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Schall und Rauch

Which path will you choose?
von

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Liebe Leser,

hiermit danken wir euch nochmal ganz schnell für eure Reviews und dafür, dass ihr uns eure Gedanken, Erwartungen und Fragen zu der FF mitteilt. Wir versuchen immer, diese Ansichten in der FF zu verarbeiten.

Der erste Abschnitt ist beispielsweise MagicSunny gewidmet, aufgrund ihrer letzte Review (Danke <3).

Weiterhin danken wir auch den Leser, die unsere Story gefavt haben!
 

Bilder zu diesem Kapitel:

Ramón: http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Ramon-1-97205318

Kwen: http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Kwen-1-97206219

Orez: http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Orez-1-97206898

(Ryu wird noch eine Szene aus dem GELPHIE-Abschnitt zeichnen!)
 

Update: Glinda mit Brot: http://wickedryu.deviantart.com/art/Sweet-Glinda-98233718
 

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K 36
 

Als Ramón die Türe hinter sich geschlossen hatte, zischte er Londaro zu: „Komm mit!“ und die beiden Männer eilten durch den Palast, bis sie sich weit genug von dem Raum entfernt hatten, in welchem Accursia nun mit Fiyero alleine war.

„Ramón, was soll das?“, setzte Londaro verwirrt an. „Kennst du den Kerl etwa auch?“

„Nein…“, murmelte der blonde Mann, „Ich bin doch vier Jahre älter als er. Wenn er genauso alt ist, wie Glinda, heisst das… ich habe ihn genau um ein Jahr auf der Universität verpasst! … Was das soll… Ich habe keine Ahnung.“

„Was hat deine Mutter mit ihm vor?“

„Londaro!“, Ramón sah dem Sekretär wütend in die Augen, „Ich habe keine Ahnung! Ich weiß nicht, was Mutter jetzt vorhat! Sie weiht mich immer nur gerade so weit in ihre Pläne ein, wie es ihr passt!“

„Mein Freund…“, Londaro legte seine Hand auf die Schulter des Mannes, „Du weißt, ich bin auf deiner Seite. Egal was passiert.“

Ramón nickte nur und sagte dann leise: „Ich weiß und ich danke dir dafür.“

„Aber eins verstehe ich nicht…“ Der Sekretär nahm seine Hand wieder von der Schulter und mustere seinen alten Freund von der Seite.

„Was?“

„Wieso… ich meine, du wolltest nie einen Frauenstaat. Du hasst Frauen in mächtigen Positionen! Wieso unterstützt du da deine Mutter bei dem Aufbau eines solchen Staates?“

Als Ramón seinen Freund ansah, war sein Blick klar und sein Atem ruhig: „Sie ist meine Mutter. Als ihr Sohn bin ich ihr etwas schuldig. Aber glaube mir, mein Freund, sobald sie abtritt, werde ich der Nächste sein und Oz wird sich verändern.“

Bei seinen letzten Worten hatte er seinen rechten Zeigefinger auf den Mund gelegt – zum Zeichen des Schweigens.

Londaros Augen blitzten auf. Er hatte sich so etwas schon gedacht und vermutete auch, dass Auria dies ahnte. Langsam nickte er in dem Wissen, dass wenn Ramón an die Macht kommen würde, er, Londaro, auch ein großes Stück vom Kuchen bekommen würde.

Die beiden Männer sahen sich noch einmal kurz an, bevor sie in verschiedene Richtungen auseinander gingen.
 

„Fiyero Tiggular… Was hast du dich verändert!“, lächelte Accursia Akaber verschlagen, als sie die Vogelscheuche missachtend von oben bis unten musterte.

Fiyero nahm diese Blicke wahr, zwang sich aber, sich nicht von der Angst vor dieser Frau einschüchtern zu lassen, die er immer noch nach all den Jahren empfand.

„Das kann man aber auch von Ihnen behaupten, Madame Akaber!“, sagte er dann mit viel mehr Selbstsicherheit, als er empfand.

‚Du bist der, den sie brauchen. Deine Informationen zählen jetzt. DU bist wichtig und alle anderen sind hilflos ohne dich!’, ermutigte er sich selber. Das mulmige Gefühl, dass es falsch war, was er tat, stieg langsam wieder in ihm auf.

„Nicht wahr?“, grinste Accursia vom Bett her.

Dann trat Stille ein und ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, während die zwei Personen sich gegenseitig musterten.

Es war Accursia, die die Stille nach einiger Zeit brach. Missbilligend gab sie ein paar „Tsetse“-Laute von sich und fügte dann hinzu: „Was hat sie dir bloß angetan?“

Fiyero konnte nichts erwidern und starrte die ehemalige Direktorin benommen an, welche gerade offensichtlich von Fae gesprochen hatte.

Als Accursia merkte, dass ihr Plan nicht aufging, versuchte sie, dieses Gespräch anders anzugehen.

„Warum bist du hier?“, fragte sie mit autoritärer Stimme.

„Die Hexe hat mich all die Jahre nur benutzt, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Sie ist eine Heuchlerin und ich will nun Rache nehmen.“

Vor Madame Akaber, so wusste Fiyero noch aus Schulzeiten, war es immer das Beste, ehrlich zu sein, denn sie ahnte ohnehin immer mehr, als man selber vermuten konnte.

„Wieso hast du Londaro erzählt, dass sie dich gefangen genommen hat, obwohl DU sie damals gerettet hast?“

Der Scheuch hatte diese Frage erwartet, schließlich war Akaber ja vor Jahren dabei gewesen, als die Wachen ihn abgeführt hatten.

„Ich wollte das Misstrauen nicht noch festigen, was mir entgegenschlug. Außerdem wusste ich nicht, wie weit Sie genesen waren und wollte mich nicht unnötig in Schwierigkeiten bringen.“

Madame Akaber kombinierte: „Du warst also bis gestern noch freiwillig bei ihr, doch – wenn das stimmt, was du Londaro erzählt hast – als die Hexe Glinda gestern Nacht gerettet hat, muss irgendetwas vorgefallen sein, das dich nun so wütend macht…“

Fiyero konnte nur mit einem Nicken antworten. Er fühlte sich, als würden sich seine Eingeweide zusammenkrampfen, über die er gar nicht mehr verfügte.

„Fiyero weißt du, was für ein Problem ich mit wütenden Menschen… oder ‚was-auch-immer’ habe?“

Fragend sah er sie an: „Nein. Welches?“

Die Worte kamen trocken aus seinem Strohmund hervor.

„Sie sind wütend. Sie sind nur wütend. Und Wut ebbt ab. In der Sekunde des emotionalen Ausbruchs sind sie sich ihrer Taten sicher. Doch warte ab, bis die Wut verfliegt. Was bleibt dann? Resignation. Die meisten Menschen besinnen sich dann wieder und entscheiden sich um. Doch du bist nun hier und es gibt kein zurück mehr.“

„Übersetzt heisst es wohl, dass Sie mir nicht trauen.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Darum geht es nicht!“ Untypisch für diese angespannte Situation sah er ein Lächeln auf ihren Zügen. „Ich traue und vertraue niemandem. Nicht mal meinem eigenen Sohn, geschweige denn, meiner Tochter…“

Bei diesen Worten wäre Fiyero beinahe ein: „Was? Sie haben auch noch eine Tochter?“, herausgeplatzt, doch im letzten Moment konnte er sich zusammenreißen.

Accursia sah den geschockten Blick und sprach weiter: „Erinnere dich an deine Shizzer Zeit zurück. Als ihr im vorletzten Jahr des Studiums wart, kam ein neues Mädchen an die Schule. Ihr Name war Aylin Rebaka. Du müsstest dich noch an sie erinnern, weil sie im Eifer des Gefechtes versucht hat, Glindas Zimmer in Brand zu stecken. Eure grüne Freundin hat sie daran gehindert und ich musste mein eigenes Kind von der Schule nehmen. Erst, als ihr die Shizzer Universität verlassen habt, konnte ich sie weiter ausbilden.“

Und wie gut Fiyero sich an diese grässliche Göre erinnern konnte… Glinda, er und ein paar Freunde hatten sich immer über sie lustig gemacht und sie ‚Nilya Akaber’ gerufen, denn das war ihr Name rückwärts.

„Wie dem auch sei. Das war nicht der Punkt. Fakt ist, ich traue niemandem hier genug, um mich 100-prozentig auf ihn verlassen zu können. Jetzt tauchst du urplötzlich auf und wirfst unsere ganze Planung aus dem Fragment, weil du behauptest, Elphaba würde leben.“

Es war das erste Mal, dass Accursia den Namen des grünen Mädchens von damals ausgesprochen hatte und sie merkte, wie diese leichte Welle von Übelkeit sie überkam, wie es immer bei diesem Namen gewesen war.

