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Sinnlose Versprechen

von

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„Was stört dich eigentlich wirklich daran, dass ich kandidiere?“

Wie schon die vielen Minuten zuvor schaute Jason seinen Freund an, erdolchte ihn förmlich mit seinen Blicken. Der Schwarzhaarige saß einfach nur da und blätterte unbeirrt weiter in der Fernsehzeitung.

„Leg’ endlich das verdammte Ding beiseite und antworte mir!“
 

„Du wolltest nicht hören, also sieh’ zu, wie du dich da wieder herauswinden wirst.“

Lance sah nicht auf. Stattdessen legte er beide Füße auf den Wohnzimmertisch und hielt sich die Zeitung demonstrativ vors Gesicht.
 

„Du machst mich noch schier wahnsinnig“, knurrte der Blondschopf und öffnete das große Fenster, um sich irgendwie Luft zu machen.

Seit der gestrigen Offiziellwerdung seiner Aufstellung hatten sie nicht mehr miteinander geredet. Und nun herrschte immer noch diese eisige Atmosphäre zwischen ihnen, die sich wie Drahtseile anfühlte, die sich langsam ins warme Fleisch schnitten.
 

„Es hat dich keiner gezwungen, dich mit mir abzugeben.“
 

Pikiert schnellte Jasons Kopf wieder in Richtung Lance, der sich aber immer noch nicht die Mühe machte, auch ihn anzusehen. Dieser Mann hatte ihm schon so oft den Verstand geraubt, aber bisher noch nie auf solch eine schmerzhafte Art und Weise.

„Ich will doch nur wissen“, begann er gereizt, „weshalb du mir die Sache mit dem Bürgermeister ausreden möchtest.“
 

„Weil dieser Kram nicht zu dir passt.“
 

Obwohl Lance vollkommen ernst war, stellte das den anderen nicht zufrieden.

„Ich bin doch kein unbeholfenes Kind, das keine Ahnung vom Leben hat. Also, weshalb bist du so dagegen?“
 

Abrupt stand der Schwarzhaarige auf und postierte sich vor seinem Freund, ließ eine Hand vorschnellen, wodurch Jason leicht zusammenzuckte. Aber die Hand legte sich an die Wand hinter ihm, berührte ihn dabei nicht einmal.

„Frag’ mich nie wieder danach!“, drang herrisch aus Lance’ Mund.
 

Jason erwiderte nichts mehr, sondern sah ihn nur fest und bestimmt an. Tauchte hinab in das dunkle Blau, das ihn wie immer gefangen nahm. Aber er ließ sich von diesen Iriden nur kurz all seiner Sinne berauben. Nach ein paar Sekunden duckte er sich unter dem ausgestreckten Arm von Lance durch und lehnte sich aus dem Fenster.
 

„Ich habe gleich einen Termin und komme erst spät Nachts wieder, falls es dich interessiert“, meinte er leise, ehe er noch einmal einen Blick auf seinen Freund warf, sich von der Fensterbank abstieß und das Zimmer verließ.
 

Nur wenige Augenblicke später lief er bereits gen Innenstadt, wo Holly sicher schon auf ihn wartete. Sie kannten sich seit bald drei Jahren und als sie ihn am Vorabend angerufen hatte, um sich lautstark darüber auszulassen, weshalb er ihr etwas derart Wichtiges wie seine Kandidatur verheimlicht hatte, hatte er ihr gesagt, sie könne ihm im ja helfen, wenn sie schon so ein prächtiges Organ habe. Eigentlich hatte er das scherzhaft gemeint, doch sie hatte sofort zugestimmt. Ohne wenn und aber wollte sie ihn um zwölf Uhr auf dem Marktplatz treffen, der sich mittlerweile vor ihm auftat.
 

„Da bist du ja endlich“, empfing eine Brünette ihn ironisch herzlich.
 

„Tut mir leid, ich musste noch etwas klären.“

Auch wenn der Versuch kläglich gescheitert war. Er nahm sie kurz in den Arm und lächelte sie dann an.

