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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Das Zeitfenster schließt sich

Natürlich ging Rufus nicht selbst zu dem von Hiwako im Rahmen der Energiediskussion vorgeschlagenen Treffpunkt. Er zog es vor, sämtliche Turks, einen Teil der Army und etliche 1st Class SOLDIER zu schicken. Und Cutter. Eine Antwort, die überdeutlich sagte, dass der Präsident der Electric Power Company lediglich an der Ergreifung Destins interessiert war, und keinesfalls an einer Zusammenarbeit.
 

Destin beobachtete das Spektakel, allerdings aus sicherer Entfernung, und letzteres nur, weil er von Roger an einen Stuhl festgebunden worden war und streng bewacht wurde. Die Bewegungsfreiheit beschränkte sich auf die Möglichkeit, ein Fernglas zu halten.
 

„Nuuuun?!“ Rogers Blick war mehr als strafend. „Möchtest du immer noch dort sein und diskutieren?“
 

„Natürlich“, lautete die unerschrockene Antwort. „Aber nicht mit der Army, SOLDIER, den Turks und Tzimmek.“
 

Neben ihm holte Roger augenblicklich tief Luft und begann erneut, all die Argumente vorzubringen, die eine Zerstörung ShinRa´s befürworteten. Sie waren immer noch erstklassig und gut durchdacht - aber Destin, der von dem Plan, der Electric Power Company die Chance zur Neuorientierung zu geben, nicht abweichen wollte, hörte nur mit halbem Ohr zu. Sein hauptsächliches Interesse galt einer ganz bestimmen Person inmitten der ShinRa Truppe.
 

Diese Tzimmek ... sah einfach nicht aus, wie ein Killer. Auch, wenn sie für die Electric Power Company arbeitete und laut Aussage des Planeten die zerstörten Solarplatten auf dem Gewissen hatte. Alle ihre Kollegen um sie herum waren enttäuscht, frustriert oder verbargen ihre Gefühle. Tzimmek aber wirkte erleichtert. Auch das hätte Tarnung sein können, immerhin musste sie damit rechnen, beobachtet zu werden. Aber ihre Augen widerriefen diese Möglichkeit. Der Ausdruck darin war zu offen und freundlich. Insgesamt war die Aura der jungen Frau zu friedlich.
 

Destin spielte mit dem Gedanken, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Dann verwarf er diesbezügliche Überlegungen. Tzimmek war die einzige ihrer Art. Bestimmt hatte Rufus ein besonderes Auge auf sie. Von General Crescent ganz zu schweigen. Abgesehen davon waren die Solar Solution Techniker bald soweit. Was deren Werkzeug, die Solarplatten und den gesamten Rest, anging ... Auch Destin hatte dazugelernt. Womit er ShinRa bei diesmaligen Angriff konfrontieren würde, war ... anders. Hauptsächlich verdankte er dies den durch den Planeten übermittelten Träumen. Deren Essenz lagerte streng bewacht außerhalb Midgars, und diesmal würde selbst jemand wie Rufus eine Weile brauchen, bis er begriff, mit welchem Trick seine Stadt überrannt wurde. Wenn alles gut ging, würde Solar Solution die Stadt übernehmen, ohne dass ShinRa die Möglichkeit bekam, einen einzigen Schuss abzugeben.
 

Rufus nahm die Nachricht über die fehlgeschlagene Ergreifung Destins wortlos zur Kenntnis, seine Stimmung allerdings verfinsterte sich noch weiter. Dieser verdammte Planet machte sich über ihn lustig! Über ihn! Und das, wo die Ausbildung der neuen Solar Solution Techniker mit Sicherheit so gut wie abgeschlossen war! ShinRa hingegen hatte immer noch nichts in der Hand, um wirkungsvoll kontern zu können. Es war, als habe man seinem mächtigen Unternehmen sämtliche Reißzähne und Krallen gezogen. Eine absolut inakzeptable Situation, an Erbärmlichkeit kaum noch zu überbieten. Und dauerhaft. Schon viel zu lange!
 

Die Möglichkeit, die lästigen Parasiten abzuschütteln und zu zertreten ... Rufus hätte nahezu alles gegeben, um sie zu bekommen. Aber die entsprechende Möglichkeit war nicht interessiert an seinen Angeboten. Sie hielt sich zurück, als habe er sie nicht verdient. Als sei er nur ein kleiner, geringer `Irgendjemand´ ohne Visionen, und nicht Rufus Shinra, Präsident der die gesamte Bevölkerung mit Energie versorgenden Electric Power Company! Das zu ignorieren war so ... lächerlich! Und wurde dennoch praktiziert! In jeder einzelnen Sekunde dieses lächerlichen Krieges, der längst zugunsten ShinRa´s hätte entschiede sein müssen!
 

Rufus hätte es niemals, nicht einmal unter der grauenhaftesten Folter, zugegeben. Aber er war nie zuvor innerlich angespannter gewesen. Das Bewusstsein, momentan nur lauern zu können, war schier unerträglich. Dennoch musste er es ertragen, und auf den Moment warten, der ihm die Chance gab, Hiwako zu vernichten und die Normalität zurückzubringen.
 

Sowieso gab es derzeit zu viele Dinge, die ihren eigenen Kopf entwickelten und sich entsprechend störrisch verhielten. Heute morgen war zum Beispiel auch noch im gesamten

ShinRa HQ die Klimaanlage ausgefallen – keine schöne Entwicklung hinsichtlich der draußen herrschenden, hochsommerlichen Temperaturen. Aber andere Bedrohungen vermochten selbst diesen Zustand zu überbieten. Jenova Projekt 1 war nicht mehr unter Kontrolle, und diese Tatsache würde sich, wie Rufus die Situation einschätzte, bereits sehr bald verdeutlichen. Er sollte sich nicht irren.
 

Es vergingen keine 24 Stunden, ehe Sephiroth begann, seinen Sieg gewissen Leuten gegenüber äußerst klar zu machen, und Rufus Shinra war einer der ersten Betroffenen. Der Präsident der Electric Power Company knirschte hinsichtlich der ihm übermittelten Liste mit Meetings, an denen der General ab sofort nicht mehr teilnehmen würde, unwillkürlich mit den Zähnen, rechnete sich aus, wie viel weniger Druck dieser dadurch haben würde, knirschte noch etwas mehr mit den Zähnen ... und akzeptierte die Liste. Was blieb ihm auch anderes übrig? Wirklich wichtige Meetings waren zwar nicht betroffen, aber ausnahmslos alle, die den General Zeit kosteten und somit halfen, seine Kraft im Zaum zu halten, denn bisher hatte er die in den Meetings versäumte Zeit stets durch Überstunden wieder aufholen müssen. Wohin würde diese unverbrauchte Kraft jetzt fließen? Rufus konnte es sich schon denken, und es gefiel ihm nicht. Aber er konnte die brennende, zu ihm führende Spur weder längentechnisch einschätzen, noch unterbrechen.
 

Die nächste Konsequenz bekam Hojo zu spüren. Natürlich war es dem Wissenschaftler nach Überwindung des ersten Schocks unmöglich, seine Niederlage weiterhin zu akzeptieren. Völlig egal, welcher Auffassung Rufus war: Es gab einen Haufen guter Gründe, Jenova Projekt 1 daran zu erinnern, wer sein Herr war! Sephiroth befolgte den Befehl, ins Labor zu kommen, unverzüglich – allerdings nur, um Hojo fest am Kragen des weißen Kittels zu packen, den sich heftig (aber sinnlos) sträubenden Professor in einen der leeren Makotanks zu sperren, und das Labor wieder zu verlassen. Alles ohne ein einziges Wort und eine einzige unnötige Bewegung, als sei `das größte Genie der Electric Power Company´ nur etwas ausgesprochen Lästiges, das man, wie einen lästigen Köter, mittels eines gezielten Fußtrittes vor die Tür und in sehr unangenehmes Wetter beförderte.
 

Präsident ShinRa, als einziger außer Hojo und dem General im Besitz des Türcodes für das Labor, musste, als der Professor nicht auf Anrufe reagierte, selbst in dessen Arbeitsbereich auftauchen. Rufus lauschte den durch das Glas gedämpften, wüsten Erklärungen schweigend, während er den seit Stunden eingesperrten, schimpfenden Mann gleichzeitig nachdenklich musterte. Hojo hatte sich ganz klar nicht an die vereinbarte Strategie gehalten und war, wenn auch nicht von seinem Arbeitgeber, bestraft worden. Es erschien nur richtig, die Befehlsverweigerung noch einmal selbst zu bestrafen. Und so schmorte Hojo weitere Stunden im Tank, ehe Rufus das Labor erneut betrat, die Tür des Gefängnisses öffnete und wortlos wieder ging. Ein Schlag ins Gesicht war nichts gegen diese Behandlung! Und Hojo begriff, dass ihm diesmal Grenzen gesetzt worden waren, die selbst ein Genie wie er nicht zu überwinden vermochte. Noch, jedenfalls.
 

Es gab aber noch jemanden, der sich vor extrem deutlichen Grenzen wiederfand. Je länger Zack über Sephiroths Plan nachdachte, je größer wurde seine Sorge. Es würde nicht gut gehen. Er konnte es deutlich spüren. Rufus und Hojo waren ein grauenhaftes, verschlagenes Team, Monster, jeder auf seine Art, und derzeit, aufgrund ihrer mentalen Verletzungen, doppelt so gefährlich wie sonst. Sie mussten geschlagen werden. So schnell wie möglich. Und vernichtend.
 

