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Zuckersüß

Kurzgeschichten Sammlung aus dem Hause weniger süß
von

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Nagellack

Oneshot 1
 

Nagellack
 

Bela blies über sein in den letzten Minuten vervollständigtes Kunstwerk, nicht ohne mit einem beeindruckten Blick zu erkennen, dass es gut war. So wie der Himmel gut war, die Nacht oder was auch immer. Gott hatte eine Welt geschaffen und gesehen dass sie gut war. Bela B. Hatte sich die Nägel lackiert und erkannte jetzt, dass es besser war als Gottes Schöpfung. Was wollte man sonst auch von ihm erwarten? Er war Rockstar, er hatte sich diese Arroganz hart erarbeitet.
 

Diese glatte schwarze Schicht Nagellack war wirklich, wirklich anbetungswürdig, zumindest war sich Bela ziemlich sicher, dass er irgendwo ein paar Mädchen zum anbeten des Nagellacks oder seiner eigenen Person oder beides abwechselnd finden würde.
 

Nach seiner Meinung konnte ihm ruhig ein wenig Ehrerbietung zu teil kommen, immerhin hatte er sich inzwischen seit Jahren nicht mehr in der hohen Kunst des Lackierens geübt. Wo waren jetzt noch mal diese Groupies um ihn anzubeten?
 

Noch einmal pustete er über den Nagellack mit dem wagen Verdacht, dass die 1 Minute Trockenzeit unter anderen klimatischen Bedingungen erreicht worden war als die die im Tourbus seiner kleinen aber feinen Band vorherrschten – vielleicht in unmittelbarer Nähe eines Vulkans.
 

Das Problem an diesen Werbeversprechen war leider dass man nach exakt 58 Sekunden auf einmal furchtbar versucht war auf den perfekt „getrockneten“ Nagellack zu fassen, um zu testen ob er wirklich trocken war. Allerdings stellte sich dann jedes mal von neuem überraschend heraus, dass das Werbeversprechen eben nur ein Werbeversprechen war und man hatte äußerst modische Fingerabdrucke auf dem Lack, wen dieser sich nicht gleich vollständig an auf die Finger übertrug.
 

Ein Grund für Bela, warum er seit Jahren davon es aufgegeben hatte seine Lieblingsfarbe sich auch noch auf die Nägel zu pinseln. Dabei sah es ja wirklich hübsch und evil aus. Der Grund warum er plötzlich wieder anfing sich an diese unlösbare Aufgabe zu wagen, war ihm selbst total schleierhaft, wahrscheinlich hatte er einfach zu viel Zeit – und zu wenig Alkohol.
 

1 ½ Minuten, gut er hatte ihnen 50% mehr Zeit gegeben, jetzt mussten sie fertig sein, ansonsten würde er sich um einiges mehr Zeit damit vertreiben den Hersteller des Nagellacks zu verklagen. Vorsichtig tippte er auf den Nagel, der Lack schien trocken. Wer sagte es dann, es ging doch!
 

Derweil bekam er Besuch aus den höhergelegenen Teilen der Vorhölle, Farin trat aus den Tiefen des Busses auf ihn zu, um ihn von seiner Einsamkeit und akuten aufkommenden Langweile zu helfen.
 

Oder zumindest hätte Farin das sicher getan, wäre er in der Lage gewesen Belas Gedanken zu lesen und in mitmenschlicher Stimmung gewesen. Zweiteres war eindeutig nicht der Fall. Aber wann war der hochverehrter Farin Urlaub schon in mitmenschlicher Stimmung?
 

„Der ganze Bus stinkt nach Nagellack. Was wird'n das? 80er Jahre Revival?“ Lässig blies der Angesprochene über den hübschen, schwarzen Lack während er dem Blonde einen spöttischen Blick zuwarf, irgendwie hatte er Gefallen am coolen Drüberpusten bekommen.
 

Er hatte Farin eindeutig beim Lesen gestört, eindeutig an dem Buch in der linken Hand zu erkennen und neuerdings auch an der Lesebrille auf seiner Nase. „Will doch nur hübsch für dich sein.“ „Danke, ich verzichte das Zeug stinkt noch schlimmer als der scheiße Alkohol.“ Missbilligend wedelte Bela mit seinem Meisterwerk durch die Luft.
 

„Dann mach doch das Fenster auf wenn es dich so sehr stört. - Wobei bleib mal kurz stehen.“ Leicht irritiert machte der Gitarrist das was Bela ihm sagte, obwohl er doch normalerweise Probleme mit Autorität hatte, naja anscheinend nicht wenn es um den Schlagzeuger ging. Dieser rappelte sich in seiner ganz eigenen Form von Eleganz auf, stellte sich auf die Eckbank , die ihm zuvor als Liege gedient hatte und angelte seinem besten Freund die Brille von der Nase ohne seinen Nagellack zu sehr zu strapazieren.
 

Noch bevor dem Blonde ein überrumpeltes „Hey“ über die Lippen gerutscht, war Bela schon auf seinem angestammten Platz zurückgekehrt, inzwischen einen funkelnagelneu Batmancomic in der Hand. „Was ist so schwer daran sich eine eigene Brille zu besorgen?“ „Nichts ich würde nur die Illusion aufkommen lassen, ich würde alt werden, was ja eindeutig nicht der Wahrheit entspricht.“ „Ach und warum brauchst du dann meine Lesebrille.“ „Vorübergehende Sehschwäche,“ Bela grinste ihn schamlos an „Passiert auch dem besten Vampir mal, aber das gibt sich in 20 Jahren wieder.“
 

Farin starte einen gezielten Angriff auf sein entwendetes Eigentum um wieder ihm habhaft zu werden, aber der Versuch scheiterte auf Grund Belas ganz und gar nicht altersgeschwächten Reflexen. „Außerdem ist die Schrift in Meinen Comics viel kleiner als in deinen komischen Büchern.“ „Ich kann das Bam auf die Entfernung ohne Brille lesen!“ „Ich rede auch von den Dialogen, außerdem steht da Bang, du alter Sack.“ „Da gibt es Dialoge?“ „Pfff, Comicbanause.“
 

Ungeduldig schlug Bela die Seite um, bei Bang war er schon gewesen, vielleicht war es ein zu ungeduldiges Umschlagen gewesen denn die Papierkante der hastig umgeschlagenen Seite blieb an dem frischen Nagellack hängen und nur Millisekunden später fand sich Belas Meisterwerk durch einen tiefgezogenen Graben zerstört. Da ging seine stundenlange Knochenarbeit dahin. Einfach so von dem einen auf den anderen Moment ruiniert. Und er konnte es noch nicht mal Farin in die Schuhe schieben, ohne total kindisch zu klingen. Toll.
 

