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Sinnlose Versprechen

von

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„Unter welchen Umständen ist Ihr Vater ums Leben gekommen? Hat er Suizid begangen, weil er befürchtete, von der Polizei geahndet zu werden?“
 

„Treten Sie nun aus der Politik zurück, nachdem Ihre wahre Herkunft aufgeflogen ist?“
 

Jason wünschte sich bereits zum zehnten Mal, nicht so vorschnell aus der Wohnung getreten zu sein. Doch er hatte nicht länger bei Lance verweilen können, ohne dabei seine Selbstkontrolle zu verlieren. Und die hätte er zweifellos eingebüßt, sobald der Schwarzhaarige noch einen Versuch unternommen hätte, ihn zu berühren. Zu seinem Leidwesen musste er sich eingestehen, dass er gegen die Zuneigung, die er trotz allem noch für seinen Freund empfand, nicht dauerhaft ankämpfen konnte. Irgendwann war der Zeitpunkt einfach gekommen, um Verstand gegen Triebe und Begierde auszutauschen.

Und nun stand er hier: Eingeengt und mit Fragen überschüttet. Die Reporter hatten kein Nachsehen und stürmten pausenlos auf ihn ein. Bisher hatte er noch keinen Ton von sich gegeben und er überlegte fieberhaft, was er ihnen sagen sollte. Ungeachtet der Diktiergeräte und Mikrofone, die ihm vor das Gesicht gehalten wurden, starrte er einen Punkt hinter all dem Chaos, das sich ihm darbot, an. Die lauten aufgeregten Stimmen und die Blitzlichter der zig Fotoapparate waren unerträglich, weshalb er versuchte, den Lärm und das Gewusel um sich herum auszublenden. Aber das war ein auswegloses Unterfangen. Spätestens die Frage „Oder hat Ihr Vater seinen Tod nur vorgetäuscht, um Asht-Zero in ein paar Monaten oder Jahren erneut zu bedrohen?“ riss ihn aus seinen Gedanken.
 

„Was bilden Sie sich eigentlich ein“, erwiderte Jason barsch und funkelte den hageren Mann zu seiner Linken wütend an. „Ich habe meinen Vater vor zwei Jahren selbst begraben, so etwas Makaberes habe ich mir gewiss nicht ausgedacht oder zusammenfantasiert!“

Er wusste, dass er sich am Riemen reißen musste, aber solche Anschuldigungen konnte er nicht auf sich beruhen lassen. Und gut neunzig Prozent seiner Selbstbeherrschung hatte er hinter der Wohnungstür zurückgelassen, dort, wo er Lance die Stirn hatte bieten müssen. Irgendwie musste er den Journalisten entkommen, um seine Misere nicht noch zu verschlimmern. Eine falsche Aussage und er war für den Rest seines politischen Daseins geliefert. Dann halfen ihm seine etwaigen Chancen, all die bisherigen Missverständnisse aufzuklären, auch nichts mehr.

Mit bekümmerter Miene fügte er an: „Die Zeit, über den Tod meines Vaters hinwegzukommen, war schwer, bitte verlangen Sie nicht von mir, erneut diese Stunden voller Trauer zu durchleben.“
 

„Hat Ihr Vater Sie in seine Machenschaften eingeweiht?“
 

„Nein“, antwortete Jason schlicht.
 

„Nicht einmal auf dem Sterbebett? Dort beichten die meisten Menschen bekanntlich ihre Sünden in der Hoffnung, die Schuld würde ihnen damit genommen werden.“
 

Jasons Mund klappte auf. Wie konnte man ihm nur solch eine Frage stellen? Das Herz in seiner Brust klopfte wild und er kratzte jedwede Besonnenheit zusammen, die er noch in sich finden konnte. Tief atmete er ein und aus, um sich nicht zuletzt an dem schmächtigen Reporter, der die Dreistigkeit besessen hatte, zu vergehen. Bedächtig schloss er seine Lider und schüttelte mit dem Kopf.

„Nein, das hat er nicht“, hauchte er.
 