Obwohl er es besser wusste, versuchte Zack erneut, seinen besten Freund umzustimmen, hatte aber keinen Erfolg. Nicht einmal Cutter ließ sich von ihrem gefassten Entschluss, Sephiroths Plan zu unterstützen, abbringen. So friedliebend sie sonst war, so sehr wünschte sie Rufus und Hojo alles Leid dieser Welt, und das mit einer fast schon erschreckenden Intensität. Zack blieb, trotz aller dunklen Vorahnungen, nur, den aktuellen Zustand zu akzeptieren (aber weiterhin Augen und Ohren offen zu halten, um auch nur das geringste auf weitere Pläne der beiden Bastarde hindeutende Indiz früh genug zu erkennen und sofort weiterzugeben). Es war weniger, als er sich wünschte, aber mehr als völlige Hilflosigkeit.
 

`Hilflosigkeit´ hingegen war eine Beschreibung, die auf den General keineswegs mehr zutraf. Vielmehr nutzte er seinen neu gewonnen Spielraum aus, um etliche Arbeitsabläufe von Grund auf umzuorganisieren – natürlich alles ohne Rücksprache mit Rufus, aber auch ohne den geringsten Zweifel daran zu lassen, seine Rolle als General von SOLDIER weiterhin sehr ernst zu nehmen. Jetzt allerdings konnte es vorkommen, dass er seines Erachtens nach unnötige Handlungen konsequent ablehnte, diesbezügliche Arbeitsanweisungen mit dem roten `Abgelehnt´ Stempel versah und ansonsten völlig unkommentiert zu Rufus zurückschickte.
 

Des weiteren ließ Sephiroth seinen Arbeitgeber wissen, wie problemlos es ihm möglich gewesen wäre, sich zu rächen. Kein Schloss und keine Sicherheitsvorkehrungen vermochten ihn aufzuhalten, und dasselbe galt für die beiden Turks, welche den seltenen Schlaf des Präsidenten in dessen Luxusappartement bewachen sollten. Das jähe Entsetzen in Rufus Augen, als er mitten in der Nacht aufwachte und seinen potentiellen Mörder in aller Ruhe neben seinem Bett stehend vorfand, war unbezahlbar. Dasselbe galt für den lächerlichen Versuch, sich zu verteidigen. Dem Schuss auszuweichen bedurfte es nur einer minimalen Bewegung Sephiroths, auch, wenn der Lärm die wachhabenden Turks alarmierte und mit gezückten Waffen das Schlafzimmer stürmen ließ.
 

Sephiroth wandte sich um, lächelte finster (eine Botschaft, die mit einem klaren: `Zu langsam!´ übersetzt werden konnte) und verließ das Appartement ohne sichtliche Eile durch den Haupteingang. Rufus warf die sichtlich überrumpelten Turks aus dem Schlafzimmer und versuchte, wenigstens für sich gefasst zu wirken. Aber es gelang ihm nur mit großer Mühe, sah er sich doch zum ersten Mal mit dem wahren Charakter Sephiroths konfrontiert.
 

Der Mann war schon immer ein Monster gewesen und würde immer eines bleiben, keine Frage. Aber seine jetzige Aura ... Früher war sie durch Ketten eingeschränkt worden, deren Spezialeffekt darin bestand, sich bei falschen Bewegungen unerbittlich zu verengen und so den Atem zu nehmen. Trotzdem waren sie aus eigenem Willen des sie tragenden Wesens immer so straff gespannt gewesen, dass gerade noch Luft genug zum Überleben blieb. Jetzt allerdings schleifte Sephiroth nicht einmal mehr Reste dieser Ketten hinter sich her! Des weiteren hatte sich ein feiner, aber dennoch sehr deutlicher Unterton in seine Aura gemischt.
 

`Ich bin nur noch hier, um dich zu töten.´
 

Keine Überraschung - und doch fühlte es sich anders an, als erwartet. Rufus verbrachte den Rest der Nacht in Hojos Labor, wo er sich die neuesten Berichte über die immer mehr Gestalt annehmenden S-1 Einheiten zu Gemüte führte und ohne Erfolg nach Punkten suchte, die man zugunsten höheren Tempos hätte streichen können. Er hätte es sich oder anderen niemals eingestanden, aber trotz aller Arroganz fühlte er sich mehr und mehr wie jemand, der sich auf einem dünnen Drahtseil über einen tiefen Abgrund bewegte, während gewisse `Kräfte´ dabei waren, das Seil anzuschneiden. Die Zeit lief, und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit lief sie gegen ihn.
 

Sephiroths Stimmung hingegen entsprach dem exakten Gegenteil. Niemals zuvor hatte er sich so frei und lebendig gefühlt, waren die ihn umgebenden Kräfte so sehr unter seiner Kontrolle gewesen. Ein lang behüteter Traum wurde zur Realität, und diese Realität fühlte sich genauso gut an, wie erhofft. Sich an diesen wundervollen Zustand zu gewöhnen, lag dem General allerdings fern, wie gewisse Nachlässigkeiten zuzulassen, und so blieb er wachsam und misstrauisch – allerdings ohne jene neu gewonnene, innere Gelassenheit hinsichtlich der Situation zu verlieren.
 

Aber so zufrieden er momentan mit sich und der Situation war, es gab einen weiteren Wunsch, den er ebenfalls nicht unerfüllt lassen konnte: Den, mehr Zeit mit Cutter zu verbringen. Und er erfüllte ihn sich. Nicht zuletzt auch zu ihrer großen Freude begleitete er jetzt mehr Missionen, an denen sie teilnahm – natürlich ohne Aufsehen zu erregen und immer in seiner Rolle als kommandierender Offizier – aber er war trotzdem da. Die Abende, an denen sie sich in seinem Quartier trafen, häuften sich. Und mit jeder Sekunde, die sie zusammen verbrachten, mit jeder Berührung, mit jedem Kuss wurden die füreinander empfundenen Gefühle stärker.
 

Gleichzeitig konnte Sephiroth spüren, wie die mentalen Verletzungen, die Hojo ihm im Laufe der vergangenen Jahre zugefügt hatte, zu heilen begannen, langsam, aber beständig. Manche, das wusste er mit Sicherheit, würde nur der Tod des Wissenschaftlers vollends schließen, aber es blieben andere, denen die aktuelle Situation zur Genesung reichte.
 

Cutter half ihm dabei, wo sie nur konnte, unter anderem indem sie ihm fern blieb, wenn sie spürte, dass er jetzt mit sich und seinen Gedanken allein sein wollte, sich ihm aber wieder näherte, sobald die inneren Vorgänge abgeschlossen waren. Aber je mehr sie sich in Sephiroths Nähe aufhielt, je mehr wurde ihm klar, wie sehr er ihre Gegenwart wollte und brauchte. Dieser Körper, diese Seele, für die fremde Hände jahrelang der Quell endloser Brutalität gewesen waren, wollten berührt und gestreichelt werden. Geheilt. Es spielte kaum eine Rolle, wann, wo und wie lange dieser Kontakt dauerte. Eine kurze Berührung erinnerte an alles bereits wieder Unverletzte. Eine längere intensivierte das Gefühl von Heilung.
 

Und mit der Heilung kam eine bisher nie gekannte, entspannte Ruhe. Sie wurde so problemlos Teil der den General umgebenden Aura, als habe diese nur darauf gewartet, ihr einen Platz zu geben. Die Ergänzung wurde kaum im ShinRa Alltag, aber sehr stark in Sephiroths Privatleben spürbar. Jetzt war es ihm nahezu sofort problemlos möglich, auf Cutters Zärtlichkeiten zu reagieren, indem er diese kopierte, variierte, darauf wartete oder sie von sich aus begann. Aber trotz allem war und blieb er ihr General, und als solcher bestand er im normalen Alltag auf die konsequente Befolgung seiner Befehle – und so musste ShinRa´ s einziger Death Walker auch weiterhin von Rufus Büro aus die Stadt auf weitere Sonnenkollektorenlines überprüfen.
 

Cutter hasste diesen täglichen Termin! Dem Bewusstsein, Dreh- und Wendepunkt eines Szenarios zu sein, das ausschließlich in neuer Gewalt enden konnte, wäre sie nur zu gerne entkommen – aber aufgrund Sephiroths Plan war das nicht möglich. Ihr blieb als mentales, höchst persönliches Gegengewicht nur das feste, sich selbst gegebene Versprechen, nach der Eliminierung der Electric Power Company nie wieder einem anderen Menschen zu schaden.
 

Auch diesmal konzentrierte sich Cutter auf dem so verabscheuten Weg in Rufus Büro ausschließlich auf dieses Versprechen, wünschte sich aber zeitgleich, im Besitz einer Ausrede zu sein, die so gut war, dass sie sogar Sephiroth akzeptierte. Leider war der jungen Frau nur zu klar, vermutlich niemals in den Besitz einer so grandiosen Ausrede zu kommen, und so seufzte sie leise, hielt vor Rufus dunkler Bürotür an, klopfte, und betrat nach der entsprechenden Aufforderung den Raum, nahm ihren gewohnten Platz am Panoramafenster ein, sah hinunter auf die Stadt ... und spürte sofort, dass etwas in der Luft lag. Etwas, aus dem sich zahlreiche Entwicklungen ergeben würden, und nicht alle waren gut. Ein wenig angespannter als sonst begann die junge Frau, die sich ihr zeigenden Lines zu zählen. Seit Wochen hatte sich an deren Anzahl nichts geändert. Jetzt aber ... Sie erinnerte sich zu später daran, beobachtet zu werden, und ihre Hoffnung, das überraschte Blinzeln könnte dennoch unbemerkt geblieben sein, zerschlug sich nur Sekunden später. Rufus Stimme hatte Ähnlichkeit mit dem Durchladen einer Präzisionswaffe.
 