„Bisweilen bin ich froh, dass du mich unterstützen willst.“
 

Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und funkelte ihn mit ihren grau-grünen Augen an. „’Bisweilen’, so so, der Herr hatte wohl wieder besondere Ansprüche, was?“
 

Sein Grinsen wurde breiter und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke, Holly.“
 

Stöhnend schob sie ihn von sich weg. „Dass du damit bei mir auch immer durchkommen musst. Also“, sie sah ihn ernst an, „wie hast du deinen Wahlkampf geplant?“
 

„Die Plakate hast du sicher schon gesehen.“
 

Sie nickte, blickte aber nicht wirklich erfreut drein. „Darf ich ehrlich sein?“, fragte sie vorsichtig an.
 

„Immer.“

Zwar war er nicht versessen darauf von einer weiteren Person zu erfahren, wie schrecklich sein Werk war – Lance hatte es ihm all zu deutlich klar gemacht gehabt, ob aus Zorn oder was auch immer heraus -, aber er brauchte eine recht objektive Meinung. Zweifelsohne würde er diese von seiner Freundin bekommen, denn bisher hatte er sie immer als sachliche, geradlinige und an sich unparteiische Person kennengelernt.
 

„Dein Motto finde ich lobenswert, aber meinst du nicht, dass das die Bevölkerung eher abschrecken wird?“

Er kniff die Augen zusammen und sah sie unsicher an.

„Viele vermeiden die Politik und all ihre Machenschaften so gut es geht. Ich glaube kaum, dass sie Lust darauf haben, plötzlich mitmischen zu sollen, auch wenn sie das lediglich mit ihrer Stimme und vielleicht dem einen oder anderen Vorschlag tun müssten. Leider bin ich der Meinung, dass es die meisten erst einmal abschreckt.“
 

„Da bin ich anderer Meinung“, wandte Jason ein. „Gerade der Aufruf, dass jeder die Möglichkeit hat, sich zu äußern, sollte doch Stimmen bringen. Sie haben endlich die Chance, ihr Leben mitzubestimmen und das nicht nur durch ein blödes Kreuz auf einem Papier, das sie einmal zu Gesicht bekommen und dann nie wieder.“
 

Die Lippen kräuselnd zeigte sie mit einem Finger auf eines der Plakate in ihrem Rücken. „Auf dem Bild siehst du noch jünger aus als real. Auf dem Weg hierher habe ich die Leute reden hören und sie haben sich sehr über dein Alter mokiert. Warum hast du mich nicht eingeweiht und mich dich fotografieren lassen? Ich hätte das Beste herausgeholt.“
 

„Und das hätte darin geendet, dass ich mich zwei Stunden kaum hätte bewegen dürfen“, klagte er.

Eine Fotosession mit Holly war die reinste Qual, denn sie brauchte Ewigkeiten, bis sie einen in der richtigen Pose wusste. Zugegeben, die Bilder waren der pure Wahnsinn, aber Jason war dieses ständige nur um wenige Zentimeter hin- und herbewegen einfach zuwider.

„Holly, sei mir nicht böse, aber ich bin kein Model.“
 

„Das Aussehen hättest du“, zuckte sie mit den Schultern. „Allein schon dein Gesicht fasziniert jeden Fotografen.“
 

Sanft schob er sie ein paar Meter weiter gen Plakattafel. „Jetzt übertreibe hier nicht so maßlos, sondern sag’ mir, ob ich die Plakate dennoch hängen lassen kann oder nicht.“

Als sie sich das allererste Mal miteinander unterhalten hatten, hatte sie ihn richtiggehend angestarrt und am Ende gemeint, dass sein Gesicht viel zu reizvoll sei, um nicht auf der Titelseite irgendeines Magazins aufzutauchen. Aber er hielt nun mal nichts von solchen Aktionen und war auch nicht gerade begierig darauf, jemals auf irgendeinem Blatt zu erscheinen.
 

„Wenn du wirklich Bürgermeister wirst, werde ich dich ablichten, ob du willst oder nicht. Denn dann hast du keine Ausrede mehr.“
 

Seufzend blieb er stehen und schüttelte mit dem Kopf. „Warum ziehen solche Ämter eigentlich immer solche Unannehmlichkeiten nach sich? Ich will doch nur den Stein ins Rollen bringen und was bewegen, mehr nicht.“
 

„Tja“, sah sie ihn überhaupt nicht mitfühlend an. „Das hättest du vorher beherzigen sollen. Außerdem werden das für dich noch die angenehmsten Seiten der Politik sein.“
 

„Nicht du auch noch“, knurrte er.
 