„Sie wollen allen Ernstes behaupten, Sie hätten nichts von den Tücken Ihres Vaters gewusst?“
 

Nachdem der Blondschopf das Rehbraun seiner Augen wieder preisgegeben hatte, suchte er die Frau auf, die ihm eben die Frage gestellt hatte.

„Ganz recht“, nickte er bestimmt.
 

„Der bindet uns einen Bären auf!“, meinte ein graumelierter Herr zu seinen Mitstreitern.
 

„Haben Sie sich nicht zur Wahrheit verpflichtet?“, konterte Jason. „Ich gebe Ihnen nichts anderes als die nackte Wahrheit. Bisher habe ich angenommen, die Zeitungen würden nur belegbare Fakten veröffentlichen, doch sollte ich mich da etwa getäuscht haben?“

Provozierend ließ er seinen Blick über die Menge streifen, die ihm immer noch den Weg hinaus an die frische Luft verwehrte.

Für einen Moment war es still und Jason glaubte schon, die Journalisten endlich ein wenig von seiner Rechtschaffenheit überzeugt zu haben, doch sie waren hartnäckiger als ihm lieb war.
 

„Können Sie denn beweisen, dass Sie nicht aus dem Grund, sich die Stadt zu unterwerfen, Bürgermeister werden wollen? Dass sie nicht vorhaben, die Bevölkerung anstelle Ihres Vaters weiterhin in Angst leben zu lassen? Sich vielleicht gar noch an der Furcht in ihren Augen laben, während sie die kuriosesten Beschlüsse erzwingen?“
 

Ein trauriges Lächeln umspielte Jasons Mundwinkel. Unwissentlich vergrub er seine Hände in den Hosentaschen und bahnte sich einen Weg durch die Menge, während er ihnen zuraunte: „Ihre Fantasie kann das Leben anderer zunichte machen.“

Damit eilte er die wenigen Stufen zur Haustür hinab und trat ins Sonnenlicht, das ihm einen Teil seiner Anspannung nahm. Sofort begann er sich schnellen Schrittes von den Stimmen, die ihm gefolgt waren, zu entfernen. Alsbald verfiel er in ein Joggen, das ihm die Kehle brennen ließ. Ungeachtet der für gewöhnlich gleichmäßigen Atmung setzte er gedankenlos einen Fuß vor den anderen, ließ die Häuser als graue nichtige Silhouetten an sich vorbeiziehen und lief einem nicht existierenden Ziel entgegen. Minute um Minute hastete er durch enge Gassen, über wenig befahrene Straßen und über die Wiesen in den künstlich angelegten Pärken. Als die Kopfschmerzen wiederkehrten, die ihn am Morgen noch fast in die Knie gezwungen hatten, hielt er abrupt in seiner Bewegung inne und stützte sich mit beiden Händen an seinen Oberschenkeln ab. Laut rang er nach Atem und fühlte, wie sich ein paar Schweißperlen einen Weg über seine Stirn hinab gen Kinn bahnten. Überhaupt war er völlig durchgeschwitzt und das T-Shirt klebte förmlich an seinem Körper fest.

Vielleicht hätte er es ertragen können, dass er boykottiert wurde. Doch dass der Name seines Vaters in den Dreck gezogen wurde, missfiel ihm über alle Maßen. Die Schmach, die seiner Familie zuteil wurde, war einfach nicht tolerierbar. Zumindest nicht für ihn.

Keuchend sog er die kühle Abendluft ein.

Ein paar wenige Menschen erdreisteten sich, Gerüchte über ihn in die Welt zu setzen, und der Rest der Welt glaubte sie auch noch. Selbst Holly schenkte diesem ganzen Wahnwitz anscheinend Glauben. Das war so absurd, dass er fast meinen konnte, er bilde sich das alles nur ein. Eine reelle Halluzination von überzeugender Vorstellungskraft. Überflüssige Fantasie, die man schlichtweg nicht brauchte. Ein plötzlicher Schmerz, der ihn durchzuckte, belehrte ihn eines Besseren. Im nächsten Atemzug fand er sich rücklings auf dem Boden wieder und sah auf zu einer Gestalt, die die Arme in die Hüften stemmte und verächtlich lachte.
 