Wenigstens stellte sich nach genauer Betrachtung heraus das Batman zumindest keinen größeren Schaden erlitten hatte. Abgesehen von einer Papierkante war nichts schwarz was nicht schwarz sein sollte. Glück gehabt. Der Lack war jedoch eine andere Sache. Am ende musste Bela den ganzen Lack noch mal entfernen, aber vorher brauchte er eine fachkundige Meinung, er sah sich um, es gab keine also nahm er mit Farin vorlieb. In der Not frisst der Teufel die Fliegen. Prompt wurden Farin die Nägel samt ruinierten Lacks unter die Nase gehoben. „Fällt dir was auf?“
 

„Du hast dir die Nägel lackiert?“ „Das sagtest du bereits!“ murmelte Bela genervt die Augen verdrehend. Hier ging es um wichtige Angelegenheiten und Farin stellte sich dumm an. Naja nicht unbedingt trotzdem. „Der Lack ist schwarz? - Bela ich hab keine Ahnung was dein Problem ist. Da ich dir nicht weiter helfen kann hättest du die Güte meine Brille wieder rauszurücken?“
 

Der Dunkelhaarige zog sich Farins Brille von der Nase, aber nicht etwa um sie zurück zu geben, sondern um grinsend auf dem Brillenbügel herumzuknabbern während er ihren Besitzer spöttisch musterte. „Was ist eigentlich so schwer daran sich eine zweite zu besorgen?“
 

„Wie ich soll mir zwei besorgen nur damit ich keine Aufstände mache weil du mir meine erste klaust?“ „Wieso nicht? Aber ich geb ja schon auf, so gut wie du mit Brille kann ich gar nicht aussehen.“ Farins Augenbraue zuckte dezent nach oben, was Bela aber nur noch mehr dazu anstachelte weiter zu übertreiben. „Doch du wirkst damit so gebildet verdammt heiß. Komme mir dabei vor wie so eine hübsche Studentin mit Minirock die ne Affäre mit ihrem Professor anfangen will.“ „Stehst du jetzt auf Rollenspiele oder was?“
 

„Nee aber wenn du weiter so gebildet dastehst, werde ich noch die Sitzbank zusabbern.“ „Na wenn das so ist dann können wir auch gleich darauf wilden hemmungslosen Sex haben, so oder so brauchen wir ne neue.“ „Stehst du jetzt etwa auf Rollenspiele?“ „Nein, aber jetzt da ich meine Brille wieder habe, können wir Rods Kamasutra durchturnen.“
 

Bela ließ gespielt geschockt den Comic aus der Hand fallen. „Wie du kannst das noch nicht auswendig?“ „Du kannst es mir ja beibringen, du Sexgott aller Sexgötter.“ Lachend krabbelte der Schwarzhaarige unter dem Tisch hervor in dessen dunklen Schatten er Batman vor diversen Spinnen und ähnlichen Monstern gerettet hatte. „Was für eine Bezeichnung so kannst du mich von jetzt ab immer anreden.“
 

Bela rappelte sich hoch. Einen Moment standen Farin und er viel zu nahe zusammen, so nah dass sein Herzschlag flatterte, so nahe dass er feststellte, dass Farin wirklich heiß aussah mit Brille. „Bela?“ Er schluckte. Der erste Reflex war noch näher zu seinem besten Freund zu treten, der zweite, erwachsene Reflex, dem er folge leistete, war zurück zu treten, mit dem Comic in der Luft rum zu wedeln und Farin die großen Abenteuer zu erzählen, die er überlebt hatte um Batman zu befreien.
 

Manchmal ist Freundschaft wie Lack nur eine dünne hübsche Oberfläche, die das darunter verbirgt. Manchmal bricht ein Stück ab und man sieht ein Stück von dem durchsichtigen verletzlichen Horn darunter. Aber zum Glück gibt es ja immer neue, betäubend riechende Farbe, um darüber zu lackieren. Bela hat eingekauft. Er hat jede Menge Schwarz in seinem Kühlschrank, auch wenn es dem Nagel vielleicht nicht so gut tut. Seine Farbe ist so perfekt, dass alle schon fast glauben er wäre mit schwarzen Nägeln geboren worden. Ist er aber nicht unten drunter sind seine Nägel immer noch hell rosa, wie bei jedem Menschen.
 

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so das wars von mir ich hoffe es hat euch gefallen, wenn das der Fall war könnt ihr mir nämlich gerne Kommentare hinterlassen. Und wenn das nicht der Fall war dann könnt ihr auch Kommentare hinterlassen und bescheid sagen was euch nicht gefallen hat.
 

liebe grüße aus dem land in dem es Müsli regnet
 

weniger süß

Blau

Eigentlich wollte ich das Kapitel ant widmen. Aber ehrlich gesagt finde ich es nicht gutgenug dafür. Tut mir leid bald kommt was besseres. Ich finde eigentlich nur den grundgedanken, die Idee an dem Oneshot gut, ach ja und Rod.
 

Kommentare sind wie immer gerngesehen.
 

lg

weniger süß
 

Blau
 

Farin Urlaub saß an Deck und las im Schatten des größten der drei Segel, die sich rund über ihm im auffrischenden Meereswind wölbten. Die Brise zupfte beständig an seinem schwarzen Hemd, das er wegen der Hitze bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte und an seinem Haar das inzwischen zerpflückter war, als er es je selbst hinbekommen hätte. Neben ihm genoss auch noch seine Sonnencremflasche den letzten Spätsommertag auf hoher See.
 

Kurz sah der Blonde auf genoss das schimmernde Blau, das sie ganz zu umhüllen schien, saß er doch wie in einer blauen Murmel oben blauer Himmel unten blaues Meer, dann wandte er sich wieder seinem Buch zu, das Panorama völlig vergessend. Farin Urlaub versank weiter in seinen Seiten, während der Schiffsbug das aquamarinfarbene Wasser zerteilte und die Gischt um das Schiff nur so schäumte. Kurz es sah aus wie in einer recht bekannten Werbung für Bier auch, wenn das Schiff nicht mit jungen, halbnackten, feiernder Menschen aufwarten konnte.
 

