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Zerspringende Ketten

von

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Entzwei

Takaya stand auf dem Dach des Schulgebäudes, und lehnte lässig mit dem Rücken am Maschendrahtzaun der Brüstung. Arrogant musterte er die vor ihm stehenden Personen. Er hatte ursprünglich vorgehabt, hier oben in Ruhe die Mittagspause zu verbringen, als drei Oberschüler der Nachbarschule unerwartet vor ihm auftauchten. Er brauchte einen kurzen Moment, bevor er sich an zwei, der drei Gesichter, erinnern konnte.

Weil es zu zweit nicht geklappt hat, kommt ihr nun also zu dritt? Auch gut. Wenn ihr euch unbedingt prügeln wollt, dann nur zu. Mir ist eh langweilig, und da ich schlecht gelaunt bin, kann ein bisschen Ablenkung nicht schaden..., dachte Takaya mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht.

Er fixierte als erstes die ihm unbekannte Person. Sie war etwas kleiner als er, und hatte eine auffallende Narbe über der rechten Augenbraue. Er kam zu dem Entschluss, dass ihm die dritte Person ebenso wenig gewachsen war, und er als Sieger aus dieser Auseinandersetzung gehen würde.

Das wird nicht wirklich Spaß machen..., stellte er enttäuscht fest und begab sich in Verteidigungsposition.
 

Die beiden bekannten Gesichter reagierten sofort, und griffen ihn an. Sie versuchten gleichzeitig von zwei Seiten auf ihn zuzustürmen, während die dritte Person im Hintergrund lauerte. Takaya tauchte unter den Armen der einen Person durch, und versetze ihr einen Tritt gegen die Kniekehle. Sie ging ächzten zu Boden. Er drehte sich sofort um, als er spürte, dass die bisher untätige Person unerwartet schnell auf ihn zurannte. Er reagierte den Bruchteil einer Sekunde zu langsam, und erntete dafür einen Schlag in die Magengegend, der ihm den Atem nahm. Er schnappte nach Luft und wich zurück.

Mist, jetzt bin ich echt wütend, aber wenigstens ist es nicht so langweilig, wie ich gedacht habe... Takaya beäugte alle drei aus der Distanz, und schätze seine Lage neu ein.

Die Person, der er einen Tritt in die Kniekehle versetzt hatte, stand wieder, humpelte aber merklich.

Okay, dann bist du als erstes dran... Takaya dachte nicht weiter nach, und stürmte vorwärts. Er wich dem Tritt der unbekannten Person aus, schubste die zweite heftig zur Seite und trat der verbleibenden dritten erneut gegen das lädierte Knie. Diese ging stöhnend zu Boden und stand nicht mehr auf.

Er brauchte nicht lange zu warten, bis die unbekannte Person abermals auf ihn losstürmte, diesmal mit einem Messer bewaffnet.

Oh, das wird ja immer besser... Er wich der ersten Attacke aus, und beobachtete aus dem Augenwinkel heraus die verbleibenden beiden, die mit ihren Blicken irritiert die dritte Person mit dem Messer verfolgten.

Sieht so aus, als ginge ihnen das zu weit. Interessant. Gehören die wirklich zusammen?, fragte sich Takaya, als er sich auf die narbetragende Person konzentrierte. Er konnte einen Tritt in deren Seite landen, während er dabei dem Messer geschickt auswich. Der nächste Angriff sollte die Sache eigentlich beenden, als er einen unerwartet heftigen Schmerz im Kopf verspürte, der ihn erstarren ließ.

Naoe... Er nahm für einen kurzen Moment Naoes Anwesenheit wahr, bevor die Kette, die sie beide unsichtbar miteinander vereinigte, riss. Er hatte das Gefühl, als würde Naoes Existenz aus ihm herausgeschnitten. Er keuchte und versuchte Tränen des Schmerzes beiseite zu blinzeln.

