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Longing - Just for you

von

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Titel: Longing – Just for you

Teil: Kapitel 3

Autor: Tsugumi

Email: jennybreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Seimaden

Rating: PG- 18

Warnung: limone, angst, gewalt

Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod?

Disclaimer: Die Welt und Charaktere von Seimaden gehören nicht mir, diese Fanfiction dient nur der Unterhaltung und ich will damit keinen Profit machen.
 

Kommentar: Ok so langsam kommt die Sache ins Rollen. Ich weiß, Titius und Zadei kommen hier ein klein wenig zu kurz, aber wie gesagt, ich brauch halt immer ein wenig Anlauf. Kommt alles noch, versprochen! Und die nächsten Kapitel kommen jetzt auch etwas schneller, auch versprochen!

Ach ja: Und ich hätte gerne einen Rund Mitleid für den armen Rod! Zeigt ein wenig Herz!^^
 


 

Kapitel III
 


 

Lautes Gelächter drang aus der großen steinernen Halle, aus deren Fenster und Mauerritzen, schwüle, mit Schweiß und Essensgeruch gewürzte Luft dran. Das Königspaar saß mit Familie und Rittern beim gemeinschaftlichen Mittagsmahl und die Stimmung wirkte sehr gelöst, selbst unter den Bediensteten, die am laufenden Meter große Platten mit Fleisch, Brot und Früchten in den Saal brachten. Doch dies änderte sich mit dem Moment, als ein lauter Knall das gesamte Schloss erbeben ließ, verursacht von dem riesigen Einganstor, das, in tausend Teile geborsten, plötzlich brennend auf dem Hof verstreut lag. Alles Treiben im Innenhof und auf den Mauern hielt inne und man blickte geschockt auf die Person, die durch das Tor geritten kam. So schnell war es gegangen, niemand hatte ahnen können was geschehen würde, als man auf den Wachtürmen von weitem den Reiter hatte kommen sehen, geschweige denn hatten irgendjemand etwas unternehmen können um ihn aufzuhalten.

Die Gestalt hielt mitten auf die große Einganstür zum Rittersaal zu und mit einem weiteren Knall war diese ebenfalls hinweggefegt. Nicht einmal für Panik blieb Zeit.
 

Im Saal sprang Rod vom Pferd, der Wutschleier lag rot vor seinen Augen und die Hitze brannte in seinem ganzen Körper. Unaufhaltsam und kochend war sein Blut zu Lava geworden, die durch seine Adern gepumpt wurde.

„Was?!“ schrie er inmitten des Saals, der gefüllt war mit Leuten, die mit offenen Mündern in jeglicher Bewegung inne gehalten hatten und ihn nur ungläubig anstarrten und mehr als einer überlegte in diesem Moment wohl, ob er schon so viel getrunken hatte, dass er halluzinierte und ob die anderen das gleiche sahen wie er. Leider würden die meisten von ihnen nie mehr erfahren, wie es sich nun eigentlich verhielt.

„WAS?!“ schrie der Mann mit den funkelnden Augen in der Mitte des Raumes noch einmal. „Was war der Grund? Warum mussten die Leute aus dem Dorf Kimalda sterben? Wer kann mir den Grund dafür nennen?!“ Rod wirbelte um die eigene Achse, bis er in Richtung der königlichen Familie blickte, die ihn schockiert und ungläubig anstarrte.

„Was um alles in der Welt willst du…?!“ murmelte ein augenscheinlich tapferer Mann, der neben dem König saß und Kleidung trug, die auf einen hohen Feldherren schließen ließ. Rod fackelte nicht lange oder nahm Rücksicht auf die allgemeine Verwirrung. Mit einer Handbewegung hob er den Mann von seinem Stuhl und schmetterte ihn in etwa zwei Metern Höhe an die Wand, hielt ihn dort fest. In einer Weise, wie er seine Kräfte noch nie benutzt hatte, streckte Rod eine Hand aus und ballte sie zu einer Faust, worauf der schreiende Mann an der Wand von einer unsichtbaren Kraft die Luft abgedrückt bekam.

„Wieso?!“ schrie Rod noch ein weiteres Mal.

Der Ritter, der in Anbetracht eines grausamen und unmittelbaren Todes jedes Ehrgefühl, Treueversprechen und taktisches Denken vergaß, nutzte seine letzte Kraft um das einzige zu tun was sein Leben eventuell retten konnte, nämlich diesem Mann mit den Zauberkräften, den er nicht mal als Rod den Azeel erkannte, zu sagen, was er hören wollte.

„Es war ein kriegstaktisches Vorgehen… Kimalda liegt genau zwischen uns und dem Länderein des Königs Antonius III …. Er plant einen Angriff gegen uns… er will vielleicht in Kimalda halt machen um seine Truppen zu versorgen… aber… Bitte… kriege keine Luft…“ röchelnd kämpfte der Mann um Atem, denn der eiserne Griff ließ keinen Zentimeter nach, drückte ihn weiter erbarmungslos gegen die Wand.

In diesem Moment erschien ein weiterer, völlig in schwarz gekleideter Reiter im offenen Eingansportal, kam ebenso rasant angeprescht und sprang erst neben dem Blonden vom Pferd, packte ihn und schrie ihn an.

„Rod, verdammt noch mal was tust du?“

Doch dieser schaute ihn nur mit einem Blick an, der Funken zu sprühen schien, entließ sein Opfer nicht aus seiner Position.

„Verschwinde Asbar! Halt dich da raus!“ Mit der freien Hand sendete er eine weitere Energiewelle, die seinen Gefährten von sich wegschleuderte. Ehe dieser sich wieder aufgerappelt hatte und erneut zu ihm geeilt war, wandte er sich wieder seinem Opfer zu.

„Erklär es mir, erklär es mir!“ schrie er ihn weiter wutentbrannt an, ließ den Griff gerade soweit los, das der Mann etwas mehr Luft zum sprechen bekam.
 