In der letzten sommerwarmen Luft hing der Geruch von Salz, während die späte Augustsonne ihre brennende Wirkung noch einmal tausendfach durch das Wellenmosaik der Nordsee gespiegelt fand. Schon jetzt konnte man eine Kälte und Eisigkeit im Wind erahnen und mit ihm das rasche Ende des Sommers, aber noch herrschte die Illusion von ewig andauernder Wärme in den Köpfen vor.
 

Es war Belas Idee gewesen sich ein Schiff samt Besatzung zu mieten und trotz all dem vorherigen gejammere wegen Zeitnot, Schiffsuntergängen und ähnlichen lächerlichen Vorbehalten war es inzwischen unwahrscheinlich dass Rod oder Farin es weniger genossen, als der Schlagzeuger, was sie allerdings nicht allzu offen zur Schau trugen.
 

Bela hingegen war mit voller Begeisterung dabei das Segelschiff von oben bis unten zu erkunden, wenn er es nicht lenkte oder irgendwelche neuen komplizierten Knoten erlernte. Der Bassist hatte sich mit seiner Gitarre irgendwohin verzogen, freilich in Begleitung des Kapitänssohns, der sich mit der Hoffnung an ihn geheftet hatte irgendwas übers Rockstar werden, Gitarre spielen oder um endlich auf den Punkt zu kommen, übers Mädelsabschleppen zu erlernen. Eine Viertelstunde später kam er zu seinem Vater hielt ihm die wunden Fingerkuppen hin und erklärte ihm dass er weder Rockstar noch mit so einer dummen Gitarre Mädelsabschleppen würde.
 

Einer der Meister in eben diesen Tätigkeiten war gerade im letzten entscheidenden drittel seines Buches angelangt, als ein Schatten über ihn fiel, Bela stand breitbeinig vor dem blauen Himmel. Mit seiner Sonnenbrille und seinem Kopftuch sah er nach einer sehr schrägen Mischung aus Pirat und Rockstar aus, vielleicht, überlegte Farin mit einem Lächeln, war es sogar üblich als Rockstar Schiffe auszurauben und Frauen zu erbeuten und er hatte es bloß nie mitbekommen, weil er in Urlaub war.
 

„Na irgendwas zum Kapern ausgemacht?“ fragte er spöttisch und klappte das Buch zu, so spannend wie Bela konnte es im Moment gar nicht sein. „Wie wäre es mit der Luxusjacht von Campino?“ „Habe keine Einwende.“ „Die gibt es auch so nicht, das wäre nämlich Meuterei!“ „Was? Gibt es auf See keine Demokratie?“ „Von was träumst du Nachts? Wenn man dir die Entscheidungsgewalt überließe würde sich das Schiff vorsichtshalber selbst versenken und jetzt leg das Buch weg wir sind auf dem Meer und du ließt.“
 

„Verzeihung!“ Farin gab ein gespieöt genervtes Seufzen von sich, tat aber dann doch wie ihm gehießen. Bela zog an seinem Handgelenk ganz aufgeregtes Kind. „Gibbet net.“ Milde gestimmt durch das Panorama um sie, ließ ihn der Gitarrist gewähren und folgte ihm. „Nur das eins klar ist dann gibbet och keine Titanic.“ Wollte Bela auch gar nicht, ihm reichte es völlig mit Farin in Richtung Bug zu gehen, wo alles ein bisschen verlassener und ruhiger war. Die Linie zwischen Himmel und Meer suchend, verschränkte der Blonde seine Hände hinterm Rücken. Bevor er sich versah, war Bela zu ihm getreten und hatte seine Hände in einer seltsam vertrauten Geste umfasst.
 

„Heute Nacht schaukelt mein Bett wahrscheinlich ziemlich.“ „Du bist auf hoher See und redest von Betten bist du schon so müde?“ fragte der Schwarzhaarige. Farin fühlte etwas in seiner Stimme mitschwingen, wusste aber nicht was. Tatsache war, dass er bis zu diesem Moment hellwach gewesenwar, doch in dem Augenblick in dem die Worte ausgesprochen worden waren, schien sich eine bleierne Schläfrigkeit über ihn zu legen, er unterdrückte ein Gähnen. Im hypnotischen Flattern des Segels wurden seine Augenlider unendlich schwer.
 

Er wollte etwas sagen aber seine Zunge klebte taub an seinem Gaumen. Belas Hände hielten ihn, der Blonde lehnte sich leicht zurück, um durch die schmalen Schlitze seiner beinahe geschlossenen Augen das grelle, fast schon beißende, Weiß der Segel zu sehen über das schwarze Schatten zu huschen schienen. Unsinn. Wieder und wieder fielen ihm die Augen zu, mit jedem Mal wurde es schwerer sie erneut zu öffnen, irgendwann aber war es unmöglich.
 

„Ist ok, lass dich fallen die Tour war echt verdammt lang.“ hörte er den Schlagzeuger mit seiner samtig, dunklen Stimme sagen und alles driftete Weg, wie glitschiges Treibholz in einem Strudel. Farin glaubte in triefend schwarzes Nichts aus Tiefschlaf zu fallen, da waren nur noch Belas warme rauhe Hände, die er spürte. Es ging tiefer und tiefer. Sein Herzschlag raste, flatterte fast.
 

Die ganze Welt wirbelte in jede erdenkliche Dimension davon. Adrenalin schäumte in seinen Arterien. Er wünschte sich Bela würde ihn zur Besinnung bringen, eine Ohrfeige verpassen egal was, aber er hielt ihn nur fest, während sich irrsinnige Wirren um den Blonden sponnen. Er schnappte nach Luft, aber bekam keine. Seine Lungen blieben schmerzhaft leer, er versuchte wieder und wieder erfolgslos einzuatmen. Die Panik fraß sich wie eine Säure in seine Haut und ließ ihn bis aufs Mark zittern vor lauter Hilfslosigkeit.
 