Sein Gegner nutzte diesen Moment der Verwirrung. Er holte mit dem Messer aus, um es in Takayas Oberkörper zu versenken. Takaya reagierte im letzten Moment, und hob schützend seinen Arm. Das Messer zerschnitt seinen Ärmel und hinterließ einen blutenden Schnitt im Unterarm.

Er ging ein paar Schritte zurück, und hielt sich seinen blutenden Arm. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute er zu seinem Gegner, der ihn verächtlich angrinste. Dieser machte sich für einen weiteren Angriff bereit, und wollte soeben auf Takaya zulaufen, als ihn eine laute, befehlerisch klingende Stimme inne halten ließ.
 

„Was geht hier vor?“ Chiaki schaute von einer Person zur anderen, und sein Blick blieb bei Takaya und seiner Wunde hängen. Er blieb versteinert stehen.

„Takaya, was ist hier los?“ Er schaute fassungslos zu ihm, während dieser mit verzerrtem Gesicht zurückstarrte. Takayas Zustand irritierte Chiaki, da er nicht das Gefühl hatte, dass die hier Anwesenden ihm überlegen wären.

Warum also die Wunde? Irgendetwas stimmt hier nicht... Chiaki bewegte sich nun langsam auf Takaya zu, und behielt dessen Widersacher im Auge. Er rechnete mit allem, aber er hatte nichts zu befürchten, denn die beiden beieinander hockenden Personen standen sich gegenseitig stützend auf, und verließen, ohne ein Wort zu verlieren, fluchtartig das Dach. Die dritte schaute ihnen nach, und schien zu überlegen. Sie sah zurück zu Chiaki und anschließend zu Takaya, der den Blick eisig erwiderte. Sie steckte das Messer zurück in die Hosentasche, und ging rückwärts bis zur Treppe, die nach unten führte. Bevor sie im Treppengang verschwand, fixierte sie Takaya ein letztes Mal und grinste dabei sadistisch. Die Tür fiel zurück ins Schloss.
 

Chiaki trat auf Takaya zu, der sich auf den Boden gesetzt hatte.

„Was war hier los? Ich weiß, dass du dich gern provozieren lässt, aber eine Wunde? Das sieht dir nicht ähnlich. Wie ist das passiert, Takaya?“ Er hockte sich vor Takaya und griff nach dessen Arm, um sich die Wunde anzusehen. Sie war nicht sehr tief, und würde schnell verheilen, dank der ihm innewohnenden Kraft.

Er betrachtete Takaya genauer. Seit dem vergangenen Wochenende, als sie alle von Yuzurus Ferienhaus in den Bergen zurückgekehrt waren, schien Takaya noch schlechter gelaunt zu sein als zuvor. Chiaki wusste, dass es mit Naoe zusammenhing, aber er bekam kein Wort aus Takaya heraus, genauso wenig erfuhr er von Naoe selbst.

Naoe, wo steckst du gerade? Chiaki seufzte hörbar und entschied, im Moment nicht weiter über die beiden nachzudenken.

„Was führt dich nach hier oben, Chiaki? Hast du mich gesucht?“ antwortete Takaya Chiakis Frage ignorierend. Er konnte inzwischen entspannter atmen, da der Schmerz im Kopf und Arm nachgelassen hatte. Er sah Chiaki fragend an, der seinen Blick grinsend erwiderte.

„Jetzt, wo du mich fragst, weiß ich es selber nicht mehr. Dein Anblick hat mich völlig durcheinander gebracht!“ Er schlug Takaya freundschaftlich auf die Schulte, und stellte sich anschließend wieder hin, um in die Ferne blicken zu können.

Takaya stand ebenfalls auf, verband die Wunde mit seinem Taschentuch und gesellte sich zu Chiaki, der ihn kurz ansah, und nach Anzeichen körperlicher Schwäche suchte. Er konnte nichts finden, was ihn ein wenig beruhigte.

Was ist mit dir los, Takaya!? Warum die Verletzung? Was verschweigst du...
 

„Hast du was von Naoe gehört?“, fragte Takaya gedankenverloren, während er vom Schuldach das Geschehen auf dem Hof unter ihnen beobachtete. Chiaki sah ihn von der Seite an, und runzelte die Stirn. Es war äußerst selten, dass Takaya gezielt nach Naoe fragte.