„Wie viele `mehr´?“
 

Cutter hätte sich für ihre spontane Ehrlichkeit ohrfeigen können. Aber selbst das wäre hinsichtlich der neusten Entwicklungen sinnlos gewesen. Und so blieb ihr nur die Wahrheit.
 

„Sieben.“
 

Es hatte begonnen. Solar Solution war wieder in Bewegung. Rufus lächelte kalt.
 

„Sieben. Angeblich eine Glückszahl. Was sagst du dazu, Tzimmek?“
 

Cutters Antwort kam mit der üblichen, diesmal allerdings extrem unüberdachten Schnelligkeit.
 

„Ich hab´ s nicht so mit Zahlen, Sir.“
 

Für gewöhnlich hätte sich Rufus niemals zu einer solchen Handlung provozieren lassen. Diesmal allerdings lagen seine Nerven blank, die Waffe mit der Schnelligkeit eines Blinzelns in seiner Hand, und die Bewegung des Zeigefingers erfolgte nur einen Sekundenbruchteil später. Eine Kugel raste durch die Luft, direkt auf Cutter zu ... und wurde erst erschreckend nahe vor dem Ziel zu einer appetitlich aussehenden und völlig ungefährlichen Marzipankartoffel, die ohne Schaden anzurichten abprallte und zu Boden fiel.
 

„Nächstes Mal“, verkündete Rufus Shinra mit einer Stimme, die keinerlei Zweifel am Wahrheitsgehalt ließ, „lasse ich dir keine Zeit mehr für Tricks!“
 

Cutter starrte ihren Arbeitgeber mit vor Wut gefletschten Zähnen an. Ihre Hand war fest um die Luna Lance geschlossen, und Rufus Line lag so klar vor ihr, viel zu klar, um sie zu ignorieren ... Aber letztendlich setzte sich das Bewusstsein um Sephiroths Plan durch.
 

„Eines Tages, Mr. President“, fauchte Cutter und zertrat gleichzeitig die verwandelte Kugel zu Brei, „wird all das Unheil zu Ihnen zurückkommen!“
 

„Verschwinde endlich!“
 

Wutschnaubend verließ die junge Frau das Büro. Rufus hielt sich nicht eine Sekunde damit auf, ihr nachzusehen, sondern ließ seinen Sessel herumschwingen und blickte hinab auf Midgar. Es hatte also erneut begonnen. Und er würde darauf reagieren!
 

Cutter stürmte, im Bauch einen eisigen Klumpen aus allen möglichen Gefühlen tragend, in Sephiroths Büro. Dem General reichte ein einziger Blick, um die Situation korrekt zu erfassen.
 

„Neue Reflektorenlines. Wie viele?“
 

„Er hat auf mich geschossen! Er hat schon wieder auf mich geschossen! Dieser Mistkerl!“
 

„Er hat ganz offensichtlich nicht getroffen. Beantworte meine Frage!“
 

„Sieben. Er hat auf mich geschossen!“
 

Im Blick des Generals erwachte ein berechnender Ausdruck.
 

„Du hat ihn provoziert.“
 

„Nein!“, entrüstete sich Cutter. Aber nach einem kurzen Moment, der ganz offensichtlich für einen Rückblick genutzt worden war, ein wenig zerknirscht: „Doch. Etwas. Ich hab nur gesagt, dass ...“
 

Sephiroth lauschte aufmerksam, schüttelte schließlich den Kopf und seufzte:
 

„Oh, Phoenix ...“
 

Er wusste, dass es sinnlos war, Cutter hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber Rufus zu ermahnen. Seine Freundin konnte ihren Arbeitgeber ebenso wenig ausstehen, wie er selbst. Den versuchten Mord, über den sich der General ebenfalls hätte aufregen können, verbuchte er unter `Spezialtraining´. Wer mit brennenden Streichhölzern nach einem Benzinfass warf und traf, durfte sich nicht über eine Explosion wundern. So ruhig Sephiroth war, so intensiv tobte Cutter immer noch vor dem Schreibtisch.
 

„Scheiß auf deinen Plan, Sephy! Wenn dieser Mistkerl nochmal auf mich schießt, verwandle ich ihn wieder in einen Kater und bring ihn ins Tierheim! In den Hundezwinger!“
 

Sephiroth musste unwillkürlich lachen.
 

„Jawohl!“, knurrte Cutter und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Du kannst ihn ja retten, wenn dir danach ist, aber ich würde dir raten, dich zu beeilen!“
 

Ihr gegenüber gewann der General seine Selbstbeherrschung zurück.
 

„Hat er dir gesagt, was er vorhat?“
 

„Nein, er war zu sehr damit beschäftigt, auf mich zu schießen! Mistkerl!“ Und dann, leicht frustriert: „Ach, verdammt! Wann lerne ich endlich, erst zu denken und erst dann zu reden?“
 

Sephiroth wollte eine Antwort unwillkürlich nur denken, weil sie seinen sonstigen Ansichten restlos über den Haufen war. Aber dann sprach er seine Gedanken ganz bewusst doch laut aus.
 

„Hoffentlich niemals. Das bist eben du, Cutter. Unter anderem das macht dich so einzigartig. Und ...“, er kniff ein Auge zu, „ ... so unberechenbar, und so schwer zu kontrollieren. Sogar für mich. Solange deine Reflexe funktionieren und du die Situation wieder unter Kontrolle bringst, kannst du genau so bleiben.“
 

Cutter schwieg einen Moment. Dann kam sie um den Schreibtisch herum und ließ sich auf Sephiroths Schoß nieder.
 

„Sephy? Wann habe ich dir zum letzten Mal gesagt, dass ich dich lieb habe?“
 

„Ist schon ein paar Stunden her ...“
 

Cutter schmunzelte und ließ ihren Kopf nach vorne sinken, bis er Sephiroths Stirn berührte.
 

„Ich liebe dich. Ich habe dich so lieb!“
 

Sephiroth sagte kein Wort. Aber er schloss die Augen und schob seine Arme auf ihren Rücken, hielt sie fest, minutenlang und in völliger Stille. Gleichzeitig fragte er sich fast verzweifelt, warum er nicht so antworten konnte, wie er es eigentlich wollte, ahnte er doch, dass er mit einer verbalen Antwort nichts falsch machen und nur bekräftigen würde, was seine Phoenix ohnehin schon wusste ... Aber musste man Dinge, die offensichtlich waren, wirklich noch laut aussprechen? Cutters leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
 

„Was wird er jetzt tun? Rufus, meine ich?“
 

„Wenn wir jetzt wieder auf eine offizielle Ebene wechseln, muss ich dich leider bitten, einen etwas disziplinierteren Standort einzunehmen, als den aktuellen.“
 

Cutter rutschte ca. 5 Zentimeter zurück.
 

„Ich meinte“, stellte der General mit einer Stimme, in der Heiterkeit brodelte, „vor den Schreibtisch. Du kennst die Regel.“
 

Cutter seufzte leise, kämpfte mit sich selbst ... aber dann siegte die Neugier.
 

„Also“, erkundigte sich die junge Frau schließlich (brav vor dem Schreibtisch stehend), „was wird er tun?“
 

„`Silent Cry´ wiederholen.“
 

„Was?!“ Ihre Stimme spiegelte eine wahre Flutwelle des Entsetzens wieder. `Silent Cry´ ... ein zweites Mal? Solar Solution Techniker, die in den Straßen Midgars starben ... Und wieder würde sie es sein, die den Tod in die Straßen Midgars brachte.
 

„Hinsichtlich der aktuellen Situation und des gigantischen Erfolges beim ersten Durchlauf ist dieses Vorhaben nur nachvollziehbar.“
 

„Aber ...“, begann Cutter, verstummte jedoch, als Sephiroth den Zeigefinger auf die Lippen legte und betont langsam blinzelte.
 

„Genau deshalb“, fuhr der General fort, „ist Rufus diesmal vorhersehbar, und zwar ausnahmslos für alle Involvierten. Mit anderen Worten: Mach dir keine Sorgen. Du wirst sehen, diesmal kriegt ShinRa keinen Tropfen Blut!“
 

Cutter zögerte. Zu intensiv waren ihre Erinnerungen an den ersten `Silent Cry´ und alle Ereignisse, die dieser ausgelöst hatte. Aber Sephiroth war, im Gegensatz zu ihr, ein genialer Stratege, der seine Gegner genau studierte, Fehler in deren Plänen mit gefürchtetem Scharfblick erkannte und für sich ausnutzte ... Letztendlich nickte die junge Frau, lauschte aufmerksam den weiteren Anweisungen des Generals, und war, als Rufus sie etliche Stunden später erneut zu sich zitierte, um die Kollektorenlines zu überprüfen, entsprechend gefasst.
 