Belas Fingernägel krallten sich in seine Handgelenke auf einmal füllten sich seine Lungen wieder mit Luft und seine Augen öffneten sich wie von ganz alleine, immer noch genauso blau wie zuvor schwebte der Himmel über ihnen. „Hey alles ok?“ Belas unscharfes Gesicht kam in sein Sichtfeld, unsicher rieb er sich die Augen. „Weiß nicht mir war gerade nur so seltsam.“ „Kann sein du warst ziemlich lange in der Sonne.“ Zittrig trat Farin vor, um sich mit schweißnassen Fingern an der Reling festzuhalten. Immer wieder schien sich alles zu drehen. Doch bevor er das stabile Holz erreicht hatte, strauchelte er, in einer Millisekunde war Bela an seiner Seite. Er lächelte. „Pass auf die Kanonen auf!“
 

„Was? Welche?“ Der Blonde sah nach unten, da stand tatsächlich eine altmodisch verzierte, gut vertäute, glänzend schwarze Kanone, aber sie war nicht die einzige, tatsächlich drückten sich in regelmäßigen Abständen ihre Schwestern an das Holz. Farin war sich ziemlich sicher, dass als er das Schiff betreten hatte, sie noch nicht da gewesen waren. „Ein Piratenschiff hat nun mal Kanonen. Oder wusstest du das nicht?“ spöttisch musterte Bela ihn, seine grünglimmenden Augen beschattet von der Spitze seines roten Dreispitzes, während er zärtlich über das dunkle Holz strich.

„Willkommen auf der Stockrose.“ Erst durch die Worte seines besten Freundes wurde dem Gitarristen klar, was für eine dunkle, beunruhigende Metamorphose das Schiff und seine ganze Umgebung während seiner Ohnmacht durchgemacht hatten.
 

War das Holz bis eben noch Bernsteinfarben gewesen so erinnerte es jetzt mehr an getrocknetes Blut, die Segel selbst so schwarz wie die Nacht rissen grobe dunkle Löcher in das seidene Himmelblau. Vielleicht täuschte er sich auch nur, vielleicht hatte er wirklich zu viel Sonne abbekommen, aber das ganze Schiff wirkte auf einmal viel breiter auf ihn, fast - so weit er das beurteilen konnte – hochseetauglich. Der bis eben schmucklose Bug wurde jetzt geziert von einer Frauengestalt. In der Luft lag der Geruch von Verwesung und Blut, dass es ihm fast den Atem verschlug.
 

Die Sonne brannte den letzten klaren Gedanken aus seinem Kopf. Endlich fanden seine Finger die Reling, um sich an ihr unsicher fest zu krallen. „Bela, ich glaub ich halluziniere.“ „Ist schon ok, ich pass auf dich auf.“ Der andere legte schützend seine kühle Hand auf seine Schulter, Farins wand sich zu ihm weg von der Reling und dem ganzen Trugbildern, um in den Augen seines besten Freundes Sicherheit zu finden. Aber da war nichts an Bela was ihn nicht noch mehr beunruhigen würde, denn nicht nur das Schiff hatte sich verändert.
 

Sein bester Freund erinnerte nicht länger an einen Rockstar im Urlaub. Passend zum Schiff hatte er inzwischen eindeutig mehr Ähnlichkeiten mit einem Piraten. Sein eben noch trotz Wind tadellos frisiertes Haar war zu einer verzottelten Mähne geworden die unter seinem Dreispitz hervorquoll. Sein Umhang zerfetzt von Unwettern blähte sich träge im Wind, sodass Farin ab und an ein Blick auf den Degen und die altmodische Pistole gewährt wurde. Was sein Unbehagen noch steigerte war dass von Turnschuhen und Jeans war nicht mehr viel zu sehen war. „Bela?“ „Ja?“
 

Die freundliche Brise war aufgefrischt, in dem stärker werdenden Seegang nahm das Schiff Fahrt auf, aber nicht nach Südosten zurück in Richtung Hafen, wie es eigentlich vorgesehen war, sondern nach Südosten, weg von bekannten Gewässern – weiter hinaus in den Atlantik. Immer wieder überprüfte Farin den Stand der Sonne, aber es blieb dabei, sie segelten in die falsche Richtung. „Wohin fahren wir?“ „Wo immer du hin willst.“
 

Je länger der Blonde die Welt um sich betrachtete desto mehr schienen die Farben aufzublühen, bis sie in die unnatürlichsten Extreme verfielen. Im Schatten des Schiffs lenkte eine rasche Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich. Bei der nächsten hohen Welle hob sich ihm eine fratzenschneidende Meerjungfrau mit scharfen Zähnen entgegen. In ihren Armen trieb wie ein grausiger Säugling die aufgedunsene Leiche eines Seemanns. Sie musterte ihn, verzog ihreblauen Lippen zu der Täuschung eines Lächelns, dann öffnete sie ihren Mund und biss in den blassen Hals vor ihr. Als sie gierig den brocken Fleisch, den sie herausgerissen hatte, herunter schlang, konnte er die blutige Wirbelsäule ihres Opfers sehen. Dann war sie mit dem klatschen ihres rubinroten, schuppigen Fischschwanzes wieder verschwunden. Farin war schlecht.
 

Belas Finger strichen verstehend über seinen Rücken. „Ist es nicht schön hier?“ „Nein, ich weiß auch nicht, wo wir überhaupt sind, aber ich wäre froh, wenn ich hier weg käme.“ „Kannst du es dir nicht denken?“ „Nein, es ist mir egal. Ich will hier weg.“ „Kannst du aber nicht.“ „Wieso?“ Farin wäre ja überzeugt dass es sich hierbei um einen Alptraum handelte, aber es war alles viel zu wirklich. Sein Herz raste. Eins winziges Stück Holz grub sich tief in die weiche Haut unter seinen Nagel.
 

„Du bist zu weit gegangen.“ Irgendetwas war ihm hier bekannt, erinnerte ihn an etwas, so bekannt, dass es ihm eiskalt den Rücken herunter lief. Vielleicht war es die Sonne, deren Licht ganz anders, viel dunkler, war als es je die Sonne der Erde werden konnte. „Erkennst du es wieder?“ fragte Bela, der ihn scheinbar unbewegt die ganze Zeit beobachtet hatte. „Das Land in das ich dich früher entführt habe, wenn du geschlafen hast? Dieses Mal ist es für immer.“ Aus dem Gesicht des Blonden wich alle Farbe. Am Horizont tauchte eine Insel auf.
 