Abwägend betrachtete sie ihn. „Dir geht’s nicht gut“, stellte sie nach einer kleinen Weile fest.
 

„Dir entgeht aber auch gar nichts. Aber ich mag jetzt eigentlich nicht darüber reden.“
 

„Das Problem besteht aus fünf Buchstaben, also weiß ich Bescheid.“
 

„Wie…?“ Er war erstaunt, dass sie damit den Nagel auf den Kopf traf.
 

„Das sieht sogar ein Blinder“, neckte sie und lachte. „Seit du Lance kennst, warst du nicht mehr derart bedrückt. Also muss er etwas getan oder gesagt haben, das dich verletzt hat, sonst hättest du eben nicht so ein Gesicht gemacht.“
 

Er tippte mit einem Finger an ihre Stirn. „Altkluges Weibsbild.“
 

„Das jetzt deinen Wahlkampf in die Hand nimmt. Zuerst willige ich ein, dass deine Plakate hängen bleiben, aber dafür musst du mir versprechen, dass wir heute Abend noch neue machen werden. Wir werden sie kleiner gestalten und ich versuche sie mit meinem Charme an die Lokale und Läden zu bringen. Eine Frau muss nur ihre Augen dezent aufschlagen und schon bekommt sie, was sie will.“

Sie schnippte mit dem Finger und flirtete Jason an.
 

„Bei mir zieht das nicht“, meinte er grinsend.
 

„Dich bekomme ich auch noch weich. Lance sollte besser auf dich aufpassen.“

Seinen Namen hätte sie lieber nicht erwähnen sollen, denn über Jasons Gesicht huschte leichte Wehmut, nur kurz, aber sie war da gewesen.

„Gut, also packen wir’s an“, fügte sie sogleich an.
 

„Ich wollte heute ein paar Leute ansprechen und sie mit meinen Zielen vertraut machen. Auf sinnlose Wahlversprechen gebe ich nichts und das und vieles mehr möchte ich ihnen klar machen.“
 

„Okay, ich werde dich auch ein wenig bekannt machen“, nickte sie. „Treffpunkt 17 Uhr bei mir?“

Eigentlich war das keine Frage, vielmehr bestimmte sie das.
 

„Bis später.“

Als sie sich gerade von ihm abwandte, hielt er sie am Arm fest.
 

„Ja?“
 

„Danke.“
 

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Für dich doch immer.“
 

Den ganzen Nachmittag verbrachte er damit, sich den Menschen von Asht-Zero vorzustellen, doch die meisten wollten nichts mit ihm zu tun haben. Er musste sich ständig irgendwelche zynischen Bemerkungen anhören oder sich von oben herab anschauen lassen, doch nicht alle brachten ihm regelrechten Hass entgegen. Es waren auch Leute darunter, die ihm Neugierde und Interesse bekundeten; die ihm am Ende sogar mitteilten, dass er ihre Stimme sicher hatte. Nachdem er letztere aber eher an seinen zwei Händen abzählen konnte, glich sein Weg durch die Stadt eher einem Gang nach Canossa. Und doch ging er aufrecht und versuchte stets freundlich zu sein, wenngleich ihm das nicht bei jedem Hohn leicht fiel.
 

„Jungs, seht mal. Da ist das kleine Kind, das uns bevormunden möchte.“

Spöttisches Lachen folgte und eine ganze Gang reihte sich um Jason, der alsbald einem Kaninchen in der Falle glich.

„So ein süßes Baby kann doch nichts als schreien.“
 

„Der einzige, der schreit, bist du“, erwiderte Jason und ging einen Schritt auf den sichtlichen Anführer zu.
 

„Hast du deinen Schnuller verloren? Sollen wir dir wohl suchen helfen?“
 

„Du bist gerade auf deinen mit einem deiner tollpatschigen Füße getreten.“
 

Die Miene des anderen verhärtete sich und Jason sah kurze Zeit später eine Faust vor seinem Gesicht herumfuchteln. „Ich kann auch die hier in deinen Mund stecken.“
 

„Kaum laufen gelernt und schon den großen Kotzbrocken spielen, was?“
 

Der Kreis um den Blondschopf herum zog sich enger immer. Bei solchen Typen hatte er seinen Mund noch nie halten können. Sie gingen ihm so was von gegen den Strich, dass er lieber eine Schlägerei riskierte als feige vor ihnen davon zu rennen.
 

