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I'm watching over you

von

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Kapitel I: Araboth
 

Wie immer klingelte mich der Wecker aus dem Schlaf.

Endlich, morgen ist der siebzehnte September, auch wenn es wieder ein trostloser Geburtstag werden wird, freue ich mich darauf.

Unsere Familie konnte den Tod meines Bruders Armand nicht verkraften.

Wegen eine törichten Mutprobe verlor mein zwei Jahre älterer Bruder sein Leben. Seit der Beerdigung waren schon elf Wochen vergangen. Nachdem er ins künstliche Koma versetzt worden war, verblieb er sieben Wochen in diesem Zustand, aber als plötzlich sein Atem aussetzte, konnten die Ärzte ihn nicht mehr retten. Seither machte unsere Familie eine schwere Zeit durch, auch ich, da meine Eltern ihr Augenmerk nun ganz mir zuwarfen.

Seit einem halben Jahr ungefähr bin ich jetzt auf der Klosterschule “Sankt Helene”. Auch wenn ich mich zuerst heftig dagegen wehrte, hatte ich mich sehr schnell eingelebt.

Ich befasste mich viel mit den Themen Angelogie, Magie und Hexenkult, was den Nonnen überhaupt nicht gefiel. Sie versuchten die anderen Mädchen von mir fern zuhalten und mir klar zu machen, dass Gott mein Verhalten nicht dulde, dass er Hexen und Magie verachten und sie bestrafen würde. Aber je mehr sie versuchten mich zu verändern, desto mehr stagnierte ich.

Irgendwann hatte eine Ordensschwester mir gesagt, dass ich durch meine schwarzen Haare und meine grünen Augen mehr Ähnlichkeit mit einer Hexe hätte, als mit einem Menschen. Meine Mutter hielt mich für einen Engel, der ihr von Gott geschenkt worden war.

Nie hatte ich mir etwas unter der Bezeichnung “Gott” vorstellen können, für mich war er immer unerreichbar oder nicht präsent. Und doch glaubte ich, dass er existierte. Nur eines störte mich, dass alle Gott für einen Mann hielten. Wieso konnte Gott keine Frau sein?

Nach Schulschluss ging ich mit ein paar Mitschülerinnen ins Kino und machte mich dann alleine auf den Weg zurück ins Kloster. Ein paar Straßen vor der Abtei traf ich diese zwei merkwürdigen Typen zum ersten Mal. Sie sagten mir, dass ich ein Engel wäre und mit ihnen in den Himmel zu Gott kommen sollte. Alles was mir dazu einfiel war, dass die zwei doch wieder in ihre Heilanstalt zurückkehren sollten und zu letzt gab ich einem der zwei eine Ohrfeige.

Anscheinend konnte niemand außer mir die beiden sehen, weil die Leute um uns herum mich nur seltsam anstarrten oder ihre Köpfe schüttelten. Ich rannte so schnell mich meine Beine trugen zum Kloster und blieb den Rest des Abends in meinem Zimmer. Meinen Eltern schrieb ich von dieser seltsamen Begegnung nichts, es hätte sie nur unnötig beunruhigt.

Natürlich nahm keiner Notiz davon, dass ich Geburtstag hatte, so wie ich es erwartet hatte.

Anfangs mit Entsetzen, stellte ich fest, dass ich mich teleportieren konnte und das Gedankenlesen beherrschte, zu mindestens traten die Kräfte in Erscheinung wann sie wollten, aber sie waren da. Magische Kräfte. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Was, wenn die Nonnen davon Wind bekämen oder eines der anderen Mädchen?

Schon vor Unterrichtsbeginn wurde sich erzählt, dass heute Nacht eine Schülerin namens Mana Selbstmord begangen hat. Die Nonnen waren sehr unruhig, ließen es sich aber kaum anmerken und versuchten die Mädchen zu beruhigen, was ihnen zweifellos nicht gelang. Es kursierten viele Gerüchte über Mana. So sagten einige, dass sie verrückt oder besessen und auch drogenabhängig gewesen wäre. Ich war der Meinung, dass die Drogen sie zum Suizid getrieben hatte. Trotz allem stimmte an dieser Sache etwas nicht und schon machte sich eine neue Kraft bemerkbar, das Hellsehen. Mana wurde ermordet, dass war mir jetzt klar, aber die Polizei würde doch nicht glauben, dass ich durch Hellsehen wusste, dass Mana ermordet wurde. Was sollte ich jetzt nur tun? Mit einem der anderen Mädchen sprechen oder mit den Nonnen. Nein das war unmöglich.

Dennoch kam mir der Mörder irgendwie seltsam vertraut vor, auch wenn ich mir nicht erklären konnte warum. Irgendetwas in mir erinnerte sich, an ihn.

Am Wochenende fuhr ich zu meinen Eltern, so wie viele Schülerinnen unseres Klosters.

Abends klingelte es an der Haustür. Der Besuch war für mich. Die beiden scheinbaren Engel.

Meine Eltern beruhigten sich als ich ihnen erklärte, dass die zwei Austauschschüler aus Deutschland wären, ein halbes Jahr in unserer Schule als “integratives Projekt” verbringen würden und ich sowie meine Freundinnen ihnen beim Einleben helfen sollten.

Obwohl meine Eltern doch sehr besorgt um mich waren, gingen sie zu ihrem Geschäftsessen.

Kaum dass ich das Wohnzimmer betreten hatte, wurde ich bewusstlos.

Als ich wieder erwachte, fand ich mich in einem großen Raum wieder. Die antiken Möbel waren aus Mahagoni. Auf dem Arbeitstisch vor dem Fenster stand eine Vase mit weißen Lilien.

Plötzlich öffnete sich die Tür und ein Mann betrat das Zimmer. “Ihr seid schon wach.

Verzeiht bitte, dass ich mich bis jetzt noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Uriel.”

“Wo bin ich hier und was willst du von mir?”, fragte ich ihn. “Aniela kommt bitte mit mir mit.”

Uriel führte mich in ein Antiquariat und verließ mich mit den Worten: “Wartet hier auf mich und lest diese Bücher.” Völlig allein saß ich nun in diesem Raum und erst jetzt bemerkte ich, dass ich ein wunderschönes weißes Kleid trug, welches so lang war, dass es bis auf den Boden reichte. In ihm sah ich aus wie eine Prinzessin.

Aber wer hatte mir das Kleid angezogen? Uriel etwa? Wenn er das gewagt hat, dann...

Wie konnte er so etwas nur tun? Immerhin hieß es doch immer, dass Engel sich nicht der körperlichen Liebe hingeben dürften. Und er hatte mich dann ohne Kleidung gesehen.

Ich erinnerte mich daran, dass wir im Religionsunterricht auch über die Erzengel gesprochen hatten. War das etwa möglich? Uriel ein Erzengel? Nur, dass er nicht so aussah, wie er uns beschrieben worden war. Mir blieb keine Zeit darüber nachzudenken, denn wieder tat sich die Tür auf. Uriel und ein anderer Mann kamen herein.

“Zunächst möchte ich Euch Raphael vorstellen, ihr solltet ihn kennen.”, verdeutlichte Uriel mir. Und ja, Raphael war mir sehr gut in Erinnerung geblieben, denn ich hatte ihn geohrfeigt. Ich entschuldigte mich beim ihm und fragte die zwei gleich noch, ob sie Erzengel wären. Raphael bejahte meine Frage mit einem Lächeln im Gesicht, wobei er seine langen blonden Haare aus dem Gesicht strich. Ich erkundigte mich bei Uriel, ob er mich umgezogen hätte. Er erwiderte mir nur, dass ich mir deswegen keine Sorgen machen sollte. Er hätte sich nicht meiner Unschuld bemächtigt. Es würde andere Wege geben, um mir das Kleid anzulegen. Er beantwortete nun endlich die Frage nach meinem Aufenthalt: “Ihr befindet Euch in Araboth, dem Sitz Gottes und höchstem Himmel, Hoheit.“

“Wie bitte? Hoheit? Warum nennst du mich so?”, fragte ich ihn sehr verwundert. Es hatte den Anschein, als ob er sich bemüht hätte mich nicht so zu titeln.

Raphael verstummte, als Uriel kurz die Hand hob, um ihm verständlich zu machen, dass es noch nicht an der Zeit für mich wäre diese Antwort zu erhalten. Es trat eine kurze Stille ein und mir fiel auf, wie merkwürdig die zwei gekleidet waren.

“Priesterkutten, na ja ich weiß nicht... und diese langen Haare, nicht, dass sie mir nicht gefallen, aber das ist doch out!” Diesmal schmunzelten beide, indessen machte ich mir mehr Sorgen darüber, was die beiden über mich denken würden.

Raphael bemerkte, dass Engel sich von dem Augenblick des Höhepunktes ihrer Macht nicht mehr verändern könnten. Die Devas jedoch begleiten besondere Umstände. Sie könnten ihre Gestalt erst nach der eigentlichen Geburt als Engel nicht mehr wandeln, da sie bereits bei ihrer Entstehung als Lichtwesen den Höhepunkt der Macht erreicht haben und sie nur anfangs nicht nutzen könnten.