Als Rod aus der Kajüte trat, waren seine Kollegen vom Erdboden verschluckt. Er suchte sie, fand sie aber nicht, eine düstere Vermutung stieg in ihm auf. Gedankenverloren trat er an die Reling. Im Wasser blitze noch den letzten Rest eines Fischschwanzes auf, er war rot und groß größer als der eines Delfins. Die Gewissheit, dass Bela gegangen war und wahrscheinlich Farin mit ihm gezogen hatte, durchzuckte ihn. Ihm selbst blieb nur eine Möglichkeit , schnell bevor der letzte Schimmer Rots vom Blau verschlungen wurde, sprang er von der hohen Reling, dem Ungeheuer hinter um das zu tun, was er ernüchternd oft machen musste, die Band retten, direkt in die eiskalten Klauen der Meerjungfrau.
 

Jetzt bin ich ein Pirat

Sieh mein Schiff in voller Fahrt

Ich halte dich gefangen

Auf 'ner Insel ganz versteckt

Lass' ich dich nicht mehr weg

Wir sind zu weit gegangen
 

So das wars. Ich bin am Ende. By the way die Stockrose Belas Schiff könnte stephen king lesern bekannt vor kommen, dem gehört das schiff nämlich.
 

*Schokoherzen hinleg*

Weniger schmerzhaft

Huhu und willkommen zu Oneshot Nummer 3
 

Widmung geht an ant, tut mir leid im Moment bekomm ich nichts besseres hin. Natürlich beruht wie immer nichts auf Tatsachenauch wenn mich Farins Zeichen auf seiner Homepage ein bisschen verwundert. Ein Mond und eine Sonne ZUSAMMEN? Bisher stand der Mond für mich immer für Bela siehe Namensschriftzug auf Bingo. Die Sonne stand für Farin --> am ende der sonne... und jetzt Sonne und Mond zusammen? Will Herr Urlaub uns irgendetwas sagen?

Naja über Kommis freue ich mich wie immer sehr (tanze nackt durchs haus etc.).

genug geredet, liebe Grüße

weniger süß
 

Weniger schmerzhaft
 

Als Bela das Zimmer betritt, schwappt ihm eine Welle fast körperlich fühlbarer klebriger Stille entgegen, die noch bis eben das ganze Zimmer ausgefüllt hat. Schon mit dem Öffnen der Wohnungstür ist ihm das unangenehme Schweigen aufgefallen, das hier anscheinend eine Art Kondensat bildet. Keine Beatles oder was auch immer Farin hört wenn auf den feinen Musikgeschmack des Herren B. nicht Acht gegeben werden muss.
 

Es ist ganz still, in einer seltsamen wiederlichen Art, weil etwas nicht stimmt. Ganz und gar nicht stimmt. Am liebsten würde der Schlagzeuger direkt unter die Dusche gehen, aber unterdrückt den Drang bei dem Bild das sich ihm bietet als er in ihr Schlafzimmer sieht.
 

Auf dem Bett in der Mitte des aufgeräumten und blitzblank geputzten Raumes liegt regungslos Farin sein bester Freund. Seine Haut so weiß glänzend in dem Schatten des unbeleuchteten Betons. Seine dunkel glänzenden Augen sind ohne jedes Blinzeln an die nächste Wand geheftet, die Finger in das bleiche Laken verkrallt. Sein Atem so flach, dass man ihn kaum wahrnimmt. Fast sieht er aus wie tot, ist er aber nicht. Eine Zeit lang bleibt der Schlagzeuger an der Tür stehen, wartet, weil es ihm falsch vorkommt einfach so in Farins Gedankenwelt hineinplatzen, die er sich scheinbar errichtetet hat. Vielleicht war es auch nicht deshalb, sondern ganz egoistisch um das Szenario zu genießen.
 

Als der Blonde ihn nach gut 20 Minuten ihn immer noch keine Notiz von ihm nimmt, macht Bela doch auf sich aufmerksam, indem er auf ihn zu tritt und sich an sein Bett setzt. „Hey?“ immer noch kommt keine Reaktion vom anderen. „Was ist denn los?“ Ein leichtes Kopfschütteln. „Nichts ... nichts wirklich, ich Trottel hab mich nur wieder in jemanden verknallt , der mit absoluter Sicherheit nichts von mir will.“
 

Es hört sich an als ob Farin selbst ironisch klingen wollte, aber seine Stimme bricht durch den Schmerz der bei jedem Wort mitschwingt. Bela legt beschwichtigend seine Hand auf Farins Schulter, spürt ihn zittern und seinen rasend schnellen Herzschlag. In diesem Moment schien alle Ähnlichkeit mit dem gut gelaunten, schlagfertigen Gitarristen von ihm gewichen zu sein, er erinnert mehr an einen zerbrechlichen, kranken Vogel.
 

Um sie herum ist alles düster nur durch die zum Gang offene Tür kommt ein wenig grauschimmerndes Licht, dass alles nicht heller sondern nur noch dunkler macht. Als Bela den Blick wieder in die Dunkelheit wendet sieht er keine Umrisse mehr sondern nur noch Schwarz. Es dauert lange bis seine Augen sich an den Verlust von Licht gewöhnt haben.
 

„Irgendwie hat mir nie jemand beigebracht mich glücklich zu verlieben.“ murmelt Farin und wendet seinen Blick von der Wand ab, sieht dafür Bela fragend an, der sich unter seinem Blick auf einmal so komisch fühlt, froh ist um das Bett unter ihm. „Wie ist das? Glücklich verliebt sein?“
 

„Es ist...“ Bela will sagen, dass es das schönste in der Welt ist, dass alles dann perfekt. Aber alles was ihm einfällt sind noch nie gefühlte Klischees. Er stoppt mitten im Satz, weil ihm genau in dieser Sekunde bewusst wird, dass er nicht weiß wie es ist wenn man glücklich verliebt ist. Aber wenn er es noch nicht weiß, obwohl er so viele Freundinnen in den letzten Jahren hatte und Farin auch nicht, der doch genauso viele hatte – gibt es dann so etwas wie glücklich verliebt sein überhaupt?
 

Hollywood hat ja schon alles mögliche erfunden, Phantasiegebilde ohne jedgliche Bindung zur Realität, vielleicht gehört die absolut perfekte große einzigwahre Liebe, ohne diesen faden Beigeschmack, ohne diese gottverdammte schmerzhafte Leere auch dazu.
 