„Der Kleine hier will eine Abreibung, habt ihr das auch gehört?“

Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten.
 

„Dass die größten Spinner immer eine Masse um sich herum brauchen, damit sie sich mutig fühlen.“
 

Der schlacksig-wirkende Typ holte aus, doch Jason war schneller und versetzte ihm einen Schlag in die Magengegend, der ihn weitestgehend aus dem Gefecht setzte. Die anderen traten allesamt einen Schritt zurück.

„Ihr Feiglinge, schnappt ihn euch!“

Doch keiner rührte sich.
 

„Und wenn er doch gewählt wird?“, kam es kleinlaut von einem Jungen hinter Jason.
 

„Dieses Baby!?“ Verächtlich spuckte er dem Blonden vor die Füße. „Nicht in meiner Stadt!“
 

Jason konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wir werden ja noch sehen, wessen Stadt das bald sein wird.“

Damit drehte er sich um und trat auf den Jungen zu, der eben gesprochen hatte. Er hob seine Rechte, wodurch der andere auf Abwehr ging, doch Jason klopfte ihm nur auf die Schulter.

„Du hast es nicht nötig, dich von so einem Idioten herumschubsen zu lassen.“
 

Ein gewaltiger Schmerz durchzuckte Jason. Etwas Hartes hatte ihn am Rücken getroffen und er sank Sterne sehend zu Boden.

„Reiß noch einmal deinen Mund so weit auf und du wirst im Krankenhaus um Stimmen winseln“, vernahm er gedämpft, wonach sich die Schatten um ihn herum lichteten.
 

Als er sich allein wusste, kämpfte er sich zurück auf die Beine. Seine Jeans war vollkommen verdreckt und während er versuchte, sie einigermaßen sauber zu bekommen, musste er sich an einem der Mülleimer am Straßenrand festhalten, um nicht vor Schwindelgefühl freiweg umzukippen.
 

„Mist“, fauchte er.
 

Weniger der Umstand, dass er selbst geschlagen worden war, machte ihn wütend, vielmehr die Gewissheit, dass es nicht das letzte Mal war, dass er derart konfrontiert werden würde. Solche Gangs lauerten überall und sie konnten es nicht erdulden, dass jemand, der kaum älter als sie selbst war, mehr Macht haben würde. Mit verkniffener Miene streckte er sich und versuchte seinen Kreislauf wieder auf Touren zu bringen. Selbst wenn er jeden Tag eine verpasst bekäme, würde er nicht an Rückzug denken. Dessen war er sich bis jetzt gänzlich sicher.
 

„Langt dir die morgendliche Dusche wohl nicht mehr?“, grinste Holly, als sie ihm die Tür aufmachte.
 

„Auch Bürgermeister in spe dürfen sich mal im Dreck wälzen“, entgegnete er mit hochgezogener Braue.
 

„Nur tun sie das nicht freiwillig.“

Sie zog ihn in das Wohnzimmer, das man sofort betrat, denn es gab keinen richtigen Flur, und wurde ernst.

„Wie ist es dazu gekommen?“
 

„Ach, mach’ aus einer Mücke bitte keinen Elefanten, Holly. So ein paar aufmüpfige Jugendliche haben nur ihr Revier markieren wollen.“
 

„Asht-Zero ist es eben nicht gewohnt, dass ein halbes Kind – entschuldige, aber das bist du in ihren Augen – auf den Posten des Bürgermeisters scharf ist. Irgendwie kann ich das auch verstehen. Wenn ich bedenke, wie alt hier die meisten Menschen sind und wie sie bisher gelebt haben, verlangst du viel von ihnen. Und deren Kinder wollen nur ihr selbst ernanntes Besitzrecht verdeutlichen, was im Grunde eigentlich kein schlechter Charakterzug ist. Nur ihre Methoden sind ein wenig fragwürdig.“
 

„’Ein wenig’“, wiederholte Jason bitter. „Seit wann hat man eigentlich das Recht, andere anzupöbeln und ihnen zu drohen? Nur stoßen sie da bei mir auf den Falschen.“
 

„Soll ich mir deinen Rücken mal ansehen?“

Sie hatte bemerkt, wie er sich ab und an dorthin griff.
 

„Nein, danke. Kleine Blessuren bringen mich schon nicht um.“
 

„Mach’s das nächste Mal wie eine Lady“, feixte sie.
 