„Nein. Wir haben das letzte Mal am Telefon miteinander gesprochen, als er sein Kommen am letzten Wochenende absagen musste. Ihm ist etwas dazwischen gekommen, was er wohl nicht ablehnen konnte. Wahrscheinlich irgendeine Sache, die seine Arbeit als buddhistischer Priester betrifft. Er hat mir nichts genaues gesagt. Tja, und wie wir Naoe kennen, meldet er sich erst wieder, wenn er die Sache erledigt hat, oder er zusätzliche Hilfe benötigt. Also kein Grund zur Sorge, würde ich meinen. Ist erst eine Woche vergangen...“ Chiaki wurde unsanft unterbrochen.

„Wer sagt, dass ich mich sorge? Er ist für sich selbst verantwortlich, und ich habe nix weiter mit ihm zu tun, außer, wir haben einen gemeinsamen Auftrag!“, entgegnete Takaya heftiger, als er es beabsichtigt hatte. Er drehte sich um, und wollte gehen, als er von Chiaki aufgehalten wurde.

„Hey Kagetora! Ich glaube kaum, dass es dich kalt lässt, wenn Naoe etwas zustoßen würde. Ich würde es nicht zulassen!“ Chiaki blickte entschlossen zu Takaya, der ihn anfunkelte.

„Tu, was du nicht lassen kannst!“, erwiderte Takaya auf arrogante Art, die Chiaki so vertraut und gleichzeitig zuwider war. Er drehte Takaya den Rücken zu, um erneut in die Ferne sehen zu können, und hörte dabei die Tür, die ein drittes Mal ins Schloss fiel.
 


 

Takaya lag wach in seinem Bett und dachte nach. Drei Wochen waren seit dem Vorfall auf dem Schuldach vergangen. Die Wunde war längst verheilt und es gab keinen weiteren ähnlichen Zwischenfall. Es hatte auch keinen Auftrag gegeben, so dass er sich hauptsächlich auf die Schule und die Prüfungen konzentrieren konnte.

Es gibt bisher auch keine Nachricht von Naoe. Vier Wochen sind seit dem letzten Kontakt vergangen. Was macht du? Wo bist du... Verdammt, Naoe!, dachte er gereizt. Takaya spürte eine innere Unruhe, wie seit langem nicht mehr. Seit dem Ereignis auf dem Dach, konnte er nicht die geringste Spur von Naoe entdecken. Er fand es merkwürdig, da bisher nie ein Gefühl der Leere existiert hatte, wenn Naoe länger weg war. Egal, wo sich Naoe aufhielt, Takaya konnte ihn spüren, wenn er es wollte, aber jetzt war da nichts.

Es fühlt sich fast so an, als ob er sich absichtlich vollkommen verschlossen hat. Aber warum? Will er mich schützen? Sich? Was treibst du nur... Er drehte sich beunruhigt auf die Seite, und schaute aus dem Fenster in den Nachthimmel.

Er hatte bisher mit niemanden über diese Sache reden wollen. Ihm war einfach nicht klar, ob es überhaupt etwas zu bedeuten hatte, aber dennoch war er verunsichert. Er machte sich inzwischen wirklich Sorgen.

Verdammter Scheißkerl! Was hast du dir nur dabei gedacht... Willst du mich wieder testen? Gewinner? Verlierer? Nach dem jetzigen Stand bist du eindeutig der Verlierer, Naoe!, dachte Takaya wütend, und versuchte sich an die letzte Begegnung mit ihm zu erinnern. Sofort schoss ihm die Begebenheit im Hotelzimmer in den Kopf. Er konnte Naoes Umarmung spüren, seinen Atem am Hals, seine grausamen, aber ehrlichen Worte...