Bevor Fiyero etwas erwidern konnte, hob sie gebieterisch die linke Hand: „Nicht, dass ich das nicht glaube! Es würde sogar sehr gut ins Bild passen, nur frage ich mich: Was macht DICH, Fiyero Tiggular, glaubwürdig? Was macht den Mann glaubwürdig, der die letzten Jahre mit dieser Hexe FREWILLIG zusammen verbracht hat. Was gibt mir die Sicherheit, dass dieser Mann es sich nicht doch noch einmal anders überlegt? Du hast vor ganz Oz ‚Glinda die Gute’ für ‚Elphaba die Böse’ stehen gelassen und dir war es egal. Du hast alles auf dich genommen, nur, um mit dieser Person zusammen zu sein. Du hast ihr zwei Mal das Leben gerettet. Und jetzt soll ich dir glauben, dass sie dir nichts mehr bedeutet?“

Während Akabers Monolog war die Wut wieder in ihm aufgestiegen. Doch diese Wut hatte einen anderen Beigeschmack gehabt, denn er merkte, dass er auch wütend auf sich selber war. All die Argumente stimmten und nur die letzte Aussage gab ihm die Möglichkeit, überzeugend zu antworten: „Es stimmt nicht, dass sie mir nichts mehr bedeutet. Sonst wäre ich wohl kaum hier, Madame Akaber!“

Erstaunt sahen die grauen Augen den Scheuch an.

„Wissen Sie…“, setzte Fiyero an und ging dabei langsam im Raum auf und ab. Accursia hatte den Eindruck, als würde er mehr zu sich selber als mit ihr reden.

„Als ich damals nach Shiz gekommen bin, hatte ich noch nie eine Person getroffen, die sich nicht darum scherte, was andere Leute von ihr dachten. Als ich Elphaba das erste Mal traf, hat sie mich sofort gefesselt. Nicht nur aufgrund ihrer Hautfarbe, sondern weil sie vom ersten Moment an ihre Meinung offen und ehrlich ausgesprochen hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie gut oder wie schlecht sie dabei im gesellschaftlichen Licht steht. Ich kannte so etwas nicht und hielt es auch im ersten Moment für unangebracht. Ich war selber Prinz und mir war von der ersten Minute meines Lebens, in welcher sich mein Denken entwickelt hatte, eingebläut worden, dass nichts wichtiger sei, als die gesellschaftliche Meinung der anderen über mich.

In den ersten Monaten auf der neuen Universität lebte ich mein Leben ganz nach dem Merksatz, den man mir so lange ins Gehirn gemeißelt hatte: Wenn das Gesellschaftslicht auf dich fällt, musst du der sein, der den Tag erhellt!

Also habe ich auch in diese Richtung gedacht und mich in diesem oberflächlichen Dasein in Glinda… nein, eher in Glindas Ansehen auf der Schule und in der Gesellschaft verliebt.

Doch je mehr ich mit Elphaba in Kontakt kam, desto mehr Einfluss hatte ihre individuelle Lebensweise auf mich. Ohne es zu merken, hat sie mir gezeigt, dass ich das Leben nur oberflächlich betrachte und von da an sah ich langsam alles anders: Mir ging Glinda auf die Nerven, meine sogenannten ‚Freunde’. Einfach alles. Irgendwann schien all dieses gesellschaftliche Geplänkel nur noch eine Last zu sein und ich fragte mich, warum ich mir so etwas überhaupt antue. Immer diese Heuchlerei, irgendjemanden nett zu finden, nur, damit man bekannt wird oder bleibt.

In Elphabas Nähe habe ich mich immer klein gefühlt….“

Ein Lächeln trat auf seine Züge, was Accursia nicht entging und sie fragte sich zweifelnd, ob der Scheuch wusste, was er da gerade tat.

„Wie dem auch sei… Sie zeigte mir, was es bedeutet, ehrlich mit jemandem zu sein und ich musste mir irgendwann eingestehen, dass ich Gefühle für sie hatte.

In dieser Situation war ich hin und hergerissen, denn mein soziales Leben würde den Bach runter gehen, sobald ich mich zu ihr bekennen würde und das wusste ich. Ich entschied mich also gegen sie und ich glaube es lag daran, dass ich mein ganzes Leben lang, meine ganze Kindheit lang mit der einen Ansicht bombardiert wurde.

Man kann seine Verhaltensweise, auf die man als Kind regelrecht konditioniert wurde, nicht einfach im Eifer des Gefechtes ablegen. Außerdem wusste ich auch nicht, was sie für mich fühlte, also blieb ich bei Glinda.

Unsere Beziehung war wirklich nicht das, was man davon erwartet hat. Wir waren sehr gut, der Außenwelt zu zeigen, was sie von dem Traumpaar Oz’s erwarteten, aber mehr war dort nicht.

Nachdem die Hexe untergetaucht war, veränderte sich Glinda. Die erste Zeit zog sie sich total zurück und reflektierte ihr Leben. Sie schien irgendwelche Emotionen durchzugehen und ich erwartete eigentlich schon, dass sie mich verlassen würde, weil wir beide wussten, dass das keine Liebe war.

Doch gegen meine Erwartungen war ihre nächste Handlung diese Verlobungsfeier, die mich völlig aus dem Konzept warf. Ich wusste, dass alles, was Glinda von dort an tat, reine Affektion war, doch konnte ich nicht sagen, warum.

Ich habe mal gelesen, dass Menschen, die sich so verhalten, irgendwelche tiefen Emotionen verbannt haben und so versuchen, sich selber weiszumachen, dass sie das nie empfunden haben.

Ich hatte aber keine Ahnung, was in Glinda vorging, also akzeptierte ich mehr oder minder diese Misere, in welche ich irgendwie reingerutscht war.

Meine Gefühle für Elphaba verschwammen irgendwann und nach einigen Jahren waren sie kaum noch greifbar.

Doch dann kam der Tag, an welchem sich alles veränderte…“

Fiyero wanderte noch immer durch den Raum und es war offensichtlich, dass er diesen Monolog zu Ende bringen musste, um zu verstehen, was er tat.

„Elphaba kam zum zweiten Mal in den Palast, in welchem Glinda und ich nun auch wohnten. Wir hörten einen riesigen Tumult und wollten nachsehen gehen, was beim Zauberer geschehen war. Als wir die Türe öffneten, lief Glinda sofort zu ihr. Ich jedoch blieb verblüfft am Türrahmen stehen.

Eine riesige Welle von den Emotionen, die ich schon für nicht mehr existent gehalten hatte, kam über mich und erschütterte mich bis ins Mark. Ich erkannte, dass ich mehr für diese Hexe fühlte, als ich je vorher bereit war, zuzugeben.

Ohne zu überlegen rettete ich sie dann aus dieser Situation und sie war mir dankbar dafür, aber genauso verwirrt.

Ich war gerade dabei zu erklären, dass ich sie liebe und sie… schien das Gleiche für mich zu empfinden, doch plötzlich musste sie gehen. Sie sagte, irgendetwas mit ihrer Schwester würde nicht stimmen und so war es dann auch.

Wie wir später herausfanden, war es ein hinterhältiger Plan, um sie zu fangen. Ich stellte ihr nach, ohne ihr Wissen und kam gerade noch rechtzeitig, um sie abermals zu retten. Doch ich bezahlte einen hohen Preis, denn wenn Elphaba mich nicht in eine Vogelscheuche verwandelt hätte, wäre ich gestorben.

Nun war mein soziales Leben so oder so vorbei, denn erstens sah ich aus wie ein Rabenterrorist und zweitens liebte ich die böse Hexe des Westens.

Ich gab mich meinem Schicksal hin, denn ich wollte nichts sehnlicher, als diese eine Frau in Sicherheit zu wissen.

Nachdem jeder annahm, ich sei gestorben, hatte ich es leicht, wieder zu ihr zu gelangen. Auf dem Weg zu ihr hörte ich Gerüchte, wie man sie fangen und töten wollte und zwar mit Wasser, aufgrund ihrer Allergie.

Als ich bei ihr ankam, hörte ich Stimmen. Elphabas und … zu meinem größten Erstaunen Glindas. Die Hexe hatte sich ein Nachrichtenblatt durch ihren Affen bringen lassen, in welchem mein Tod verkündet wurde.

Dann wurde ich Zeuge einer merkwürdigen Szene, die ich nie richtig einschätzen konnte: Elphaba und Glinda… verabschiedeten sich voneinander. Anscheinend war Glinda mir zuvor gekommen und hatte der Hexe schon den bevorstehenden Überfall prophezeit. Ich stand dort und sah den beiden Frauen zu. Ich sah alles klar und deutlich, aber was ich da beobachtete, verstand ich nicht…

Sie haben sich gegenseitig irgendetwas verziehen und sie waren sich so… vertraut, kann man fast schon sagen.

Wie gesagt, es war merkwürdig, aber das war es schon immer gewesen…“

Fiyero blickte aus dem Fenster und sprach nach einer kurzen Pause weiter: „Schon während der Schulzeit habe ich oft gedacht, dass Glinda irgendwie … mehr für Elphaba empfindet. Den Gedanken habe ich dann aber immer wieder verworfen, weil sich nie eindeutig etwas ereignet hat…“

Madame Akaber hatte die ganze Zeit auf ihrem Bett gesessen und ruhig mit angesehen, wie die Vogelscheuche in ihrem Zimmer hin und her gelaufen war. Nur mit halbem Ohr hatte sie diesem Monolog zugehört, doch bei dem letzten Satz war ihre Aufmerksamkeit voll auf Fiyero gerichtet.

