wilden Blick. „Passen Sie mal auf, Potter, nur weil sie nicht mehr mein Schüler sind und der Meinung sind, jeder Mensch würde Sie aufgrund ihres bemerkenswerten Aussehens vergöttern...“ „Bemerkenswertes Aussehen?“ unterbrach Potter ihn, offenbar auf das höchste amüsiert. Severus biss sich auf die Zunge. Zuviel Alkohol. Nicht gut.
„Ich fühle mich geschmeichelt, und so etwas von Ihnen..:“ erklärte Potter süffisant. Severus wollte ihn schlagen. Am besten in sein beschissenes selbstgefälliges Gesicht. Doch er beschloss, sich zivilisiert zu verhalten. Und den Spieß umzudrehen.
„Oh ja Potter, es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich steh auf Sie!“ verkündete er. Potters verdutzer Gesichtsausdruck entlohnte ihn mehr als ausreichend. „Sie sind selbst Schuld, wenn Sie sich so aufreizend kleiden.“ Severus nahm ein großen Schluck Whiskey. „Was machen Sie heute abend noch?“ fragte er und setzte den verführerischsten Blick auf, der ihm in dieser Situation gelingen wollte. „Was wird das?“ fragte Potter irritiert. „Ich will Sie abschleppen, merken Sie das nicht?“ fragte er und schenkte seinem gegenüber einen tiefen Blick. Potter lief dunkelrot an. Severus hatte nun definitiv seinen Spaß, aber er musste aufpassen, dass er es nicht zu weit trieb.
Endlich hatte er Potter zum Schweigen gebracht. Severus feierte seinen Triumph innerlich, als plötzlich wieder der junge Mann von vorhin neben ihnen stand, den er als Hüter der Nationalmannschaft erkannt hatte. „Wo bleibst du denn, Harry?“ erkundigte der sich, doch der war offenbar immer noch nicht in der Lage, zu sprechen. „Ich wollte eh grad gehen.“ sagte Severus, legte Geld auf den Tresen und zog seinen Mantel an. „Wenn Sie einsam sind, wissen Sie, wo Sie mich finden.“ raunte er Potter noch zu und verließ dann die Kneipe. Am liebsten hätte er laut losgelacht, als er in die kühle Juninacht trat.