Sie ergänzte die Zahl der neuen Kollektoren um 9, was insgesamt eine Summe von 16 innerhalb der letzten Stunden aktivierten Neuanschlüssen ergab. Und Rufus, der extrem gut mit Zahlen umgehen konnte, hatte keine Probleme, sich auszurechnen, wann die Stadt komplett mit Solarenergie versorgt sein würde. Sofern nicht jemand das Tempo drosselte. Und so gab er, nachdem Cutter sein Büro wieder verlassen hatte, den offiziellen Befehl zu `Silent Cry 2´.
 

Sephiroth nahm den Befehl entgegen, aber keine seiner folgenden Bewegungen deckte sich mit Rufus Anweisungen. Er wies lediglich die ihm wieder gegenübersitzende Cutter an, die Lines im Auge zu behalten, und fuhr mit seinen üblichen Routinearbeiten fort. Eine Stunde später machte er sich fast grinsend auf den Weg zu Präsident Shinra. Dessen Empfang fand mit der üblichen Herzlichkeit statt.
 

„Die Mission kann unmöglich schon beendet sein, General!“
 

„Sie hat nie angefangen, Mr. President.“
 

Es war ihr erstes offizielles Treffen seit des Befreiungsschlages. Und obwohl Rufus ganz genau verstanden hatte, dass er momentan wie auf dem Präsentierteller saß, war es ihm unmöglich, in seiner Position zurückzuweichen oder in Deckung zu gehen.
 

„Soll ich das als Befehlsverweigerung verstehen, Crescent?!“
 

„Nicht doch, Shinra.“ Sephiroths Lächeln war durch und durch herablassend. „Es ist wie beim Schach. Man darf dieselbe Bewegung nur ein paar Mal wiederholen. Bei Ihnen hat der Planet die Grenze nach einem Mal gezogen. Die neuen Solarplatten sind durch die Lines nicht auszumachen.“ Er genoss die einsetzende Stille einige Sekunden lang und fügte fast genüsslich hinzu: „Der Planet trickst Sie aus, Mr. President, und Sie sind machtlos. Sie werden sich etwas besseres als `Silent Cry 2´ einfallen lassen müssen, um Solar Solution aufzuhalten. Teilen Sie mir Ihre Ideen mit. Ich werde sie durchführen, wenn sie mir gut genug erscheinen, bezweifle aber, dass Sie meinen hohen denktechnischen Ansprüchen bald gerecht werden.“
 

Und dann, völlig unvermittelt, kam noch einen Schritt näher, stützte sich auf dem Schreibtisch ab, lehnte sich nach vorne, bis er Rufus direkt in die Augen sehen konnte, und wisperte, sich völlig auf seinen Instinkt verlassend:
 

„Vielleicht, Mr. President, sollten Sie Hiwakos Angebot annehmen und kooperieren, statt sich endlos im Todeskampf zu winden und Stück für Stück vor den Augen der Welt Ihre gesamte Stärke zu verlieren. Andererseits wäre diese Vorstellung höchst ... erheiternd.“
 

Die Reaktion verriet einen Volltreffer.
 

„Woher wissen Sie von diesem Angebot?“
 

„Die Frage ist nicht, was ich weiß, Mr. President, sondern was Sie nicht wissen.“
 

Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ den Raum. Rufus sah ihm nach und fühlte sich, als sei er gerade mehrfach sehr hart getreten worden. Niemals zuvor hatte ihn irgendjemand so herablassend behandelt, und das Bewusstsein, (noch) nichts dagegen tun zu können, war mehr als erniedrigend – und, vor allem, nicht verdient! Möglicherweise hätte bei jedem anderen wenigstens ein kleiner Teil des Verstandes beharrlich darauf hingewiesen, dass sich Jenova Projekt 1 in all den zurückliegenden Jahren ganz genauso gefühlt hatte, und jetzt wohldosierte Mengen genau dieses Gefühls an seine früheren Peiniger zurückgab ... aber Rufus hatte diesen Teil seines Verstandes schon vor langer, langer Zeit dauerhaft zum Schweigen gebracht. Abgesehen davon ...
 

Ich habe es genossen, mit ihm zu spielen, ihn zu quälen, zu erniedrigen, ihn auszunutzen und seinen Willen zu brechen. Das Bewusstsein, vielleicht eines Tages das Ziel seiner Rache zu werden ... Auch dieser Nervenkitzel war mir Willkommen. Und er hält an. Wenn auch anders, als erwartet. Aber dieses ... Ding wird nicht zur Nemesis der Electric Power Company werden! Hojo arbeitet mit Hochdruck an den S-1 Einheiten. Es kann, nach seinen eigenen Aussagen, unmöglich noch länger dauern, als ein paar Wochen! Mit den S-1 Einheiten wird Jenova Projekt 1 nicht fertig, dafür haben Hojo und ich gesorgt. Sie werden ihn auseinander nehmen! Nicht einmal sein Schwert wird ihn retten können ...
 

Blieb nur noch die Frage, wie der General von der von Hiwako angebotenen Kooperation hatte erfahren können. Was wenn er plante, sich mit Solar Solution zu verbünden? Woher sonst hätte er dieses Wissen haben können? Oder war es nur eine falsche Fährte? Die Frage ließ sich nicht beantworten. Und so blieb Rufus nur, die Straßen Midgars pausenlos von SOLDIER und Armytruppen überwachen zu lassen, die den Befehl hatten, verdächtige Personen sofort festzunehmen oder, bei Flucht, zu eliminieren.
 

„Er arbeitet an einer Todesliste.“ Cutters Stimme klang ganz leise. „Ich kann es spüren.“
 

„Das tut Rufus ständig“, antwortete Sephiroth gelassen und sortierte eine weitere, mit dem hübschen roten `Abgelehnt´ Stempel versehene Arbeitsanweisung auf den Dokumentenstapel, der im Laufe des Tages auf Präsident Shinra´ s Schreibtisch landen würde. In letzter Zeit machte der Papierkram wirklich Spaß! Wer hätte das jemals für möglich gehalten?
 

„Es gibt übrigens schon wieder zwei neue Lines.“ Cutter schüttelte den Kopf. „Hiwakos Leute sind so schnell geworden!“
 

„Ich vermute eher, dass ihm jetzt mindestens die doppelte Anzahl an Techniker zur Verfügung steht. Der Planet hat mit dem Verschwinden der Makoreaktoren, der Regeneration von Flora und Fauna und nicht zuletzt den aktuellen Klimabedingungen klare Worte gewählt. Es besteht überhaupt kein Zweifel, auf wessen Seite er ist. Letztendlich möchte sich niemand mit ihm anlegen.“
 

„Außer uns“, seufzte Cutter. „Wie viele Reaktoren sind eigentlich mittlerweile verschwunden?“
 

„Du begehrst ernsthaft Zugriff auf Top Secret Informationen, deren Mitteilung für gewöhnlich mit der schnellstmöglichen Eliminierung von Informant und Empfänger bestraft wird? Es sind 9 Reaktoren.“
 

„Du genießt das, hab ich Recht?“
 

Sephiroths Grinsen war nicht einfach nur `böse´. Es war nahezu dämonisch, gleichzeitig allerdings auch voller Leidenschaft. Er gönnte Rufus den Druck aus ganzem Herzen – und war dennoch fest davon überzeugt, dass der Präsident der Electric Power Company eine Möglichkeit finden würde, Solar Solution und den Planeten zu besiegen. Bis es soweit war, würde aber, wie es im Moment aussah, noch eine ganze Weile vergehen. Zeit, die sinnvoll verbracht werden musste.
 

„Kommst du mich heute Abend besuchen?“
 

Cutter lächelte.
 

„Natürlich!“
 

Stunden später konnten beide auf einen äußerst friedlichen, jetzt langsam ausklingenden Abend zurückblicken. Nicht mehr lange allerdings, und Sephiroth würde seine Freundin im Hinblick auf die schon in wenigen Stunden stattfindende Mission ins Bett schicken – in ihr eigenes, wohlgemerkt, in ihrem kleinen Quartier. Sofern sie sich nicht auf Missionen befand und sich woanders ausruhen musste, war dies ihr konsequenter Schlafplatz, immer noch und trotz allem.
 

Es war ein seltsamer Zustand, der dennoch in völligem Frieden von beiden akzeptiert wurde, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Cutter hatte ihren Freund wissen lassen, nur auf seine Zustimmung zu warten, um die Nächte bei ihm zu verbringen, friedlich schlafend wie in jener Nacht nach der ersten missglückten Zerstörung der Solarkollektoren ... oder nicht. Es war genau dieses `oder nicht´, das Sephiroth davon abhielt, an der jetzigen Situation etwas zu ändern.

Niemals zuvor war er einem anderen Menschen so nahe gewesen, wie es jetzt bei Cutter der Fall war, und er wollte nichts davon verändern, aus Angst, etwas zu zerstören oder zu verlieren. Cutter schien seine Gedanken genau zu kennen, denn sie protestierte, wenn er sie in ihr Bett schickte, nie (oder nur spielerisch, auf eine Art und Weise, die ihn unwillkürlich zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln brachte), und behielt ihren wartenden Status bei, ohne beleidigt, ungeduldig oder vorwurfsvoll zu sein. Und Sephiroth liebte sie dafür, auch, wenn er die Worte immer noch nicht ausgesprochen hatte.
 