„Jungs, wen haben wir denn da?“, fragte er und verstärkte den Druck seines Fußes, der auf Jasons Oberkörper gepresst wurde.
 

Der Blondschopf verdrehte die Augen und raunte: „Nicht schon wieder du.“

Als er mit seinen Händen nach dem Bein des anderen greifen wollte, realisierte er erst, dass seine Arme festgehalten wurden. Er ließ seinen Blick über die zwei ebenso spöttisch grinsenden Jugendlichen streifen. Und der Haufen voller Lemminge stand wie üblich hinter diesem Kerl, so einfältig und ebenso unterwürfig wie sie alle wirkten.
 

„Seit unserer letzten Begegnung ist viel passiert, Jason Schwuchtel Sartaren“, säuselte der schlaksige Typ. „Na, ist dein Thron, den du besteigen wolltest, in weite Ferne gerückt? Das tut mir aber leid. Nun bist du nichts weiter als Abschaum.“

Gespielt mitfühlend sah er zu Jason herab. Das Sonnenlicht, das sein Gesicht erhellte, unterstrich den Spott, der sich unentwegt dort abzeichnete.

„Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen. Mir kam noch nie einer ungeschoren davon und du, schwule Ratte, wirst keine Ausnahme bilden.“
 

Jasons Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Seit wann darf sich ein Kleinkind in diese Gegend verirren? Sucht dich deine Mama schon und trägt dir dein Fläschchen hinterher?“

Hatte er nicht schon genug Probleme? Da brauchte er diesen Möchtegernmacho nicht auch noch am Hals kleben haben! Doch seine Lage schien ausweglos zu sein. Die einzige Gegenwehr, die ihm geblieben war, war sein Mund, der ihm bisweilen noch nicht zugehalten wurde. Anscheinend hoffte der Anführer dieser Pseudo-Gang auf ein gequältes Stöhnen von ihm, denn dessen Fuß bohrte sich immer weiter schmerzhaft in seine Brust.

Notdürftig versuchte er sich zu orientieren, wo er überhaupt war. Er war so ziellos durch die Gegend gerannt, dass er gar nicht recht wusste, wohin ihn seine Füße getragen hatten. Doch mit seiner Einschätzung, dass es sich eher um eine stille, verlassene Gegend handeln musste, hatte er gar nicht so falsch gelegen. Mehr als ein paar verfallene Häuser konnte er mit seinem Rehbraun nicht erhaschen, zumal er aufgrund der dicht gedrängten Körper, die ihn umgaben, nicht viel sehen konnte. Aber die schwarzen Krähen, die ihre Kreise über ihm am Himmel zogen, waren ein weiteres Indiz für die Abgeschiedenheit, in die er sich gedankenlos begeben hatte.
 

„Wenn ich mit dir fertig bin, brauchst du das Fläschchen, um dich noch irgendwie ernähren zu können“, kam es herabwürdigend zurück. „Xander!“, rief er aus.
 

Der Junge, der als einziger beim erstmaligen Zusammentreffen noch gezaudert hatte, trat vor und postierte sich neben dem schlaksig wirkenden Typen, der seinen Fuß noch einmal fest zwischen Jasons Rippen bohrte, worunter letzterer die Zähne fest aufeinander biss, um einen verräterischen Laut zu unterbinden, auf den der andere wirklich aus zu sein schien.
 

„Wem gehört die Stadt?“, fragte der Anführer den Jungen, der zwar noch so scheu wie vor ein paar Tagen wirkte, aber sicherlich nicht mehr die Absicht hegte, Jason Respekt zu zollen. Seine blauen Augen glommen vor Abscheu und der Blondschopf fühlte sich schmerzhaft an Lance erinnert.
 

„Uns“, antwortete der Kleinere von den beiden, die Jason im direkten Sichtfeld hatte.
 

„Brav, mein Kleiner, brav. Und wem wird sie gewiss niemals gehören?“
 

„Dieser Schwuchtel dort unten“, zeigte er mit seinem rechten Zeigefinger auf Jason.
 

„Genau das wollte ich hören. Du scheinst aus deiner Lektion gelernt zu haben.“

Zufrieden klopfte er auf die Schulter des anderen und nickte ihm zu.