Er hätte Naoes Berührungen genießen können, wenn er nicht so brutal vorgegangen wäre. Aber dessen unbeherrschte Art ließ Takaya Dinge erinnern, die er lieber vergessen wollte. Natürlich wusste Naoe nichts von diesen Ereignissen, aber vielleicht ahnte er etwas, und ging deshalb berechnend mit böser Absicht vor, um ihn zu quälen. Takaya lachte gepeinigt.

Du bist frei, Naoe! Du hast dich damals losgesagt. Du wolltest nur noch für dich leben. Es scheint, du tust es wirklich. Und ich? Was will ich? Will ich dich gehen lassen? Unsere Beziehung besteht nur aus Schmerz und Unterdrückung. Kann sich das überhaupt ändern? Es gibt so vieles, was ich dir nie verzeihen kann, und du? Kannst du mir verzeihen? Wie kannst du sagen, dass du mich liebst? Immer geliebt hast?

Takaya verließ ruhelos das Bett, um zum Bad zu gehen, als plötzlich sein Handy zum Leben erwachte. Er schaute auf die Uhr.

„Hä? Es ist kurz vor Mitternacht! Wer kann das sein?“, fragte er sich mit zunehmender Beunruhigung. Er hatte eine schlimme Vorahnung.
 

„Yo Kagetora, ich hoffe, ich habe deinen süßen Schlaf gestört!“

Takaya stellte sich mit dem Telefon am Ohr an sein Zimmerfenster, und betrachtete den Mond.

„Was willst du, Kousaka?“, fragte Takaya eisig.

„Warum so kühl, Kagetora? Freust du dich nicht, mich zu hören? Oder hättest du lieber Naoes Stimme hören wollen? Da muss ich dich leider enttäuschen. Der kann nämlich zur Zeit schlecht reden...“ Takaya unterbrach Kousaka scharf.

„Was heißt, er kann nicht reden? Was weißt du?“, fragte er mit besorgter Stimme.

„Oh? Kagetora und besorgt? Muss ich mir jetzt Sorgen machen über deine geistige Gesundheit?“

„Lass die Scherze, Kousaka, und komm endlich zum Punkt. Was willst du von mir?“, entgegnete Takaya und spürte, dass sich in ihm die anfangs flüchtig vorhandene, ungute Vorahnung zu einem Klumpen übelkeitserregender Masse zusammenzog. Er schluckte.

„Naoe wird festgehalten von einer Person, über die ich selbst noch nicht viel weiß. Aber das, was ich weiß, hört sich nicht sehr gut an. Es geht auch nicht wirklich um ihn, sondern er ist Mittel zum Zweck! Wie wäre es, wenn wir uns morgen treffen? Ich habe da nämlich so Päckchen, was äußerst interessant zu sein scheint. Ein Video, wenn ich genauer bin. Ich habe es mir noch nicht angesehen, aber es ist für dich bestimmt, denn dein Name steht drauf...“

Takaya hörte sprachlos zu. Sein ungutes Gefühl breitete sich inzwischen in jeder Faser seines Körpers aus. Er unterdrückte ein Zittern.

Naoe, geht es dir gut?, dachte Takaya und versuchte vergeblich, sein negatives Gefühl zu unterdrücken.

„In Ordnung. Wann und wo?“, herrschte Takaya Kousaka ungeduldig an.

„Hm, nicht so ungestüm. Wir sollten noch einiges klären. Also, du erzählt von dieser Sache niemanden. Chiaki und Haruie bleiben außen vor, verstanden? Ich treffe dich morgen auf Naoes Familiensitz, alleine. Komm, sobald du aufgestanden bist. Ich werde warten...“ Kousaka legte auf und ließ Takaya verblüfft am anderen Ende des Telefons zurück. Er warf das Telefon entnervt auf den Sessel in seiner Nähe, und starrte aus dem Fenster.

Kousaka. Was führst du im Schilde? Was willst du als Gegenleistung, denn umsonst gibst du keine Informationen preis... Takaya holte tief Luft. Er konzentrierte sich auf seine Atmung und beruhigte sich innerlich. Er überlegte, und kam zu dem Entschluss, dass er sich sofort auf den Weg zum Familiensitz der Tachibanas machen sollte.