Mit zusammengekniffenen Augen fragte sie ihn: „Wie meinst du das? ‚Mehr’? Mehr als … was?“

Erst da blickte der Scheuch sie an. Dieser Blickwechsel war von einer solchen Intensivität, dass Fiyero sich wunderte, wie er dem allen standhielt.

„Mehr als Freundschaft“, sagte er dann klar und deutlich und sah, wie Accursias Augenbrauen in die Höhe schnellten. In ihren Augen jedoch konnte er nicht einmal die Spur von Überraschung erkennen.

„Du warst noch nicht fertig“, stellte sie dann jedoch trocken fest und er nickte.

„Die beiden verabschiedeten sich voneinander…“, setzte der Scheuch also wieder an, „… und als Glinda fort war, eilte ich zu Elphaba. Sie war völlig überrascht, dass ihre Hexerei funktioniert hatte, doch sie war genauso geschockt. Sie hatte nicht gewollt, dass ich ein Scheuch werde. Sie sagte mir damals, dass es nicht vorhersehbar gewesen wäre, was passiert. Sie hätte nur nicht gewollt, dass ich sterbe.

Ich sagte ihr dann, dass ich mit ihr fort will und sie erklärte sich auch dazu bereit. Ich nahm an, der Grund dafür sei ihre Liebe zu mir.

Wir heckten gemeinsam einen Täuschungsplan aus, der auch grandios funktionierte und als alle dachten, sie wäre gestorben, fingen wir gemeinsam unser neues Leben an…“

Der Scheuch hatte mit Absicht den Namen ihres Aufenthaltsortes weggelassen, denn er wusste, dass Akaber nur darauf scharf war.

Nach einer kurzen Pause sprach er weiter, Akaber schwieg: „Ich hatte mir alles schon ausgemalt. Mir war es egal, wie ich aussah, denn ich wusste, dass es diese eine Frau war, für die ich noch lebte. Es war schwer für mich, zu akzeptieren, dass ich nicht mehr so für sie da sein konnte, wie ich es gerne gewollt hätte, aber Elphaba schien es nichts auszumachen und so fand ich mich auch nach einiger Zeit damit ab.

Irgendwann im Laufe der Zeit wurde ihre Gemütslager immer schlechter und sie schien mir immer öfter gedanklich abwesend zu sein. Dann fand ich heraus, dass sie Glinda immer noch beobachtete und im gleichen Atemzug tauchten auch wieder meine Erinnerungen von früher auf. Ich wurde dieses Gefühl nicht mehr los, dass Elphabas Veränderung etwas mit ihren Gefühlen für Glinda zu tun hatte. Hinzu kam noch, dass sie mehr als ein Mal den Wunsch geäußert hatte, Glinda von ihrem Überleben zu erzählen. Mir jedoch war es zu riskant und aus irgendeinem Grund schloss sie sich immer meiner Meinung an. Und genau das war der Punkt, an welchem ich merkte, dass Elphaba nicht mehr die Frau war, die ich liebte.

Monatelang trug ich das Gefühl mit mir rum, sie würde alles nur mir zum Gefallen tun und in einer entsprechenden Streitsituation brachte ich dieses Gefühl zum Ausdruck. Sie schaffte es, mich davon zu überzeugen, dass es … Blödsinn wäre und sie mich wirklich liebt.

Von da an begann unsere Beziehung eine Wende zu nehmen und es lief so, wie in meinen Vorstellungen. Ich vergaß bald alle meine Zweifel, doch dann kam diese besagte Nacht.

Es ging alles sehr schnell. Ich war in dieser Nacht nicht bei ihr, doch als ich ihr am Morgen das Frühstück brachte, lag Glinda in unserem Bett.

Ich war außer mir, weil ich natürlich keine Ahnung hatte, was das sollte. Sie erklärte mir die Situation und ich verstand sie vollkommen. Sie versicherte mir abermals ihre Liebe zu mir, doch als wir wieder in das Zimmer gingen, in welchem Glinda vorher geschlafen hatte, war sie nicht mehr da.

Plötzlich änderte sich Elphabas Gemütszustand so stark, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte und mir wurde schlagartig klar, woher all meine Zweifel gekommen waren.

Ich stellte sie mehr oder minder vor die Wahl: Glinda oder ich. Sie wählte Glinda.

In diesem Moment wurde mir klar, dass sie sich nur auf dieses Leben mit mir eingelassen hatte, weil sie erstens keine andere Wahl und zweitens ein schlechtes Gewissen hatte. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Sie hat gesehen und mitbekommen, wie ich für sie durch die Hölle gegangen bin und nur weil sie letzten Endes mich so akzeptiert hat, konnte ich mich wieder aufrappeln.

Sie wusste, dass sie der einzige Grund für mein Überleben war und zwar auf zwei Seiten: Auf der einen Seite hatte sie mich verhext und fühlte sich schuldig, aufgrund meines Aussehens. Auf der anderen Seite jedoch fiel ich in ein Loch aus Selbstzweifeln und wäre ohne die Hexe dort nicht mehr herausgekommen. Über die beiden Seiten der Münze war sie sich im Klaren und brachte es dann fertig, mir ehrlich zu sagen, dass sie zwar nicht genau wusste, was sie eigentlich wollte, aber dass sie wusste, dass das Leben eben NICHT das war, nach welchem sie sich sehnte…“

Fiyero, der mit dem Rücken zu Accursia gestanden hatte, drehte sich plötzlich um und sah die Frau mit festem Blick an: „Wie würden Sie sich denn fühlen, wenn sie erkennen, dass die Liebe Ihres Lebens Sie über all die Jahre angelogen hat? Wie würden Sie sich fühlen, wenn diese Liebe Sie im Stich lässt, für etwas, dass Sie nicht verstehen? Was würden Sie tun, wenn Sie erkennen würden, dass Sie nur als Mittel zum Schuldeingeständnis, persönlicher Strafe und Gewissenserleichterung dienten? Was würden Sie tun, wenn Sie erkennen würden, dass Sie Ihr Leben für jemanden gegeben haben, der Sie nicht liebt und nie geliebt hat? ….“

Dann machte er eine kurze und wirkungsvolle Pause, bevor er mit leiser, aber deutlicher Stimme weitersprach: „Sagen Sie mir, Accursia, was würden Sie tun, wenn die Liebe Ihres Leben IHR Leben, was Sie sich hart erkämpft haben, in einer einzigen Minute zunichte macht?

Ich habe für sie gekämpft. Ich habe mit mir selber so lange gekämpft, bis ich zugeben konnte, was ich wollte. Ich habe alles für die getan und habe mein Leben für sie gegeben. Und sie wirft mir diese Liebe in dieser einzigen Minute einfach so vor die Füße, weil sie nach all den Jahren die Chance bekommt, das zu tun, was sie ohnehin die ganze Zeit wollte. Sie stehen dort und sehen, wie die Person, die Sie ohne Bedingungen, ohne Forderungen und ohne Zweifel geliebt haben, Sie verlässt für etwas, das keine Zukunft verspricht.“

Über den Rücken der Madame Akaber lief ein kalter Schauer. Diese Fragen erinnerten sie genau an ihre Gefühle, die sie empfunden hatte, als der Zauberer sie verlassen hatte, für eine Welt, die sie nicht kannte und aus Gründen, die sie nicht verstand.

„Wissen Sie…“, setzte Fiyero erneut an und holte Accursia damit aus ihren Gedanken zurück in die Realität, bevor sie zu weit in die Vergangenheit abrutschen konnte, „… Elphaba musste jahrelang sehr viel über sich ergehen lassen, aufgrund ihrer Ehrlichkeit und ihrer Direktheit. Sie hat sich nie etwas gefallen lassen und hat immer ihre Meinung gesagt. Wenn sie etwas wirklich wollte, hat sie dafür gekämpft. Wenn sie etwas nicht wollte, hat sie es deutlich gesagt. Dieses Bild von ihr hat sich über all die Jahre in jedem von uns manifestiert. In Glinda, in Ihnen, in mir.

Auf dieses Bild habe ich all meine Hoffnungen gebaut, die ich nach dem Geschehenen noch haben konnte. In die Hände einer ehrlichen Frau habe ich all meine Liebe und mein ganzes Dasein gelegt. Mit dem Bild dieser Frau habe ich die einzigen Zukunftsperspektiven, die ich noch haben konnte, gebaut. Und es waren auch die einzigen Perspektiven, die ich wollte. Ich wollte nichts anderes, als mit dieser Frau zu leben.

Und dieses Bild, was ich von ihr hatte und worauf ich all die Jahre vertraut habe, wirft sie mir in einem so kurzen Augenblick einfach vor die Füße. Ihre Fassade fiel ab und sie trampelte auf allem herum, was mich noch am Leben gehalten hatte. Ich sah, dass es diese Frau, die ich liebte, nicht mehr gab. Nicht für mich.