„Wenn… der Feind… wenn sie dort ankommen und das Dorf existiert nicht mehr… können sie sich nicht versorgen und so können wir sie leichter… vernichten… Bitte, ich…“

Weiter kam er nicht, den ein weiterer Energiestoß zerquetschte den menschlichen Körper mit einer Wucht, das man Knochen knacken hörte wie Zweige und Blut und Innereien an der Wand hinunterliefen. Nun endlich wandelte sich die allgemeine Schreckenstarre in Panik, vereinzelt aber auch in verzweifeltes Heldentum. Einige Ritter zückten die Waffen und rannten auf das Monster in der Mitte des Saales zu. Doch eine Handbewegung von Rod schmetterte sie zurück, so das sie im Gewirr der panisch flüchtenden Menschen untergingen. Asbar hatte Rod erst jetzt wieder erreicht.

„Rod hör auf, bitte hör auf, du weißt ja nicht was du tust, bitte hör auf!“ Asbar versuchte nun auch, Rod mittels seiner eigenen dämonischen Fähigkeiten außer Gefecht zu setzen, aber es war, als wolle man einen Deichbruch mit einer Pappwand aufhalten.

Die konzentrierte Kraft, die sich um Rods Körper so sehr ansammelte, dass man sie sehen und hören konnte, explodierte und tauchte alles um ihn herum in ein riesiges Flammenmeer. Die ganze Welt schien plötzlich nur noch aus glühender Hitze, Schreien und dem Geruch von verbranntem Fleisch zu bestehen.
 


 

~*~
 

Leise öffnete Sherril wieder die schwere, knarrende Tür zu den Kellergewölben. Einmal noch hielt sie inne, schaute sich um. Aber niemand war zu sehen, also schlüpfte sie durch die Tür und schloss sie hinter sich. Es war schwer gewesen, zu entwischen um ihr kleines Portal zu benutzen und wieder ihren Geheimplatz zu betreten. Ständig hatten Titius oder ihre Eltern sie beaufsichtigt. Die waren aber auch hartnäckig! Als ob sie gleich etwas anstellen würde, wenn man sie mal eine Minute aus den Augen ließe!

Im Keller wendete sie ihren Öffnungszauber an und schlüpfte durch das magische Loch, das sich mitten im Dunkel auftat, auf die andere Seite.

Jetzt stand sie wieder auf der Blumenwiese und hüpfte fröhlich drauf los.
 

Nach einem kurzen Marsch war sie an dem See angekommen, wo sie die Blume gepflanzt hatte. Doch als sie sich dem See näherte, hielt sie kurz inne. Irgendetwas hatte sich verändert. Ihre noch mäßig ausgebildeten Fähigkeiten, die zuvor nur so etwas wie eine Ahnung von der Präsenz eines anderen Lebewesens verspürt hatten, nahmen nun etwas weitaus Handfesteres wahr, wenn auch noch nicht wirklich stark. Nichts desto trotz ging sie voran.

Schließlich hatte sie die Stelle erreicht, wo sie die seltsame Blume nun blühte. Sie schien tatsächlich etwas erholt zu sein. Sherril ging freudig auf die Pflanze zu und kniete sich davor in die feuchte Erde. Als sie die Blätter untersuchte, stellte sie fest, dass die Blätter wieder eine normale Farbe angenommen hatten, als hätte sie sich von selbst regeneriert, statt die verdorrten Blätter einfach abzuwerfen, wie es gewöhnliche Pflanzen taten. Und nicht nur das, die Blüte war sogar ein wenig größer geworden. Und obwohl es schon längst nicht mehr Morgen war, glitzerten Tautropfen darauf, ließen die blauen Blätter silbrig schimmern.

„Wie ich sehe, geht es dir jetzt besser, Blümchen! Du hast dich wirklich erholt!“ sagte Sherril freudig, als sie plötzlich gegen jegliches Erwarten eine Stimme vernahm.
 

„Wer bist du?“
 

Das Mädchen zuckte vor Schreck zusammen, blickte sich dann hastig suchend um.

„Wer ist da? Wer hat das gesagt?!“ rief sie erschrocken, als sie niemanden erblickte.

„Was hast du mit der Blume gemacht?“ Die Stimme klang irgendwie... unreal, als käme sie vom Wind selber; ihr war ein seltsam trauriger Unterklang beigemischt. Unwillkürlich dachte sie an das Flüstern, dass sie so oft auf der Terrasse gehört hatte. Auf die Frage hin meinte sie verlegen.

„Ähm, ich... gehört die Blume dir? Ich wollte wirklich nichts Böses anstellen!“

„Komm ans Wasser. Ich kann dich nicht sehen...“ erklang die Stimme erneut. Sherril hätte sie einem jungen Mann zugeordnet.

Es war irritierend, da sie noch immer keine richtig lebendige Existenz spürte. Allerdings wusste sie, dass ihr Gespür in ihrem Alter noch nicht genug sensibilisiert war und sie noch nicht die Nuancen wahrnehmen konnte, wie zum Beispiel Zadei oder ihr Vater es taten. Neugierig kam sie der Bitte nach. „So, hier bin ich. Und jetzt zeig du dich auch!“ rief sie.

„Ich kann dich nicht gut sehen. Du bist ein kleines Mädchen, nicht wahr? Deine Stimme verrät es mir. Kannst du mich sehen? Ich bin hier im Wasser.“ Sherril blickte nach unten auf die Wasseroberfläche und erkannte einen Schatten darauf, konnte aber nichts Genaues erkennen.

„Wieso bist du da im Wasser? Und wieso kannst du mich nicht sehen, ich stehe doch direkt hier.“

„Ich weiß nicht. Ich bin sehr...müde. Ich bin irgendwie so benommen. Aber die Blume...was hast du damit gemacht? Erklär es mir.“ Die Stimme kam nun ganz klar von der dunklen Stelle im Wasser.