“Ich denke es ist wichtig, dass Ihr es erfahrt...”, stotterte Uriel und sein Gesichtsausdruck wurde sehr bestimmt. “Ihr könnt Euch nicht mehr daran erinnern, aber vor annähernd einem Jahrtausend befand sich Eure Seele in dem Körper eines Seraphim. Zu dieser Zeit begannen einige Engel gegen unseren Schöpfer zu rebellieren.

Luzifer, der Anführer der Aufständischen und Ihr wart sehr eng befreundet. Ihr konntet nicht glauben, dass er ein Aufrührer sein sollte. Als die Rebellen geschlagen wurden, konntet ihr nicht fassen, dass niemand anzweifelte, dass Luzifer wirklich ein Rebell sein sollte.”

Darauf wusste ich nichts zu sagen oder geschweige irgendetwas zu denken.

Ich stand nur da und versuchte, das alles zu verstehen, was mir kaum gelang, da sich alles so imaginär anhörte. Wahrscheinlich würde ich jeden Moment aus diesem Traum aufwachen.

Nun gingen wir in ein kleines und abgedunkeltes Zimmer.

Es war ziemlich düster, aber eine Art Skulptur aus Eis war klar erkennbar.

“Warum steckt diese Frau in Eis?”, wollte ich von den zwei Engeln wissen.

“In diesem Körper steckte Eure Seele, bevor...”, Uriel unterbrach mitten im Satz. Raphael entgegnete darauf: “Das ist ein Engel und die Hülle besteht aus Elbait, nicht aus Eis.”

Auch wenn ich es noch nicht wusste, aber Uriel und Raphael hatten mir nicht die Wahrheit erzählt, da sie nicht wissen konnten, was wirklich geschehen war.

Von diesem Zeitpunkt an sollte die Existenz der Menschen auf Erden, der Engel im Himmel und auch meine eigene auf dem Spiel stehen.
 

Kapitel II: Die erste Begegnung
 

Ich hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Meine Eltern mussten schon die Polizei gerufen haben. “Ich würde jetzt gerne wieder nach Hause”, bat ich.

Aber auch wenn sich die beiden bemühten, ihre Enttäuschung war ersichtlich.

Einen kurzen Augenblick später stand ich wieder in unserem Wohnzimmer, als ob nichts gewesen wäre. Es waren nicht einmal dreißig Minuten vergangen. In der nächsten Zeit passierte nichts und ich dachte schon, dass ich mir alles nur eingebildet hatte.

In letzter Zeit wurden meine Albträume immer genauer und präziser.

Nacht für Nacht träumte ich von einem gut aussehenden Mann mit langen Haaren, der mit einem entsetzlichen Lächeln einem Engel die Flügel stutzte.

Mittlerweile war Dezember und der erste Schnee fiel. Weihnachten stand kurz vor der Tür.

Auf einem Ausflug in die Stadt machte ich Bekanntschaft mit einem netten jungen Mann.

Er sah traumhaft aus. Blonde Haare, himmelblaue Augen und eine perfekte Figur. Er lud mich zum Essen ein, zunächst freute ich mich darüber. Doch die Nonnen erlaubten mir nicht dort hinzugehen. Also bat ich meine Freundin Laelia mir zu helfen.

Sie sollte die Äbtissin fragen, ob wir zwei nicht heute Abend ausgehen dürfen, um einige Einkäufe zu erledigen. Sie war etwas verwundert, warum wir nicht früher gehen wollten, ließ uns aber doch hinausgehen.

Während Laelia tatsächlich ein paar Sachen einkaufte, ging ich zu meinem Date. Wir wollten uns später an unserem Treffpunkt einfinden und dann wieder zum Kloster zurückzukehren.

Im Restaurant “Le Diable” aßen wir und redeten, wobei ich die Zeit ganz und gar vergaß. Er schien alles über mich zu wissen und wir beide waren auf derselben Wellenlänge.

Nach dem Rotwein drehte sich alles in meinem Kopf und ich schlief ein.

Als ich erwachte, nahm ich war, dass ich mich in einem dunklem Raum aufhielt.

Ich war angekettet an einer Bettstange und ich ahnte, dass das, was er mit mir vorhatte abartig sein würde. Aber er setze sich neben mir auf das Bett und sah mich mit sanften Augen an.

Er saß nur da und sah mich an. Nach einer Weile zog er mich an sich heran und küsste mich.

Er flüsterte mir ins Ohr: “Ich musste dich leider anketten, um sicher zu gehen, dass du auch mir zuhörst”, und er presste sich immer stärker an mich. Dann begann er zu erzählen:

“Natürlich haben dir diese Schwachköpfe ihre Vision der Geschichte erzählt, aber was wissen die schon. Ich sage dir die Wahrheit, ich sage dir, wie es wirklich geschehen ist...

Wahrscheinlich siehst du mich als einen Rebellen, der unseren Vater verraten hat, aber das bin ich nicht. Ich habe dich geliebt, mehr als alles andere und deswegen haben ich es getan, für uns.

Ich wollte uns eine Welt erschaffen in der wir uns lieben durften, aber dann kam er und behauptete, dass ich unseren Vater hintergangen hätte.

Leider war ich so töricht und ließ mich darauf ein, wenngleich ich es heute bereue.

Aber du erwartetest unser Kind, wenn Gott es erfahren hätte,...

Er hätte dich und unser ungeborenes Baby getötet.” Hier brach er ab.

Er schien gerührt von seinen eigenen Worten zu sein. Wieder zog er mich an sich heran und küsste meine Stirn, währenddessen er seine Hände auf meinen Bauch und meine Taille legte.

“Du bist äußerst begehrenswert. Ich habe dich nun eine ganze Weile beobachtet und ich muss sagen, du hast nicht viel verändert. Bis auf eines, du siehst glücklicher aus.”

Oh Gott, ich merkte deutlich, dass sich meine Wangen röteten, es war mir peinlich und zugleich genoss ich es, wie nichts zuvor. Noch nie hatte jemand so etwas zu mir gesagt.

Ich konnte kaum noch atmen, seine Worte schnürten mir die Kehle zu.

“Ich wünschte du könntest dich an mich erinnern. Warum bist du auf der Erde, wo du doch bei mir sein solltest? Warum sagst du nichts? Hat er dich etwa...? Nein, das riskiert er nicht.“

Ich war ergriffen von seinen Worten und irgendwie wirkte er immer vertrauenswürdiger.

“I-Ich sollte bei Ihnen sein??? Wieso sagen sie so etwas zu mir?”

"Du siezt mich? Anscheinend hatte ich wohl doch zuviel erwartet. Diese... was haben sie dir erzählt?”, er schien ziemlich wütend zu sein, aber ich offenbarte ihm alles, was Uriel und Raphael mir bis jetzt eröffnet hatten. Er schien über definitiv alles informiert zu sein, bis auf die Ereignisse und die Gespräche in Araboth.

Er wurde immer unwiderstehlicher für mich, aber es könnte genau das sein, was er damit bezwecken wollte. So wurde ich misstrauischer, aber er lieferte mir keinen Grund Zweifel an ihm zu hegen. Ganz im Gegenteil, er wurde anhaltend zutraulicher.

“Bitte bringen sie mich wieder zurück, sicher suchen schon alle nach mir.”, flehte ich ihn an. Warum bat ich ihn darum? Ich wollte keineswegs weg von hier, eigentlich wollte ich noch allerhand von ihm erfahren. Ich sprach diese Worte, als ob ich in Trance wäre.

“Wenn es dir so beliebt... ich dachte ich... ach egal, wir sehen uns sicher bald wieder.”, ein Hauch von Traurigkeit und Verbitterung lag in seiner Stimme. Plötzlich stand ich wieder im Kloster.

Die ganze Nacht musste ich an seine Worte denken.

Laelia fragte mich am Morgen über ihn aus, aber ich kannte ja nicht einmal seinen Namen.

Um Laelia zu besänftigen und ihre Neugier zu bremsen nannte ich ihn “Cyprian”. Irgendwann hatte ich diesen Namen gelesen und er gefiel mir, deswegen gab ich ihm diesen Namen.

Den restlichen Tag ging ich allen aus dem Weg, selbst die Nonnen schienen gemerkt zu haben, dass ich mich nicht wie üblich verhielt. Wie üblich, damit ist gemeint, dass ich keine Widerworte entgegnete und auch sonst ruhiger war wie gewöhnlich.

Ich musste ihn unbedingt wieder sehen, nur wusste ich nicht wie ich das anstellen sollte, ohne Adresse und Namen. Laelia sagte, wenn er mich sehen wollte sich melden würde.

Aber wie würde er reagieren, wenn ich ihm meine Fragen stellen würde?

Auch, wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, aber es stellte sich bei mir eine leichte Hingezogenheit ein. Laelia schien das bemerkt zu haben und spottete über mich. Unablässig machte sie weiter und sie hatte ihren Spaß daran, so schien es.

Aber ich glaubte, dass sie sich durch meine Erzählungen in ihn verliebt hatte.

Aber sie gab es natürlich nicht zu und ich beließ es dabei um keinen Streit zu provozieren.

Denn den konnte ich jetzt noch weniger gebrauchen als alles andere.

