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Kunan

Das Amulett von Thana
von

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Die Fremde

Die Fremde
 

Sie blieben noch eine Weile und redeten miteinander. Luca erfuhr, dass Masanaris Vater in Narac, eine wichtige Handelstadt für Kunan, eine Schmiede hatte.

„Aber warum bist du hier und nicht bei deinem Vater?“, fragte Luca nach. Masanari blickte traurig auf den Bach, der ruhig dahinplätscherte und antwortete: „Er ist einige Jahre nach meiner Geburt von hier weg -gegangen. Ich kenne ihn also kaum.“ Doch nun wollte Luca mehr erfahren.

„Aber warum ist er fortgegangen, wenn er hier doch seine Familie hatte?“

Masanari schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht“, sagte er nachdenklich. „Vielleicht hatte er Ärger mit meiner Mutter. Aber sie selbst hat ihn nie erwähnt. Nur als ich einmal nachfragte, wo denn mein Vater wäre, antwortete sie nur, er hätte eine Schmiede in Narac.

Woher sie das wusste, habe ich bis heute noch nicht erfahren.“

Masanari stand auf. „Komm, wir gehen.“ Luca streichelte Shima ein letztes Mal. „Tschüss, Shima. Hat mich sehr gefreut, dich kennen gelernt zu haben.“ Shima bellte kurz und schaute ihnen traurig nach, wie die beiden Jungen den Wald betraten und sich zurück durch das Dickicht schlugen. Doch als sie gerade ein paar Schritte auf dem Pfad gelaufen waren, hörten sie plötzlich das laute Gejaule eines Hundes.

Masanari und Luca sahen sich erschrocken an.

„Was…“, doch Luca packte Masanari am Arm und zog ihn zurück zur Lichtung. Dort angekommen sahen sie Shima, die ausgestreckt auf dem Boden lag. Offenbar war sie bewusstlos, denn sie rührte sich nicht, als Masanari ihren Namen rief.

Die Freunde stürzten auf sie zu.

„Was ist hier passiert?“, fragte Luca. Masanari hockte sich hin und betrachtete eine lange Wunde an der Seite der Hündin, die stark blutete.

„Oh, Shima, wer hat dir das angetan?“ Tränen standen in seinen Augen.

Luca blickte sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Aber er spürte etwas in sich, was er nicht kannte. Es war eine Mischung aus Furcht und dem Gefühl, als ob er beobachtet werden würde. Er blickte gen Himmel und was er dort sah, hatte er noch nie gesehen.

Es war eine Art Drache in der Größe eines Pkws mit schwarzen Flügeln, der mit rot leuchtenden Augen auf sie herabblickte. Sein mit Stacheln besetzter Schwanz peitschte in der Luft.

Luca wollte gerade Masanari darauf hinweisen, dass er wüsste, wer die Hündin angegriffen hatte und sie wahrscheinlich als Nächstes dran waren, wenn sie nicht sofort von hier verschwanden, da machte der Drache sein Maul auf, – Luca blickte auf rasiermesserscharfe, dünne Zähne- und brüllte markerschütternd.

Es war nicht mehr nötig, Masanari darauf hinzuweisen, denn dieser schaute nun erschrocken hinauf in den Himmel.

„Was…“, doch mehr kam nicht aus ihm heraus. Auch Luca war nach diesem Schrei wie versteinert. Er wollte Masanari packen, der Shima auf dem Arm hielt, um mit ihm zu flüchten, konnte sich aber nicht rühren vor Angst.

Als das Wesen im Sturzflug auf sie zugeflogen kam, spürte Luca plötzlich kurz etwas Heißes an seiner Brust. Dies riss ihn aus seiner Angst.

Er packte Masanari mit Shima noch rechtzeitig, bevor der Drache sie erreichte und stoss sie beiseite. Damit hatte er wahrscheinlich ihr Leben gerettet, denn dort, wo sie gestanden hatten, hatte der Drache eine lange Schneise an aufgerissenem Boden hinterlassen.

Luca blickte sich nach dem Wesen um, musste jedoch nicht lange suchen, denn dieser kam erneut im Sturzflug auf sie zu.