„Ich habe sie im alten Schlosshof da hinten gefunden. Aber sie sah aus, als würde sie bald verdorren. Also habe ich sie ausgegraben und hier am See wieder eingepflanzt. Sie war so schön, ich wollte nicht, dass sie verwelkt. Und sie hat sich schon prächtig wieder erholt!“
 

„Deshalb also...“ Die Stimme klang nachdenklich, wurde dann aber wieder traurig. „Ich wünschte, du hättest es nicht getan. Bring die Blume lieber wieder zurück. Lass sie welken, sie hat keine Bedeutung mehr.“

„Aber warum? Sie ist doch so schön! So wie all die schönen Blumen hier. Ich habe so wunderschöne Blumen noch nie gesehen“, meinte Sherril protestierend.

„Du magst sie? Dir gefallen meine Blumen?“ Auf einmal klang der junge Mann geradezu euphorisch, wenn auch nur kurz.

„Es sind deine? Wahnsinn! Sie sind so schön, ich könnte sie stundenlang nur anschauen. Es ist ein so schönes Gefühl, auf der Terrasse des alten Schlosses zu stehen und über das Blumenmeer zu blicken.“

„Nicht wahr?! Ja, wunderschön sind sie...“

„Aber warum willst du dann, dass ich die Blaue verderben lasse?“

„Weil es meine Lebensblüte ist. Mein Körper ist schon lange vergangen und auch meine Seele schwebte im süßen Nichts. Aber indem du der Blüte neue Lebensenergie gegeben hast, hast du mein Bewusstsein wieder zurückgebracht.“

„Du hast keinen Körper mehr? Bist du… warst du tot?!“

„Nein, ich kann leider nicht wirklich sterben. Zumindest meine Seele muss immer weiter existieren, damit ich meine Aufgabe weiter ausführen kann.“

„Welche Aufgabe?“ fragte Sherril neugierig nach.
 

„Hast du wirklich keine Ahnung, wer ich bin oder wo du hier bist?“

„Nein. Und wie soll ich wissen, wer du bist, wenn ich dich nicht sehen kann. Du bist nur ein Schatten.“

„Ja, ich bin nur ein Geist.“

„Kannst du denn keine Gestalt annehmen?“

„Ich weiß nicht... meine Kräfte regenerieren sich nur sehr langsam. Ich weiß nicht, ob ich schon...“ Noch während er sprach, erfüllte ein leichtes Glimmen die Wasseroberfläche an der Stelle, wo der Schatten war. Einige Wellen schlugen, aber als das Wasser sich wider beruhigt hatte, blickte Sherril statt in ihr Spiegelbild in das Gesicht des jungen Mannes, dem die traurige Stimme gehörte. Er hatte ganz helle, fast marmorweiße Haut, dazu bläuliche Haare, die sie an die Farbe der Blüte erinnerten. „So siehst du also aus!“ entfuhr es Sherril, „Mein Name ist übrigens Sherril. Wie heißt du?“

„Mein Name?“ fragte der andere nachdenklich. „Mein Name... Ja, wie lautet mein Name? Es kommt alles so langsam... Nein, jetzt weiß ich es wieder. Charon! Mein Name ist Charon!“

„Aha. Und diese Blumen hier gehören alle dir?“
 

„Ja, ich muss auf sie aufpassen und sie verwalten. Das ist meine Aufgabe.“

„Aber das ist doch schön! Es muss doch eine schöne Arbeit sein, oder?“

„Ja, eigentlich ist sie das.“

„Warum willst du dann wieder verschwinden? Ich habe doch richtig verstanden, wenn ich die Blume wieder welken lasse, verschwindet dein Geist wieder?“

„Mein Bewusstsein schwindet, nicht mein Geist. Er ist immer da, um die Aufgabe zu erfüllen. Allerdings ist er nur eine Kraft, ohne Persönlichkeit und Charakter. Aber ja, ich möchte, dass du die Blume wieder entfernst. Und zwar schnell, bevor... bevor die Erinnerungen wieder zurückkehren. Ich spüre es schon...“

„Das verstehe ich nicht. Wieso willst du dich nicht erinnern?“ Allmählich wurde die Sache für das Mädchen sehr verwirrend.

„Ich weiß nicht genau, aber irgendetwas sagt mir, dass ich mich besser nicht erinnern sollte. Ich bin mir nur einer Sache sicher, nämlich dass ich das letzte Mal, als ich einen Körper besaß, sterben wollte. Ich habe mich so sehr nach dem Nichts gesehnt. Ich sollte besser dorthin zurückkehren.“

Sherril war bestürzt. „Das kann ich nicht glauben. Ich kann nicht glauben, dass jemand freiwillig sterben will. Was ist denn passiert, dass du so traurig bist? Versuch, dich zu erinnern!“

„Nein! Ich will mich nicht erinnern...“ Jedoch wurde Charons Präsenz von Minute zu Minute stärker, jetzt, wo er sich zumindest schon in Form eines Spiegelbildes materialisiert hatte. Und auch die Erinnerungen flossen unaufhaltsam durch ihn hindurch. Sherril sah, wie die Gestalt im Wasser sich an den Kopf fasste. Dann fing er an, verwirrt vor sich hin zu murmeln, als mit einem Mal tausend Gedanken, Bilder und Eindrücke auf ihn niederprasselten.

„Titan... sie kämpften in der Dämonenwelt...wer hat gewonnen? Die Kolosse... wer hat mich verraten? Oh, Iria... Nein, nicht, Iria!... Sie hat mich verraten! Gift...im Wein. Warum Iria? Warum?... Sie ist tot. Sie ist tot...“ «`Die Welt ist ohne dich noch viel leerer als vorher‘» „Nein, ich will mich nicht erinnern! Aufhören!“ Verzweifelt schüttelte der junge Mann, der sich Charon genannt hatte, seinen Kopf und er bekam den Gesichtsausdruck eines gehetzten Tieres. Dann schloss er seine Augen und für einige Minuten herrschte Stille. Als er sie wieder öffnete schienen ein paar Tränen lautlos daraus hervor zu quellen, obwohl seine Gestalt nur ein Trugbild war, eine Spiegelung auf der Wasseroberfläche. „Bring die Blüte wieder weg, Sherril. Bring sie weg, ich möchte nicht mehr nachdenken. Gib mir meine Stille wieder zurück, ich bitte dich.“
 

Sherrils Herz klopfte bis zum Hals. Was hatte sie nur wieder angerichtet? Was sollte sie tun? Sollte sie schnell fortlaufen und jemanden holen? Ihre Eltern vielleicht, oder Titius? Aber nein, sie würden mit ihr schimpfen, bestimmt. Aber wie sollte sie sich jetzt verhalten? Sie konnte doch nicht...