Denn Laelia und ich hatten uns erst letztens riesig gestritten und es dauerte erheblich lange, bis wir uns wieder versöhnt hatten.
 

Kapitel III: Faye
 

In der Nacht zum zweiten Februar herrschten schwere Unwetter in der Umgebung des Klosters. Auch ich plagte mich, denn meine magischen Kräfte machten mir, seit ich sie erhalten hatte, nichts als Probleme. Nicht nur, dass ich sie vor allen geheim halten musste, nein, sie machten, was sie wollten. Sie kamen und gingen, wie es ihnen passte.

Genau in dieser Nacht schien ich sie endlich hinreichend unter Kontrolle bekommen zu haben, deshalb versuchte ich mich nach hause zu teleportieren und ohne groß darüber nachzudenken testete ich meine Fähigkeit aus. Ich landete jedoch in Araboth. Nur, dass ich mich diesmal in einem Thronsaal befand. Fast alles in diesem Raum war aus Gold.

Allerdings war ich der Meinung, dass das Zimmer bei weitem viel zu Aufsehen erregend eingerichtet war, zwar majestätisch, aber übermäßig protzig.

Plötzlich spürte ich ein sehr komisches Gefühl. Mir war offensichtlich, dass ich gleich wieder Hellsehen würde. Voller Erwartungen wartete ich auf das, was ich sehen würde, denn noch nie kam diese Eigenschaft während meines Wachens. Ich erhoffte zu viel, denn ich sah alles nur vernebelt. Alles, bis auf die Gestalt eines Mannes, der auf dem Thron saß.

Er gebot einer Frau vor ihm auf die Knie zu fallen, den Saum seines langen Mantels zu küssen und dann ließ er sie durch das Herausreißen ihres Herzens ermorden. Zuvor jedoch genoss er es zuzusehen, wie ein anderer Mann die wehrlose Frau vergewaltigte.

Erschrocken über dieses bestialische Geschehen, stolperte ich und fiel zu Boden.

Ich erblickte in diesem Moment denselben Mann aus meiner Vision und meinen Träumen.

Er sah bei weitem älter aus, als ich ihn geschätzt hatte, auch seine Haare waren grau, lang und sehr unfrisiert. Er erinnerte mich an einen Indianerhäuptling. Kaum, dass ich ihn erblickte, zitterte mein ganzer Körper.

“So, da bist du endlich. Ich habe gehofft, dass du hierher kommen würdest.”, sagte ich er mit freundlicher, erwartungsvoller Stimme. Schlagartig änderte sich seine Gemütslage und ich sah in ein Antlitz, wie ich noch keines zuvor gesehen hatte.

Sein Angesicht verbarg allerhand Schmerz, Hass und Wut. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Er kam auf mich zu und drückte mich zu Boden. Er versuchte mir die Klamotten vom Leib zu reißen. Ich wehrte mich so sehr ich konnte, doch er hatte eine unglaubliche Kraft. Mir liefen die Tränen über die Wangen, es schien ihn jedoch nicht weiter zu stören und er versuchte immer noch sich an mir zu vergreifen.

Dann gelang es mir mich von ihm zu befreien, indem ich ihn einen Tritt in sein bestes Stück verpasste. Kaum hatte ich es geschafft mich in einiger und vor allem sicherer Entfernung von ihm zu retten, probierte ich mich nach hause zu teleportieren, doch es gelang mir nicht. Plötzlich verschwand der Unbekannte spurlos aus dem Raum.

Auf einem Tisch am anderen Ende des Saals lag ein Stapel Briefe, adressiert an eine Frau namens Faye, doch es war nicht ersichtlich, wer diese Briefe geschrieben hatte. Ich nahm den obersten Brief und las ihn. Es stand geschrieben:
 

Dir Faye,

Ich hoffe, dass dich dieser Brief erreicht.

Ich möchte mich bei dir entschuldigen, ich hätte mich nie darauf einlassen dürfen, du hattest Recht.

Ich kann aber nicht zulassen, dass er dir etwas antut.

Wir sehen uns bald wieder. Ich komme und befreie dich, ich schwöre es.

In ewiger Liebe...
 

Luzifer
 

Luzifer? Der gefallene Engel? War er der Mann, den ich bereits getroffen hatte?

Natürlich, langsam setzte sich das Puzzle zusammen. Es war unfassbar.

Mir schossen tausende von Gedanken durch den Kopf. War ich etwa diese Faye, der Engel, den mir Uriel und Raphael gezeigt hatten? Hatte Luzifer deswegen mit mir reden wollen?

Nach einer Weile wurde mir einleuchtend, dass es genau so war wie ich es mir dachte:

Ich steckte mitten in einem Krieg zwischen Gott und dem Teufel.

Nur, weil ich in einem damaligen Leben in ihrem Körper steckte - das war doch abstrus.

Wieso zogen die mich damit rein?

Ich bin, wer ich bin.

Aniela, nicht eine Faye oder sonst wer. Ich wollte mit denen nichts zu tun haben.

Ich nahm diesen und die restlichen Briefe an mich. Ich wollte sie später lesen, aber zuerst musste ich hier weg. Jetzt endlich schaffte ich es, mich nach hause zu teleportieren. Ich spürte, wie ich mich langsam wieder beruhigte und entkrampfte. Nun starrten mich meine Eltern an und fragten mich, warum ich schon hier wäre und so verwirrt aussah. Ich versuchte meinen Eltern zu erklären, warum ich da wäre. Aber ich brachte kein Wort heraus. Der Schock saß noch zu tief.

Sollte ich ihnen erzählen, dass ich ebengerade fast vergewaltigt worden war, dass ich mich mit dem Höllenfürsten getroffen hatte? Dann würden sie mich in die nächste Psychiatrie einweisen.

Ich sagte, als ich wieder zu Wort kam, dass ich nur kurz da wäre um mir noch ein paar Klamotten zu holen. Also machte ich mich auf den Weg, die Treppe nach oben, in mein Zimmer. Ich packte mir zwei Pullis in den Rucksack, ging nach draußen, die Straße noch etwas entlang und teleportierte mich dann in mein Zimmer im Kloster.

Eigentlich hätte ich so etwas nicht riskieren dürfen, ich hätte gesehen werden können, aber es war mir derzeit so gleichgültig. Ich musste das Geschehene erst einmal verarbeiten.

Es war nicht allzu viel Zeit vergangen, gerade mal eine Stunde. Pünktlich zum Abendgebet hielt ich wieder im Kloster auf. Laelia kam nach dem Abendgebet, das gegen einundzwanzig Uhr stattfand, in mein Zimmer. Wie üblich unterhielten wir uns noch bis die Nonnen sie in ihr Zimmer schickten. Aber ich konnte ihr nichts von meinem Treffen mit Luzifer und der versuchten Vergewaltigung durch Gott erzählen.
 

Kapitel IV: Laelias Hass
 

Wieder verging eine ganze Weile. Ich hielt es nicht mehr aus und erzählte Laelia, was mir passiert war. Sie reagierte nicht so, wie ich es erwartet hatte. Sie blieb ganz ernst und fragte mich über alles mögliche aus. Sie beneidete mich darum, dass ich im Himmel gewesen war, verstand aber auch nicht, warum Gott versucht hatte mich zu entehren. Sie verdeutlichte, dass dieser Mann sicher nicht Gott gewesen sein konnte. Seit dem nannte sie mich nur noch Faye, auch wenn ich ihr wiederholt erklärte, dass sie mich bei meinem richtigen Namen nennen soll. Aber unsere Freundschaft wurde noch bedeutender für mich. Sie wurde zu meiner engsten Vertrauten.

Ich erhielt einen Brief ohne Absender, natürlich freute ich mich darüber, aber seltsam war es schon, da ich sonst nur selten Post bekam. Laelia öffnete den Brief, da ich es nicht wollte.

Es standen nur sieben Wörter darin:
 

Möchte dich treffen, 20.00 Uhr, “ Le Diable”

Luzifer
 

Was, wenn das eine Falle war? Trotz meiner Zweifel wollte ich ihn erneut treffen.
 

Pünktlich war ich im Restaurant, doch Luzifer war nicht zu sehen. Ich hatte also Recht, er wollte sich nur lustig über mich machen. Doch dann hörte ich seine Stimme leise flüstern: “Gut, dass du bekommen bist, ich muss dir etwas erklären. Jetzt ist es an der Zeit dafür. Aber lass uns wo anders hingehen, am besten ins Kloster. Dort wird er auf keinen Fall versuchen dir näher zukommen. Es wundert mich sowieso, dass er dich jetzt schon hat vergewaltigen wollen, ist sonst nicht seine Art. Er spielt meist erst ein bisschen mit seinen Opfern. Übrigens diese Vision, die du in Araboth gesehen hast, habe ich dir geschickt. Ich wollte dich damit warnen.”

“Warnen, wie bitte? Ich wäre vor zwei Wochen fast vergewaltigt worden und Ihnen fällt nichts weiter ein, als das er nur mit mir spielen wollte.”, schrie ich ihn an.

Im selben Augenblick waren wir in meinem Zimmer im Kloster. Wieder erzählte Luzifer mir ein Teil der Geschichte. “Ich bin davon ausgegangen, dass er dich vorerst in Frieden lässt. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er dich gleich aus dem Weg schaffen will.”