„Und wage es ja nicht, dich mir noch einmal zu widersetzen.“
 

Ersticktes Lachen durchbrach den Dialog der beiden und der Anführer funkelte Jason an, aus dessen Kehle die einem Krächzen gleichen Laute drangen.
 

„Sei still!“, fauchte der Schlaksige
 

„Du bist von einem Haufen Trottel umgeben, wenn sie dir aufs Wort gehorchen“, meinte der Blondschopf die Augenbrauen hebend. Für einen kleinen Moment lockerten sich die Griffe der Hände auf seinen Armen, doch schon ein gereiztes „Haltet ihn fest!“ machte seinen Plan zunichte. Der Kerl über ihm schien gewiefter zu sein als er gedacht hatte. Oder er hatte einfach genug Angst vor dem, was ihm blühte, sobald Jason sich wieder vernünftig wehren konnte.

Grinsend suchte er den Blick des Anführers. „Sie sind ja wirklich so dumm, wie ich behauptet habe.“
 

„Grrr…“, knurrte der vermeintliche Boss. „Merkt ihr eigentlich nicht, wenn der Kerl euch beleidigt?“, fragte er einen Blick in die Runde werfend. Kopfschüttelnd hob er die Schultern und ließ sie kurz darauf resigniert wieder sacken.
 

„Du richtest sie doch ab wie Hunde“, entgegnete Jason kühl.
 

Unruhiges Gemurmel brach aus und Jason fühlte ein Reißen in seiner Brust. Keuchend vergrub er seine Zähne in seiner Unterlippe und spürte ein warmes Rinnsal sein Kinn hinab rinnen. Vielleicht war er doch nicht in der Position, seinen Mund derart weit aufzumachen. Aber er besaß einfach keine Kontrolle mehr über sich. Und sich jetzt auszumalen, wie es gewesen wäre, bei Lance geblieben zu sein, um sich von ihm den letzten Verstanden rauben zu lassen, wäre fatal. Darum mühte er sich ab, seine Augen wieder zu öffnen, um der Realität, die gerade nicht rosig war, in die Augen zu sehen. Diese waren von einem hellen Grün, das zur giftversprühenden Natur passte, die der schlaksige Kerl innehatte.
 

„Jeremy, wollt ihr ihn umbringen?“, kam es plötzlich aufgeregt von Xander. Selbst Jason sah überrascht zu dem Jungen, der eben noch lediglich Ekel für ihn übrig gehabt hatte.
 

„Muss ich dich noch mal bestrafen, dass du begreifst, meine Methoden nicht anzuzweifeln?“, gab der Anführer der Gang barsch zurück.
 

„Er blutet bereits“, gab Xander nicht klein bei, wich aber zwei Schritte von Jeremy zurück.
 

„Was können wir denn dafür, dass er sich selbst so zurichtet?“, entgegnete der Größere nun ungewöhnlich ruhig. „Sieh ihn der genauer an.“ Auffordernd winkte er Xander zu sich heran, der nun unwillig wieder näher kam, aber dennoch gehorchte. „Sein dreckiges Gesicht haben wir nicht einmal berührt und das ist die einzige Stelle, aus der Blut fließt. Und nun keine Widerworte mehr, einverstanden?“
 

Xander nickte und schenkte Jason ein entschuldigendes Lächeln, der dieses sofort ausnutzen wollte: „Warum tust du alles, was er dir sagt?“, fragte er an den Kleineren gewandt. Kleine Sterne begannen vor seinen Augen zu tanzen, als ein Fuß in seine Seite trat. Er schnappte nach Luft und konnte nur verschwommen wahrnehmen, dass der Fuß zu Xander gehörte.
 

„Halt’ die Klappe. Du weißt gar nichts!“, grollte der Junge und setzte erneut an, nach ihm treten zu wollen, wurde aber seltsamerweise von Jeremy zurückgehalten.
 

„Das reicht. Nicht dass wir wirklich noch zur Rechenschaft gezogen werden können.“
 

„Auf… einmal so… vernünftig?“, presste Jason unter einem Ächzen zwischen seinen Zähnen hervor.
 