„Aber ich will das nicht! Wenn ich die Blume verwelken lasse, ist es ja fast so, als würde ich dich umbringen... Warum nur willst du sterben?“

„Das Leben hat keine Bedeutung mehr für mich, kleines Mädchen. Ich habe nichts mehr, rein gar nichts. Ich bin völlig alleine und werde es immer sein... das ist mein Schicksal. Ich will in dieser Welt nicht bleiben.“

„Ganz alleine? Aber das kann doch gar nicht sein! Hast du denn gar keine, äh…“ Sie dachte über alle Arten von Beziehungen nach, die sie kannte, „ keine Eltern, oder eine Ehefrau? Oder Freunde?“

Charon schreckte auf, schien plötzlich abermals sehr nachdenklich. Das Wort „Freund“ löste ein seltsames Gefühl in ihm aus. Worte kamen ihm in den Sinn. «`Wir sind doch Freunde...`»

„Freund? Ich weiß nicht... doch, ich glaube, da gab es mal jemanden... aber ich kann mich nicht erinnern.“

Freudig nickte Sherril mit dem Kopf. „Na also! Das ist doch schon mal etwas! Sag mir, wer es war!“
 

«`Ich kann dich nicht töten.`»

«`Egal wie du bist, ich mag dich`»
 

Eine Stimme erfüllte Charons Kopf und langsam kehrte auch diese Erinnerung wieder zurück.

„Wie war sein Name?“ hakte Sherril weiter nach.

„Sein Name? Ja, ich erinnere mich. Sein Name war...“
 

~*~
 

„Rod? Rod… ich.. oh mein Gott… warum?“ Asbars Stimme war halb erstickt unter Tränen. Seine Augen waren vom beißenden Rauch gerötet und sein Atem ging schwer und rasselnd. Er ließ sich auf die Knie ins feuchte Gras fallen und blickte völlig verzweifelt seinen besten Freund an, seinen Halbbruder, den er um alles in der Welt hatte beschützen wollen. Das brennende Schloss war nur noch ein Glimmen in der Ferne, das sich vom dämmernden Himmel abhob. Asbars Kleidung war zerrissen und halb verbrannt, überall hatte er Brandwunden und andere kleinere Verletzungen. Die letzten Stunden hatte er damit zugebracht, die wenigen Überlebenden aus dem Saal zu retten und später aus den Trümmern zu ziehen. Dann war er aufgebrochen um Rod zu suchen, fand ihn auch schließlich auf dieser kleinen Anhöhe, von der man das Schloss von weitem beobachten konnte. Dort stand der Azeel unbeweglich und starrte mit leerem Blick vor sich hin.

Asbar war am Ende seiner Kräfte.

„Sie haben es verdient, Asbar. Sie haben gemordet, nur um noch weitere Menschen ermorden zu können und dann haben sie sich hingesetzt und gegessen und getrunken als wäre nichts gewesen.“

„Aber was hast du gerade getan Rod?“ Noch immer im Gras kniend starrte Asbar den anderen fassungslos an, dessen Blick immer noch in die Ferne gerichtet war. „Verdammt, was glaubst du denn, wie das heißt, was DU gerade getan hast? Du hast ein Massaker veranstaltet, kaum jemand hat überlebt, und diejenigen die das zweifelhafte Glück hatten, werden ihr Leben lang Brandmale mit sich herum tragen, sie werden Krüppel…“

„Und was ist mit den Leuten in Kimalda? Hat jemand danach gefragt?!“ Nun endlich richtete Rods Blick sich auf seinen Gefährten. Es war das erste Mal, seit sie aus dem anderen Dorf aufgebrochen waren, dass er Asbar wieder bewusst anblickte. Aber was in seinen Augen zu lesen war, ließ Asbar noch mehr das Blut in den Adern gefrieren, als alles vorher gegangene.

„Rod, in der Halle dort waren auch Kinder; da waren auch eine Menge Leute, die damit nichts zu tun hatten, du hast sie getötet! Ist dir das überhaupt klar?!“ Mit letzter Kraft rappelte Asbar sich noch einmal auf und packte sein Gegenüber am Kragen. „Verflucht, du bist doch derjenige, der das immer gesagt hat, du warst derjenige, der dafür eingestanden hat, dass Vergeltung der falsche Weg ist! Vor Maruka damals hast du genau das abgelehnt, deine Macht zu nutzen um über andere zu richten. Alle bewunderten dich für diese Stärke, es ist das, was dich ausmacht, du stehst für das Gute!“

„Ach ja und was ist das denn bitte, das Gute? Wo ist es? Es muss ich irgendwo verdammt gut verstecken, ich kann es nämlich nicht finden! Ich hab mir was vorgemacht Asbar, ich dachte ich könnte etwas für die Menschen tun, aber nein, sie treten alles mit Füßen! Welchen Sinn macht das alles noch?“
 

Asbar war verzweifelt. Er blickte in Rods Augen, in denen Wut und Verzweiflung sich in Tränen sammelten. Er hätte es wissen müssen, er hätte ahnen müssen, dass es so kommen konnte. Anzeichen hatte es genug gegeben, die Verzweiflung hatte sich Stück für Stück in Rods Seele gefressen und er hatte die ganze Zeit nur zugesehen, sich immer eingeredet, dass es sich geben würde, das es nicht so schlimm sei. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er hatte versagt, er hatte auf ganzer Linie als Freund versagt!