Wenn Elphaba mir von Anfang an klar gemacht hätte, dass sie sich nicht so ein Leben wünscht, wie ich es tat und dass sie keine Zukunft für uns sieht, wäre ich jetzt bestimmt nicht hier. Ich wäre verletzt gewesen und hätte vielleicht irgendwann eingesehen, dass ich zu überstürzt gehandelt hatte.

Aber sie hat nichts gesagt. Sie zog es vor – und das aus reinem Egoismus, damit sie sich besser fühlen konnte – mich jahrelang anzulügen, mir etwas vorzuheucheln und mich zu betrügen.

Sie fühlte sich ohnehin schon schlecht und schuldig und mich dann auch noch fortzuschicken, hätte selbst sie dann nicht mehr gekonnt. Zudem hatte auch sie keine anderen Perspektiven mehr offen stehen. In dem Glauben an ihren eigenen Tod hat sie sich von der Person verabschiedet, welche ihr in ihrem ganzen Leben am meisten bedeutet hatte: Glinda.

Sie konnte nicht mehr zurück und da zog sie ein Leben in ewiger Reue vor, in welchem sie jeden Tag das Ergebnis ihres Fehlers vor Augen hatte: Mich.“

Während des langen Monologs war Fiyero kein einziges Mal laut geworden. Er hatte keine Emotionen gezeigt und seine Stimme war beinahe die ganze Zeit ruhig und sachlich geblieben.

Nun sah er die Frau auf dem Bett erwartungsvoll an.

Accursia betrachtete ihn eingehend. Sie wusste genau, dass diese Erläuterungen eher dem Zweck gedient hatten, dass er sich selber noch mal darüber klar wurde, warum er hier war.

Doch ihre Frage hatte er nur indirekt beantwortet und darum fragte sie abermals, diesmal etwas sanfter und leiser:

„Fiyero, warum bist du hier?“

Erst war er verwirrt, denn er hatte angenommen, all seine Beweggründe wären nun deutlich geworden, doch dann verstand er, dass Accursia nun keinen vorbereitenden Monolog mehr erwartete, sondern das Ergebnis dieser ‚Vorbereitung’ hören wollte.

„Ich bin hier, weil Elphaba Thropp mich jahrelang angelogen und betrogen hat. Ich bin hier, weil sie mein Leben erst verändert, mir dann neue Hoffnung gegeben und es nun komplett zerstört hat. Ich bin hier, weil ich als Spielball zweier Frauen benutzt wurde, deren Beziehung ich nicht verstehe. Ich bin hier, weil diese beiden Frauen sich nun nach lang ersehnter Zeit zusammengetan haben und keine von beiden mir je die Wahrheit gesagt hat. Ich bin hier, weil Elphaba und Glinda mir beinahe alle Lichtblicke meines Lebens genommen haben, doch nun haben sie mir einen solchen geschenkt, ohne es zu wissen.

Ich bin hier, um dem einzig verbliebenen Lichtblick in meinem Leben nun nachzugehen: Rache.“

Madame Akaber nickte zufrieden. Genau das war die Antwort, die sie hatte hören wollen…
 

„Elphie…“ Es war nur ein leiser Hauch, den Glinda herausbrachte. „Elphie… deine Haut ist zwar nicht so rosig wie meine… aber… sie ist…“

„… definitiv nicht grün!“, ergänzte Elphaba, die nicht wusste, was gerade in ihr vorging.

„Du siehst sonnengebräunt aus“, stellte Glinda fassungslos fest, als sie Elphaba ungläubig anstarrte.

Diese konnte ihre Blicke nicht mehr von ihren eindeutig hautfarbenen Gliedmaßen nehmen. Sie drehte und wendete ihre Hände. Ihre Nägel waren nicht mehr dunkelgrün, sie waren etwas heller als ihre gebräunte Haut und an der Spitze bildete sich ein weißer Rand - wie bei Glinda. In keiner Handfalte, in keinem Winkel eines Gelenks war mehr ein grüner Schatten auszumachen.

„Ich… Ich fasse das einfach nicht. Wie kann das sein…“, stammelte die ehemals grüne Hexe vor sich hin. Ihre Gefühle gingen auf und ab. Schon immer hatte sie sich gefragt, wie sie wohl aussehen würde, wenn der Zauberer sie entgrünifiziert hätte. Sie hatte sich auch schon oft gefragt, was für Auswirkungen eine normale Hautfarbe auf ihr Leben hätte.

Und manchmal hatte sie sich diesen Zustand gewünscht, um einfach mal in die Smaragdstadt gehen zu können, um zu sehen, wie es Glinda ging.

Doch genau diese saß nun ebenso fassungslos wie Elphaba selber dort und starrte vor sich hin.

„Ich habe keine Ahnung…“, murmelte sie und zuckte mit den zierlichen Schultern.

„Glinda? Welche Haarfarbe habe ich?“, fragte Elphaba ängstlich und fuhr sich mit den Händen durch das Haar.

„Rabenschwarz“, lächelte Glinda und fügte hinzu: „Deine Zähne sind noch immer weiß und deine Augen sind noch immer Quoxwaldeichenbraun!“

Seufzend sah Elphaba ihre Freundin an: „Glaubst du, dass es etwas mit diesem blauen Elixier zu tun hat?“

„Das ist gut möglich. Ich habe es dich ja auch trinken lassen. Aber um das mit Sicherheit sagen zu können, müsste man wissen, wie…“ Glinda hielt plötzlich inne und sah die Hexe durchdringend an.

„Wie… was?“, fragte diese verdutzt.

„Wie du grün geworden bist. Du hast es mir nie erzählt. Weißt du es denn überhaupt?“

„Ich erinnere mich nur, dass meine Mutter mir damals erzählt hat, sie hätte aus dem besagten grünen Fläschchen getrunken, als sie mit mir schwanger war. Anders konnte sie es sich auch nicht erklären. Meinem Vater hat sie das nie verraten. Er hielt mich immer für die persönliche Strafe seiner Sünden.“

Erschrocken hielt sich Glinda die Hand vor den Mund, ihre Augen weit aufgerissen.

„Was ist denn nun schon wieder? Bin ich jetzt blau?“, fragte Elphaba sarkastisch.

„Dein Vater…“, stammelte Glinda, als pikante Erinnerungsfetzen über sie hereinbrachen.

Bevor Elphaba etwas sagen konnte, stammelte sie weiter: „Ich… Gütiger Oz, das fällt mir auch jetzt erst wieder ein… Elphie… Bist du dir sicher, dass Frexspar dein wirklicher Vater ist?“

„Glinda, was um alles…?“ Die Hexe war offensichtlich geschockt und sehr verwirrt.

„Ich… Am Tag deines … Todes, da habe ich Akaber festnehmen lassen und den Zauberer verbannt… Ich beauftragte alle Wachen damit, den Palast aufzuräumen und alle Sachen des Zauberers in ein bestimmtes Zimmer zu bringen. Als ich diese Sachen später durchging, fand ich … ich fand eine grüne Flasche. Exakt so eine, wie du sie damals unter deinem Kopfkissen versteckt hast.

Als ich den Zauberer darauf ansprach, hat er… nicht einmal versucht, es abzustreiten. Elphie, der Zauberer war dein Vater.“

Die letzten Worte hatte Glinda nur unter leisen Schluchzlauten herausbringen können. Nun suchte sie Elphabas Hand und umschloss diese sanft.

Die Hexe konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte.

„Der Zauberer…“, begann sie ungläubig und schüttelte leicht den Kopf. „Der Zauberer, mein Vater?“

Nun bildeten sich auch Tränen in ihren Augen und als diese langsam auf den Wangen herunterkullerten, drückte Glinda die Hand etwas fester.

„Wer bin ich eigentlich?“ Elphaba schluckte hart und bekämpfte die erneut aufsteigenden Tränen.

„Die Tochter von Melena Thropp und dem Zauberer von Oz. Dem mächtigsten Mann, den es bisher in der Geschichte Oz gegeben hat und das erklärt auch deine magische Kraft.“

„Ich habe mich gegen meinen eigenen Vater gestellt, der mir so fremd war, wie niemand sonst auf der Welt“, flüsterte sie gedankenabwesend.

Die zierliche Blondine an ihrer Seite bemerkte dies und legte ihre freie Hand an Elphabas Kinn. Dann drehte sie den Kopf so, dass Elphaba sie ansehen musste.

„Du bist Elphaba Thropp. Eine starke Frau mit magischen Kräften. Du bist eine Hexe. Hättest du damals das Wissen über deinen wirklichen Vater gehabt, hätte das auch nichts an der Situation geändert. Er hatte nichts Gutes für Oz im Sinn und du hast dich für das Richtige eingesetzt. Und das WEIßT du auch!“

Elphaba sah in diese klaren, eisblauen Augen und erkannte nichts als Ehrlich- und Ernsthaftigkeit: „Ich höre dich, Glinda. Und ich weiß auch, dass du recht hast. Aber… Erst sterbe ich beinahe, dann bin ich plötzlich entgrünifiziert und dann erfahre ich auch noch, dass mein Vater nicht mein Vater ist… Das ist wirklich alles etwas viel im Moment.“

„Ich weiß…“, flüsterte Glinda beschwichtigend. „Das ist so, als würde ich aufwachen und brünett sein!“

Elphaba lachte kurz auf und Glinda zwinkerte ihr zu. Die Hexe war dankbar für Glindas Gabe, in solchen Situationen immer wieder die Spannung brechen zu können.