Er war gerade dabei, intensiv über den richtigen Zeitpunkt nachzudenken, als ihn die neben ihm auf der Couch sitzende Cutter jäh aus seinen Gedanken riss. Es war schon spät, und der Oberschenkel des Generals der perfekte Ersatz für ein Kissen ... Die so friedlich daliegende Phoenix nicht zu streicheln, war ein Ding der Unmöglichkeit. Und so glitten Sephiroths Hände schon nach wenigen Sekunden streichelnd über einen nackten, warmen Rücken, langsam und gleichmäßig, prägte sich dessen Beschaffenheit ein, fühlte den leichten, so ausgelösten Schauern nach, und war sich völlig bewusst, dass diese Situation früher niemals hätte geschehen können. Jetzt hingegen genoss er sie, so intensiv, wie es ihm nur möglich war.
 

Cutter ging es ebenso, zeitgleich wünschte sie sich, all das möge niemals enden ... und wollte gleichzeitig ebenso intensiv zurückstreicheln, bei ihm sein, ganz und gar, vollkommen, und vor allem ohne störenden Stoff zwischen ihnen. Ihr war klar, dass er die Botschaft längst verstanden hatte, und genauso klar, dass er den Zeitpunkt einer Antwort wählen würde. Bis es soweit war, konnte sie ihm nur immer wieder versichern, einverstanden zu sein, wortlos, unaufdringlich, und auf ihn zu warten.
 

Dass sie sich diesem einen, ganz speziellen Moment erneut ein wenig näherten, war Sephiroth allerdings gar nicht bewusst, denn eine gerade festgestellte Tatsache war viel interessanter: Die sanfte, seitlich gelegene Wölbung von Cutters Beckenknochen passte genau in seine Handinnenfläche. Sephiroth hielt verblüfft inne. Er konnte sich nicht erinnern, seine Hand bewusst dorthin bewegt zu haben, aber jetzt war sie dort. Und die Beschaffenheit der Haut unter ihr war zu neu, zu warm und zu weich, um die Streicheleinheiten zu beenden. Und so ließ Sephiroth seine Hand genau dort und erkundete lediglich mit den Fingerspitzen fasziniert die neue Umgebung.
 

Erst als Cutter merklich erschauerte, wurde ihm schlagartig bewusst, dass er eine sie betreffende Grenze ohne Vorwarnung überschritten hatte, und so zog er seine Hand fast erschrocken zurück – allerdings nur, um seiner Freundin die Gelegenheit zu geben, ihn festzuhalten ... und die Hand mit einer sanften Bewegung wieder auf die vorherige Position zu schieben. Eine Geste, die überdeutlich sagte: `Du darfst das. Keinem anderen würde ich das erlauben. Aber du darfst das.´ Diesmal dauerte es mehrere Minuten, ehe Sephiroth seine Hand langsam zurückzog. Cutter stieß ein leises, dem Verlust geltenden Murren aus und blinzelte mühsam.
 

„Ich hoffe“, murmelte sie, „du willst auf der anderen Seite weitermachen, das war nämlich wirklich, wirklich schön ...“
 

„Eigentlich“, antwortete Sephiroth ebenso leise, „wollte ich dich ins Bett schicken.“
 

„Mein eigenes, nehme ich an? Zu schade.“
 

„Du hast viele anstrengende Missionen vor dir. Ich möchte dir wenigstens die Chance geben, dich noch ein wenig auszuruhen.“
 

„Zu Befehl, mein schrecklich logisch denkender General.“ Dann gähnte sie keinesfalls verhalten, setzte sich wieder auf, küsste ihn zärtlich, wisperte: „Gute Nacht, Sephy. Bis morgen, ich hab dich lieb!“, und verließ das Appartement. Sephiroth sah ihr nach, bis sie die Tür hinter sich schloss, und obwohl er es gewesen war, der sie gerade weggeschickt hatte, fiel es ihm doch schwer, sie gehen zu lassen. Und unwillkürlich begann er sich zu fragen, wie er reagieren würde, käme sie nicht mehr zurück. So unreal dieses Szenario war, es beschwor dennoch eine seltsame Art von Kälte in ihm herauf, die anhielt, bis sich der General energisch zur Ordnung rief.
 

Cutter würde nicht verschwinden! Sie würde bei ihm bleiben, ihn `Sephy´ nennen, ihn zum Lachen bringen, ihn in Verblüffung stürzen ... und all diese anderen Dinge tun, die nur sie vermochte. Und er würde es zulassen, sich dabei Stück für Stück weiterentwickeln und irgendwann ein Stadium erreichen, das es wert war, dauerhaft beibehalten zu werden. Ja, so würde es sein, ganz egal, was die Zukunft an Herausforderungen in Reserve haben mochte – auch, wenn einige von ihnen schwieriger als andere sein mochten. Wäre es ihm möglich gewesen, einen Blick in die Herausforderungen der Zukunft zu werfen, so hätte er einmal, nur dieses eine Mal, kapituliert und die nächsten 24 Stunden mit Cutter im HQ verbracht. Aber so war er sicher, allem gewachsen zu sein – inklusive der morgigen Mission. Sie führte in den Cosmo Canyon.
 

Cutter war noch keine 10 Sekunden am als Treffpunkt für alle Missionsteilnehmer vereinbarten Heliport angekommen, als hinter ihr eine vertraute Stimme erklang.
 

„Yo, Cutter-cut-cuttie-chaaaaaan!“
 

Die junge Frau hatte gerade noch Zeit, sich auf den Aufprall vorzubereiten, bevor Zack sie erreichte, an sich drückte und ihr dann mit beiden Händen die Frisur ruinierte.
 

„Hi Zack.“ Dann prustete sie: „Warum trägst du ein rotes Cape?“
 

„Das ist wegen meiner Superkräfte! Sie ... Rgh! Au! Hey! Seph!“
 

Sephiroth war völlig unvermittelt hinter dem 1st aufgetaucht und hatte mittels eines kräftigen Ruckes das leuchtend rote Cape entfernt.
 

„Sei froh, dass ich dich nicht augenblicklich damit erwürge, SOLDIER!“
 

Zack hielt einen Augenblick inne – dann ließ er sich zu Boden sinken. Wimmernd. Allerdings nicht, wie es hinsichtlich des ihm geltenden Blickes angebracht gewesen wäre, um Gnade...
 

„Meine Superkräfte ... sie schwinden ... argh ... du herzloser General!“
 

Sephiroth nutzte die Gelegenheit für einen heftigen (und seines Erachtens nach längst überfälligen) Tritt in den Allerwertesten des vor ihm liegenden Mannes.
 

„Steig in den Helikopter, Zackary!“
 

„Na gut.“
 

Mit einer geschmeidigen Bewegung kam der 1st wieder auf die Beine und marschierte, die vergnügt lachende Cutter vor sich herschiebend, vorbei an seinen halb lachenden, halb kopfschüttelnden Kollegen in Richtung der abflugbereit stehenden Black Hawks. Sephiroth vernichtete das rote Cape und folgte ihnen. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe die Hubschrauber abhoben.
 

Der Cosmo Canyon war ein Paradies für die Farben Gelb, Orange, Braun, alle Untertöne und Personen, denen es Freude machte, sich darüber zu streiten. Das von einem tiefblauen Sommerhimmel herabstrahlende Licht der Sonne ließ die verschiedenen Nuancen ganz besonders hell leuchten. Heißer Wind strich über staubtrockenen Boden, wirbelte feinen Staub auf und legte ihn woanders wieder ab. Die Luft flirrte vor Hitze. Wer konnte, suchte Schutz im Schatten der Felsen. Alle anderen arbeiteten derzeit für ShinRa und schwitzten – oder ärgerten ihren General.
 

„Wohin denkst du, gehst du, SOLDIER?!“
 

„Heim!“, antwortete Zack vergnügt. „Ich habe gerade mit meinem General gesprochen, er hat gesagt, ich darf. Und du bist bloß eine Fata Morgana. Tschüss.“
 

„Ich bin dein General! Und du bleibst hier! Abgesehen davon läufst du in die falsche Richtung.“
 

„Du willst mich nur verwirren“, grollte Zack, bremste aber. „Dem Stand der Sonne nach zu urteilen ... autsch. Ich sollte nicht direkt hineinsehen. Jetzt habe ich buntes Geflimmer vor den Augen. Ich bin krank! Perfekt!“ Und als eine positive Reaktion ausblieb: „Ach komm schon, Seph! Die Sonne kocht mein Hirn.“
 

„Möchtest du, dass ich es stattdessen koche?“
 

„Es steht kurz vor der Überlastung!“
 

„Das tut es pausenlos.“
 

„Lass mich wenigstens in den Schatten.“
 

„Du bist ein 1st Class SOLDIER, hör auf zu jammern!“
 

„Gerade, weil ich jammere, solltest du mich besonders ernst nehmen.“
 

Gleichzeitig kam er zurück und ließ sich in dem von Sephiroth geworfenen Schatten nieder. Der General trat augenblicklich einen Schritt zur Seite.
 

„Zackary Fair, geh wieder auf deinen Posten!“
 

„Menno ...“ Gleichzeitig flüchtete er sich wieder in den Schatten seines besten Freundes. „Du hast mich nicht lieb!“
 

„Korrekt! Und jetzt ... Was tust du da?!“
 

„Ich versuche dich einzugraben, damit du mir meinen Schatten nicht klaust.“
 

„Zackary Fair“, grollte Sephiroth und machte einen ganz besonders weiten Schritt zur Seite, „befolge meinen Befehl!“
 

„Spielverderber!“, grollte der 1st, erhob sich und schlurfte davon.
 