„Rod, bitte, bitte hör auf damit…“ Asbars Hände wanderten vom Kragen zu den schmalen und doch kräftigen Schultern des anderen, während seine Stimme nur noch ein Flüstern und sein Blick ein Flehen war. „Lass nicht zu, das das mit dir geschieht, das bist nicht du…“

Einen Moment lang sah er in Rods Augen etwas aufblitzen, eine Art Unsicherheit, Hilflosigkeit, der Wunsch, noch einmal umzukehren, das Ganze nur einen vergänglichen Albtraum sein zu lassen, aber es war zu spät. Nur eine Sekunde hatte es gedauert, dann kehrte dieser harte Ausdruck wieder zurück in die rehbraunen Seelenfenster. Er trat zurück, worauf Asbars Hände kraftlos von seinen Schultern fielen und drehte sich um, ging inmitten der einbrechenden Dunkelheit fort.

„Tu es nicht Rod… tu das nicht…“ flüsterte Asbar noch einmal, aber der andere war bereits unerreichbar.
 

~*~
 


 

„Gibt es schon etwas Neues?“

Titius fuhr ein wenig zusammen, als er unerwarteter weise Hildas Stimme hinter sich hörte. Er hatte für einen Moment aus dem Fenster gestarrt und musst gedanklich abgeschweift sein. Er drehte sich zu der jungen Frau um, die die ansonsten leere Bibliothek betreten hatte.

„Nein, noch nichts. Eigentlich müssten sie inzwischen einen Boten geschickt haben, der von der Lage berichtet, aber noch ist er nicht eingetroffen.“

„Das kann ein gutes Zeichen sein… vielleicht gibt es einfach nicht viel zu berichten. Sie haben die Mission schon erfüllt und sind bereits auf dem Heimweg. Sind ja immerhin schon fast zehn Tage, die sie fort sind, “ meinte Hilda in aufmunterndem Tonfall, stellte sich neben Titius ans Fenster.

Dieser zuckte mit den Schultern. „Ich glaube kaum, dass sich ein solches Gefecht in so kurzer Zeit zu Ende bringen lässt. Glaubt nicht das, was Zadei so erzählt. Wenn es nach ihm ginge, würde er einfach einmal mit den Fingern schnippen und der ganze Gebirgszug mitsamt Lebewesen wären einfach weg, aber so leicht wird es wohl kaum sein.“ Titius war sachlich und herablassend wie immer, wenn es um Zadei ging. Hilda musterte ihn von der Seite.

„Also ich mache mir schon ein bisschen Sorgen. Du nicht?“ fragte sie mit der gleichen naiven Stimmlage, die Sherril oft an den Tag legte.

„Nicht mehr als nötig“, antwortete Titius knapp und Hilda wollte gerade zu einem Kommentar ansetzen, um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken, als vom Hof her plötzlich ein kleiner Tumult zu hören war. Beider Blicke wanderten sofort zum Fenster, von wo aus man erkennen konnte, dass ein Gefangener hereingeführt wurde, Details ließen sich allerdings nicht ausmachen.

Darauf konnten weder Titius noch Hilda sich einen Reim machen und schon verließen sie die Bibliothek in Richtung Hof. Auf halbem Weg rannte ihnen schon ein Dienstmädchen in die Arme, stieß gegen Hilda und fiel beinahe mit ihr zusammen zu Boden, hätte diese sie nicht geistesgegenwärtig ausbalanciert.

„Lady Hilda…Verzeiht, ich dachte ich sage euch so schnell wie möglich Bescheid. Dort unten im Hof haben sie einen Gefangenen herein gebracht. Er will mit Herrn Laures sprechen. Ich kenne seinen Namen nicht, aber ich habe ihn schon einmal gesehen, ich glaube es ist ein Freund von Euch.“ Verwundert sah Hilda das Dienstmädchen an, welches schon genauso lange auf dem Schloss war wie sie selber. Dann aber verlor sie keine weitere Zeit, dankte der jungen Frau und eilte weiter mit Titius zusammen zum Hof.

Dort angekommen, entfuhr ihr ein Laut der Verwunderung.

„Asbar!“ rief sie und lief dem Freund aus alten Tagen freudig entgegen, verlangsamte ihr Tempo aber abrupt, als ihr Asbars Blick entgegenschlug. Kalt und abweisend starrte er sie an, schien keinesfalls gewillt, ein fröhliches Wiedersehen zu feiern. Schnell sammelte sie sich. Nun, die Tatsache, dass er überhaupt hier in der Dämonenwelt aufkreuzte, von Wachen hereingeführt wurde, und überdies Rod nicht dabei war, ließ wohl kaum auf einen Freundschaftsbesuch schließen. Millionen von Fragen taten sich plötzlich auf.

„Lasst ihn los, er ist ein… Freund von mir“, wies sie die Wachen an, die sich aber nur unschlüssig gegenseitig ansahen. Laures Anweisungen, was Eindringlinge anging, waren sehr eindeutig und sie waren nicht sicher ob es sie nicht Kopf und Kragen kosten konnte, den Befehlen der jungen Lady zu folgen. Zum Glück löste sich dieses Problem, als der Dämonenherrscher selbst erschien. Durch das hohe Eingangsportal kam er geschritten, ruhig und bedächtig, doch auch an ihm war, für das geübte Auge zumindest, ein gewisses Maß an Überraschung und auch Unwillen zu erkennen.

„Asbar, was führt dich hierher?“

Der schwarz gekleidete Mann mit den zornigen Augen funkelte den Dämonenkaiser an und auch an seiner Stimme konnte man erkennen, dass es ihn keineswegs erfreute, hier zu sein.

„Ich bin gekommen um mit dir zu reden, Laures. Aber als ich die Dämonenwelt betreten hatte und auf das Schloss zukam, wurde ich von deinen Leuten hier festgenommen.“

„Sie haben Anweisung, jede fremde Person, die sich nähert erst einmal mit Vorsicht zu behandeln. Aber sag mir, es muss was sehr Wichtiges sein, wenn du extra hier her kommst und meine Zeit stiehlst.“

„Ist es. Glaub mir, wäre es nicht wichtiger als mein eigenes Leben, ich wäre nicht gekommen.“
 

Einen Moment herrschte Schweigen im Hof. Nur durch Rod war die Feindschaft zwischen Laures und Asbar eine Stufe zurück gesunken auf schlichte Ablehnung und eine stillschweigende Akzeptanz, was natürlich nach wie vor nichts Positives war. Das Asbar hier war konnte nichts Gutes verheißen.