„Oh Oz…“, seufzte Elphie müde, „Das muss ich erstmal alles verarbeiten. Oder gibt es noch mehr, was du nach meinem Tod erfahren hast?“

„Ich… nein, also nichts, was mir jetzt einfallen würde. Aber Elphie…“

„Hm?“

„Ich glaube, wir müssen uns mal grundlegend aussprechen. Ich habe viele Fragen an dich…“

„Ja, das habe ich mir schon gedacht…“, erwiderte Elphaba mit einem Nicken. Sie selber hatte auch viele Fragen an Glinda, doch nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie in diesem Leben noch die Antworten erfahren würde.

„Aber bitte können wir uns dann etwas weiter vom Wasser weg- und auf die Decke setzen? Dann wäre mir etwas wohler…“

„Nur, wenn du uns etwas zum Frühstück zauberst!“, konterte Glinda grinsend, ließ Elphies Hand los und legte sie stattdessen auf ihren laut knurrenden Magen.

Elphaba lachte, als die beiden Frauen sich erhoben: „Ich will ja nicht, dass du mir hier verhungerst! Irgendwelche besonderen Wünsche?“

„… warmes Körnerbrot aus Gillikin mit Apfelkraut aus Quadlingen?“, fragte Glinda leicht errötend.

Elphaba grinste nur, schloss dann die Augen, drückte ihre Handballen gegeneinander und lehnte ihre Hände dann gegen die Stirn.

Glinda hörte sie nur kurz murmeln, als sie sah, wie auf der Decke die gewünschten Sachen auftauchten und noch einiges mehr.

„Fa-bu-lööös!“, klatschte Glinda und setzte sich sofort auf die Decke, um mit dem Frühstück zu beginnen. Elphaba beobachtete diese Szene lächelnd und gestand sich ein, dass sie Glinda mehr als nur vermisst hatte.

Aber abgesehen von diesem deutlichen Gefühl war der Rest ihrer momentanen emotionalen Lage eher unklar. „Ich bin gleich wieder da…“, sagte sie in Richtung Glinda, die gerade herzhaft in eine dicke Scheibe Brot gebissen hatte.

Mit dem Brot in der Hand sah sie der Freundin verdutzt nach, doch als sie erkannte, dass Elphie anfing, mit ihren Armen zu gestikulieren als würde sie mit jemandem diskutieren, hatte sie verstanden: Elphaba Thropp ordnete gerade ihre Gedanken.

„Elphaba Elea Thropp…“, sagte sie zu sich selber, „Du bist… verwirrt und überrascht, dass du nun entgrünifiziert bist. Du weißt noch nicht, was das für dich bedeutet, geschweige denn, was dieser neue Zustand in Zukunft mit sich bringt. Außerdem bist du… enttäuscht und auch… sauer, weil du gerade eben erfahren hast, dass Frexspar Thropp nicht dein leiblicher Vater ist.“

Immer, wenn sie ihre Gedanken ordnete, tat sie es sachlich und laut, sofern das die Situation zuließ.

„Des Weiteren bist du über die gesamte Akaber-Geschichte geschockt, aber dabei überwiegt das Gefühl, dass du froh bist, dass es Glinda gut geht. Generell freust du dich, sie wiederzusehen, obwohl du dabei…“, sie seufzte, tief, „… aus dir noch unbekannten Gründen das Gefühl hast, Yero zu betrügen. Doch zum ersten Mal seit Langem folgst du wieder deiner inneren Stimme, die deinen Willen bestimmt. Alles in allem bist du also gerade einfach nur eine große Ansammlung an gemischten Gefühlen. Wundervoll!“

Sie schlenderte noch ein Stückchen weiter und kehrte dann zur Decke zurück. Als diese in Sichtweite war, sah sie Glinda in der Sonne liegen mit geschlossenen Augen.

„Weiterhin sei festgehalten, dass du Herzklopfen bekommst, bei dem Gedanken an das folgende Gespräch und du weißt nicht, ob der Grund dafür eher Ängstlichkeit oder Unsicherheit ist. Wahrscheinlich beides. Aber du bist auch neugierig, denn du hast selber viele noch ungeklärte Fragen. Du wirst ehrlich zu Glinda sein und dich jetzt ganz auf dieses Gespräch konzentrieren. Alles andere stellst du hinten an…“

Mit diesem Vorhaben ließ Elphaba sich schließlich auf die andere Seite der Decke plumpsen.

„Oh…“, Glinda öffnete ihre Augen und blinzelte in die Sonne, „… schon wieder zurück? Ich hatte erst morgen wieder mit dir gerechnet!“

Sie setzte sich auf und rieb sich grinsend die verschlafenen Augen.

„Sehr komisch! Sag nicht, du hast geschlafen?“

„Würde mir doch im Leben nicht einfallen, neben diesem Gourmet-Frühstück! Hier!“ Glinda schob Elphaba ein Käsebrot zu. Es war genau so eines, wie sie früher in Shiz immer gegessen hatte. Ohne Butter, ohne alles. Nur eine Scheibe Brot und eine Scheibe Käse.

Die Hexe lächelte warm und knabberte nur ein wenig an ihrem Essen. Sie hatte keinen Hunger und während Glindas Gefühle scheinbar nie einen Einfluss auf ihren Appetit hatten, so war es bei Elphaba genau andersherum.

Erst wollte die blonde Schönheit nach Elphabas Befinden fragen, doch den Gedanken verwarf sie gleich wieder. Anstelle dessen fragte sie: „Haben Sie soweit alles geordnet, Frau Professor?“

Mit dem Brot im Mund grinste Elphaba und nickte leicht.

Glinda seufzte: „Ich weiß aber gar nicht, wo wir anfangen sollen…“

„Am Besten am Anfang!“

Als Antwort erhielt Elphaba eine freche Grimasse von Glinda, die daraufhin fragte: „Und wo ist unser Anfang?“

„Warum hast du mich damals zuerst gehasst?“, fragte Elphaba ganz unvermittelt und legte ihr Brot aus der Hand. Sie fühlte sich nun viel ruhiger und war bereit, sich absolut auf dieses Gespräch einzulassen.

Doch bevor Glinda zu einer Antwort ansetzen konnte, nahm Elphaba ohne Vorwarnung die beiden zierlichen Hände in die ihren und sprach dann sehr leise, aber deutlich: „Glinda, ich will in diesem Gespräch absolut ehrlich zu dir sein. Ich möchte, dass sich alles klärt, was zwischen uns steht oder je gestanden hat. Du warst die einzige Person in meinem ganzen Leben, die mir so viel bedeutet hat, dass ich sogar mein Leben gegeben hätte. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich versucht, diese Ansicht zu bekämpfen, doch nun ist es zu spät, denn es ist offensichtlich. Ich habe dich schon einmal verloren und will das nicht noch einmal durchstehen.“

Tränen formten sich in Glindas Augen: „Nein, Elphie. ICH habe DICH sogar schon zwei Mal verloren und werde dich – komme was wolle – nicht noch einmal gehen lassen…“

Elphaba hatte keine Ahnung, was sie zu dieser Äußerung veranlasst hatte, aber sie hatte sich nun mal vorgenommen, alles zu sagen und zuzulassen, was ihr in den Sinn kam.

Also gab sie auch dem Drang nach, Glinda in ihre Arme zu schließen und drückte den blonden Lockenkopf mit ihrer Hand gegen die eigene Schulter.

Seufzend, aber auch im ersten Moment verwirrt, ließ Glinda sich in die Arme schließen und legte ihrerseits die Hände auf den nicht mehr grünen Rücken.

Sie weinte ein bisschen in die Schulter hinein, bis Elphaba sie ein Stückchen von sich wegdrückte und sie anlächelte: „Also, warum hast du mich am Anfang so gehasst?“

„Ehrlich?“, fragte Glinda und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, als Elphaba sie nickend losließ und sich wieder auf die andere Seite der Decke setzte.

„Ehrlichkeit ist unsere Grundlage in diesem Gespräch!“, sagte sie noch einmal deutlich und knabberte wieder an ihrem Brot.

„Ich weiß nicht, ob es wirklicher Hass war. Aber ich war absolut neidisch und eifersüchtig darauf, dass du vom ersten Moment an Makabers Liebling warst und sie dir Privatunterricht geben wollte. Ich war eine verzogene und absolut verwöhnte Göre … Ich war es eben nicht gewohnt, mal NICHT an erster Stelle zu stehen. Bei den meisten Studenten war ich aber genau deswegen sofort beliebt, weil ich aus gutem Hause kam und das Vorzeigepüppchen schlechthin war. Du warst also genau mein Gegenteil und als wir dann ausgerechnet auch noch zusammenwohnen mussten, haben vor allem Milla und SchenSchen das ausgenutzt, um jedes kleine Detail über dich zu erfahren. Sie haben alle möglichen Gerüchte verbreitet und die meisten sind sofort darauf angesprungen.