Halb lächelnd, halb unwillig sah er sie an. „Ich mag ja auf Männer stehen, doch in Frauenkleider werfe ich mich noch lange nicht.“
 

„Dann üben wir wenigstens deinen verführerischsten Augenaufschlag.“

Indem sie ihm eine Hand auf die Schulter legte, zog sie ihn näher zu sich.
 

„Ich glaube, ich verzichte doch lieber auf deine Hilfe.“
 

„Selbst das hübscheste Gesicht kann mich Lügen strafen.“
 

Er zuckte galant mit seinem rechten Lid. „Besser?“
 

„Also… Lassen wir das lieber und kommen zu wichtigeren Dingen.“
 

Erleichtert ließ er sich auf dem aprikotfarbenen Sofa nieder. „Was hat deine reizende Art bewirkt?“
 

Nachdem sie sich ebenfalls gesetzt hatte, zog sie einen Zettel aus ihrer Rocktasche hervor, den sie auffaltete und mit gespielter Überheblichkeit glatt strich.

„Das ist eine Liste“, begann sie, „all der Einrichtungen, die es uns erlauben, Plakate anzubringen.“
 

„Das ist nicht dein Ernst! Das sind bestimmt dreißig Namen.“

Er deutete auf das Papier in ihren Händen.
 

„Exakt 38. Die Waffen einer Frau sind unschlagbar.“
 

„Was hast du ihnen geboten?“, wollte Jason ein wenig besorgt wissen.
 

„Nur ein paar schlagkräftige Argumente.“
 

„Du hast doch nicht-“
 

„Nicht doch!“, stieß sie aus. „Ich kann auch verbal sehr überzeugend sein. Und das gänzlich ohne erotische Stilmittel“, fügte sie an.
 

„Das hätte auch gar nicht zu dir gepasst.“
 

„Auf dieses Barbiepuppenniveau würde ich mich gar nicht einlassen“, meinte sie bestimmt. „Aber wir sollten die wertvolle Zeit nicht mit solchen Nebensächlichkeiten vergeuden, denn auf uns wartet noch eine Menge Arbeit.“
 

„Gute Einstellung.“
 

„Habe ich doch immer. Darum verstehe ich nicht, weshalb du mir das verheimlicht hast.“
 

Jasons Kopf sank auf seine Brust, er hob ihn aber gleich wieder an.

„Ich hatte eben auf einen Knalleffekt gehofft.“
 

„Den hast du auch ausgelöst, das kannst du mir glauben“, erwiderte sie leise.
 


 

„Holly, das reicht für heute“, stöhnte Jason und streckte seine Arme in die Luft. Der Schlag auf den Rücken gepaart mit dem stundenlangen Sitzen verursachte einen unangenehmen Schmerz.
 

Sie blickte vom Monitor auf und sah ihn eine Weile lang an.

„Sicher, dass keine Rippe gebrochen ist?“
 

„Ist schon alles in bester Ordnung.“

Zwar fühlte es sich nicht so an, doch er durfte nicht schon am zweiten Tag seiner Kampagne wehleidig werden.
 

„Dein Gesicht spricht zwar Bände, aber ich frage lieber kein weiteres Mal nach. Werfe aber bitte noch einmal einen Blick auf das neue Plakat und bestätige mir, dass ich es an die Druckerei schicken darf.“
 

„Verrate mir endlich, woher du dieses Bild hast, dann segne ich es ab.“
 

Als sie sich an den Rechner begeben hatten, hatte sie ihn sogleich mit einem Foto von ihm überrascht, das ihn erst einmal ins Staunen versetzt hatte. Er kam auf diesem Bild erwachsener und hochgemuteter rüber als auf dem, das er für die ersten Plakate ausgesucht hatte. Irgendwie strahlte es reinsten Willen und dennoch pure Sympathie aus.
 

„Ich bin ein heimlicher Stalker und habe es mir auf diese Weise verschafft“, antwortete Holly.
 

„Warum klingt das bei dir auch noch glaubwürdig?“, meinte er grinsend.
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Also weg damit?“
 

„Keine Einwände.“
 

„Grüß Lance von mir“, sagte sie, während sie aufstand und ihren Freund in eine Umarmung zog.
 

„Mal sehen, ob er überhaupt da ist.“

Fragend hob sie eine Augenbraue, doch Jason winkte ab.