„Du kannst tatsächlich noch reden?“, kam es fies zurück. „Vielleicht sollte ich ihn dich doch misshandeln lassen.“
 

„Tu’ dir… keinen Zwang… an.“ Mehr als ein Keuchen waren seine Worte nicht.

Jasons Lunge schrie nach Luft, doch der Druck auf seiner Brust war so ausgeprägt, dass jeder Atemzug einer Höllenqual glich. Als er einen weiteren festen Tritt in seiner Seite verspürte, wurde ihm ganz schwarz vor Augen. Das Geschehen um ihn herum mit ihm als Mittelpunkt nahm er eine ganze Zeit lang nur noch ganz verschwommen wahr. Erst glaubte er laute Rufe zu hören, dann bildete er sich ein, eine ihm vertraute Stimme zu vernehmen… Doch er schrieb das alles den Schmerzen zu, die es ihm unmöglich machten, die Wirklichkeit von Trugbildern, die ihm sein benebelter Verstand gnädigerweise zukommen ließ, zu unterscheiden.

Minuten später glaubte er, dass jemand seinen Oberkörper anhob, doch als er die Augen aufschlug, starrte er in ein schwarzes Nichts. Doch als sich das lichtete, erkannte er, dass er mit seiner Vermutung doch richtig gelegen hatte.
 

„Bleib liegen!“, wurde er sofort ermahnt.
 

Jason schluckte und hob einen Arm, um sich über die Augen zu reiben. Als er wieder klar sehen konnte – zumindest so weit dies die Sonne zuließ, die beachtlich blendete -, war sein Kopf immer noch auf denselben Beinen gebettet.

„Lance?“, entfuhr es ihm heiser und er sah in das Gesicht seines Freundes, der ihn kalt und gleichzeitig besorgt anblickte.
 

„Warum legst du dich ständig mit irgendwelchen Typen an?“, kam es unsanft zurück. Aber eine Hand, die bedächtig über seine Wange strich, war dagegen völlig liebevoll.
 

Irritiert hob der Blonde den Kopf an und sah sich um. Ein Schmerz, der ihm durch Mark und Bein ging, dankte ihm sein Bemühen. Kraftlos sank er zurück auf Lance’ Beine.

„Wo ist der Mistkerl?“, fragte er mit geschlossenen Lidern.
 

„Den habe ich nach Hause zu seiner Mama geschickt.“
 

Unwillkürlich musste Jason lächeln. Genau dahin hatte er diesen schlaksigen Möchtegernanführer auch verbannen wollen.

„Was machst du hier?“, fragte er aber skeptisch.

Da Lance schwieg und seine Hand abrupt zurückzog, öffnete Jason seine Lider und sah ihn forschend an.

„Bist du mir nachgelaufen?“, fügte der Blonde leise an.
 

Eilig stand Lance auf, nachdem er Jasons Kopf auf die Straße unter ihm gebettet hatte. „Sieh zu, wie du allein zurecht kommst.“

Da war sie wieder. Diese Kühle, die Jason einfach nur unbegründet fand.
 

„Danke“, presste der Blondschopf hervor und mühte sich unter Schmerzen auf seine Ellenbogen, unschlüssig, ob er seinem Freund noch etwas zurufen sollte, der sich bereits einige Meter von ihm entfernt hatte.
 

Lance ließ ihn wirklich hier liegen, woraufhin sich aufgrund des Unbehagens, das sich in Jason ausbreitete, genug Adrenalin freisetzte, dass er alsbald wankend auf die Beine kam. Jeremys Gang hatte ihm mächtig zugesetzt und auch wenn er es nicht zugeben wollte, Lance hatte ihn eindeutig vor Schlimmeren bewahrt. Aber das gab dem Schwarzhaarigen noch lange nicht das Recht, einfach so wieder zu verschwinden, als ob ihn das nicht anginge, was mit Jason los sei oder wie er nach Hause kam.
 