Zu Hause hatte ich mir ausgemalt, Shiz wird MEIN Weg zum Erfolg, zu Ruhm und Ehre. Mein soziales Ansehen – so dachte ich – wird noch um einiges steigen, wenn ich bei Akaber Unterricht bekomme.

Und dann hat sie dich ausgewählt, anstelle von mir und ich musste mir das Zimmer mit dem unbeliebtesten Mädchen der ganzen Universität teilen.

Erst dachte ich, mein ganzer sozialer Status sei ruiniert, denn das war das Einzige, worum ich mich damals sorgte. Doch dann fand ich einen Weg, der mein Ansehen eher steigerte, als senkte und das war schlicht und einfach: mitziehen.

Wenn einer ein schlechtes Wort über dich sagte, musste ich nur lachend zustimmen und irgendeine Anekdote über dich erzählen. Wenn man über dich lästerte, musste ich nur nickend lächeln und man hat mich bemitleidet.

Aber so schlimm, wie du damals vermutet hast, fand ich dich gar nicht. In Anbetracht meiner damaligen Prinzipien und Wunschvorstellungen hatte ich nur keine andere Wahl und musste vorgeben, dich zu hassen, um nicht … na ja, selber verachtet zu werden.“

Elphaba hatte die ganze Zeit schweigend zugehört und fragte nun etwas erstaunt: „Du hast mich also nie wirklich gehasst?“

„Nein, ich hatte ja auch keinen wirklichen Grund dazu. Wie gesagt, ich war einfach nur sauer, dass du mir die Show gestohlen hast, aber der Rest ging nicht von mir, sondern von meinen sogenannten ‚Freunden’ aus…“

„Donnerwetter! Ich war da immer andere Überzeugung!“

„Was ist denn mit dir?“

„Wie meinst du das?“ Elphaba zog ihre linke Augenbraue in die Höhe.

„Nun, warum hast du mich gehasst?“, wollte Glinda nun wissen.

Sie saß im Schneidersitz zu Elphie gewandt, während die Hexe mit ausgestreckten Beinen in Richtung See dahockte.

„Ich habe dich nicht gehasst…“, begann sie ruhig, „… ich fand dich einfach nur unausstehlich!“

Glinda lachte: „Ist das nicht das Gleiche?“

„Oh nein… Hass würde viel weiter gehen.“

„Gut, dann formuliere ich das anders: Wieso hast du mich unausstehlich gefunden?“

„Du warst… oberflächlich, blond und blöd.“

Elphaba wandte ihren Kopf und sah, wie Glinda nun die Augenbrauen hochzog und ihr die Zunge rausstreckte.

Mit einem Grinsen auf den Lippen sprach sie weiter: „Wie eine Prinzessin bist du in Shiz empfangen worden und von den anderen ermutigt, hast du dich direkt über mich lustig gemacht. Damals habe ich mir nur gedacht: ‚Hoffentlich siehst du diese flache Persönlichkeit nur ganz, gaaanz selten…’. Du warst immer so besorgt darum, was andere von dir dachten oder hielten und das habe ich schon direkt in den ersten zehn Minuten festgestellt. Und als uns Akaber dann auch noch auf ein Zimmer gepackt hat, weil du dich ja ‚unfreiwillig freiwillig’ gemeldet hast, da war das Chaos nun wirklich komplett. Ich war das ja schon gewohnt, komisch von der Seite angemacht zu werden, doch ich glaube, insgeheim habe ich gehofft, in Shiz würde es anders werden. Doch dann stellte ich bald fest, dass du unser Zusammenleben eher zu deinem gesellschaftlichen Vorteil, wie du ja eben selber gesagt hast, ausnutztest und ich mir jegliche Art von sozialem Leben abschminken konnte.

Nach einiger Zeit habe ich mich dann mit dem Gedanken abgefunden und habe mich dann immer köstlich über dich amüsiert. Zum Beispiel, wenn du den Abend vorher immer eine halbe Stunde dafür gebraucht hast, dein Outfit für den nächsten Tag auszusuchen. Grundlegend hatte ich eigentlich nichts gegen dich.

Ich empfand eigentlich immer etwas Mitleid für dich, weil du dich so sehr für die Gesellschaft verbogen hast. Oder glaubst du, ich hätte es nachts nicht gehört, dass du so manches Mal in dein Kissen geweint hast?

Ich hatte nie wirkliche Freunde und auch keine Erfahrung darin, was es heißt, so akzeptiert zu werden, wie du bist. Aber ich nahm immer an, dass du zu Hause diese Erfahrungen gemacht hast. Und in Shiz liefen ja beinahe nur verwöhnte Individuen herum. Da konnte niemand ehrlich behaupten, dass er den anderen mit all seinen Mankos akzeptierte und ihn dann auch noch ‚Freund’ nannte.

Ich ging immer davon aus, dass du genau das vermisst hast: dieses Gefühl, auch mal aus der Reihe fallen zu können, ohne, dass man dich direkt verurteilt.

Für oberflächlich und geistlos habe ich dich immer gehalten…“

Als Elphaba eine kurze Pause machte, harkte Glinda nach: „Und wann hat sich das geändert? Als ich Nessa und Boq verkuppelt habe?“

„Nein!“, Elphaba lachte. „Schon viel früher. Erinnerst du dich an deinen ersten, großen Streit mit deinen beiden High-Society-Freundinnen?“

„Den Streit habe ich auch nach all den Jahren noch nicht vergessen!“ Die blauen Augen zwinkerten vergnügt. „Und dabei ging es um so ein banales Thema!“

„Darum ging es bei euch doch immer, Glinda. Das musst du schon zugeben.

Aber egal. Es war auf jeden Fall dieser Abend, an dem du mich sehr überrascht hast. Ich lag auf dem Bett und habe irgendein Buch über Religion gelesen. Ich glaube, du hattest ‚Untersozialisierung’ – sofern das überhaupt existiert. Ich war ja erstmal ganz perplex, dass du mit mir gesprochen hast. Du hast mich mal nicht gefragt, ob ich bitte das Licht ausmachen könnte, weil du schlafen willst.

Du hast mich gefragt, warum ich immer lese und was ich da lese. Ich dachte, es interessiert dich eh nicht, aber als ich dir die Ansicht des Autors über die Religion erklärt habe, da hast du mich wirklich etwas sehr Intelligentes gefragt. Ich war so überrascht, weil ich selber noch nicht über die Frage nachgedacht hatte. Was es genau war, weiß ich heute nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich da zum ersten Mal gemerkt habe, dass eine ganz andere Galinda hinter dem Bild steckt, welches du den anderen damals gezeigt hast.“

„Ich weiß noch, was du damals zu mir gesagt hast!“, kicherte Glinda. „Du meintest ganz erstaunt: ‚Sie denken, ja, Miss Galinda. Sie DENKEN!’ … Und ich weiß auch noch, dass ich total stolz war, im ersten Moment, doch als ich mich dann später mit Milla über das Thema unterhalten wollte, hat sie sich darüber lustig gemacht, was du nicht alles für bescheuerten Kram liest.“

„Tja ja…“, seufzte Elphaba lächelnd, „… und so kam eines zum anderen. Danach haben wir uns ja auch schon etwas mehr unterhalten und auch oft diskutiert. Aber die meiste Zeit haben wir uns dann doch gegenseitig geärgert. Und das hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich fand es nur immer schade, dass du mich nie in der Öffentlichkeit grüßen konntest. Ich habe mich auch nie getraut dir zu sagen, dass ich die echte Galinda viel lieber mochte, als das Vorzeigepüppchen.“

„Von dir habe ich gelernt, meine Meinung anständig zu vertreten, ohne zu weinen oder zu schmollen…“, grinste Glinda.

Elphaba erwiderte das Lächeln: „Na wenigstens hast du etwas von mir gelernt… Aber ja, du hast schon recht. Die Sache mit Nessa und Boq war ja mehr oder minder der Grundstein für mein beginnendes soziales Leben. Damals erzählte mir Nessa ganz stolz, was du für sie getan hast. Sie warf mir vor, ich würde dich hassen. Ich würde dich ohne Grund hassen, sagte sie. Du seist ja so toll und wegen dir wäre sie nun endlich glücklich.

Weißt du, ich habe mich um Nessa gekümmert, seitdem sie klein war und zwar, weil ihre Behinderung meine Schuld war. Das habe ich dir ja auch damals erklärt. Ich weiß zwar nun, dass ich nicht wirklich die Schuldige war, aber damals fühlte ich mich eben so. Nie zuvor hatte ich Nessa so glücklich gesehen wie an diesem Abend und darum war ich dir auch einfach nur dankbar dafür.