Dieses Mal konnte Masanari sich selbst retten. Er sprang nach rechts und Luca rettete sich nach links, was den Drachen anscheinend so verwirrte, dass er weiter geradeaus flog und in einen großen Baum hineinkrachte,

vor dem die beiden eben noch gestanden hatten.

Der Drache blieb benommen liegen.

Masanari lächelte erleichtert. „Ich glaube, wir haben ihn besiegt.“ Er wollte schon vorsichtig auf das unheimliche Wesen zugehen, um es sich genauer anzusehen, doch Luca hielt ihn zurück.

„Wir sollten besser von hier verschwinden und Hilfe holen, denn ich glaube, er wird bald wieder aufwachen“, sagte Luca unruhig.

„Also gut“, sagte Masanari. „Du hast Recht. Außerdem braucht Shima dringend ärztliche Hilfe.“

Er trug Shima immer noch auf dem Arm. Seine grüne Tunika war schon ganz rot von dem Blut aus der Wunde. Luca fragte sich, wie lange Masanari Shima überhaupt noch tragen konnte, traute sich aber nicht nachzufragen, ob er sie für ein kurzes Stück nehmen sollte.

Denn er wusste, dass dieser ablehnen würde. Er war viel zu stolz, um Hilfe anzunehmen.

Der Schwanz des Drachen zuckte.

Luca sah Masanari erschrocken an und sie liefen so schnell wie sie konnten durch das Dickicht zurück zum Pfad. Aber Luca war so in Panik, dass er nicht bemerkte, dass sie an einem Dornenbusch vorbeiliefen, der ihnen einen Zweig entgegengestreckt hatte, den Masanari wie im Schlaf übersprang. Doch Luca, der die schreckliche Angewohnheit dieser Büsche ganz vergessen hatte, stolperte darüber und fiel hin. Er rappelte sich schnell auf und lief hinter Masanari her.

Als sie aus dem Wald herauskamen, hörten sie erneut diesen Schrei; Luca drehte sich im Laufen um und blickte auf den Drachen, der zum dritten Mal auf sie zugeflogen kam.

„Schneller!“, rief Luca. Masanari hatte sich auch umgedreht, als der Schrei des Ungeheuers erklang, doch plötzlich strauchelte er, fiel hin und ließ Shima fallen, um sie nicht unter sich zu begraben. Luca, der die ganze Zeit dicht hinter ihm gelaufen war, konnte nicht mehr abbremsen und fiel über ihn. Jetzt ist es aus, dachte Luca.

Doch es passierte etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Der Drache öffnete sein Maul und war schon gefährlich nahe, als blendend helles

Licht – wie das eines großen Blitzes- Lucas Augen blendeten; dann ein Knall. Das Ganze kam ihm so vor wie in Zeitlupe.

Als Luca wieder etwas sehen konnte, lag der Drache einige Meter ausgestreckt vor ihnen. Luca und Masanari starrten ihn irritiert an.

„Was war das“, fragte Masanari vorsichtig. Luca ging einige Schritte näher an den Drachen. „Ich würde nicht so nah an ihn herangehen, Luca. Er könnte noch leben.“ Doch Luca ging nicht auf die Worte seines Freundes ein, der sich zu Shima heruntergebeugt hatte. Stattdessen blickte er auf den Drachen.

„Das kann er nicht mehr“, sagte Luca nachdenklich. „Er ist nämlich tot.“

„Wie?“ Masanari kam ungläubig näher und auch er brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass das Wesen ihnen nichts mehr anhaben konnte.

„Aber er hat doch keine Wunde.“ Luca sah seinen Freund an.

„Ich weiß nicht wie, aber ich glaube, dass das helle Licht und der Knall eben etwas damit zu tun haben.“ Er sah sich suchend um. „Irgendwer muss uns geholfen haben…“

Masanari nahm Shima auf den Arm und sagte: „Komm lass uns gehen. Dieses Ding ist mir unheimlich.“ Sie wollten sich gerade umdrehen, um von hier zu verschwinden, als sie ein Rascheln hörten.

Die beiden Jungen starrten ängstlich Richtung Wald. Luca hoffte, dass es nicht noch ein unheimlicher Drache war.

Doch er irrte sich.

Es war ein Mädchen. Sie hatte langes kastanienbraunes Haar, das sie mithilfe eines Bandes zu einem Zopf gebunden hatte und trug eine hellbraune Bluse und einen Rock mit einem Gürtel, an dem eine kleine Tasche befestigt war.