„Vielleicht kann man sich gar nicht glücklich verlieben.“ antwortet er nachdem er eine Weile Farins Blick erwidert hat. „Nur weniger schmerzhaft.“ „Aber ich dachte, weil du jetzt schon so lange mit Steffi zusammen bist...“ Bela schüttelt den Kopf und ihm wird schwindelig, er würde ja sicher glauben, dass er mit seiner Freundin glücklich wäre, wäre da nicht dieses Gefühl von jedem ihrer Küsse noch mehr ausgehöhlt zu werden. Sie sollte doch etwas besonderes für ihn sein. Der wichtigste Mensch der Welt, der zweitwichtigste, hinter Farin. Aber eigentlich ist sie nur eine von vielen, die alle gleich aussehen, als wären sie maschinell produziert. Die Zeit die er mit ihr verbringt ist verschwendet.
 

Zärtlich streicht er Farin die verwuschelte Mähne aus dem Gesicht. „Schlaf jetzt, morgen sieht es sicher alles besser aus.“ Er küsst ihn zärtlich auf die Strin, in der Berührung liegt der Versucht ihn zu trösten, ihn, Farin, der manchmal trotz seiner 194 ihn an einen kleinen Bruder erinnert. Es fühlt sich so gut an, Farin nahe zu sein, ein Augenblick in dem er die Leere die sonst an ihm nagte ganz verschwunden ist, aber er weiß nicht was das zu bedeuten hat.
 

„Geh nicht!“ „Psst, schlaf jetzt.“ Der Blonde schüttelt leicht den Kopf, hält zitternd sein T-shirt fest, zieht ihn zu sich, überrumpelt Bela mit seiner Kraft die er anwendet. „Nein.“ „Farin!“ Sie sind sich auf einmal so nahe. Ihre Nasenspitzen ganz kurz davor zusammen zu stoßen. Bela ist von diesem Monsterkribbeln in seinem Bauch schlecht. Sein Atem hat sich beschleunigt. Da ist ein Wunsch in seinem Kopf aber welcher? Ein Verlangen nach etwas, von dem er nicht weiß, was es überhaupt ist.
 

Er fühlt sich komplett, glücklich, fürchtet aber, dass alles wieder verschwindet, sobald er sich bewegt, ein Stück von Farin abrückt. Und wenn.. wenn er noch näher kommen würde. Was wäre dann? Kann man das überhaupt einem Freund erklären dass er so nah bei einem bleiben soll, damit man glücklich ist?
 

Farin sieht aus wie eine griechische Statue, naja, wenn die Griechen Punk gekannt hätten dann hätte es sicher genauso eine Statue gegeben mit vollendeten Gesichtszügen mit perfektem Körper. Eine letzte Träne auf Farins Wange wird von Bela weggewischt.
 

Die Nacht ist blind, niemand kann sie sehen oder verurteilen. Nur er und Farin. Noch einmal streicht er die Haare aus seinem Gesicht, auch wenn da gar keine mehr sind, er will nur noch einmal über seine helle Haut fahren, ganz zärtlich, weil er ihm so viel wert ist. Der Gitarrist lässt Belas T-Shirt los, schließt die Augen unter seinen Berührungen, fährt stattdessen durch seine Haare bis in seinen Nacken, um ihn noch näher zu ziehen.
 

Alles was Farin macht fühlt sich so gut an, zu gut als dass er ihn je stoppen würde. Seine Finger die sich bestärkend auf seine eigenen legen. Bela will fortfahren, vielleicht sogar über seinen Mund fahren, da berühren sich schon ihre Lippen.
 

Farin küsst ihn, außerhalb jeder skandalumwitterten Ärzte-spezial-show. Bela weiß nur dass es sich gut anfühlt, so gut dass er alles um sie her vergisst. Er glaubt, dass der Moment perfekt ist, dass er jetzt in diesem Moment von oben bis unten glücklich ist. Er hält Farin fest, zieht ihn noch näher zu sich. Auch wenn er nicht versteht warum. Seine Lippen auf Farins. Er erwidert den Kuss, die Zeit bleibt stehen.
 

Die Liebe blickt ihn an mit roten Katzenaugen, aber Bela sieht sie nicht. Er reißt auch in Zukunft Witze über ihre angebliche Affäre, weil es immer viel einfacher ist über etwas zu lachen, als sich einzugestehen, dass es wahr ist.

Weihnachten, die Erste

Hallo,

Das hier ist so eine Art vorweihnachtliche Weihnachstgeschichte als Anhang zu SofL, ich hoffe sie gefällt. Hab sie neulich beim Aufräumen wiedergefunden ist uuuralt. Ich wollte sie nicht veröffentlichen wenn es alle wieder tun deshalb ist sie hier, bitteschön.

Grüße

Weniger süß
 

Weihnachten die Erste
 

Es ist Weihnachten und die Heizung ist ausgefallen. Gegen 6 Uhr abends als die Gläubigen Christen und der ganze Nichtsogläubige Rest sich vom großen grauen Mietshaustrakt in den dunklen Lemmingszug Richtung Kirche eingereiht haben, ist ganz still und heimlich die Heizung ausgefallen. Kein Klonk, nichts, es wurde einfach immer kälter und kälter und kälter. So kalt dass wenn man sich die Finger in den Mund steckt man spontan an angefrohrenes Würstcheneis denken muss, oder zumindest muss das Bela.
 

Die alten, klobigen, grässlich grünen Heizkörper sind inzwischen ziemlich kalt und der Rest der Wärme verschwindet durch die schlecht isolierten Wände, das schlechter isolierte Dach, durch die billigen Fenster und durch die billigen Ritzen und Spalten, die wahrscheinlich den Flair dieses Betonklotzes ausmachen sollen. Aber das stört kaum jemanden, da ja wie gesagt alle in das Haus Gottes ausgewandert waren, um dort zu frieren und sich Gedanken um das bevorstehende, unausweichliche Festfressen zu machen.
 

Die einzigen denen es vergönnt war vor allen anderen in weihnachtliche Kältestarre zu verfallen waren Bela und Farin in der kleinsten, schäbigsten aber auch billigsten Wohnung im ganzen Block. Die Wohnung ist tatsächlich noch schlechter isoliert als der unbewohnte Dachboden darüber. Aber das alles wird durch den unbezahlbare Panorama ersetzt, was sich einem bietet, wenn man durch das Küchenfenster sieht: Kitsch, ein riesiger Haufen augenkrebserzeugender, blinkender funkelnder amerikanischdeutscher Kitsch vom Wohnhaus gegenüber. Tag und Nacht hopsen Rentiere, flattern verfettete Engel und tanzen Weihnachtsmänner für jeden der sich dank eines defekten Rollos ihrer nicht erwehren kann. Immerhin es war eine wenn auch nicht sonderlich angenehme Abwechslung zu dem ständig flimmern des Sperrmüllfernsehers und so fanden sich die beiden in der Küche wieder mit viel zu schnell erkaltendem Tee in den Händen und hypnotisiertem Blick auf die eben beschriebene Ansammlung vorweihnachtlichen Atommülls wieder.
 