Schließlich machte Laures eine Handbewegung, die den Wachen bedeutete, den Gefangenen los zu lassen. Dann drehte er sich um und bat seinen Besucher, ihm zu folgen. Auch Hilda und Titius schlossen sich, nachdem sie einen Blick miteinander gewechselt hatten, an.

Doch der Weg in den Thronsaal war lang und Hilda konnte sich nicht länger zurückhalten.

„Asbar, was ist passiert, wo ist Rod?“

Aber der Halbdämon warf ihr nur einen weiteren, funkelnden Blick zu. Stark musste er sich zusammenreißen, um nicht einen Kommentar wie „Ach, das interessiert dich?“ fallen zu lassen, der ihm Laures Bereitschaft, ihm überhaupt zuzuhören, sehr schnell entzogen hätte. Und das durfte nicht sein, er hatte dieses Opfer gebracht, war hier her gekommen und würde seinen Stolz hinunterschlucken, um sein Ziel zu erreichen, und das durfte er sich nicht selber kaputt machen. Doch stellte er fest, dass die reine Anwesenheit dieser Frau ihn reizte. Er hatte ihr verziehen… Er hatte in den letzten Jahren nicht mit Hass an sie gedacht, hatte wie Rod den Weg, den sie eingeschlagen hatte, akzeptiert. Zumindest hatte er das geglaubt. Aber nun, durch die Entwicklung der Situation, kam alles wieder hoch. Sie allein war im Grunde schuld, dass es so weit gekommen war. Sie… das einzige, was Rod jemals in seinem Leben gewollt hatte, ausgerechnet sie hatte sich von ihm abgewandt, sich auch noch mit seinem ärgsten Feind eingelassen. Was hatte er alles wegen dieser Frau ertragen… Alles, alles hatte er durch sie verloren! Dieses Wesen mit den langen goldenen Haaren, das da neben ihm her schritt und mit strahlend blauen Augen Interesse an Rods Verbleib heuchelte… Wo war sie gewesen in all den Jahren? Hatte sie auch nur ein einziges Mal nach ihm gefragt? Hatte sie sich auch nur einmal gefragt, ob es ihm denn gut ging, was er tat? Diese Schlange!

Als er sie so ansah, bemerkte er plötzlich den Blick des geflügelten Dieners Laures, der ihn musternd ansah und wie nebenbei Hilda am Arm fasste und ein wenig von Asbar wegzog.

„Ich denke wir werden es gleich erfahren, habt noch ein wenig Geduld, Lady Hilda“, sagte Titius ruhig, ließ Asbar aber keine Sekunde aus den Augen. Dieser hatte unwillkürlich das Gefühl, dass der andere ahnte, was in seinem Kopf vorging und er schwor sich, sich von nun an mehr zusammen zu reißen. Er durfte es jetzt nicht vermasseln!
 

Endlich waren sie im Thronsaal angekommen, Laures ließ sich auf dem steinernen Thron nieder und seine Frau und sein Diener stellten sich zu ihm. Hilda hatte zwar auch einen rechtmäßigen Platz, einen Thron an der Seite ihres Gemahls, aber es war ihr unangenehm sich darauf zu setzen, besonders jetzt.

„Nun, weshalb bist du hier?“ Der steinerne Saal verlieh Laures Stimme einen hallenden Ton.

Asbar war keineswegs eingeschüchtert und das hatte auch keiner erwartet.

„Es ist etwas Schreckliches geschehen. Oben gerät alles aus dem Gleichgewicht“, eröffnete Asbar seinen Bericht und allen war klar, das mit „oben“ die Menschenwelt gemeint war. „Es geht um Rod. Er…“ Asbar hielt inne. Obwohl er tausendmal in Gedanken durchgespielt hatte, wie er Laures das Geschehene erklärte, steckten die Wort nun wie ein Kloß in seinem Hals fest.

„Was ist mit unserem strahlenden Helden? Hat er keine Lust mehr auf die Heldennummer und will mir Konkurrenz machen?!“ hakte Laures, dem diese Pause zu langwierig wurde, mit einem freudlosen Lächeln nach.

„Wenn du wüsstest wie ernst die Lage ist! Rod ist völlig außer sich, er benutzt seine Kräfte nun, um Menschen zu töten!“

„Das ist überhaupt nicht möglich!“ rief Hilda nun, „Wie kann das sein, wir sprechen hier von Rod!“

Funkelnde Augen schickten ihr tausend Dolche entgegen. „Er ist am Ende, Hilda! Hast du auch nur eine Ahnung, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen ist? Er hat jeden Lebensmut verloren, er hat aufgegeben. Ja, Rod ist sehr stark und vor Jahren hätte ich es mir auch nicht vorstellen können, aber im Laufe der Jahre scheint er langsam den Glauben an das Gute im Menschen verloren zu haben. Zu viele Kriege, zu viel Leid. Jetzt glaubt er, der einzige Weg, dem Einhalt zu gebieten ist, alle Verantwortlichen aus der Welt zu schaffen.“

Hildas presste die Lippen aufeinander. Sie hörte sehr wohl den stillen Vorwurf, der ihr gemacht wurde. Asbar sah also zum Teil in ihr die Verantwortliche für all das? Nein, sie war mit Rod in Frieden auseinander gegangen, er hatte es akzeptiert. Natürlich tat es ihr nach wie vor Leid, diesen ihren wertvollsten Freund verletzt zu haben, aber die Entscheidung die sie getroffen hatte, würde sie immer wieder treffen. Sie liebte Laures, heute wie damals und sie war ehrlich zu sich und Rod gewesen. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen!