„Ich werde ihn ihm ausrichten. Sehen wir uns morgen?“
 

„7 Uhr bei Kurrauns. Ja, so früh!“, fügte sie keine Widersprüche duldend an. „Eddy macht das zum Freundschaftspreis und er bestand gestern am Telefon darauf, dass wir die Plakate so früh abholen.“
 

„Du hast wirklich an alles gedacht, aber dafür werde ich vor dir dort sein.“
 

„Das werden wir noch sehen.“

Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und begleitete ihn zur Wohnungstür.

„Wir werden die Leute schon überzeugen.“
 

„Keine Frage.“
 

„Tschüs.“
 

Als Jason nach Hause kam, fand er eine dunkle, verlassene Wohnung vor. So, wie er es an sich schon erwartet hatte. Während er sich seiner Kleidung entledigte und unter die Dusche stieg, warf er einen kurzen Blick in den Spiegel und versuchte das Ausmaß auf seinem Rücken abzuwägen. Aber mehr als ein blauer Fleck an seiner linken Seite war nicht zu sehen, wenngleich er wesentlich mehr Schmerzen empfand.
 

„Mistkerl“, fauchte er und drehte den Hahn auf.
 

Rauschend perlte das Wasser über seinen Körper, von seinem Kopf hinab bis zu seinen Füßen. Der angenehme, herbe Duft seines Duschgels verbreitete sich alsbald im gesamten Badezimmer und feine Nebelschwaden durchwoben den Raum. Mit geschlossenen Augen sog er langsam die Luft ein und stieß sie ebenso gemächlich wieder aus.

Plötzlich zuckte er zusammen.
 

„Lance!“, rief er wütend aus.

Durch die getönte Scheibe der Dusche sah er seinen Freund vor dem Waschbecken stehen.
 

„Du verschwendest zu viel Wasser“, drang es gedämpft und gleichgültig an Jasons Ohren.
 

„Dank des Kälteschocks brauche ich davon jetzt noch mehr.“
 

Lance drehte sich um und öffnete die Duschkabine, streckte einen Arm hinein, streifte dabei Jasons Bauch und stellte den Wasserhahn ab. Jason griff nach dem Arm und krallte seine Fingernägel in das warme Fleisch.

„So leicht kommst du mir nicht davon.“

Kraftvoll legte er sich Lance’ Arm um seine Taille und deutete mit dem Zeigefinger seiner freien Hand an, er solle näher kommen. Dabei schaute der andere ihn dermaßen lasziv an, dass ihm allein dadurch bereits wieder warm war.

Tatsächlich stieg Lance nur Sekunden später zu ihm in die Dusche und presste seine Lippen auf die Seinigen. Ihre Zungen berührten sich und egal, wie sehr sich Jason anstrengte, der Dunkelhaarige behielt die Oberhand. Keuchend ließ sein Freund von ihm ab.
 

„Jetzt brauchst du kein Wasser mehr.“
 

„Stimmt“, erwiderte Jason und zog ihn noch einmal nahe zu sich heran. „Aber dafür dich.“
 

Nach einem weiteren Kuss löste sich Lance aber und winkte ab. „Ich bin verabredet.“

Mit diesen Worten wandte er ihm den Rücken zu und verließ das Bad, wo sich Jasons Herzschlag erst nach und nach wieder beruhigte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  inulin
2007-06-16T13:28:31+00:00 16.06.2007 15:28
Also Lance is ja wirklich gemein. Erst das warme Wasser klauen und Jason einen Gefrierschock geben, ihn dann heiß zu küssen und ihn dann erregt fallen lassen.
Hach... Ich mag Lance. *seufz* Hier kommt meine masochistische Ader wieder durch. ^^'
Mir hat die Szene auch gut gefallen, wo sich Jason mit den Halbstarken geprügelt hat.
Ich kann mir richtig gut vorstellen, dass ihn solche Kerle aufregen und er nicht den Schwanz einzieht.
Das passte vor allem auch gut, weil es ja nicht immer nur gutgesinnte und positivreagierende Menschen gibt. Ich find das toll, dass bei dir nich immer alles so einfach läuft. Das wirkt realistisch.
Aber Lance hat immer noch nich verraten, warum er da so strikt gegen ist, oder?
Das interessiert mich wirklich. Und ich freue mich bereits auf den nächsten Teil. ^^

LG


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