„Ich frag mich grade ob die Hirten auch so blöd geguckt haben als sie die Sternschnuppe gesehen haben wie du jetzt.“ Sagt Bela nur um des vorhersehbaren Monologs über Weihnachtsunsinns willen. Er bekommt ihn, wie erwartet. Die Küche riecht nach Nasigoreng und Spülmittel, kein allzu weihnachtlicher Geruch, aber nach den letzten Wochen Dauerbombardement mit Weihnachtsliedern, Weihnachtsmärkten und singenden Cocacolaweihnachtsmännern, hätten sie sich wahrscheinlich bei dem Geruch von Plätzchen synchron übergeben.
 

Die Kirche ist aus, durch die ungewohnte Stille des Hauses hörten sie ein Dutzend Menschen zu ihren Wohnungen zurückwatscheln, damit man endlich, endlich pünktlich um 6 dem neuen Kochtopf oder das neue zweihundertneunzigste Sockenpaar auspacken kann. Neben ihnen dreht ihr schwerhöriger Nachbar die obligatorischen Weihnachtsfriedefreudeeierkuchenlieder auf. Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten lauert auch noch in dem altersschwachen Erinnerungsvermögen auf sie.
 

Farin fischt ein letztes vereinsamtes Plätzchen aus dem rosa Plastikkörbchen, es ist geringelt und steinhart. Bela steckt sich symbolisch den Finger in den Hals und tut so als müsse er kotzen. Farin öffnet das Fenster und schießt einen allzu fröhlichen Weihnachtsmann mit ihm ab. Jetzt hängt er schief auf seinen Rentieren drauf, fast als würde er ihren Arsch küssen. Bela grinst breit bei diesem idyllischen Bild, dann verzieht er sich auf die fleckige Eckbank mit einer Decke. Farin setzt sich neben ihn und zittert. „Das ist echt das beschissen kälteste Weihnachten aller Zeiten.“ Murmelt er und versucht nicht mit den Zähnen zu klappern. „Mir ist auch kalt.“ sagt Bela, wickelt sich bis zur Bewegungsunfähigkeit in die Decke ein und kuschelt sich an Farin.
 

Vor ihnen auf dem Tisch steht ein dürftiger Tannenbaumersatz, bestehend aus dem Zweig einer Tanne, der in ein bisschen Knetgummi gesteckt wurde, um dort den Gedanken an bessere Zeiten nachzuhängen. Bela hat das ganze letzte Nacht total betrunken noch mit Schleifen aus MonCheriPapier dekoriert, jetzt sieht alles noch erbärmlicher aus. „Weißt du, unser Weihnachtsfest tut ja nichts entbehren“; sagt Farin und grinst auf einmal, „Wir haben einen Tannenbaum, ein Festessen, die typischen Familienstreitigkeiten, Geschenke und die Wärme.“ Bela lacht. „Nur die Weihnachtslieder fehlen.“ Sagt Bela spöttisch und hämmert nebenbei mit der Faust gegen die Wand. Von links kommt Tochter Zion von rechts Maria durch den Dornwald ging und von untern ihr Kinderlein kommet, wahrscheinlich hat jeder seine Musik ganz besonders laut gedreht um das Gedudel der Anderen nicht hören zu müssen. Bela und Farin sind auf einmal die leisen Mieter im Haus.
 

„Ab drei Halleluja wird zurückgeschossen.“ Verkündet Farin in bester Naziimitionsstimme. „Und wie willst du zurückschießen?“ Farin lächelt süffisant „Wir könnten ja Proben.“ Letztlich ist es so kalt, dass sie tatsächlich beschließen zu proben. (Es ist wirklich arschkalt). Farin findet nach langem geduldigem Gesuche in der hintersten Ecke von Belas Zimmer eine alte, schrecklich verstimmte Westerngitarre mit zwei Löchern einem gewollten und einem nicht ganz so gewollten. Währenddessen baut Bela kreativ wie eh und jeh einen Schlagzeugersatz aus an Wollfäden aufgeknüpften Kochtopfdeckeln, Kochtöpfen und einem entleerten, umgedrehten Mülleimer auf. Sein Schlagzeug lässt es sich in dem wahrscheinlich geheizten Übungsraum zusammen mit Farins E-Gitarre gutgehen.
 

Egal, Farin hatte die Gitarre halbwegs gestimmt. Sie hatten keinen Bassisten, die Gitarre schepperte, das Schlagzeug noch mehr, mal abgesehen dass es sich nicht wie ein Schlagzeug anhörte sondern wie ein paar sehr vergewaltigte Eisenwaren. Sie klangen noch schlimmer als sonst, auch wenn es Leute gab die das kaum für möglich hielten. Aber es wurde ihnen warm.
 

Dann klingelte es einmal, zweimal, dann die ganze Zeit. Erst als sie mit ihrem Lied fertig waren, hatte Farin die Gnade die Tür zu öffnen und einem puterrotem Nachbarn ins Gesicht zu blicken. Er trug die Alptraumvariante eines Weihnachstpullovers, der tatsächlich so geschmackslos war, dass Bela mit einem Mal Angst bekam Farin, könnte damit irgendwann demnächst aufkreuzen. „Hören Sie gefälligst auf so einen Krach zu machen!“ brüllt er, also der Nachbar nicht der Pullover. Farin lehnt sich betont gelangweilt an die Tür. „Sie machen auf Krach und sehen Sie dass wir uns beschweren?“
 

„Was?“Es dauert einen Moment bis das Gesagte in dem kahlen Kopf an der Richtigen Stelle ankommt. „Das sind Weihnachtslieder!“ brüllt der Nachbar. Farin zuckt mit den Schultern „Nennen Sie es wie sie es wollen für mich als Atheist ist das nicht mehr als Krach!“ „Gleich ruf ich die Bullen!“ schreit der Nachbar in Ermangelung einer besseren Argumentation.
 