„Ich kann es dennoch nicht glauben! So etwas würde er niemals tun!“

„Ach nein, dann sie es dir an! Sieh dir an, wie viele Burgen er in den letzten Tagen in Brand gesteckt hat! Er reitet durchs Land und bestraft jeden, bei dem er es für richtig hält, auf grausame Art und Weise.“

Laures, für den das Gespräch eine unangenehme Richtung einschlug, da er seiner Frau ansehen konnte, wie es sie emotional mitriss, mischte sich nun zum ersten Mal ein.

„Nun, dann hat Rod ja endlich begriffen, das die Menschenbrut sich im Großen und Ganzen keineswegs besonders von den Dämonen unterscheidet. Eine weise Erkenntnis! Auch ich bin zugegebenermaßen ein wenig überrascht von seinem Verhalten und das ganze ist mit Sicherheit keine erfreuliche Situation für die Menschen, aber was habe ich damit zu tun? Ich habe seit den Vorkommnissen damals die Dämonen aus der Menschenwelt ferngehalten, wofür ihr mir dankbar sein solltet. Es geht mich nichts an, was von nun an dort oben vorgeht.“

„Laures!“ Seine Gemahlin hatte sich ihm nun zugewandt und starrte ihn ungläubig an.

„Glaub mir, ich habe mir lange genug überlegt, überhaupt hier her zu kommen und mich dermaßen zu erniedrigen dich um Hilfe zu bitten, aber die Situation lässt mir keine andere Wahl. Rod ist zu stark, niemand kann ihn aufhalten. Das einzige Wesen, das ihm ebenbürtige, wahrscheinlich sogar überlegene Kraft besitzt, bist nun mal du Laures!“ Asbar holte einmal tief Luft, er hasste sich in diesem Moment, er hasste Laures und die blonde Frau neben ihm, aber er musste alles tun was er konnte. Und so sank der nun auf die Knie vor dem Dämonenherrscher, senkte seinen Kopf und bat noch einmal: „Bitte, halte Rod auf. Bitte.“
 

Einen Moment lang herrschte Stille im großen Thronsaal… Bis sie nach einigen Sekunden von einem monotonen „Nein“ von Laures unterbrochen wurde.

„Aber Laures! Wir können doch nicht einfach hier sitzen und zusehen, wie Rod alle anderen und sich selbst zerstört!“ wandte Hilda sich nun energischer an ihren Gemahl.

„Damit habe ich nichts zu tun. Im Grunde haben die Menschen es ohnehin nicht anders verdient. Sie sind nun einmal zerstörerisch und wertlos. Vielleicht sollte es ja so kommen. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Menschheit durch ihren einst größten Retter ausgelöscht wird.“

„Ach ja? Ich bin auch ein Mensch und du warst auch einmal einer, vergiss das nicht!“ rief Hilda nun zornig, aber dann geschah das mit ihr, was in solchen Momenten immer passierte. Ratlosigkeit und Verzweiflung wandelten sich bei ihr in Stärke und Entschlossenheit. Trotzig reckte sie ihr Kinn. „Nun gut, aber es ist ohnehin nicht wichtig, was du tust oder nicht, denn ich werde gehen und mit ihm reden. Bestimmt lässt er sich wieder zur Vernunft bringen.“

„Nein!“ Nun war der sonst so zynische Laures aufgesprungen, mit einem Mal gar nicht mehr so ruhig. „Nein, du wirst nicht gehen! Das ist viel zu gefährlich!“

„Rod ist mein Freund. Er wird mir zuhören. Ich weiß dass Rod kein Böser Mensch ist, ich werde ihn wieder zur Vernunft bringen.“

„Nein, das werde ich nicht zulassen!“

Auch Asbar protestierte mit gepresster Stimme: „Ich glaube in der Tat, dass dein Erscheinen die Sache unter Umständen noch verschlimmern könnte…“
 

Titius, der sich die ganze Zeit zurückgehalten hatte, beobachtete alle Gesprächsteilnehmer nach wie vor kritisch. Grundsätzlich stimmte er Laures zu; die Vorgänge in der Menschenwelt gingen sie wirklich nichts an, die Welten waren getrennt und das sollte auch so bleiben. Aber er wusste, wie Laures dachte und was geschehen würde. Bei Gott, er wusste es.
 

Hilda schien den Einwand Asbars zu akzeptieren. Sie sah ihren Gemahl ernst an, ihre Stimme hatte nun keinen streitsüchtigen Ton mehr, sondern war eindringlich und bittend zugleich. „Laures, er ist mein bester Freund. Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt. Das hat er nicht verdient, er hat soviel für mich getan. Bitte hilf ihm.“

Einen stillen Moment lang tauschten die beiden Blicke aus, dann nickte Laures, endlich wieder völlig ruhig.

„Wenn es dein Wunsch ist. Nun gut, ich werde mir die Sache einmal ansehen.“

Titius seufzte kaum hörbar. Es war vorherzusehen gewesen. Laures würde alles tun, um seine Gemahlin nicht traurig zu machen. Und das, obwohl ihm diese Sache mehr als zuwider sein musste. Rod war sein Rivale, er hätte Hilda damals fast an ihn verloren. Bekämpft hatten sie sich, bis aufs Blut. Und natürlich musste es ihn zusätzlich verstimmen, das Hilda noch immer Gefühle für Rod hegte, wenn auch freundschaftliche. Aber im Gegensatz zu Zadei war Laures in der Lage, seine Eifersucht unterzuordnen und sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. Titius musste unwillkürlich fast ein wenig lächeln. Ja, Zadei hätte das auch für ihn getan, wenn er ihn so darum gebeten hätte, wie Hilda gerade den Dämonenfürsten, nur hätte Zadei die Sache erledigt, indem er Rod einfach den Kopf abgerissen hätte. Problem gelöst.
 

Hilda und Asbar schienen gleichermaßen erleichtert. Und auch wenn letzterer einen tiefen Groll gegen Hilda hegte, so wusste er, dass er es ihr zu verdanken hatte, dass Laures sich dazu bewegen ließ, ihm zu helfen und das er Rod nicht einfach angreifen würde, wenn sie sich begegneten. Und offenbar hatte der Dämonenfürst auch nicht vor, Zeit zu verschwenden.