Schlafen ist jetzt unmöglich. Mit dem Motorrad werde ich eh eine Weile bis dorthin brauchen, da kann ich auch gleich losfahren. Rechtszeitig zum Sonnenaufgang da sein, hm... Könnte es eine Falle sein? Vertrauen kann ich ihm nicht, aber es bleibt mir keine andere Wahl, wenn ich etwa erfahren möchte. Ich warte das Treffen einfach ab, und entscheide dann, ob ich Chiaki und Haruie hinzuziehe..., stellte Takaya entschlossen fest, verschwand kurz im Bad, und zog sich anschließend warm an.

Er ging leise nach unten, um sich in der Küche etwas zu Essen in seinen Rucksack packen zu können. Es waren noch Reste vom Abendbrot da, die Miya fein säuberlich verpackt hatte.

Miya..., dachte Takaya entschuldigend. Er packte genug für ein Frühstück ein, und schrieb dann einen Notizzettel für seine Schwester, damit sie sich morgen früh nicht über seine Abwesenheit sorgen musste. Er legte ihn gut sichtbar auf den Tisch, und verließ das Haus.
 


 

Er erreichte das Anwesen der Tachibanas am frühen Morgen. Der Sonnenaufgang stand kurz bevor. Er gähnte und streckte seinen vom Fahrtwind durchgefrorenen Körper. Die Fahrt war nicht sehr anstrengend gewesen, und gäbe es nicht diesen unguten Anlass dafür, hätte sie Takaya auch richtig genießen können.

Er sah sich um. In der Nähe des Hauses war ein kleiner Hain, auf den er geradewegs zusteuerte. Er kontrollierte auf dem Weg dorthin sein Umfeld auf mögliche Gefahren und der Anwesenheit Kousakas, konnte aber weder das eine, noch das andere feststellen.

Am Hain angekommen, suchte er darin einen freien Platz, um sich dort mit seinem mitgebrachten Schlafsack hinzulegen, um ein wenig Kraft zu tanken.

Er war auf drei Seiten von hohen Bäumen umgeben, die vierte aber war offen, und ließ den Blick ostwärts auf den Horizont zu.

Dort geht bald die Sonne auf..., dachte Takaya etwas schläfrig, und kuschelte sich in seinen Schlafsack. Ehe er es bemerkte, war er eingeschlafen.
 

Etwas kitzelte Takaya in der Nase. Er murmelte schlaftrunken, und drehte sich auf den Rücken. Plötzlich öffnete er die Augen, und sah direkt in Kousakas Gesicht, der aus kurzer Entfernung auf ihn hinab lächelte.

„Was zum...“, stotterte Takaya, während er versuchte aufzustehen. Dieser Versuch misslang, und er fiel hin. Er hörte Kousakas Lachen. Wütend befreite sich Takaya aus seinem Schlafsack, und funkelte dabei Kousaka an, der aus der Hocke hämisch zu ihm hinauf grinste.

„Na, warum so wütend? Mich trifft keine Schuld. Du bist der, der hier so seelenruhig im Hain schläft. Scheinst ja die Ruhe weg zu haben. Aber ich muss zugeben, du hast dir einen schönen Platz ausgesucht! Schau, die Sonne geht auf...“, entgegnete Kousaka amüsiert, und sah zum Horizont. Takaya tat es ihm nach. Genau in diesem Moment erschien der erste Sonnenstrahl.

Der Sonnenaufgang verliert kein Stück an seiner Schönheit! Ob heute, oder vor 400 Jahren..., stellte Takaya mit einem sanften Gesichtsausdruck fest. Er seufzte, setzte sich auf seinen Schlafsack und kramte in seinem Rucksack nach dem Essen.

Kousaka beobachtete ihn dabei, und dachte an den längst wieder vergangenen Ausdruck der Zufriedenheit auf Takayas Gesicht. Er hätte zu gern gewusst, an was dieser in jenem Moment gedacht hatte.