Plötzlich kam Laelia ins Zimmer herein. Aber anstatt mich zu fragen, ob er nun Luzifer sei, reagierte sie unverständlich für mich: “Du, was machst du denn hier? Versucht du schon wieder deine eigene Schwester zu verführen, so wie du es schon damals getan hast? Verdammt, wann verstehst du endlich, dass sie dich nie lieben wird. Ich bin es, die dich liebt. Ich. Schon immer. Aber du hattest ja eh nur Augen für sie. Deswegen versucht Gott ja auch sie vor dir zu vernaschen und es geschieht ihr nur recht, diesem billigen Flitt...”, weiter kam Laelia nicht, denn Luzifer hatte sie geohrfeigt. “Wage es nicht Sie zu beleidigen. Denke über mich, was du willst, aber verlier kein Wort über Sie. Schließlich bist du hier die jenige, die uns verraten hat. Ja, verraten, weil ich dich nicht geliebt habe. Du bist genau wie dein Vater!”, brüllte er sie an.

“Nein aufhören...! Laelia, was hat das hier zu bedeuten?”, weinte ich. Luzifer nahm mich in den Arm. Es war ein sehr angenehmes und beruhigendes Gefühl.

“Laelia, du hast dich nicht verändert, du bist immer noch die selbe kranke Person.”, enthüllte er ihr. Laelia verschwand, wie auch Gott schon vor mir entflohen war.

Luzifer blieb diese Nacht bei mir, ich schlief in seinen Armen ein. Am Morgen war er immer noch da. Er hatte sich gegen die Wand gelehnt und schlief. Ich war ihm so nahe.

Meine Lippen näherten sich den seinen und berührten sie dann. Es fühlte sich traumhaft an.

Ich spürte, wie er seine Hand an meinem Körper hoch gleiten ließ und mich fest in seinen Armen hielt. Er erwiderte meinen Kuss mit viel Leidenschaft.

Dann begann er langsam meine Schuluniform auszuziehen. Ich ließ es zu.

Schließlich landeten wir im Bett. Es vollzog sich wie ein heiliges Ritual.

Als ich mich wieder angezogen hatte, bat ich ihn mir zu erklären, warum er Laelia und sie ihn bereits kannte. Nun sagte er mir die ganze Wahrheit: “Also hör zu. Bereits damals habe ich dich geliebt. Laelia war sehr abgeneigt von dir. Du wolltest aber nichts von mir wissen. Zu dieser Zeit behauptete Raphael, dass ich unseren Vater verraten hätte. Und er hatte nicht gänzlich Unrecht. Ich wollte zusammen mit dir von dort verschwinden. Du hättest es mir nicht übel genommen, weil du Gott so sehr wie ich verabscheut hast. Er war dir schon zu jener Zeit überdrüssig.

Laelia musste es herausgefunden und Raphael erzählt haben. Von da an war mir alles egal und ich riskierte dich zu verlieren. Du hattest seinerzeit kein Interesse an mir, im Gegensatz zu heute.

Du hast mich nur als deinen Bruder gesehen, was ich eigentlich auch war.

Gott aber dachte, dass du mich lieben würdest und er verhinderte, dass ich dich mit mir nehmen konnte, indem er die Erzengel gegen mich aufbrachte.

Zuvor hatten wir ein besseres Verhältnis. Von allen hat Michael mich am aller meisten gehasst, weil ich Liebe empfunden habe, weil ich dich geliebt habe.

Uriel hingegen interessierte sich nicht weiter für mich, da er nur Augen für Jibril hatte. Die zwei hatten sich in einander verliebt. Er hatte genug damit zu tun, zu verhindern, dass er und Jibril aufflogen und ich habe ihn nur zu gut verstanden.

Aber die vier besiegten mich und die Engel, die sich mit mir gegen Gott gewehrt hatten. Wir wurden dazu verurteilt weit ab vom Paradies und damit weit weg von dir zu leben.

Wir hatten noch Glück, dass es ihm damals noch nicht in den Sinn kam, uns die Flügel zu stutzen.

Doch bevor ich verbannt worden war, hatte ich dich dazu gebracht mit mir ins Bett zu gehen.

Ein kleiner Zaubertrank und alles klappte wie ich es wollte. Es war ganz einfach.

Nur dann wurdest du schwanger. Ich wollte dich und unser Kind bei mir haben. Aber du hast mich seitdem verachtet. Eigentlich konnte ich dir das nicht verübeln.”

“Du hast sie...? Aber warum erzählst du mir das? Ich kann nicht wütend auf dich sein, weil ich nicht Faye bin! Ich werde dich dafür nicht hassen oder irgendwie bestrafen, warum auch. Ich bin nicht mehr deine Schwester, auch wenn ich vielleicht ihre Wiedergeburt bin.”, stellte ich klar.

“Im Übrigen deine kleine Freundin, wie hieß sie noch gleich, Mana genau. Ich habe sie nicht getötet. Sie hat sich in Dinge eingemischt, die sie hätte nicht erfahren dürfen. Sie schien ihr im Weg zu sein. Natürlich meine ich mit “ihr” Laelia. Irgendetwas an ihr ist sehr mysteriös. Sie ähnelt ihrem Vater so sehr und doch ist sie ganz anders.”, er redete, als ob er mir ebengerade nicht zugehört hätte. “Warum nennst du deinen Vater “Gott” oder sprichst von ihm, als ob du ihn kaum kennen würdest, ich meine er ist doch ebenso dein Vater. “

“Er ist nicht mehr mein Vater, schon lange nicht mehr. Er ist vielleicht mein Erzeuger, aber nicht mein Vater.”, er schien nicht begeistert von meiner Frage.

“Hasst du ihn so sehr dafür, dass er dich nicht hat lieben lassen?”, fragte ich.

“Ich hasse nicht ihn direkt, sondern seine Persönlichkeit. Diese Person ist doch krank, nicht nur, dass er seine abnormalen Perversitäten an uns beiden ausgelassen hat, weil Mutter Suizid begangen hatte um ihm zu entwischen, sondern gerade auch deswegen, weil er dich gehasst hat.

Aber Mutter hat ihn geliebt und er hat sie mit seiner Sexgier in den Wahnsinn getrieben. Sie war nur ein Mensch, wie sollte sie sich gegen ihn wehren. Ich sollte jetzt wieder gehen, denke ich.”

“Nein, bitte geh nicht. Was, wenn er wie...”, ich kam nicht dazu, dass auszusprechen, was ich sagen wollte, denn er küsste mich leidenschaftlich und verschwand danach.

“Du sollst hier bleiben!”, rief ich ihm nach, auch, wenn ich wusste, dass er es nicht hören würde.
 

Kapitel V: Die Wahrheit findet ihren Weg
 

In der darauf folgenden Nacht träumte ich von Armand. Mein Traum war ein Erlebnis aus früheren Tagen. Armand und ich gingen zusammen mit unseren Eltern im Wald spazieren. Plötzlich kam uns ein tollwütiger Fuchs entgegen. Hätte mein Bruder den Fuchs nicht verjagt, wäre ich von ihm gebissen worden.

Kaum, dass ich wach war, erschien Armand mir wirklich.

Er sagte zu mir: “Halte dich von diesem Luzifer fern Aniela. Ich meine es ernst.

Argh... nein, bitte glaub mir nicht, glaube nicht, was ich dir sage... aber sei vorsichtig und hör nur auf dein Herz. Du musst auf deine Gefühle vertrauen, dann wirst du den richtigen Weg schon finden.”, schon war er wieder verschwunden.

“Armand, bleib hier, was soll das?”, rief ich ihm nach. Ich machte mir sehr viele Gedanken über Armand und seine Worte. Sie halten immer noch in meinem Kopf.

Wieso hat er mich vor Luzifer gewarnt und im nächsten Moment hervorgehoben, dass ich nur auf mein Herz hören soll? Nun war ich wirklich verwirrt. Vor allem aber bestürzte mich sein Erscheinen, da er eigentlich doch tot war.

Mit wem sollte ich jetzt sprechen? Laelia war verschwunden und hatte sich nicht mehr blicken lassen. Die Polizei hatte mit ihren Ermittlungen längst begonnen. Ohne Erfolg. Sicher war sie bei Gott in Araboth und die zwei ließen sich eine neue Arglist einfallen.
 

Aber würden die Erzengel dieses Mal mitspielen? Uriel und Jibril sicher nicht. Bei Michael und Raphael war ich mir nur darüber im Klaren, dass sie auf Gottes Seite stehen würden, wenn es zu einem Kampf kommen sollte.

Doch wo stehe ich dann? Eigentlich interessierte mich keine Seite von beiden. Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden, nicht kämpfen für etwas, an das ich mich nicht erinnern kann. Immerhin hatte ich nichts mehr mit dem Ganzen zu tun, leider wollte keiner von denen das verstehen. Ich musste unbedingt mit den Erzengeln reden um mir Klarheit über ihre Auffassungen zu verschaffen. Meine Kräfte sollten mitspielen, denn ich hatte sie so gut, wie es nur ging unter Kontrolle. Also versuchte ich es. Ganz fest dachte ich an Uriels und Raphaels Aura.