Sephiroth beobachtete ihn kritisch, aber nicht ganz uneinsichtig. Zack hatte Recht. Es war heiß hier, sogar verflucht heiß, da die Steine sich zusätzlich erwärmten und die Hitze abgaben, aber die Unterstützung von SOLDIER war bei dieser Mission unabdingbar. Außerdem würde sie die körperlichen Grenzen seiner Männer ...
 

Das zu gleichen Teilen schmerzerfüllte, wie entrüstete: „Au!“, dicht gefolgt von einem klatschenden Geräusch, erklang in seiner unmittelbaren Nähe. Der General wandte betont langsam den Kopf und wurde Zeuge, wie Cutter heftig ihr rechtes Bein schüttelte und dann den Boden mit wütenden Tritten bearbeitete. Sephiroth atmete tief durch.
 

„Kann ich dir irgendwie behilflich sein, Death Walker?!“
 

Cutter hielt inne.
 

„Äh, nein, Sir. Verzeihung. Irgendein komisches ... Viech hat mich gestochen. Tut ziemlich weh! Aber ich hab es platt gemacht. Sir.“
 

„Wenn nicht der Verlust der betroffenen Gliedmaße zu erwarten ist, schlage ich hiermit eine Rückkehr zu deinem normalen Verhalten vor! Innerhalb der nächsten Sekunde!“
 

Cutter schaffte es, die vorgegebene Zeit nicht zu überschreiten. Die Mission ging weiter. Aber Sephiroth konnte es sich nicht verkneifen, seiner Freundin hin und wieder einen aufmerksamen Blick zuzuwerfen. Er wusste, sie war hart im Nehmen, und wenn sie sagte, dass etwas weh tat, dann war es so. Und so entging ihm nicht, wie sie sich immer wieder die gestochene Stelle rieb.
 

Es wurde Nachmittag, ehe die Mission erfolgreich beendet wurde und die Helikopter wieder abhoben. Cutter war ungewöhnlich schweigsam, und Sephiroth konnte spüren, dass sie intensiv in sich hineinlauschte, um etwas zu verfolgen, das sich anders anfühlte als sonst. Etwas, das absolut nicht in Ordnung war. Auch Zack bemerkte die unnatürliche Stille, sah fragend zu seinem besten Freund hinüber und stupste, als dieser kaum merklich nickte, den neben sich sitzenden Grund für die leichte Besorgnis kurz an.
 

„Was ist los? Du bist so still.“
 

Die Angesprochene schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf.
 

„Irgendwie ist mir kalt.“
 

„Jaaa, das ist mir auch immer bei knapp 32 Grad im Schatten, sofern er nicht wegl- ... äh, was ist dir?!“
 

„Kalt, eisig kalt. Und furchtbar schwindelig.“
 

Sephiroth hielt den Zeitpunkt für mehr als gekommen, sich einzumischen.
 

„Zeig mir den Stich!“
 

Ein kurzes Zögern, dann aber krempelte sie ihr rechtes Hosenbein hoch. Die Einstichstelle war überdeutlich zu erkennen und umgeben von einem breiten, dunkelroten Rand.
 

„Allergische Reaktion“, konstatierte der General gänzlich unbeeindruckt. Derartiges kam in letzter Zeit bei an Missionen teilnehmenden Personen häufiger vor. Es gab zwar entsprechende Schutzimpfungen (selbst Rufus hatte eingesehen, dass diese notwendig waren), aber durch die Regeneration des Planeten existierten jetzt viel mehr mögliche Auslöser - zuviele, um alle zu erforschen. In akuten Fällen blieb somit nur eine Möglichkeit. „Melde dich auf der Krankenstation. Zack, du gehst mit und sorgst für eine schnelle Abwicklung.“
 

„Ja, Sir! Wir werden den neuen Rekord im Abwickeln aufstellen! Richtig, Cuttie?“
 

„Hmhm.“
 

Mittlerweile lehnte ihr Kopf an der Wand hinter sich und ihre Augen waren fest geschlossen. Ein mehr als untypisches Verhalten, das Sephiroths Sorge verstärkte. Er hätte gerne etwas fürsorglicher reagiert, aber hier, unter den Augen aller Anwesenden, kam das nicht in Frage. Und so blieb ihm nur, Cutter aufmerksam aber nicht offensichtlich im Auge zu behalten, bis der Helikopter wieder landete, alle Insassen ausstiegen und sich im HQ zerstreuten. Zack und Cutter allerdings machten sich auf den Weg zur Krankenstation.
 

„Cuttie, du siehst nicht gut aus.“
 

„Ich fühle mich auch gar nicht gut“, murmelte die Angesprochene mit völlig fremder Stimme, bewegte sich aber trotzdem tapfer vorwärts. Als sie endlich die Krankenstation erreichten und vor der Anmeldung anhielten, war die junge Frau schweißgebadet. Trotzdem griff sie nach dem Stift, um das notwendige Formular auszufüllen ... aber ihre Hand erreichte nie das Ziel. Cutter nahm nicht mehr wahr, wie die Beine unter ihr nachgaben und nur Zacks blitzartige Reaktion sie davon abhielt, hart auf dem Boden aufzuschlagen. Alles versank in Finsternis.
 

Die Momente waren höchst selten, aber manchmal musste selbst General Crescent alles an Selbstdisziplin aufbieten, um gewisse Dinge nicht selbst zu tun. Cutter persönlich auf die Krankenstation zu begleiten, zum Beispiel, war unter den gegebenen Umständen nicht möglich, und Zack eine wesentlich bessere, unauffälligere Eskorte. Dennoch war es eine Situation, in der sich Sephiroth unwillkürlich fragte, ob dieses Theater wirklich notwendig war hinsichtlich der Tatsache, dass sowohl er, als auch seine Freundin problemlos in der Lage waren, einer unwillkommenen Situation Einhalt zu gebieten. Andererseits aber gehörte ihre Beziehung nicht in die Öffentlichkeit ...
 

Der General seufzte leise. Eigentlich hätte er jetzt, statt hier zu stehen und nachzudenken, in sein Büro gehen und sich mit dem (wesentlich reduzierten, aber dennoch notwendigem) Papierkram beschäftigen müssen. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab und ließ ihn stattdessen einer Alibitätigkeit in der Nähe des Einganges zur Krankenstation nachgehen. Dabei lauschte er ununterbrochen auf die Verbindung zwischen sich und Cutter, wissend, dass sich Veränderungen in jede nur erdenkliche Richtung zuerst hier zeigen würden. Aber alles blieb still. Trügerisch still. Mehrere Minuten lang. Und dann, als habe auch die letzte Sicherheitsvorrichtung versagt, geschah alles gleichzeitig.
 

Irgendetwas brach zusammen, begann zu fallen und sich dabei aufzulösen. Sephiroth konnte es so deutlich spüren, als sei er selbst davon betroffen. Irgendetwas war ausgelöst worden und hatte eine Kettenreaktion verursacht ... Es ging rasend schnell. Der General verschwendete keine Sekunde mit Nachdenken oder gar Zögern. Er setzte sich augenblicklich in Bewegung, erreichte in Rekordzeit den Eingang zur Krankenstation, trat ein und öffnete nur wenige Sekunden später trotz allem so beherrscht wie möglich die Tür, hinter der er Cutter einfach wusste.
 

Der sich ihm bietende Anblick deckte sich mit dem immer noch andauernden Gefühl eines absoluten Absturzes. Da war ein Arzt, der Kommandos gab, Schwestern, die diese Kommandos schnell und routiniert befolgten, ein kleiner Monitor, auf dem zu erkennen war, dass all die Hilfestellungen nichts bewirkten ... und die in einem Bett liegende Cutter, bewusstlos und bis auf die kaum noch zu erkennende Atmung ohne jegliche Bewegung.
 

„Seph!“ Allein die winzige Silbe verriet, wie erleichtert und besorgt Zack gleichzeitig war. „Ich habe keine Ahnung, was hier los ist! Wir standen an der Anmeldung und auf einmal ist Cuttie zusammengebrochen ...“
 

Sephiroth hörte nur mit halbem Ohr zu. `Dank´ Hojo hatte er genug Fachbücher über Medizin gelesen, um die Sprache eines Arztes übersetzen zu können. Was er hier erfuhr, war alles andere als beruhigend. Der Insektenstich hatte irgendetwas in Cutters Körper übertragen, das dabei war, ihr Blut gerinnen zu lassen. Lebensnotwendige Organe waren kurz davor, den Dienst einzustellen. Und alle bisher verabreichten Medikamente hatten nichts bewirken können.
 

Mittlerweile war klar zu erkennen, dass dem Arzt und seinem Team die Zeit davonlief. Die Anweisungen wurden lauter und hektischer, erste Diskussionen flammten auf, erloschen, Materia wurde eingesetzt und versagte, die Diskussionen begannen erneut ... Und endeten schlagartig, als erste Funken aus grünem Licht in Cutters Körper zu glühen begannen. Der Lebensstrom machte sich bereit, eine Existenz erneut in sich aufzunehmen. Der Arzt wandte sich zu Sephiroth um.
 

