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Wenn ich mich heute an die letzten Jahre zurück erinnere, sehe ich in fast allen meinen Gedanken das Grauen eines nicht enden wollenden Kampfes - eines Krieges, dessen Beginns ich mich kaum mehr erinnern kann, dessen Grund zwar bekannt, aber doch unverständlich ist.

Es gibt fast keinen mehr, der noch weiß, wie es sich anfühlt nicht kämpfen zu müssen, ob nun für das eigene Überleben, eine Idee, einen Traum.

Die meisten begrenzen sich darauf irgendwie durch zu kommen, nicht der so genannten Justiz zum Opfer zu fallen. Sie begrenzen sich darauf sich an Gesetze zu halten, die jemand gemacht hat ohne darüber nach zu denken, sie klammern sich an kleine Papierfetzen, die ihnen ihre Lebensmittelration zuteilt, oder an kleine Jobs für die sie die ein oder andere zusätzliche Marke bekommen, oder auch mal den einen oder anderen Dollar - hab ich schon die Umstellung der Währung auf Dollar erwähnt? - dann hab ich das jetzt getan. Sie verhalten sich ruhig, aber irgendwann steht mitten in der Nacht ein Trupp Bewaffneter in ihrer Wohnung, sie bekommen eine Nummer auf den Arm gestempelt und dann ab in einen Laster - Verhör oder gleich Lager - Tod.

Das passiert hier jeden Tag, jede Nacht, aber nur wenige wollen etwas dagegen tun … einer von denen bin ich geworden.

Am Anfang wollte ich das nicht - ich wollte mein Studium beenden, vielleicht eine passable Stelle bekommen und der Rest hätte sich auch irgendwie ergeben … aber so lief es dann nicht.
 

Es lief alles schief, nicht einmal ein Jahr nach dem Einmarsch der Amerikanischen Truppen in Europa bin ich auch schon wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz festgenommen worden. Das war 2009, in meinem letzten Semester an der Uni … naja, ich hab zu der Zeit gerade an meiner Doktorarbeit geschrieben - jedenfalls hörte ich im Treppenaufgang des Hauses, in dem ich zur Miete wohnte, die lauten Schritte und den Lärm, den ich das letzte mal hörte als sie die Stadt eingenommen haben. 20 Soldaten stürmten das Haus … ich dachte, sie würden die Wohnung im dritten Stock hops nehmen - der Vater der Familie war schließlich Moslem und die Paranoia der Amerikaner diesbezüglich ist einfach abnormal. Wer Moslem ist, der sitzt schon deshalb in einem Interventionslager.

Leider stürmten sie nicht in den dritten Stock sondern in meine Wohnung. Es ging alles sehr schnell, das muss man ihnen zumindest lassen. Kaum waren sie in der Wohnung hatte ich auch schon Handschellen angelegt bekommen und die fingen an “Beweismaterial” zu suchen. Viel zu finden ist da nicht, dachte ich - ein weiterer meiner Irrtümer. Von denen gab es in dieser Zeit zu meinem Pech sehr viele, was sich nicht unbedingt positiv auf mein weiteres Leben ausgewirkt hat - im Gegenteil … alles danach war nur noch schlimmer.
 

Aber ich beginne zunächst einmal in der Zeit, in der der Krieg hier in Europa noch nicht begonnen hatte.

Ich hatte 2004 mit meinem Medizinstudium begonnen, war deshalb auch von zu Hause weg nach München gezogen, und das sind immerhin 320 Kilometer Luftlinie. Nun ja, dann fand ich diese nette kleine Wohnung in Sendling, lernte meine beiden Mitbewohner und ein halbes Jahr später auch die neue Mitbewohnerin kennen, das Zimmer in welches sie eingezogen ist, mussten wir erst noch fertig renovieren. In unserer WG haben sich, bis auf kleinere Streiterei den Abwasch betreffend, eigentlich alle gut verstanden, es gab keine Probleme, bis zum Schluss.

2008 verließ dann Alec die WG, er hatte sein Staatsexamen und eine Stelle in einer Kanzlei in Augsburg bekommen, 2009 sollten eigentlich Thomas und ich unsere Doktortitel bekommen, aber daraus wurde dann nichts mehr - uns kam der Einmarsch der amerikanischen Truppen in Europa dazwischen.

Der Einmarsch begann bereits im Spätsommer 2008, Ende September. Ich weiß noch, dass der Sommer in diesem Jahr wirklich schön war, viel Sonne, ab und an ein Sommergewitter und angenehme 30 - 35°C. In diesem Sommer habe ich auch meine beste Freundin und meinen besten Freund das letzte mal gesehen, Sie ist für ein Semester in die Türkei gegangen, er nach Südafrika.

Ich bin hier geblieben, habe mein letztes reguläres Semester begonnen. Wir haben uns bis Ende September regelmäßig geschrieben. Dann kam der Einmarsch, Kontaktsperre, Ausgangssperre und Sperrstunde, Aufhebung der Pressefreiheit, Versammlungsverbot und Lebensmittelkarten. Naja - das ist ja nun nicht das schlimmste.
 

Das schlimmste ist, dass ich jetzt seit etwa einem Monat hier in diesem Lager sitze. In Block drei, zusammen mit 392 Männern, derzeit. Heute werden wieder neue kommen … gerade als wir mal wieder genug Platz haben, jeder in dieser Halle ein Bett für sich hat. Ich schätze, dass mit dem nächsten Zug etwa 400 Männer ankommen werden, und alle in unsere Halle.

Aber das ist auch egal, schließlich kann ich morgen schon tot sein. Wenn nicht, dann eben an dem Tag danach.

Auch das ist egal. Im Grunde genommen ist hier alles egal.
 

Ach - sicher ist noch interessant, was ich damit meinte, dass ich zu einem von denen wurde, die sich nicht in den Terror fügten.

Ich habe, trotz des Versammlungsverbotes einmal in der Wioche mit einigen Kindern aus dem Mietshaus Fussball gespielt, dabei habe ich Thomas kennen gelernt. Er bat mich, in der Uni doch etwas für ihn herauszufinden, und ich dachte mir nichts dabei, schließlich wollte er nur etwas über die Entwicklungsstadien von Viren wissen. Da ich Medizin studiert habe, war das kein Problem, zumindest bis mitten in der Nacht ein Trupp Amerikaner in meinem Zimmer stand, mir Handschellen anlegte und alles durchsuchte.
 

“Nummer 2303200992, Nummer 2502200904, Nummer … ANTRETEN !”



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