Ich schloss die Augen und schon stand ich in einem Raum, der nicht größer war als eine Putzkammer. Ich verließ den Raum und stand in einem Gang mit unendlich vielen Türen.

Plötzlich stand Uriel vor mir. Er reagierte sehr unwirsch: “Was macht Ihr denn hier?”

“Ich habe dich und den Rest der Erzengel gesucht. Wir müssen uns mal unterhal...”, ich versuchte ruhig zu bleiben, aber wieder mal redete Uriel mir dazwischen: “Seid Ihr verrückt geworden? Doch nicht hier, ich wollte schon lange mit Euch reden, vor allem seit ich weiß, dass Luzifer Euch einen Besuch abgestattet hat.” “Könnte ich bitte wenigstens ein einziges Mal ausreden? Ich glaub es ja nicht. Luzifer hat nichts getan, außer mir erklärt, was wirklich los war. Im Gegensatz zu eurem ach so tollem Gott, der hat da vollkommen andere Sachen mit mir vor. Und bitte siez mich nicht.”, konterte ich. “Entschuldigt bitte, aber wir sollten uns hier nicht weiter unterhalten. Nur soviel noch, ich weiß, dass ich Eu... ähm dir nicht die ganze Wahrheit erzählt habe. Komm mit zu Jibril. Es wird dich interessieren, was sie dir zu sagen hat.”, es klang wirklich lustig, wie Uriel du zu mir sagte und ich gab mir viel Mühe mein Lachen vor ihm zu verbergen.

Angekommen in Jibrils Zimmer, staunte ich über ihr aussehen. Sie war bildschön, aber sie war verschleiert, so dass man nicht viel von ihrer Schönheit sah. Sie hatte blonde Haare, blaue Augen und ein natürliches Aussehen. Trotz des Schleiers nahm ich ihre mächtige Aura und ihre zunehmende Begeisterung für mich war. Kaum, dass wir den Raum betreten hatten, begrüßte Jibril uns mit den Worten: “Ich habe Euch schon erwartet. Uriel schön, dass du mich besuchen kommst.”

Uriel waren ihre Worte wohl etwas peinlich, nichts desto weniger löste ich seine Verlegenheit auf, indem ich Jibril fragte, warum sie wusste, dass wir hierher kommen würden. Sie antwortete prompt: “Die Wahrheit findet ihren Weg, immer. Aber sag, du hast doch ebenfalls Visionen, wie ich oder? So oft habe ich dich in deinen Träumen gesehen. Du bist bald stärker als Faye es jemals war. Ich denke, du bist diejenige, die uns endlich von diesem Leben befreien wird, diejenige, von der in der Prophezeiung die Rede war.”

“Bitte, was? Welche Prophezeiung? Ich möchte wirklich keinen Enttäuschen, aber ich werde nicht gegen Gott oder irgendwen kämpfen. Du weißt also, wovon ich immer träume? Okay, dann bitte ich dich mir zu sagen, was dieser Traum bedeutet.”, völlig überrascht stellte ich Jibril diese Frage.

“Nun, du weißt noch immer nicht, was dieser Traum bedeutet? Du hast also keine Erinnerungen an deine Zeit als Faye... Deine Entscheidung nicht gegen ihn kämpfen zu wollen überrascht mich überhaupt nicht. Dem ungeachtet wirst du dich damit abfinden müssen, dass du dich ihm stellen musst. Doch egal wie du dich entscheidest, dem Untergang der Erde wird deine Entscheidung keine Änderung bereiten.”, Jibril hatte zuviel gesagt und das wusste sie.

“Untergang der Erde... was sagst du da? Ich lasse nicht zu, dass die Erde zerstört wird. Mir ist gleichgültig, was mit dem Himmel geschieht, aber die Erde, nein, das kann nicht sein.

Mag sein, dass du es in deinen Visionen gesehen hast, aber du irrst dich. Da bin ich mir absolut sicher. Macht hier, was ihr wollt, aber lasst die Erde in Frieden. Die Menschen haben euch nichts getan. Aber ich weiß auf wessen Mist das gewachsen ist.”

“Ich wünschte es wäre so, ich wünschte ich würde mich irren, aber ich glaube n...”, Uriel hinderte sie daran weiter zu sprechen. Er ahnte wohl, dass ich dann noch wütender werden würde.

Doch es nützte nichts mehr, wutentbrannt rannte ich aus dem Raum und schlug die Tür kraftvoll zu. Ich lief den Gang entlang und traf kurze Zeit später auf Raphael. Der schien schlecht gelaunt zu sein. Trotzdem begrüßte er mich freundlich.

Im Hinterkopf hatte ich noch Luzifers Worte. Trotz meiner Vorurteile versuchte ich ihm ohne Voreingenommenheiten zu begegnen.

“Hallo, Raphael, alles klar mit dir?”, fragte ich ihn. Ganz erstaunt, fast schon erschrocken sagte er: “Oh, was machst du denn hier? Gott einen Besuch abstatten? Wundert mich schon sehr.”

“Nein, ich wollte mit dir sprechen Raphael. Ich möchte von dir wissen, warum Luzifer mir gesagt hat, dass du ihn an Gott verraten hast.”, platzte es aus mir heraus.

“Warum ich... war mir schon klar, dass er dir das erzählt hat, dass behauptet er schon seit..., ist jetzt auch egal. Wir sollten uns nicht unbedingt mitten im Gang unterhalten. Ich schlage vor, dass wir in das Antiquariat gehen, da wollte ich eh hin, um ein Buch zu suchen.”, schilderte Raphael.

Seltsamer Weise war niemand im Antiquariat außer uns. Raphael schien das zu genießen. Aber auch, wenn ich viele feindselige Kommentare über ihn zu hören bekommen hatte, machte ich mir keine Gedanken darüber, ob er mir irgendetwas antun würde.

Er war seit langer Zeit einer der Menschen, denen ich blind vertraute. Seine beruhigende Ausstrahlung bewegte mich dazu. Zuerst suchte er sein Buch, bevor er sich überhaupt wieder mit mir unterhielt.

“Er hat es dir also schon erzählt.”, er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, “Es wird dich doch sicher interessieren, was andere Engel dir über Luzifer erzählen könnten oder?”

“Warum erzählst du mir nicht deine Auffassung der Dinge? Ich wäre mir wichtig deinen Standpunkt dazu zu erfahren.”, während ich dies sagte, änderte sich sein Gesichtsausdruck von freundlich auf positiv überrascht.

“Du willst wirklich wissen, wie ich über diese Geschehnisse denke? Aber da gibt es nicht viel zu sagen, nur, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Ich habe Luzifer nicht verraten, weil ich ihn hasse, sondern weil ich ihm viel Ärger ersparen wollte. Ich musste verhindern, dass er deinetwegen die Flügel gestutzt bekommt.”, ein leichter Unterton von Eifersucht versteckte sich in seinen Worten.

“Meinetwegen? Du meinst sicher Faye, denn ich habe nicht viel mit euch zu schaffen.

Erstens: Ich bin nicht mehr diese Faye, damit das klar ist.

Zweitens: Wenn sich Luzifer in Faye verliebt hat, dann nur, weil er es wollte.

Und noch eines, sie hat ihn nie geliebt. Ich denke du bist eifersüchtig auf Faye gewesen oder? Ich will dich nicht verletzten und erwarte auch keine Antwort darauf, aber du solltest dir meine Worte mal durch den Kopf gehen lassen.”, mit diesen Worten verließ ich Raphael und wollte auch keinen Moment länger hier verweilen.

Unter keinen Umständen wollte ich jetzt Gott über den Weg laufen. Noch so eine Begegnung, wie die letzte konnte ich nicht verkraften. Und auch Michael würde ich nur ungern antreffen wollen, denn ich wollte keinen Streit mit ihm beginnen. Also teleportierte ich mich ins Kloster. Nach zwei vergeblichen Versuchen gelang es mir auch.

Ich vermisste Laelia. Selbst, wenn sie mich hasste, sie war noch immer meine beste Freundin. Doch ich musste vorsichtig sein, eines Tages könnte sie das ausnutzen. Und das würde sehr gefährlich werden.

Die Tage zogen sich dahin, Luzifer kam mich öfter besuchen und wir unterhielten uns nächtelang.

Er war der einzige, mit dem ich mich wirklich unterhalten konnte.

Er machte mir bewusst, dass ich mich auf irgendetwas gefasst machen müsste.

Ein letztes Show-down. Einen entscheidenden Kampf.

Und natürlich hatte er Recht, aber ich sträubte mich gegen diesen Gedanken. Ich wollte nicht kämpfen, nicht gegen Laelia, nicht gegen Gott und nicht gegen die Engel.

Aber der Tag, an dem dieser Fight stattfinden sollte, rückte schneller näher, als es mir lieb war.

Doch ich verschwendete keinen Gedanken an diese noch ferne Zukunft.

Aber ich musste ab uns zu an Jibril und Uriel denken. Wie konnten sie ihre Liebe so lange verborgen halten, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam?