„Asbar, wir brechen zusammen in die Menschenwelt auf. Zeig mir, wo ich ihn finden kann.“

Damit brachen die beiden Männern, die in der tat eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit aufwiesen, auf und Hilda und Titius blieben allein in der riesigen Halle zurück.
 

Hilda blickte den beiden mit leerem Blick hinter her und als sie verschwunden waren, sagte sie nach einer Weile: „Er hasst mich. Hast du diesen Blick gesehen?“

„Ist mir nicht entgangen“, antwortete Titius.

„Was habe ich denn getan? Ich bin meinem Herz gefolgt, kann man mir das vorwerfen? Wäre es anders gewesen, hätte ich mich für Rod entschieden, wäre Laures der Verletzte gewesen. Egal was ich tue, ich bin die Schuldige…“

„Nein, dass seid Ihr nicht, Lady Hilda. Was auch immer dort oben mit dem armen Teufel vor sich gehen mag, Euch ist nichts vorzuwerfen. Nicht einmal denken solltet Ihr das.“

Hilda warf dem Mann einen Blick zu, der ihr einst selbst nach dem Leben getrachtet hatte, weil er in ihr die Wurzel allen Übels gesehen hatte. Titius verstand diesen Blick und sah etwas verlegen zur Seite.

Leise sagte er: „Die Liebe stellt seltsame Dinge an mit einer Seele. Man neigt sehr schnell zu vorschnellen Schlüssen, ohne die Sache genauer zu betrachten. Und manche gebärden sich unter ihrem Einfluss toller als andere. Wir glauben, immer die Entscheidung getroffen zu haben, die wir für richtig hielten, aber haben wir eigentlich wirklich die Wahl?“
 

Das „wir“ war nicht so allgemein gemeint, wie es klang. Titius räumte hiermit ein, dass er und Hilda in dieser einen Sache etwas gemeinsam hatten. Auf sie beide wirkte jemand ein, dessen Liebe etwas sehr Dominantes und Besitzergreifendes hatte. Aber das war nicht alles, worauf er hinaus wollte:

„Ich meine, die Frage ist, wäre es nicht früher oder später ohnehin so gekommen? War es nicht vielleicht weniger Eure Entscheidung, sich Laures und nicht Rod zuzuwenden, als vielleicht Schicksal? Vielleicht ist es so vorbestimmt gewesen, hätte niemals anders verlaufen dürfen.“

Hilda lächelte ein wenig. „Nun, das ist eine sehr interessante Art, jegliche Schuld von sich zu weisen. Wenn alles Schicksal ist, sind wir für nichts verantwortlich. Wir haben gar keine echte Entscheidungsfreiheit. Ist es das, was du sagen willst?“

Titius überlegte. „Ich weiß es nicht. Ich denke nicht, dass wir auf nichts Einfluss haben. Vieles liegt mit Sicherheit in unserer Hand, aber anderes wiederum vielleicht nicht unbedingt. Ich… wie sonst hätte es dazu kommen können, dass Zadei und ich uns zusammen tun. Ich habe das nicht gewollt und es war niemals logisch. Und dennoch ist es so. Wenn das nicht so etwas wie das Schicksal ist… eine andere Erklärung habe ich nicht.“

Hilda schwieg einen Moment, während Titius noch immer etwas betreten und nachdenklich zur Seite blickte. Selten gab der Engelsdämon etwas von seinen Gedanken preis, noch dazu etwas so Persönliches. Die junge Frau legte eine Hand auf seinen Arm.

„Vielleicht sollten wir uns nicht immer die Frage nach dem „Wie“ und „Warum“ stellen. Letztendlich zählt doch, ob man mit der Situation zufrieden ist oder nicht? Ich bin sehr glücklich wie es ist… Ja, es ist sehr gut so. Letztendlich ist es doch eigentlich egal, warum es so gekommen ist, ob nun Schicksal oder eigene Entscheidung. Du hast recht, ich brauche mir nichts vorzuwerfen, was auch immer Asbar oder der Rest der Welt denkt. Ansonsten…was mir nicht egal ist, ist wie es Rod ergeht. Er bedeutet mir viel und auch wenn Asbar es mir nicht glauben würde, ich habe sehr oft an ihn gedacht, nur hielt ich es für das richtige, mich nicht bei ihm blicken zu lassen, auch wenn ich den Wunsch danach hatte. Und jetzt, wo es im so schlecht geht, will ich ihm helfen. Zumindest einen Teil von dem, was er für mich getan hat, will ich wieder gut machen. Es fällt mir nur sehr schwer, die Sache Laures zu überlassen, am liebsten würde ich selbst…“

„Kommt nicht einmal auf den Gedanken, Lady Hilda!“

„Ja ja, ich werde schon nichts tun. Ich werde brav hier bleiben und warten, was Laures zu berichten hat.“

Endlich wieder fröhlich, zwinkerte sie Titius zu. Auf dessen Lippen zeigte sich ein leichtes Lächeln, das leider nicht ganz echt war, denn plötzlich war ihm seltsam schwer ums Gemüt. Aber dennoch freute er sich, Hilda aufgemuntert zu haben. Er nickte ihr zu und dann setzten sie sich in Bewegung, verließen zusammen den Thronsaal.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Legoory
2010-08-26T15:55:37+00:00 26.08.2010 17:55
Interessante Vorstellung, dass Rod alles auslöscht. Die Guten wie die Bösen. Nur wo hört das auf? Wenn alle tot sind? Wenn nur noch die "Netten" leben? Oder wenn die Welt komplett still ist, die Menschen-, wie die Dämonenwelt?
Charon hat auf ihn abgefärbt. Gut, dass er langsam erwacht.
Ich hoffe, dass Laures nichts ausrichten kann. Das wäre wirklich interessant...
Von:  Beelze
2008-07-02T19:16:36+00:00 02.07.2008 21:16
Ju hu was neues!
gleich lesen!
*Kapitel schnap und abdüs!*


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