Auf der einen Seite war ich es leid, immer zu ihren Diensten zu stehen und mir ihr launenhaftes Wesen anzutun. Doch wenn Boq und Nessa zusammen wären, so wusste ich, wäre sie überglücklich und ich wäre von ihr erlöst. Nicht, dass ich Nessa nicht geliebt habe, aber dieses Magd-Dasein für sie war schon oft sehr Kräfte zerrend.

Darum war ich dir auch sehr dankbar und dachte: ‚Hey, wow! Galinda ist ja doch keine so große Egoistin!’ und darum bin ich dann einfach zu dir gekommen, um dir zu danken…“

„Und dann habe ich dir diesen füüürchterlichen Hut geschenkt!“ Glinda machte ein Gesicht, welches mit mehr Ausdruck von Reue nicht hätte beladen sein können.

„Ach? Ich dachte, der steht mir so gut?!“, lachte Elphaba, winkte dann jedoch ab. „Nein, nein. Schon verstanden. Aber sag mal, wieso hast du mir denn erst diesen Hut geschenkt, um mich zu blamieren und hast dich dann freiwillig mitblamiert?“

„Hach, so einfach war das gar nicht…“, murmelte Glinda, in Erinnerungen versunken. Vor ihrem inneren Auge kniffen Milla und SchenSchen sie wieder ermutigend in die Seite, kurz bevor Elphaba aufgetaucht war.

Bevor sie jedoch zu träumen begann, sah sie in Elphabas dunkle Augen und schmunzelte: „Kurz bevor du zu mir gekommen bist, haben Milla, Schen und ich uns für die Party vorbereitet und Milla, wie immer neugierig, durchwühlte meine Sachen und fand diesen… Hut. Sie haben mich beinahe schon dazu gedrängt, ihn dir aufzuschwatzen. Die beiden haben echt nichts und niemanden ausgelassen, über den man sich lustig machen konnte! Ich wollte ihn dir auch zuerst nicht geben, doch sie haben mich dann überredet und ich habe ihn dir angedreht.“

„Und ich habe deine Freundlichkeit und dein Zuvorkommen für bare Münze genommen“, sagte Elphaba trocken.

„Nicht zu vergessen meine Komplimente!“, ergänzte Glinda grinsend. „Dabei hätte ich mir am liebsten bei dem Satz „Schwarz ist das diesjährige Pink!“, die Zunge abgeschnitten!“

Nun lachten beide Frauen laut auf.

„Und wieso hast du deine Meinung dann auf einmal geändert?“, fragte Elphaba neugierig, nachdem sich beide beruhigt hatten.

„Sag du mir lieber erstmal, warum du Makaber dazu gebracht hast, mich doch in ihrem Zauberkurs aufzunehmen?!“, konterte Glinda zwinkernd.

„Nicht fair!“, wehrte Elphaba ab. „Keine Gegenfragen erlaubt!“

„Na die gilt aber noch, schließlich habe ich von der Regel erst gerade erfahren. Sonst hätte ich früher gefragt!“, kicherte die Zauberin.

„Wer es glaubt!“, brummte die Hexe und gab sich geschlagen: „Ich hatte an diesem Abend zum ersten Mal das Gefühl, dass du mich wirklich magst. Oder sagen wir: akzeptierst. Du hast mir ein Geschenk gemacht. Ich hatte vorher noch nie ein Geschenk bekommen. Und dieses Geschenk war damals nur für mich ganz alleine.“

„Du hast noch nie ein Geschenk bekommen?“, fragte Glinda erstaunt dazwischen.

Elphaba schüttelte den Kopf: „Nein. Wozu auch? Das ganze Geld wurde ja an Nessaröschen ausgegeben. Auf jeden Fall hast du mir damit das Gefühl gegeben, endlich jemandem etwas zu bedeuten und jemand ganz besonderes zu sein. Du wusstest wahrscheinlich gar nicht, was dieser Hut für mich bedeutet hat.“

Sie sah Glindas Kopfschütteln und lächelte warm: „Siehst du, das dachte ich mir nämlich. Und dann war es auch noch etwas aus GALINDAS Kleiderschrank. Du hast nicht mal Ying und Yang persönliche Sachen von dir geschenkt und darum fühlte ich mich doppelt geehrt.“

„Wer ist denn Ying und Yang?“, fragte Glinda verwirrt.

„Na Milla und SchenSchen – auch bekannt als Galinda zwei und drei!“

„Achso!“, lachte Glinda aus vollem Halse.

„Und ich hatte eben dann auch das Bedürfnis, dir meine Dankbarkeit zu zeigen. Teils wegen Nessa und Boq, aber auch teils wegen mir selber. Du hast mir da zum ersten Mal Hoffnung gegeben, dass aus meinem Leben in Shiz doch noch etwas werden kann.

Also habe ich mir überlegt, was du dir am meisten wünscht. Ich wollte dir etwas schenken, was du dir nicht kaufen kannst, aber dir so sehr wünschst. Und da ist mir direkt der Zauberunterricht mit Akaber eingefallen. Ich wusste, sie würde alles tun, um mich zu behalten. Damals hatte ich zwar noch keinen Schimmer, wieso sie das wirklich so unbedingt wollte, aber das war auch nicht wichtig. Hauptsache, sie würde dich aufnehmen und darum bin ich auch auf ihre Bedingung mit dem Zauberstab eingegangen.“

„Wie? Bedingung?“

„Es war ihre einzige Bedingung damals: Sie würde dich nur unterrichten, wenn du mit einem Zauberstab zaubern würdest. Sie hielt dich für zu schwach, dass du es ohne einen Stab schaffst, aber heute glaube ich, dass sie einfach nur Angst hatte, DASS du es schaffen könntest. Und gewöhnt man sich das mit dem Stab erst einmal an, kann man diese Angewohnheit nach dem 21. Lebensjahr auch nicht wieder rückgängig machen.

Für Makaber war es also damals nur die Sicherheit, dass sie dich unschädlich machen konnte, wann immer es ihr in den Kram passte.“

„Das wusste ich ja überhaupt nicht!“ Glinda war erstaunt und starrte Elphie mit offenem Mund an.

„Wie denn auch? Sie hat es dir ja mit Absicht verschwiegen. Du hättest auch lernen können, ohne deinen silbernen Glitzerfummel zu zaubern!“

„Ich geb’ dir gleich silberner Glitzerfummel!“, fauchte Glinda und piekste Elphaba lachend in die Seite.

Diese schnappte sich schnell die bedrohliche Hand und machte Anstalten, in den zierlichen Zeigefinger zu beißen. Quietschend wackelte Glinda wild mit dem Finger herum und traf Elphaba an der Nase. Diese ließ sofort die Hand los und rieb sich lachen die brennende Stelle: „Autsch!“

„Selber Schuld!“, kicherte Glinda und strich noch einmal sanft über Elphabas.

Ohne jegliche Vorwarnung bekam diese Gänsehaut und schlug stotternd vor: „Wollen… wir nicht was spazieren gehen? Mir scheint, du brauchst Bewegung!“

„Jawohl, Coach!“, sagte Glinda ernst und brachte Elphaba erneut zum Lachen.

„Du spinnst!“, kicherte die Hexe, als sie aufstand und Glinda mit sich hoch zog.

„Manche Dinge ändern sich eben nie!“, grinste diese.

„Zum Glück!“, lächelte Elphaba zurück und ließ dann erst Glindas Hand los.

Als Elphaba der blonden Freundin ihr schönstes Lächeln schenkte, überkam Glinda plötzlich das Bedürfnis, die sonnengebräunten Wangen in ihre Hände zu nehmen und mit ihren Daumen sanft über die Lippen zu fahren.
 

Meredith blinzelte mit pochendem Herzen in das Licht. Es war so grell, dass sie gerade mal die Silhouette der Person ausmachen konnte.

Elanora jedoch saß an der Wand, in welcher sich auch die Tür befand und hatte exzellente Sicht auf den nun hellerleuchteten Mann, der im Türrahmen stand.

„Kwen!“, fauchte sie, als sie das petrolfarbene Haar ihres Kutschers erblickte. Seine gleichfarbigen Augen blickten in ihre Richtung und sie sah, wie ein hämisches Lächeln auf seine Züge trat.

Seine vier Ohrringe am linken Ohr funkelten im Licht.

„Elanora, was für eine nette Begrüßung!“, sagte er überaus freundlich. „Wie ich hörte, sind Sie gut angekommen. Ich wollte nur mal schnell nachschauen, ob Sie alles haben, was Sie brauchen.“ Als er abermals lächelte, wurde Elanora schlecht: „Sollte ich jemals hier heraus kommen und SIE laufen mir dann noch einmal über den Weg, so erbarme sich Oz, dass ich sie nicht…!“

Bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte, war Kwen mit einem Satz bei ihr, kniete sich nieder und legte seine rechte, kräftige Hand auf ihre Wangen und drückte fest zu, sodass sich ihr Mund zu dem eines Fisches formte.

Vor Schmerz stieß sie einen gurgelnden Laut aus, der tief aus ihrer Kehle zu kommen schien.