Kapitel VI: Eine unerwartete Wendung
 

Inzwischen war etwa ein Jahr vergangen. Ich war jetzt so alt, wie Armand es war, bevor er starb. Wieder war der sechzehnte September. Morgen sollte ich also achtzehn werden.

Ich hatte kaum noch Kontakt zu meinen Mitschülerinnen. Sie hielten sich von mir fern, mieden mich. Die Nonnen hatten endlich erreicht, was sie schon so lange versucht hatten. Seither drohte mir der Rauswurf aus dem Kloster. Aber es kümmerte mich wenig.

Meine Eltern machten sich viele Sorgen um mich. Wiederkehrend hatten sie sich bei den Nonnen über meinen Zustand erkundigt.

Und heute kam Luzifer wieder zu mir. Aber im Gegensatz zu den anderen Besuchen teilte er mir eine sehr unerfreuliche Nachricht mit, aber auch eine sehr gute.

Uriel und Jibril waren mit Hilfe von ihm aus dem Himmel geflohen. Sie hielten sich zurzeit bei ihm auf. Aber im Widerspruch dazu, wollte Gott mich jetzt töten lassen.

Doch nichts konnte mich auf das vorbereiten, was mich als nächstes erwarten sollte.

Heute an meinem achtzehnten Geburtstag, sollte ich Laelia wieder sehen. Allerdings anders, als ich es je hätte ahnen können.

Morgens verlief alles wie gewohnt. Am Nachmittag kam Luzifer zu Besuch, die Nonnen glaubten mir, dass er mein Cousin war, auch wenn sie ihn argwöhnisch beobachteten. Schließlich konnte er der Grund für mein “gottesfeindliches” Verhalten sein. Aber solange er in der Nähe des Klosters war, benahm er sich wie ein großer Bruder, so schöpften die Ordensschwestern keinen Verdacht und schrieben auch nichts an meine Eltern, die es nie akzeptiert hätten, dass ich einen anderen Mann liebe, außer meinem zukünftigen Ehemann.

Ich sollte nämlich mit einem Fremden aus London heiraten. Ich kannte ihn kaum, aber meine Mutter sagte, dass er sehr nett sei und vor allem viel Geld in unsere Familie bringen würde.

Ein reicher Mann, den ich nie lieben würde, weil er zu alt war und mich nur brauchte um einen guten Eindruck bei seinen Freunden und Bekannten zu hinterlassen. Ich hatte mich dem Willen meiner Eltern widersetzt und genau deswegen war ich jetzt auch im Kloster. Damit ich keinen Jungen kennen lernen und mich in ihn verlieben könnte. Mein Vater redete seitdem kein Wort mit mir. Meine Mutter versuchte mich immer noch davon zu überzeugen mich bei ihm zu entschuldigen und mich mit diesem Cecil de la Giárdouré zu verloben. Doch, dass wollte ich nicht, auch wenn ich wusste, dass ich den Stolz meiner Familie damit gekränkt hatte.

Seit ich Luzifer kannte, war es mir noch klarer als zuvor - ich will diesen Mann nicht heiraten. Armand hatte versucht unsere Eltern von dieser Heirat abzubringen, leider ergebnislos. Er hätte alles dafür gegeben, um unsere Eltern von dieser Heirat abzuhalten.

Wie üblich gingen Luzifer und ich in den nahe liegenden Park spazieren. Er sagte mir, dass heute am wahrscheinlichsten Gott und Laelia ihren Plan in die Tat umsetzen würden.

Ausgerechnet heute. Ich machte ihm deutlich, dass ich nicht gegen Laelia kämpfen will und ich noch immer nicht verstand, was ich eigentlich mit dieser Angelegenheit zu tun hatte.

Angekommen in einer Grotte wurden Luzifer und ich nach Araboth teleportiert. Das letzte, an das ich dachte war: “Bitte lass alles gut gehen! Ich möchte, dass diese Erde eine Zukunft hat.”

Nun sollte er also beginnen, der letzte und entscheidende Kampf um die Zukunft, die Zukunft der Erde, der Menschen, Tiere und Pflanzen, der Engel und Dämonen. Wir standen in dem Thronsaal, der ein wenig umdekoriert war, und warteten auf das, was jetzt passieren würde. Dann stand Faye im Zimmer. Wir trauten unseren Augen nicht, denn vor einiger Zeit steckte sie noch im Elbait. Trotzdem wurden wir uns schnell darüber bewusst, dass das entweder eine Illusion oder Laelia war. Und sie war es wirklich, wie sich gleich herausstellen sollte. Mit einem gut durchdachtem Plan, der uns in die Knie zwingen sollte. Wenn es aber im Bereich des möglichen war, würden wir ihn vereiteln. Sie winkte uns in ein nahe liegendes Zimmer.

Wir machten uns auf, in Zuversicht auf diese Begegnung.

Der Raum war abgedunkelt, man erkannte gerade noch die Silhouette einer Person.

Vor uns stand Gott. Ich blickte ihm in die Augen.

“So wie sie könntest du sein. Stärker und schöner als im Moment und du könntest haben, was du begehrst, aber du hast dich gegen mich entschieden, deshalb werde ich dich alle Qualen der Welt spüren lassen.”, seine Stimme bebte vor Wut, “Ihr beide habt euch ständig allem widersetzt, was ich euch befohlen habe, dass werden wir gleich ändern. Ich gebe euch noch eine Chance, nutzt diese besser. Also, für wen entscheidet ihr euch? Auf welcher Seite steht ihr?”

“Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich jetzt um entscheide? So lange habe ich auf diesen Moment gewartet..., antwortete Luzifer.

“Das sehe ich auch so, ich lasse nicht zu, dass du oder wer auch immer die Erde zerstört.”, mahnte ich ihn. “Ihr Narren, nie hätte ich gedacht, dass ihr dieses Angebot ablehnen würdet. Zu dumm für euch, aber ich lasse euch noch ein paar Minuten, damit ihr euch von einander verabschieden könnt. Lebt wohl ihr zwei. Sagt adieu, zu der Erde oder wem ihr wollt, denn ihr werdet diesen Ort keinesfalls lebend verlassen.”, brüllt er und seine Stimme schallte im Raum.

Wieder verschwand er unauffindbar aus dem Zimmer. Auch von Fayes Körper alias Laelia war nichts zu sehen. Was war das hier für ein Spiel?

Ich war einerseits darüber erleichtert, dass ich bis jetzt einem Kampf entgangen war, andererseits war ich angespannt und nervös auf das, was mir noch bevorstand.

Der gesamte Raum war zugestellt mit Spiegeln. Ein Labyrinth aus Spiegeln. Anfangs suchten wir noch zusammen, trennten uns dann aber, um den Weg nach draußen schneller zu finden. Doch je länger wir den Weg suchten, desto geringer wurde die Chance uns wieder zu finden. Zum Schluss hörte ich nicht einmal mehr seine Stimme. Wir hatten uns verirrt und waren jetzt auch noch getrennt. Die Pläne, die Laelia geplant hatte, konnten nun ohne weitere Probleme in die Tat umgesetzt werden. Unerwartet breitete sich ein sehr dichter Nebel aus. Nun konnte ich obendrein auch nichts mehr sehen.

Was ich diesmal sah war keine Vision, es wirkte eher wie die Wiederholung der Vergangenheit:

Gott, ich erkannte ihn sofort, führte ein Selbstgespräch, wirkte vollkommen außer sich.

Überraschend spaltete sich sein Körper, ein echt abstoßender Anblick, in zwei Hälften.

Die eine Hälfte war wie zuvor, aus der anderen war Laelia entstanden. Wie war das möglich?

Ich dachte, Laelia wäre nur ein Engel, der von Gott erschaffen wurde, so wie alle anderen Flügelträger auch. Sie war also Gottes zweites Ich? Wahnwitz.

Auf einmal stand Laelia vor mir. Ihr Gesicht war wutverzerrt.

Sie kreischte mich an, bevor ich nur irgendetwas sagen konnte:

“Du hast es wirklich gewagt deine Finger an ihn zulegen. Das verzeihe ich dir nie. Er gehört mir. Ich habe mir nach langem hin und her einen weiblichen Körper besorgt, um ihn endlich zu bekommen. Aber er interessierte sich immer noch nicht für mich. Ich wusste mir nur noch so zu helfen, dass ich dich so schnell wie möglich aus dem Weg schaffen musste. Und das werde ich jetzt auch sofort erledigen, dann steht mir und Luzifer nichts mehr im Weg.”

“I-Ich liebe ihn doch gar nicht. Ich liebe nur einen und das ist Raphael.”, log ich sie an.

Sie beruhigte sich ein wenig. “Du liebst ihn nicht? Wenn das dein ernst ist, dann habe ich mich die ganze Zeit geirrt?“, entschuldigte sie sich.

Ich fragte sie, ob sie wirklich Gottes zweites Ich sei. Sie beantwortete meine Frage mit den Worten:

“Halb und halb. Ich bin ein Teil von ihm, nämlich der Teil, der Luzifer über alles geliebt hat.

Du liebst Raphael? Ich muss dich leider enttäuschen, aber er liebt dich sicher nicht, denn er hat nur Augen für mich. Sei nicht traurig, ich gebe dir anderen Ersatz, der wird dir gefallen.”