„Tut mir leid, General. Wir können nichts mehr für sie tun.“
 

Für einen kurzen Augenblick war Sephiroth kurz davor, seine legendäre Beherrschung zu verlieren und das Ergebnis an dem Arzt auszulassen. Dann ging der Moment vorüber. Klares, berechnendes Denken setzte wieder ein, so schnell und geschmeidig wie fließendes Wasser. Wenn die übliche Medizin und sogar Materia versagten, gab es nur noch eine einzige Person, die vielleicht noch in der Lage war, das Unmögliche zu vollbringen. Zack sah verblüfft zu, wie sein General Cutter anhob und sich umwandte, mit einem Augenausdruck, der jedes jemals dort erkennbare Gefühl in den Schatten stellte.
 

„Whoa, Seph, was hast du ...“ Und dann begriff er. „Shit ... Warte, ich mach dir die Türen auf!“
 

Es gab Momente, in denen musste man alle Regeln verletzten, alle Gesetze brechen und alle Ängste überwinden, um das Richtige zu tun. Jetzt hatte ein solcher begonnen. Und es gab nur einen Ort, an dem er enden würde. Sephiroth und Zack gingen nicht. Sie rannten. Für Sephiroth existierten in dieser Zeit keine anderen Personen, die ihm verblüfft nachsahen, keine Kameras, die das Geschehen aufzeichneten, keine Hindernisse. Nur der bewegungslose, vom Lebensstrom gezeichnete Körper in seinen Armen.
 

Zack, mit der ID Karte des Generals ausgerüstet, öffnete alle Türen auf dem Weg, aber die letzten, welche zusätzliche Informationen zum Öffnen benötigten, Informationen, für die momentan keine Zeit war, räumte Sephiroth mittels eines einzigen, entschlossenen Fußtrittes zur Seite. So auch die allerletzte – danach aber hielt er inne.
 

„Du bleibst hier!“
 

Der durch das gewaltsame Eindringen in den streng gesicherten Bereich ausgelöste, heulende Alarmton, das Glitzern in den Augen des Generals, dessen Stimmlage und Betonung ... Zack wagte keinen Protest. Und so blieb er gehorsam, aber innerlich äußerst aufgewühlt im Flur zurück und lauschte in der Hoffnung, irgendetwas zu hören. Denn sehen konnte er Sephiroth längst nicht mehr.
 

Hojo sah hinsichtlich der sich ihm nähernden Schritte nicht einmal auf. Er befand sich mitten in einer Operation, und auch, wenn sein momentanes Testobjekt längst die Besinnung verloren hatte, die OP an sich verlief äußerst zufriedenstellend – wurde jedoch jäh beendet, als eine in schwarzem Leder steckende Hand die Operationsfläche jäh in Schräglage versetzte und so das darauf befindliche Testobjekt brutal zu Boden beförderte.
 

Eine derart respektlose Behandlung bei weitem nicht gewohnt, sah der Professor auf (nahm wahr, wie Sephiroth etwas auf dem Metalltisch ablegte) – und kollidierte mit einem Blick, der Ähnlichkeit mit einem unter klarem Eis eingeschlossenen, aber äußerst aktiven Vulkan besaß.
 

„Rette sie, und ich komme zurück!“
 

Es gab keinen Blick, den Hojo nicht schon einmal bei Sephiroth gesehen hatte. Auch dieser war nicht neu, aber niemals zuvor so intensiv gewesen. Ob er noch steigerungsfähig war? Der Professor lächelte kalt.
 

„Ich habe keinerlei Verwendung mehr für dich.“
 

Einen Sekundenbruchteil später gruben sich zwei Hände in seinen Kittel, zogen den in ihm steckenden Körper mit einem Ruck vorwärts ...
 

„Unternimm etwas, oder ich schicke dich augenblicklich in den Lebensstrom!“
 

„Das widerspricht deiner vor wenigen Sekunden an den Tag gelegten Taktik, mein kleiner Sephiroth. Vielleicht solltest du dir erst überlegen, was du willst, und mich erst dann mit deiner Gegenwart belästigen!“
 

Der daraufhin in den Augen seines Gegenübers erwachende Ausdruck ... war neu. Und so fremd, dass Hojos Interesse die Gleichgültigkeit abschüttelte und sich zu fokussieren begann. Was hätte jemanden wie Sephiroth dazu bringen können, seine Gefühle so offen zu zeigen und einen solchen Handel vorzuschlagen? Nachdem er sich seines Erachtens nach endlich hatte befreien können? Was war stark genug, ihn hierher zurückzutreiben, noch dazu, wie es aussah, nicht ganz freiwillig? Hojo sah nach unten. Verhielt einen Augenblick. Sah wieder zu Sephiroth auf ... und begann zu kichern.
 

„Oh ... verstehe. Großartig! Das ist wirklich großartig! Du bringst mir deine kleine ...“
 

„Hojo!“
 

„Wir wollen doch höflich bleiben! Ich bin ein humorvoller Mensch, und diese Situation beinhaltet eine wirklich außergewöhnliche Komik! Und jetzt lass mich los, schaff sie in den Tank da drüben und leg ihr eine Sauerstoffmaske an!“
 

Sephiroth hatte sich geschworen, dieser Stimme nie wieder zu gehorchen. Aber jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Und so schloss er die Tür fest hinter der vorsichtig auf dem Boden des Tanks abgelegten und mit einer Sauerstoffmaske versehenen Cutter und trat zurück, um einen besseren Überblick zu erhalten. Hojo stand bereits am Hauptsteuerungscomputer und ließ die Finger über die Tastatur tanzen, ein undeutbares Geräusch, das vorerst nur die Aktivierung des Sicherheitsverschlusses am Tank selbst, dargestellt durch ein rotes Licht, bewirkte. Dann begann sich der Tank schlagartig mit Flüssigkeit zu füllen. Flüssigkeit von einer unverwechselbaren Farbe.
 

„Das ist Mako!“
 

„Natürlich ist das Mako! Womit soll ich den Tank sonst fluten, etwa mit Erdbeergelee?!“
 

Und Sephiroth wurde schlagartig klar, dass er einen furchtbaren Fehler gemacht hatte. Cutter hierher zu bringen ... Die wichtigste Person seines Lebens Hojo auszuliefern, Hojo, der keinerlei Veranlassung hatte, zu helfen, der vielmehr die Chance, sich für die erlittene Schmach zu rächen, so auf dem Silbertablett serviert bekam ...
 

Ich muss wahnsinnig gewesen sein. Hojo wird den Moment nutzen! Er wird Cutter vor meinen Augen töten und das Ganze als Experiment dokumentieren ...
 

Die linke Hand des Generals schloss sich um Masamune, zog das Schwert aus der Schutzhülle ...
 

„Das ist Mako der G-Klasse, falls du mit dem Begriff noch etwas anfangen kannst“, erklang Hojos verächtliche Stimme. „Es dringt in den Körper ein und sucht selbstständig nach geschädigten Zellen, um diese zu regenerieren.“
 

„Dazu muss es vorher mit Zellen des betreffenden gesunden Körpers gefüttert worden sein!“
 

„Zuerst einmal muss bereits im Rohmaterial festgelegt werden, ob das Mako zur Reparatur männlicher oder weiblicher Körper benutzt werden soll! Du hat wirklich alles vergessen, was? Wirklich erbärmlich! Wir haben hier die weibliche Version. Bis jetzt allerdings hat sie immer versagt, und ich hatte bisher noch keine Gelegenheit herauszufinden, wies ... Ah, das war zu erwarten.“
 

Sephiroths Kopf ruckte herum. Im Inneren des Tanks bäumte sich Cutters mittlerweile in der Flüssigkeit schwebender, grün glühender Körper auf wie unter einem heftigen elektrischen Schlag, ein klares Zeichen für die von allen Seiten eindringende Substanz. Die zusätzliche Anstrengung machte sich auch auf dem kleinen, am Tank angebrachten Bildschirm, der die Vitalfunktionen anzeigte, bemerkbar. Sie fielen immer weiter. Gleichzeitig intensivierte sich die Farbe des Makos, sicherer Beweis für eine durch den Professor vorgenommen Beeinflussung, welche das grüne Glühen des Körpers im Tank ebenfalls steigerte.
 

„Hör auf! Hojo!“
 

„Ich nehme keine Befehle von gescheiterten Experimenten entgegen!“
 

Im Tank begann sich die Cutters Kleidung aufzulösen. Es schien, als verschwände damit auch der allerletzte Schutz, und obwohl Sephiroth wusste, dass Hojo der Anblick nackter weiblicher Körper ebenso kalt ließ wie der männlicher, so war ihm der Gedanke, Cutter auf diese Art und Weise zu offenbaren, noch dazu gegen ihren Willen, unerträglich ...
 

Die Flügel schoben sich völlig vorwarnungslos aus ihrem Rücken, gänzlich anders als jemals zuvor, blickdicht, und verhüllten den ihnen anvertrauten Körper. Gleichzeitig wurde das grüne Glühen des Lebensstroms immer schwächer und schwächer. Als der Vorgang endete, blieben als Lichtquelle nur das Mako selbst und die an der Außenseite des Tanks erkennbaren Vitalwerte zurück. Sie stabilisierten sich.
 