Gideon zog kräftig an seinen Fesseln und schrie: „Lassen Sie sie los! Lassen Sie los, verdammt noch mal!“

Die anderen Menschen in dem Raum schwiegen. Sie fühlten sich allesamt hilflos und Meredith kochte vor Wut. Besorgt warf sie im Licht einen Blick auf Reseda. Ihre Frau sah gar nicht gut aus. Ihr Blick war glasig und erst wusste Meredith nicht, wo sie hinsah. Doch dann erkannte sie, dass Resi ihr in die Augen blickte und Meredith formte ein lautloses ‚Ich liebe dich’ mit ihren Lippen.

Auf Resedas blasses Gesicht trat ein Lächeln, bevor sie ihren Blick auf Kwen richtete.

Der lehnte sich gerade nach vorne, bis seine Lippen Elanoras Ohr berührten.

Elanora konnte die Schmerzen kaum noch fühlen, die Kwens Hände in ihrem Gesicht verursachten. Sie konzentrierte sich stark auf den weißen Kragen, der sie an der Kehle berührte, um so die Qual auszublenden.

Reseda konnte fühlen, wie sich Elanors Hände verkrampften und sie betrachtete den Mann in dem grünen Hemd eingehend. Ihm standen Schweißperlen auf der Stirn und als sein orangefarbener Schal im von der Schulter rutschte, schien ihn das nicht zu interessieren.

Gideon konnte diese Szene kaum mit ansehen. Er fühlte die Schmerzen seiner Frau und seine Adern pochten wie verrückt an seiner Schläfe. Er versuchte zu hören, was dieser Dreckskerl seiner Frau ins Ohr flüsterte. Doch es gelang ihm nicht.

„Elanooora…“, begann Kwen ganz leise und nur für sie verständlich. „Elanora, wenn du jetzt noch ein einziges Mal dein dreckiges Waschweibsmaul aufmachst, ‚Liebelein’, dann setze ich dich bei der öffentlichen Hinrichtung deiner Tochter in die aller, aller, allerletzte Reihe und binde dich an der Bank fest, damit du nicht aufstehen kannst.“

Bei dem Wort ‚Hinrichtung’ riss Elanora geschockt die Augen auf und wimmerte. Kwen drückte fester zu und flüsterte weiter: „Glinda die Gehängte…“

Mit den Worten wich er von Elanora zurück und drückte ihren Kopf schwungartig zur Seite, bevor er ihre Wangen losließ. Sie knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand und stöhnte auf.

Als ihr ehemaliger Sekretär sich aufrichtete und sich in Richtung Orez drehte, spuckte Meredith im vor die Füße.

„Du warst schon immer eine Pfeife!“, fauchte sie.

Langsam drehte Kwen sich zu seiner Ex-Chefin um. Resedas Herz begann wild zu pochen, während Meredith den Mann verachtend ansah.

Als er sich etwas vorbeugte und ihr mit voller Wucht die flache Handaußenseite ins Gesicht schlug, verzog sie nicht mal eine Miene. Also wiederholte er das Ganze noch einmal mit der Handinnenseite auf der anderen Wange.

Als er sah, wie sich die Wangen der Frau mit ihren Haaren gleich färbten, richtete er sich schmunzelnd auf.

Meredith knurrte: „Und da rätselt man so lange, ob nun Handaußen- oder Innenseite. Wieso also nicht beides!“

Kwen hätte sich am liebsten hinunter zu ihr gebeugt und sie brutal auf den Mund geküsst, jetzt, wo sie sich nicht mehr wehren konnte. Aber er musste sich noch etwas gedulden und sagte: „Dich kriege ich noch. Warts nur ab. Mal sehen, ob du dann auch noch so eine große Klappe hast, Sappho!“

Meredith konnte nicht anders und fühlte, wie ihre Lippen lautlos die Worte ‚F… dich…’ bildeten.

Wut stieg in dem Mann auf, der sich doch in seiner Position so viel mächtiger als diese Frau fühlen musste. Aber selbst wenn sie am Boden lag und das wusste Meredith, war sie immer noch größer.

„Ich verstehe.“ In seinem Blick wich die Wut und ein klarer Ausdruck war stattdessen zu sehen.

Ohne Vorwarnung drehte er sich zu Reseda um, die erschrocken aufschrie. Er kniete sich vor sie und warf ihr Kleid nach oben, sodass ihr linker Oberschenkel entblößt wurde.

„Hier die ist doch auch ganz süß, nicht?“, fragte Kwen gehässig, als er über seine rechte Schulter Meredith aus dem Augenwinkel betrachtete. Sie regte sich kein Stück.

Doch als er demonstrativ seine rechte Hand an dem Schenkel ihrer Frau hochgleiten ließ und Reseda zu wimmern begann, hielt Meredith es nicht mehr aus: „Lass… sie … los…!“, hauchte sie atemlos.

Sie fühlte sich schrecklich. Mit ihr hätte Kwen alles machen können und sie wäre trotzdem mit erhobenem Kopf herausgegangen. Aber sich an ihrer Frau zu vergreifen? Was war das denn für ein unfaires Mittel.

Als Meredith sah, wie Kwen sie unverfroren anlächelte, seine Hand weiter auf dem Schenkel ihrer Frau in die Höhe glitt und diese mit den Tränen kämpfte, hoffte die Rothaarige ihn an seinem letzten Quäntchen Stolz packen zu können: „Unfaire Menschen spielen wohl auch mit unfairen Mitteln und ohne Regeln. Nicht mal den Mut hast du, mir persönlich gegenüberzutreten, Feigling!“

Ihr Herz pochte so laut und sie hoffte einfach nur, er würde endlich seine dreckigen Pfoten von ihrer Frau nehmen.

‚Bitte… Bitte…’, betete sie innerlich.

Es wirkte, ihr Plan ging auf.

Mit einem Geräusch des Verachtens stand Kwen auf und deutete mit seinem Zeigefinger auf seine ehemalige Chefin: „Wir beide, meine Hübsche, wir beide, haben gleich noch ein Meeting. Du und deine beiden Sekretäre. Freu dich schon mal. Das wird ein Fest!“

Als Meredith nichts erwiderte, ging er endlich weiter und blieb vor Orez stehen. Der Mann hatte seinen Kopf gesenkt und das violettfarbene Haar hing ihm im Gesicht.

Erst jetzt sahen die anderen in der Zelle, dass sein gelber Kapuzenpullover voll mit getrockneten Blutflecken war, die auch auf seiner Jeansjacke klebten.

„Orez!“, rief Kwen, „He, Orez!”

Erst, als Orez Kwens Fußspitze unter seinem Kinn fühlte, blickte er auf. „Was willst du?“, fragte er eintönig.

Der Mann mit den petrolfarbenen Haaren warf das Ende seines Schals wieder auf den Rücken, als er sich bückte und Orez die Fesseln abnahm.

„Steh auf und kommt mit, ohne Spielchen! Du wirst draußen erwartet!“

Orez nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Er sah, dass Elanora, Gideon, Meredith und Elaine ihn aufmerksam beobachteten. Reseda schluchzte leise auf der Schulter von Glindas Mutter.

Kwen packte den etwas kleineren Mann zur Vorsicht streng am Arm und führte ihn ohne ein weiteres Wort zur Tür raus, welche schwer und lautstark ins Schloss fiel.

„Ela, wie geht es dir?“ „Resi, ist alles okay?“ „Was um alles in Oz soll denn das?“, kam es gleichzeitig aus den Mündern von Gideon, Meredith und Elaine.

Letztere hörte, wie die Schlösser an der Tür wieder verriegelt wurden, während Gideon und Meredith auf ihre Frauen einredeten, die beide versicherten, ihnen ginge es den Umständen entsprechend gut.

Nach längerem Schweigen unterbrach Reseda mit dünner Stimme die Stille: „Mer?“

„Ja?“, kam es aus der anderen Ecke.

„Elaine?“

„Hier!“

„Ich glaube…“, setzte Reseda nun mit gedämpfter Stimme an, „… dass Orez mit in der ganzen Sache drinsteckt.“

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte ihre Frau verblüfft und fügte dann hinzu: „Halt, warte! Er war doch die ganze Zeit…“

„… mit Ramón zusammen!“, ergänzte Elaine.

„Entweder hat er sich jetzt gegen ihn gewendet oder er sitzt aus gutem Grund hier bei uns…“, schlussfolgerte Resi und damit sprach sie genau das aus, was alle dachten...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  EmiLy_RoHan
2008-10-05T19:34:21+00:00 05.10.2008 21:34
0,o alles schweine! alles miese, miese schweine ! >,<
aba bei elphie und glinda läufts ja gott sei dank ganz gut bis jetzt 0.o bis der fiese fiyero ins spiel kommt -.- ich hoffe der kriegt noch was er viedient xD am besten zündet er sich aus versehen i.wo an ! :D der is doch son strohkopf -.- nur ein ganz kleiner funken? *lieb guck*
okay... ich bin schon still... ich les jetz 37 0.0


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