“Ja, mag sein. Aber nun muss ich wieder gehen. Es ist, glaube ich, alles Wichtige geklärt. Nimm Luzifer, wenn du magst, ich will ihn nicht. “, ich glaubte, dass wenn ich länger blieb sie meine Lüge durchschauen würde. Das durfte ich nicht riskieren.

“Du wirst sicher nicht gehen. Ich muss dir noch etwas zeigen, es wird dich interessieren, ganz sicher. Er ist so, wie es dir gelüstest. Sag mir nur, ob du ihn willst.”, hielt sie mich fest.

Da ich schlecht nein sagen konnte, ging ich mit. Ich fasste nicht, wen ich da sah.

Es war Armand.

“Du musst ihm nur sagen, was du von ihm erwartest und er erfüllt dir die sehnlichsten Wünsche.” verdeutlichte sie mir. “Aber das geht nicht. Ich meine, er ist mein Bruder. Weißt du das nicht?”

“Oh doch, ich weiß es, gerade deshalb sollst du ihn doch haben. Na los, du willst ihn doch oder? Nur keine Hemmungen. Trau dich. Ich weiß, dass er dich wollte. Los Armand, zeig deiner Schwester, wie sehr du sie liebst.”, Armand machte genau das, was sie ihm sagte. Er ging auf mich zu und küsste mich auf den Mund.

Ich konnte nicht anders als zu weinen. Ich dachte daran, dass er nie die Chance hatte mir zu sagen, dass er mich liebt. Und eigentlich dürfte er es nicht. Wenngleich mir klar wurde, dass er deswegen versucht hatte meine Hochzeit mit Giárdouré zu verhindern. Dann begann er meinen Hals zu küssen und wollte mir dann auch meinen Pullover ausziehen.

Aber er war doch mein Bruder. Das hier durfte nicht geschehen. Im selben Augenblick fing ich an mich gegen ihn zu wehren. Ich drückte ihn gegen eine Wand und er ließ von mir ab.

“Du lügst mich an Laelia, denn Armand hat mich nie geliebt.”, sagte ich mit zitternder Stimme.

“Doch hat er, aber wenn er und deine Familie dir nichts bedeuten, stört es dich sicher nicht, wenn ich sie töte. Was willst du nun? Deine Familie retten oder die Erde? Entscheide dich.

Ich bemitleide dich, eine so schwere Wahl zu treffen ist wahrlich nicht fazil. Auf wen fällt deine Wahl mein kleiner Engel?”, mit hochjubelnder Stimme genoss sie diese ihrige Überlegenheit.

Geistesabwesend sagte ich: “Was? Ich soll mich zwischen meiner Familie und der Erde entscheiden. Ich will, dass beides am Leben bleibt, Laelia. Keiner wird sterben, hörst du keiner.”

“Wenn du nicht wählen willst, werde ich es tun. Aber ich denke, zuerst ich töte deine Familie, vernichte danach die Erde und dann werde ich mir dich vom Hals schaffen.”, triumphierte sie.

“Das glaubst du doch selbst nicht. Warum hasst du mich eigentlich so sehr? Weil ich dir Luzifer weggenommen habe, weil er deine Liebe nie erwidert hat, weil ich dich belogen habe, weil ich dich, meine beste Freundin, hintergangen habe?”, fragte ich sie, um mir etwas Zeit zu verschaffen, mir einen Weg zum Fliehen zu überlegen.

“Ich - deine beste Freundin? Willst du dich über mich lustig machen? Es reicht mir, du versuchst doch nur Zeit zu sch...“, verhöhnte sie mich, unterbrach aber ihren Satz, da Luzifer urplötzlich aus dem Nichts auftauchte.

“Aniela, alles klar bei dir? Laelia Finger weg von ihr. Was macht ihr zwei hier eigentlich?”, erkundigte er sich bei uns. “Ja alles klar. Wie geht es dir? Laelia will mich gerade dazu verführen mit meinem Bruder ins Be...”, weiterkam ich nicht, weil Laelia mir ein Messer an die Kehle hielt. Sie meinte es wohl ernst.

Im selben Moment tauchten auch Raphael, Uriel und Jibril sowie ein anderer Mann auf. Er war sicher Michael. Michael stellte sich auf Laelias Seite, Raphael und die anderen auf unsere. Aber auch Gottes anderer Teil erschien inzwischen.

Für kurze Zeit herrschte verhängnisvolle Stille. Niemand redete auch nur ein Wort. Nur Michaels Wutgeschnaube unterbrach das Schweigen. Die Verhältnisse waren geklärt. Sollte jetzt ein Chaos ausbrechen, würde es verheerend sein.

Doch gegen alle Erwartungen, zogen sich Laelia und Co. zurück. Ich fiel Luzifer um den Hals, küsste ihn und wunderte mich, dass sie schon so schnell aufgegeben hatten. Doch bevor ich dazu kam Luzifer etwas zu erzählen, schoss etwas Blitzartiges auf uns zu. Es sah aus wie ein horizontaler greller Blitz. Luzifer fiel plötzlich zu Boden. Sein Körper sackte in sich zusammen. Er war tot.

Mir rannen die Tränen über die Wangen, dann hörten wir Laelias triumphierende Stimme:

“Wenn ich ihn nicht haben kann, sollst du ihn auch nicht haben. Werde glücklich. Ich lasse dir dein Leben, denn was hätte ich davon dich zu töten. Ich werde dich leiden sehen, dass reicht mir vollkommen aus, darauf habe ich schließlich nur gewartet. Und nun zu euch Verrätern, ich brauche keinen, der mir nicht bedingungslosen Gehorsam schwört. Verschwindet von hier, werdet glücklich miteinander. Jetzt bemerkte ich, dass auch Jibril tot am Boden lag. Uriel stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er hielt Jibril im Arm und trauerte um sie.
 

Kapitel VII: Wie das Schicksal es vorsieht
 

Wie sollte es jetzt weiter gehen? Ich musste es irgendwie erreichen, dass Laelia zusammen mit Gott verschwand. Aber im Moment konnte ich nicht anders als zu heulen. Raphael nahm mich in den Arm. Uriel saß regungslos da, mit der toten Jibril im Arm. Wir beide hatte die Person verloren, die uns am meisten bedeutet hat. Wir waren nur noch zu dritt, wenn uns jetzt noch so ein Blitz treffen würde, vielleicht nur noch einer oder zwei. Raphael teleportierte uns vier in mein Zimmer auf der Erde. Meine Eltern waren auf Geschäftsreise, daher konnten wir zu mir nach hause.

“Warum bin nicht ich getroffen worden? Verdammt. Halt, Raphael, wir müssen noch mal zurück und Luzifer holen.”, schluchzte ich.

“Hör mir zu Aniela. Luzifer ist tot, du kannst nichts mehr für ihn tun. Tut mir leid, aber ich denke es ist besser, wenn du hier bleibst. Ich werde seinen Leichnam holen. Uriel, wenn es dir nicht allzu viel ausmacht, pass bitte kurz auf sie auf.”, appellierte Raphael an Uriels Pflichtbewusstsein.

Uriel tat mir leid, er und Jibril kannten sich immerhin schon eine Ewigkeit. Sie hatten alles daran gesetzt ihre Liebschaft nicht auffallen zu lassen und jetzt war es endlich so weit gekommen, dass sie ein neues Leben beginnen konnten, aber dann wurde Jibril so abrupt aus dem Leben gerissen.

Ich schwor Uriel, dass ich Laelia dafür bestrafen würde.

Von meiner Freundschaft zu ihr waren nur noch Hass, Verzweiflung und Trauer geblieben.

Kurz darauf kam Raphael mit Luzifers leblosem Körper wieder. Uriel und ich beschlossen die beiden an ihren Lieblingsplätzen zu begraben. Jibril wurde von Uriel auf einem Floß auf das Meer geschickt und ich begrub Luzifer an unserer Lieblingsstelle im Park. Sie war etwas abgelegen, daher sollte kaum jemand etwas von diesem Grab merken.

*

Die Erde versinkt in Dunkelheit.

Ein letztes Mal geht die Sonne unter. Kaum jemand sieht sich den Sonnenuntergang an, denn die Sonne ist Gewohnheit geworden, wie so vieles. Der Tag neigt sich dem Ende.

Doch dann erscheint ein glühendes Licht, es erfasst die ganze Erde.

Einen Moment später ist dort, wo früher die Erde ihre Kreise zog, ein leerer Fleck. Die Erde und damit auch sämtliches Leben auf ihr wurde ausgelöscht.

Von weitem ist nur noch eine Wolke aus Staub zu sehen.

Der Staub einer todgeweihten Zivilisation.

*

Zum Glück erwachte ich aus dem Schlaf. Ich hatte nur geträumt. Nein, ich hatte eine Vision, eine Vision von der Zerstörung der Erde. Aber was war dieses Licht? Wie konnte man es aufhalten?

Gewiss hatte Gott mir diese Vision geschickt und er hatte erreicht, was erreicht werden sollte.

Ich hatte Angst, Panik und war verzweifelt. Ich konnte kaum noch klar denken.