Die Fremde kam auf sie zu. „Seid ihr in Ordnung?“ Sie sprach mit weicher Stimme.

Luca nickte. Zu mehr war er nicht zustande, denn der Schreck von eben saß immer noch in seinen Gliedern. Mit einem kurzen Blick zur Seite konnte er feststellen, dass Masanari das Mädchen mit offenem Mund anstarrte. Er sah aus den Augenwinkeln, dass sie das noch nicht mitbekommen hatte, seufzte innerlich auf und versuchte, seinen Freund unauffällig darauf aufmerksam zu machen, dass es unhöflich sei, jemanden so anzustarren – und schon gar kein Mädchen.

Durch den harten, aber freundlichen Stoß auf seinen Rücken, wachte Masanari aus seiner Trance auf und blickte ungläubig umher.

Er sah Luca fragend an, der aber nur leicht mit dem Kopf schüttelte, weil er jetzt keine Erklärung abgeben konnte. Dann blickte er wieder das Mädchen an – dieses Mal mit geschlossenem Mund.

Luca gab es auf. Stattdessen fragte er: „Wer bist du?“

Die Fremde lächelte matt. „Das ist unwichtig.“

Luca war verwirrt. Warum wollte das Mädchen ihren Namen nicht verraten? War sie eine Diebin und durfte ihn deshalb nicht sagen?

Oder war da noch etwas anderes?

Während er so vor sich hingrübelte, fielen ihm wieder der Blitz und der plötzliche Knall ein.

Er zögerte kurz, bevor er dann wissen wollte:

„Hast du unser Leben gerettet?“

Die Fremde lächelte. „Du tust ja gerade so, als ob du lieber tot sein wolltest, als von mir gerettet zu werden.“ Luca blickte sie grimmig an.

„Aber wenn ich es nicht getan hätte, wärest du es jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit.“

Luca nickte. „Das stimmt, aber wie …“

„Wie ich ihn getötet habe?“ Sie deutete auf den Drachen und holte aus dem Beutel an ihrem Gürtel eine etwa tennisballgroße Kugel heraus.

„Was ist das?“, fragte Masanari, der ausnahmsweise die Kugel studierte, statt die Fremde. Sie musste aus Eisen bestehen, denn sie glänzte metallisch.

„Mit so einer Kugel, “ erklärte sie, „habe ich eben euer Leben gerettet. Sie ist von außen zwar nicht so hart, aber das Geheimnis so einer Blitz-Kugel liegt auch in ihrem Innern.“

Sie öffnete die Kugel, indem sie an ihr drehte, und Masanari und Luca konnten ein weißes Pulver erkennen.

„Dieses Pulver erzeugt einen Blitz, der jedes Lebewesen töten kann. Ich brauche nur im richtigen Augenblick ein paar Wörter murmeln.“

Masanari sah wieder das Mädchen an.

„Wer bist du?“, er erstaunt.

Luca stöhnte innerlich auf. Hatte er denn gar nichts mitbekommen?

Die Fremde steckte die Kugel wieder in den Beutel, lächelte den beiden kurz zu und verschwand hinter den ersten Zelten von Kailu noch bevor Masanari oder Luca reagieren konnten.

Masanari starrte immer noch auf die Stelle, wo das Mädchen gestanden hatte.

Luca stupste ihn vorsichtig an. „Äh…Masanari?“ Dieser schreckte zusammen.

„Bist du verrückt?!“, rief er außer Atem. „Du hast mich zu Tode erschreckt.“

Luca schmunzelte. „Du hast die ganze Zeit nur das fremde Mädchen angestarrt.“ Daraufhin wurde er verlegen. „Naja, sie ist ja auch toll, oder?“

„Das finde ich ja auch“, lenkte Luca ein. „Doch man muss sie ja nicht so anstarren wie ein Affe im Zoo.“

„Was ist ein Zoo?“ Luca seufzte. „Ein Tierpark. Aber ist doch jetzt auch egal.“ Luca deutete auf Shima. Sie war immer noch bewusstlos, blutete aber nicht mehr. „Wir sollten sie zu einem Arzt bringen.“

Masanari nickte.



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