„Du bist also zum Picknick hier heraus gekommen? Du hättest anklopfen sollen, damit ich dich...“ Kousaka wurde durch Takayas verächtliches Schnaufen unterbrochen.

„Anklopfen? Ich wusste gar nicht, dass du hier der Hausherr bist, Kousaka? Oder ist mir da etwas entgangen.“ Takaya blickte zu Kousaka rüber, der sich auf einen Stein in seiner Nähe gesetzt hatte.

„Vielleicht ist dir so einiges entgangen. Ich bin sein Geliebter, also habe ich das Recht hier zu sein, und in seiner Abwesenheit das Anwesen zu hüten. Wusstest du das noch nicht?“, sagte Kousaka mit gespielter Ernsthaftigkeit. Takaya sah ihn mit unergründlicher Miene an.

„Hm...oder wie wäre es damit. Ich bin sein verloren geglaubter Bruder?“

„Kousaka, deine Scherze waren auch schon mal besser.“, stellte Takaya teilnahmslos fest, und biss in einen mitgebrachten Apfel.

„Das Haus ist seit vier Wochen verlassen, Kagetora. Naoe hat es in dieser ganzen Zeit nicht wieder betreten.“, sagte Kousaka ernst.

„Ach ja? Woher willst du wissen, dass er nicht doch mal hier gewesen ist?“, fragte Takaya, obwohl er ahnte, dass Kousaka die Wahrheit sprach.

„Ich habe da so meine Quellen, du kannst dich darauf verlassen. Wie dem auch sei, ich hatte Naoe um ein Treffen gebeten. An dem vereinbarten Tag bin ich hierher gekommen und musste feststellen, dass er nirgends aufzufinden war. Das sieht Naoe nicht ähnlich, wie eigentlich wissen müsstest. Ich wartete den ganzen Tag, aber keine Spur. Ich gehe davon aus, dass ich zu spät gekommen bin...“

„Was meinst du mit ‚zu spät’, Kousaka?“, fragte Takaya, und sah ihn mit ansteigender Wut an.

„Nachdem ich also vergeblich auf Naoe gewartet habe, bin ich zurück, und habe Nachforschungen betrieben. Ich konnte nicht sehr viel herausbekommen, außer, dass Naoe drei Tage vor meinem Treffen eine ältere Frau empfangen hat, die ihn um Hilfe in irgendeiner familiären Angelegenheit gebeten hatte.“ Takaya schnitt Kousaka das Wort ab.

„Du ignorierst meine Frage, Kousaka. Was meinst du mit ‚zu spät’...“, fragte Takaya mit einem gebieterischen Unterton. Er sah Kousaka eisig an.

Kousaka starrte für einen Moment verunsichert zurück.

Wow, du bist jetzt wirklich wütend, Kagetora-dono! Wohin soll das noch führen, wenn ich dir den Rest erzähle? Sollte ich vielleicht schützenden Abstand einnehmen?

Kousaka schluckte und fuhr dort weiter, wo er unterbrochen wurde.

„Ich glaube, du willst das jetzt lieber nicht hören, aber du wirst nicht drum herum kommen.“ Er sah Takaya wissend an.

„Die Frau, die Naoe aufgesucht hat, ist Minakos ältere noch lebende Schwester.“
 

Für einen Moment drehte sich in Takayas Kopf alles. Er versuchte Halt zu finden, indem er sich auf den Apfel in seiner Hand konzentrierte, aber er schaffte es nicht.

Seine Gedanken rasten zu jenem Tag, als er unbewusst von Minakos Körper Besitz ergriff.

Er war im Kampf so stark verletzt worden, so dass er aus eigener Kraft keinen anderen Körper übernehmen konnte. Naoe übernahm das für ihn, und suchte Minakos Körper aus.

Naoe begann diese schreckliche Tat aus reiner Selbstgier, wie Takaya heute wusste. Er tat es, damit er ihn nicht wieder aus den Augen verlor, wenn er einfach in einem andern Körper wiedergeboren würde. Er wollte ihn auf keinen Fall verlieren.