Ich erzählte Uriel von dieser Vision. Doch, was er mir darauf entgegnete schlug dem Fass den Boden aus: “Diese Vision, ist die Prophezeiung, von der Jibril geredet hat. Nur, dass du eigentlich die Erde rettest, aber im Moment ist niemand in der Lage die Erde noch zu retten.

Der Tod greift nach ihr. Nichts im Universum kann das verhindern. Nicht mal du, als diejenige, die die Kräfte von Faye besitzt. Nicht einmal mehr du kannst es.”

“Oh doch, es muss eine Möglichkeit geben die Erde von diesem Schicksal zu erlösen. Wir können doch nicht hier sitzen bleiben und darauf warten, dass Gott diesen Planeten zerstört. Ich finde einen Ausweg, weil mir einiges an diesem Planeten liegt und weil ich wohl die einzige bin, die noch an die Zukunft glaubt. Wir müssen es wenigstens versuchen.

Ich möchte nicht mit einem schlechten Gewissen sterben, wenn es soweit sein sollte.”, bekräftigte ich. Unsere Diskussion war damit beendet.

Mir fielen die Briefe ein, die ich vor einem Jahr an mich genommen hatte und las sie durch. Ein Brief enthielt nur einen Satz, andere waren Seitenlang, aber alle waren an Faye gerichtet, jedoch einer war an Luzifer adressiert.

Er war von Raphael. Er warnte Luzifer davor eine Beziehung mit Faye einzugehen. Ich dachte, dass es im Enddefekt auch besser so gewesen wäre, denn wenn er sich nicht in sie verliebt hätte, wäre er nie bei mir aufgetaucht.

Mein Zustand verschlechterte sich zusehends. Ein paar Tage lag ich mit Fieber im Bett. Raphael kümmerte sich um mich und um Uriel, der sich viel zurückzog.

Kaum, dass ich wieder etwas genesener war, versuchte ich mich nach Araboth zu teleportieren.

Raphael hielt mich auf. Er wachte über mich, wie eine Mutter über ihr Kind.

Ich dachte die meiste Zeit nur daran, dass sich Laelia und Gott sich einen Spaß daraus machen würden, dass ich jetzt hier war und nichts unternehmen konnte.

Irgendwie musste ich es schaffen, nach Araboth zu gelangen, um dort die Umsetzung des Plans zu vereiteln. Aber Raphael bewachte mich rund um die Uhr. Das Problem sollte sich demnächst ändern.

Sieben Tage nach Luzifers Tod erschien Laelia in meinem Zimmer.

Sie benahm sich, als ob nichts geschehen wäre. Sie fragte mich, wieso ich mich so merkwürdig verhalten würde. Raphael stellte sich schützend vor mir.

Dann erschien auch Gott bei uns und die zwei vereinten ihre Körper wieder zu einem. In diesem Moment erkannte ich das glühende Licht aus meiner Vision. Wir waren geblendet von dieser Helligkeit und unfähig dazu irgendetwas zu unternehmen.

Uriel schleuderte etwas, dass einem Blitz glich, auf diese unfertige Verschmelzung. Ein noch helleres Licht erfasste die Wohnung.

Nachdem das Licht verschwand, wurde uns deutlich, dass Uriels Blitz völlig umsonst gewesen war. Eine Angst einflössende Aura breitete sich aus, eine unglaubliche Kraft.

Aber die neu entstandene Persönlichkeit schien noch nicht ihre vollkommene Macht erreicht zu haben. Raphael und Uriel griffen gemeinsam den ursprünglichen Gott an.

Michael, der aus dem nichts auftauchte, griff die beiden an. Eine Explosion erschütterte das gesamte Gebiet und zerstörte unsere Wohnung. Von den drei Kämpfenden war nichts zu sehen.

Nur leicht verletzt verließ ich die Trümmer unseres Hauses.

Gott ließ Fayes Körper erscheinen. Er murmelte mehrere unverständliche Worte und ich fühlte, wie sich meine Seele von meinem Körper löste.

Als ich wieder erwachte, befand ich mich in Fayes Körper. Ich fühlte mich ganz anders, ganz fremd und doch seltsam vertraut. Meine Arme waren auf meinem Rücken gefesselt. Ich konnte mich kaum bewegen. Aber ich war noch immer auf der Erde.

Ich musste mit ansehen, wie Gott Uriel und Raphael die Herzen herausriss. Mir wurde bei dem Anblick schlecht.

Michael lag ebenfalls tot am Boden. Seine braunen Haare glitzerten rot durch das Blut, das durch seine Wunde über seinen Kopf geflossen war. Jetzt war ich ganz alleine.

Plötzlich überkam mich ein seltsames Gefühl. Faye ergriff Besitz von mir. Ich hörte, wie sie eine Zauberformel sprach und ich befand mich kurze Zeit später wieder in meinem Körper.

In meinem Kopf hörte ich ihre Stimme. Sie klang sanft und gutmütig: “Bringe das zu Ende, was ich nicht erreichen konnte, denn du bist viel stärker als ich. Du kannst es schaffen. Kämpfe und rette diesen schönen Planeten. Ich habe keine Kraft mehr, er hat sie mir genommen. Pass auf, dass er dich nicht verführt, denn dann ist alle Hoffnung verloren.”

Jetzt, wo selbst Faye mich bestärkt hatte die Erde zu retten, wusste ich, dass ich mich Gott stellen musste. Ich hätte es von Anfang an tun sollen, dann wären nicht so viele Leute gestorben.

Gottes Stimme ertönte in einem zufriedenen Ton: ”Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir alles nehme, was dich glücklich macht. Deshalb habe ich auch versucht dich zu vergewaltigen. Sogar deine Eltern haben dich verlassen, armes Ding.”

Ich konnte nicht glauben, dass er auch sie getötet hatte.

“Ja, aber jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren. Ich muss auf keinen mehr achten.”, rief ich mit zitternder Stimme.

Ich fand ein Küchenmesser auf dem Boden und hob es auf, ohne dass Gott es bemerkte. Ich näherte mich ihm langsam.

In dem Augenblick als ich zustechen wollte, drehte er mein Handgelenk in meine Richtung und stieß mir das Messer ins Herz. Ich fühlte, wie das Blut aus der Stichwunde strömte.

Ich zog das Messer heraus und stieß es in sein Herzstück. Auf der Stelle fiel er um.

Sein Körper zerfiel zu Asche, diese wandelte sich zu einem Lichtstrahl.

Das grelle Licht umfasste die Erde, die kurz darauf explodierte.

Die Detonation breitete sich auf das ganze Universum aus. Es wurde zerstört.

Alle Bemühungen waren umsonst. So viele Lebewesen waren heute gestorben.

Ich hoffe, dass eines Tages neue Existenzen bessere Lebensmöglichkeiten haben als wir es je hatten.
 

Nachwort:
 

Das eigentliche Thema der Geschichte ist “Wie finde ich meinen Weg, ohne dass ein anderer verletzt wird”.

Im Grunde hat Gott hier nur eine Vermittlerrolle übernommen. Er vermittelt wie die böse Seite die Macht ergreifen will. Aber in Wirklichkeit ist doch der Kampf um Macht ein Kampf um die Liebe. Gottes weibliche Hälfte, Laelia, bringt genau das herüber. Zwischen Gott und Aniela besteht so etwas wie Hassliebe, aber auch, wenn Gott Luzifer liebte, hat er zu gleichem Teil auch Faye geliebt.

Letztlich waren die Bemühungen Anielas keineswegs umsonst, denn nun hat das Universum die Chance auf Erneuerung, Weiterentwicklung und Eigenständigkeit.

Auch, wenn es zunächst so scheint, dass alles verloren ist, weil das Universum vernichtet wurde, hat doch die Natur immer neue Lebensformen hervorgebracht. Es wird immer ein Weiterleben geben. Sollte es eine Zukunft geben, ohne dass irgendjemand existierte, der sie ändern könnte?

Die Protagonisten sind dem Tarotkarten nachempfunden. Die Karten dienen als Lebensaufgabe, die die einzelnen Personen erfüllen sollen. So hat Michael (Der Tod) die Aufgabe seinen Streit mit Luzifer beizulegen, leider kam er nicht dazu diese zu erfüllen. Raphael (Das Aeon) sollte seine Wahrheit finden und ich denke diese hat er auch gefunden.

Uriel (Der Stern) und Jibril (Die Gerechtigkeit) stehen für Hoffnung und Gerechtigkeit. Aniela (Die Kunst) und Luzifer (Die Liebenden) haben ihre Bestimmungen mehr als nur vollbracht. Armand (Der Hohepriester) vollendete trotz seines kurzen Auftritts sein Schicksal. Er diente als Mittler, der Aniela den Weg weisen sollte. Faye spielt hier nur eine winzige Rolle, obwohl diese sehr entscheidend ist. Sie ist keiner Karte gleichgesetzt, denn sie ist die einzige Person, die keine Aufgabe zu erfüllen hat, da Aniela diese übernommen hatte. Gott (Das Universum) und Laelia (Ausgleichung) sollen ihre Schicksale zu Ende bringen bzw. für Probleme eine stabile Bilanz schaffen um diese zu lösen.



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