Völlige Stille beherrschte das Labor. Sie schien fast heilig zu sein. Und in ihr schwebte die perfekt synchronisierte Aufmerksamkeit der beiden so unterschiedlichen Männer, einzig und allein auf die Geschehnisse in dem Makotank vor ihnen gerichtet. Cutters körperliche Umrisse hatten sich stabilisiert. Jetzt war wieder jedes nicht von den Flügeln verdeckte Detail klar sichtbar. Und der kleine Bildschirm an der Tankaußenseite zeigte niedrige, aber konstante Vitalwerte.
 

Hojos Kichern entweihte die Stille. Etwas klickte. Und Sephiroth, der schon wusste was dieses Geräusch zu bedeuten hatte, schloss gequält die Augen. Hinter ihm erklang die unbeeindruckte Diktierstimme des Professors.
 

„Experiment Nr. G-M 1.0.10.80. Kontaminierung eines unvorbereiteten Körpers mit Mako Typ G, Feminine Version.“ Leises Klicken, das auf einen vorläufigen Stopp hindeutete. „Du versucht gar nicht, mich für die Flügel verantwortlich zu machen, mein kleiner Sephiroth. Ich nehme an, du kanntest sie bereits?“ Klicken. „Phase 1 des Experiments, Start 19:53:16 Uhr, erwartete Schockreaktion des Körpers mit ersten Abstoßungserscheinungen inklusive fallender Vitalfunktionen. Phase 2 des Experiments: Erhöhung der Makokonzentration um 19:56:53 Uhr.“ Leises Klicken. „Weißt du, was mich an dieser Sache am meisten amüsiert? Nicht, dass du eine kleine Freundin hast. Sondern dass sie genauso ein Monster ist, wie du.“ Klicken. „Wiederholte Abstoßungserscheinungen inklusive fallender Werte. Verlust der Kleidung. Besondere Vorkommnisse: Das Erscheinen von leuchtenden Flügeln – siehe hierzu Anhang A – und die Ausrichtung derselbigen über den das Geschlecht identifizierenden Körperstellen. Absorbierung sämtlicher Hinweise auf den Lebensstrom. Phase 3 des Experiments, Start 20:01:43 Uhr, Stabilisierung sämtlicher Werte. Weitere Entwicklungen nicht auszuschließen.“ Er deaktivierte das Aufnahmegerät wieder, schob es in die Brusttasche seines Laborkittels und verkündete lächelnd: „Du kannst gehen. Keine Sorge, auf sie werde ich besonders gut aufpassen!“
 

Sephiroths Reaktion bestand aus der Aneignung des einzigen sich hier befindlichen Stuhls. Hojos Augen weiteten sich.
 

„Willst du etwa hier bleiben?!“ Und als sich sein schweigsamer Gesprächspartner vor dem Tank niederließ: „Verstehe.“ Er begann zu kichern. „Dieses Experiment verspricht ganz besonders interessant zu werden.“
 

„Lass sie sterben und ich breche dir sämtliche Knochen!“
 

„Derlei Drohungen sind wirklich unter deiner Würde, mein lieber Sohn. Ich sagte doch, es ist ein interessantes Experiment und als solches mit der entsprechenden Aufmerksamkeit zu behandeln. Gerade du solltest mich gut genug kennen, um meine Worte nicht anzuzweifeln!“
 

Gerade deshalb, dachte Sephiroth, bleibe ich hier. Cutters Körper hat anders reagiert als von dir erwartet. Wer weiß, was du dir noch alles für sie einfallen lässt?
 

Aber gleichzeitig war ihm klar, dass er Hojo nicht provozieren durfte. Befand sich ein Mensch einmal in einem Makotank, konnte der Professor alles mögliche mit ihm anstellen. Ausgefeilte Technik erlaubte es sogar, Injektionen zu verabreichen ohne die betroffene Person herauszuholen. Oder, wie jetzt, eine Blutprobe zu entnehmen. Sephiroth wusste, dass er nicht protestieren durfte. Was er hier vor sich hatte, war kein Sieg, sondern ein vorläufiger Waffenstillstand, der erst zu einem echten Sieg ausgebaut werden musste, und dies war nur möglich, indem man so viele Informationen wie möglich über den zu behandelnden Körper einholte. Um den Vorgang zu beschleunigen schrieb Sephiroth die wichtigsten Daten selbst auf. Es fiel ihm mehr als schwer, seine Phoenix in einen Haufen Zahlen zu verwandeln, aber genau darin bestand die einzige Chance, sie dauerhaft zu retten. Auch, wenn sie dadurch zu neuen Qualen verdammt wurde. Denn einmal vom Körper akzeptiertes Mako ...
 

„Nicht schwanger? Zu schade. Sie hätte zwar nicht zu dem von mir für ein solches Experiment ausgewähltem Typ Frau gehört, aber es wäre trotzdem sehr interessant gewesen.“
 

Sephiroth antwortete nicht. Er starrte in den Tank und fragte sich, ob Cutter irgendetwas von den aktuellen Geschehnissen mitbekommen hatte. Wenn ja, so hoffte er nur, dass sie von seiner Gegenwart wusste und sich nicht fürchtete. Verraten konnte sie es ihm nicht. Ihre Augen waren fest geschlossen und die Körperfunktionen aktiv und stabil, zwar auf einer niedrigen Ebene, aber aktiv und stabil. Was Hoffnung keimen ließ. Cutter kämpfte! Und ließ sich auch nicht durch Hojos finstere Prognosen stören.
 

„Das Blutbild weist erhebliche Defizite auf. Außerdem sind mehrere Organe geschädigt. Äußerst fraglich, ob dieses Mako in der Lage ist, all das zu reparieren.“
 

Sephiroth schwieg. Er wusste, Mako der G Klasse war die neueste und somit unerforschteste Variante. Ein höchst sensibles Gebiet, bei dem jeder Erfolg durch den geringsten Fehler zunichte gemacht werden konnte. Mit anderen Worten: Hojo hätte bei den Herstellungen des männlichen und des weiblichen Typs niemals zweitklassiges Menschenmaterial benutzt, sondern nur kerngesunde Exemplare. Vermutlich von ihm selbst ausgewählt. Und somit beinhaltete das Mako bereits die Informationen eines gesunden weiblichen Körpers. So gesehen standen die Chancen auf eine vollständige Heilung gut und bedurften keines Kommentars. Abgesehen davon wusste der General, dass Hojo ihn nur provozieren wollte und war nicht bereit, dem Professor diese Freude zu gönnen. Und ganz abgesehen davon schien dieser das Gespräch in eine ganz bestimmte Richtung leiten zu wollen ...
 

„Du schreibst, ein Insektenstich habe diese Reaktion ausgelöst? Ein simpler Insektenstich? Das ist erbärmlich, wirklich! Andererseits muss ich zugeben, gänzlich unvorbereitet die direkte Konfrontation mit G-Mako bis zu dem aktuellen Punkt zu überstehen, ist bemerkenswert. Ich glaube allerdings nicht, dass sie weiterkommen wird. Willst du dann also bis an dein Ende hier bleiben? Dein Leben aufgeben, um hier in einen Tank zu starren? Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber ... ShinRa ist Nichts ohne dich.“
 

Oh bitte, dachte Sephiroth ungewollt amüsiert. Glaubst du wirklich, ich falle auf diesen billigen Trick herein? Du und Rufus feilt schon seit meiner Geburt an meinem Tod. Ich habe euch die Möglichkeit genommen, ihn ganz nach Belieben herbeizuführen. Und das stört euch. Ich hoffe, es bereitet euch schlaflose Nächte! Mir persönlich gefällt dieser Zustand viel zu sehr, um ihn jetzt schon aufzugeben. Aber ich bin sehr gespannt auf deine weiteren Bemühungen.
 

„ShinRa“, fuhr Hojo in dem Glauben, höchst überzeugend zu wirken, fort, „ist ... auf dich angewiesen. All jene, die SOLDIER beitreten wollen, tun das, weil sie eines Tages sein möchten, wie du. ShinRa braucht dich. Du kannst nicht bis an dein Ende hier sitzen. Du wurdest für die Schlachtfelder Gaias geschaffen, und nicht, um hier in einen Makotank zu starren!“
 

Sephiroth beschloss, sich dumm zu stellen und erkundigte sich mit einer Stimme, die gänzliche Unkonzentriertheit verraten sollte:
 

„Worauf willst du hinaus?“
 

„Überlass mir das Mädchen. Ich muss herausfinden, weshalb sie das G-Mako so gut vertragen hat! Die Daten könnten für alle weiteren Forschungen höchst relevant sein. Ich wäre in diesem sehr speziellen Fall sogar bereit, Betäubungsmittel einzusetzen. Sie wird nichts spüren. Sogar ihr Tod wird schnell und schmerzlos, mein Wort drauf! Haben wir eine Vereinbarung?“
 

Die Antwort bestand aus der Kombination `Schweigen plus spöttischem Lächeln´, und so wenig sich Hojo mit gefühlstechnischen Dingen auskannte, diesmal fiel selbst ihm die Übersetzung leicht. `Wenn sie mir so wenig bedeuten würde, hätte ich sie nicht hergebracht.´ In die Augen des Professors mischte sich ein berechnender Glanz.
 

„Verstehe. Der Einsatz ist noch nicht hoch genug. Nun gut. Überlass mir das Mädchen, und ich gebe dir die Antworten, nach denen du schon so lange suchst.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2010-10-24T00:54:31+00:00 24.10.2010 02:54
Super Kapi!^^


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