„Das können Sie gerne machen, doch die Polizei zieht es vor erst ab zehn Uhr solche Beschwerden zu verfolgen.“ Farin ist wieder bei seinem Klugscheißerdeutsch angekommen, Bela fragt sich ob der Nachbar im Fall der Fälle auch Handgreiflich werden könnte, wenn es um die Verteidigung von einem friedlichen Weihnachtsfest geht. Von rechts kommentieren „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ und von links „Stille Nacht“ die Szene. „ES IST HEILIGABEND!“ „Ich glaube nicht, dass Ihnen diese Argumentation bei der Polizei weiterhilft.“ Sagt Farin zuckersüß freundlich. Bela spielt auf den Kochtöpfen einen improvisierten Tusch. „HÖREN SIE SOFORT AUF KRACH ZU MACHEN!“ brüllt der Nachbar.
 

Sie könnten ihm jetzt sagen, dass sie so oder so in fünf Minuten gehen werden um ihre Freunde zu treffen, doch das tun sie nicht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  LorenorMidori
2013-08-05T16:13:42+00:00 05.08.2013 18:13
Hui. Normalerweise mache ich um FanFics mit dem Schlagwort PWP einen großen Bogen. Das ist mir bei real existierenden Personen einfach zu gewagt. Die vielen Kommentare haben mich allerdings neugierig gemacht, also hab ich die erste Kurzgeschichte gelesen. Dann die zweite. Dann alle. Und ich bin restlos begeistert! Deine Art, Bilder im Kopf zu erzeugen, Worte zu finden, Umschreibungen darzustellen ist wirklich einzigartig und wunderbar. Besonders die zweite Geschichte entlockte mir das eine oder andere "Wow". Deine Ideen sind so wunderbar ungewöhnlich und alles andere als alltäglich, deine Art die Charaktere und ihre Gefühle zu beschreiben, ihre Reaktionen, ist zwar verspielt, aber dennoch passend. Du setzt das doch irgendwann fort, oder? Oder?? :-D Ich würde mich jedenfalls darüber freuen!
Von:  punk_fledermaus
2012-12-26T15:11:27+00:00 26.12.2012 16:11
oh, noch kein kommi???

ich liebe deinen schreibstil und deine geschichten über farin und bela.
ist richtig gut geworden, egal ob sie schon uralt ist, die story.

ich sehe die beiden richtig vor mir, wie sie da auf der eckbank sitzen, bela eingemummelt in der decke und farin zähneklappernd.

du schreibst so schön bildhaft, finde ich.
freu mich über alles, was von dir kommt, vielleicht sollte ich öfter kommi schreiben...
Von: abgemeldet
2008-11-07T13:58:51+00:00 07.11.2008 14:58
Wow... das ist so schön und das Ende gleichzeitig so traurig.
Ich liebe deinen Schreibstil. Wie du die Athmosphäre beschreibst... absolut genial. Ich kann meinen Vorrednern eigentlich nur zustimmen.
Wundervoll <3
Von: abgemeldet
2008-11-06T01:10:54+00:00 06.11.2008 02:10
Awwww...
Also, zunächst mal: hör auf, dich selber kleinzureden, das ist ganz wunderbar! Jaja, die Liebe... *seufz*

Dann: daaaaankeeeee für die liebe Widmung (du bist doch süß, so!). Sorry, dass ich noch gar nichts geschrieben habe, ich hatte die Story einfach nicht gesehen, weil ich momentan eher angenervt bin von animexx und dementsprechend selten hier. Aber ich freu mich wie Bolle und muss die Geschichte gleich nochmal lesen gehen, weil sie so ein angenehm melancholisches Kribbeln ausstrahlt.
(Übrigens hab ich ja neulich was im weiteren Sinne thematisch ähnliches geschrieben, gibts aber nicht bei 'mexx, ich schick mal 'ne PN ;)
Von: abgemeldet
2008-11-01T10:53:23+00:00 01.11.2008 11:53
Jetzt war ich schon so lange nicht mehr auf animexx...nun hatte ich endlich mal Zeit wieder hereinzuschauen und zu gucken, was sich so alles verändert hat....und dann entdecke ich diese wunderbare neue FF von dir!

Ich bin sowieso ein großer Fan deiner FF, was vorallem an deinem ganz besonderem Schreibstil liegt. Aber diese hat mich besonders begeistert.
Vorallem das Ende...es ist einfach großartig!

ganz großes Lob und liebe Grüße
black-wulf

Von:  YouKnowNothing
2008-10-31T20:31:52+00:00 31.10.2008 21:31
wow... da fällt mir echt nich mehr ein!
deine art, die atmosphäre jedes mal absolut treffend zu beschreiben, ohne in klischees abzurutschen... einfach der Hammer!

und... das ende ist irgendwie genial... traurig, und gleichzeitig superschön und... einfach toll!

LG Sharingan-Moerder
Von:  aerith_rikku
2008-10-30T11:50:58+00:00 30.10.2008 12:50
ach..cschöön..auch wenn ich mir ein happy end gewünscht hätte aber...das ist punk *lach*XD du bist anders xD
einfach...süss und...wie immer toll beschrieben und zum mitheulen toll xDD

hdl
Caro
Von: abgemeldet
2008-10-29T20:42:38+00:00 29.10.2008 21:42
Mmmh... schöne Atmosphäre,
romantisch, düster, melancholisch, zärtlich, unsicher...
gefällt mir wahnsinnig gut.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie du es schaffst, Situationen und Gefühle so super darzustellen.
Beim Schluss dacht ich erst so "Aha, und jetzt?"
Aber wenn ich jetzt nochmal drüber nachdenk, find ich dass das Perfekte Ende--> weniger schmerzhaft.
Also wie immer supi :)

glg vampy
Von: abgemeldet
2008-10-12T20:47:23+00:00 12.10.2008 22:47
Oho, Mysteryland.
Ich weiß nicht, was du hast. Ich finde die Idee super und deine Sprache macht alles plastisch, poetisch, geheimnisvoll...

Bela mal... anders. Gefällt mir. Sehr. Fühle mich geehrt, dass du diese super Story nicht gut genug fandest, um sie mir zu widmen und freue mich auf meeeeeehr von dir ;)
Von:  YouKnowNothing
2008-10-11T18:45:40+00:00 11.10.2008 20:45
hui... ich dachte, farin hat nen sonnenstich XD dann dachte ich, nein, der ist handfest durchgedreht.
jetzt... weiß ich nich genau, was ich denken soll XD

genial find ich's aber trotzdem *___* wie du das alles beschreibst, einfach... *___* göttlich, möchte ich sagen...

LG Sharingan-Moerder


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