„Idiot!“, murmelte der Blonde vor sich hin. Egal, was Lance in letzter Zeit tat, man konnte daraus einfach nicht schlau werden. Und irgendwie missfiel es ihm, dass er allmählich das Gefühl bekam, dass Tyrone von Zundersby doch nicht durch das Wirken seines Freundes erschienen war. Denn dann würde er Lance’ Verhalten noch weniger erklären können. Und diese Ahnungslosigkeit ließ sein Herz nur noch mehr schlagen als es ohnehin schon gegen seine Brust pochte, die sich schmerzhaft zu Wort meldete. Jeremy hatte sie ziemlich malträtiert und Jason befürchtete, dass mindestens eine Rippe in Mitleidenschaft gezogen worden war. Unsicher setzte er einen Fuß vor den anderen und stützte sich immer mal wieder an den porösen Hauswänden ab, die die Straße säumten.
 

Er wusste nicht, wie er es bis in seine Straße schaffte, aber als er das Haus, in dem er seit bald einem Jahr lebte, erblickte, legte sich ein nervöses Lächeln auf seine Lippen. Die Schar von Reportern, vor denen er vor wenigen Stunden geflüchtet war, war enorm gewachsen. Langsam näherte er sich ihr und versuchte dabei sein Gesicht nicht mehr schmerzvoll zu verziehen. Als er keine vier Meter mehr von den zig Menschen und Kameras entfernt stand, konnte er seinen Augen kaum glauben. Alle Augen waren auf eine Person gerichtet, die im Gegenzug ihr dunkles Blau direkt auf ihn gerichtet hatte. Lance bedeutete ihm stumm, er solle sich beeilen und die Gunst der Stunde nutzen, ehe noch jemand davon Wind bekam, dass er sich unmittelbar in seiner Nähe aufhielt. Jason musste einen Moment in allem innehalten und auf seinen Freund starren.
 

„Mein Freund möchte kein weiteres Statement abgeben“, drang Lance’ abgeklärte Stimme an seine Ohren. „Er ist sich keiner Schuld bewusst und muss sich aus diesem Grund nicht rechtfertigen. Und unterstellen Sie uns nicht andauernd, dass eine homosexuelle Beziehung verwerflich oder gar ekelerregend oder abnormal sei…“
 

Jason konnte einfach nicht anders, als sich den jungen Mann inmitten der wild gestikulierenden Menge zu betrachten. Als er sich endlich wieder besann, schlich er mit abgewandtem Gesicht um die Reporter herum und hörte weiterhin Lance zu, auch wenn seine Sätze nur noch dumpf in seinem Verstand ankamen.
 

„Jason Sartaren!“, schallte es laut hinter ihm, als er schon gerade die Haustür hinter sich zuziehen wollte. Für einen Moment überlegte er, sich umzudrehen und sich erneuten Fragen zu stellen, aber im nächsten hastete er bereits die Treppe empor und lehnte sich an das Holz, das er eilig wieder hinter sich schloss. Entkräftet ließ er sich an der Tür hinab gleiten und starrte unentwegt auf ein Bild, das er immer noch nicht glauben konnte: Auf einen schwarzhaarigen jungen Mann, der nicht nur öffentlich zu ihm stand, sondern ihm sichtlich half, möglichst unbelästigt zurück in die Wohnung zu kommen.
 

Rasender Puls begleitete seine Fassungslosigkeit.
 

Lance mimte plötzlich amtlich seinen Freund.
 

Doch so irritiert Jason auch war, so überzeugt war er, dass dies die erste und letzte Einmischung des Schwarzhaarigen gewesen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  inulin
2007-07-21T08:12:38+00:00 21.07.2007 10:12
Haaach...
Dieses Kapitel hat mich echt sprachlos gemacht.
Das war eines der schönsten bisher, find ich.
Und Lance ist einfach... *seufz* Ich fand das so süß, dass er Jason nachgelaufen ist, ihm geholfen hat und dann auch noch vor die Reporter getreten ist, um seinem Freund auch noch zu helfen.
Aber irgendwie wirkt das wie ne Wendung um 180°... Erst ist Lance immer so kalt und schiebt alles von sich und dann macht er sowas. Da kann man ja gar nich böse auf ihn sein. ^^


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