Takaya spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Liebe. Hass. Takaya schluckte und versuchte die Bilder zu unterdrücken, die sich ununterbrochen einen Weg zu seinem Bewusstsein bahnten. Er stöhnte.

„Wie ich sehe, nimmt dich das noch ganz schön mit, was, Kagetora!? Noch immer nicht drüber weg? Das tut mir, ehrlich gesagt, nicht leid. Ich kann Naoe nur leider nicht verstehen, warum er so an dir festhält, nach allem, was du ihm angetan hast und noch immer antust!“, sagte Kousaka unbarmherzig und erläuterte weiter.

„Wie du dir vielleicht denken kannst, ist es kein Zufall, dass sie Naoe gefunden hat. Und hier komme ich nun zu dem Punkt, der deine Frage bezüglich des ‚zu spät’ erklären wird. Seit einiger Zeit kursieren Gerüchte in der Unterwelt, dass eine mächtige, aber unbekannte Person aufgetaucht ist, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kagetora zu zerstören. Frag mich nicht, wer das ist, denn ich weiß es selber nicht. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich nichts dagegen, wenn dir etwas passieren würde, wenn da nicht Naoe wäre.“, stellte Kousaka ernsthaft fest.

„Es heißt, er würde versuchen, dich durch Naoe bekommen zu wollen. Nun, es scheint, als hätte er Naoe inzwischen, und wie ich den so kenne, wird er es nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Eher würde er wohl sterben, als dich ans Messer zu liefern.“ Kousaka seufzte hörbar.

„Ich kann Naoe in diesem Punkt einfach nicht begreifen. Er ist mir ein Rätsel! Obwohl, wenn ich so richtig darüber nachdenke, dann kann ich sein Verhalten sogar verstehen. Es ist schon erschreckend, zu was ein Mensch fähig wird, wenn er in einer glücklosen Leidenschaft gefangen ist...“ Kousaka starrte zu Takaya, der sich vom ersten Schock erholt zu haben schien. Ihre Blicke trafen sich. Kousaka wendete als erster den Blick ab. Er sah zurück zum Horizont.

„Ich denke, wir sollten ins Haus gehen und sehen, was sich auf dem Video befindet. Oder was meinst du, Kagetora?“, fragte Kousaka leise, während er aufstand und ihm den Rücken zudrehte. Er ging ohne zu warten davon.

Takaya sah ihm nach. Er fühlte sich kraft- und hilflos.

„Naoe, ich hoffe, du bist in Ordnung und kommst nicht auf dumme Gedanken! Es gibt schon so vieles, was ich dir nicht verzeihen kann...“, murmelte Takaya leise, als er seine Sachen nahm und Kousaka folgte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Vampire-Hero
2008-10-22T10:45:01+00:00 22.10.2008 12:45
Na das sind doch mal schöne Nachrichten ^^ Kageto macht sich sorgen um Naoe und verlangt bloß etwas zärtlichkeit von ihm. Aber wie man sieht ist er immer noch in den anderen Mann verliebt. Und ja **erleichtert aufatmet** endlich haben sie einen Hinweis wo sich Naoe befindet. jetzt müssen sie ihn nur noch retten ^_^

LG
Vampire
Von:  firebeast
2008-09-19T19:29:44+00:00 19.09.2008 21:29
oh schöööön... Der Rest des Kapitels war wirklich suuupi toll. Ich frag mich wirklich wie hoch du die Spannung noch steigern wirst °°. Die FF ist bisher fast wie eine echte Fortsetzung der OVA, so wie es sich wahrscheinlich viele vorstellen. toll....
Von:  firebeast
2008-09-15T21:36:31+00:00 15.09.2008 23:36
Hey^^
schönes Kap! Das das Band zwischen Kagetora und Naoe gerissen ist, kann nichts gutes bedeuten....*Angst um Naoe hab*. Spannend! Bin echt gespannt auf`'s wie es weiter geht....Och menno wie ich sehe hält es noch immer keiner für nötig mal zu kommentieren...dann muss ich wohl fleißig weiter reviewn^^

lg




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