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Der Bulle und der König

von

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Fruchtlose Einsicht

Wie Takashi da so im Bett lag und im Schlaf noch immer seine Hand umklammerte, wurde Makoto noch trübseliger als er ohnehin schon war. Er war gekommen, um sicherzugehen, dass Takashi immer noch in der Zelle war, in die er ihn zuvor geschickt hatte und nicht wieder in einer Pisslache am Boden angekettet dahinsiechte. Gefunden hatte er ihn dann tatsächlich in der erhofften Zelle, bewusstlos. Bis zur gefängniseigenen Krankenstation musste er zwar einige Treppen steigen, doch viel schwerer als ein Mädchen war das Häufchen Elend, das da über seiner Schulter hing, nicht mehr. Takashi war nie ein Schwergewicht gewesen, doch konnte Makoto sich erinnern, dass der Junge zumindest schwer genug war, um ihn mit etwas Geschick von den Füßen zu reißen.
 

Nicht von den Füßen gerissen, dafür aber mächtig aus den Socken gehauen, hat ihn nun die Sache mit dem Gürtel, beziehungsweise das, was dahinterstecke. Dass Takashi auch seine männlichen Freunde liebevoll „–chan“ nannte, war zwar seltsam, aber noch lange kein Verdachtsmoment, schließlich war dies Takashi, der unter dem Einfluss eines senilen Vaters aufwuchs. Kämen da nicht unzählige ungeschickte Annäherungsversuche und diese ständige Aufopferung für Makoto hinzu.

Sein Gewissen begann, ihn zu quälen. Hätte er seinem immerhin besten Freund vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, vielleicht ein bisschen besser hingehört, anstatt alles, was Takashi tat, als Alberei abzutun, hätte er vielleicht so manches verhindern können. Schließlich war Takashi zwar immer schon ein Scheusal gewesen, doch mit Makotos Beziehung zu Hikaru und dem daraus entstandenen Zeitmangel, war er immer heftiger geworden. Bis er eines Tages, an einem heißen dreiundzwanzigsten Juni zweitausend, schließlich ausrastete und Makoto seinen eigenen Schmerz mehr als hautnah spüren ließ. Sie hatten sich schon öfter geprügelt und die Ereignisse der letzten Zeit hatten natürlich auch Takashi belastet, aber trotzdem – ihn so außer sich zu sehen, war für Makoto und auch alle anderen, neu. In der Öffentlichkeit so zu schreien, zu heulen und scheinbar ohne jegliche Selbstkontrolle auf einen Freund einzuschlagen, war etwas sehr, sehr Untypisches für den fröhlichen Schlägertypen Takashi, der sich von Freunden sonst nahezu alles anstandslos gefallen ließ. Der fröhliche Takashi – der doch so auffällig überreagierte, bei allem, was Makoto tat. Der arme Takashi, der sich ausgerechnet in einen nichts registrierenden Vollidioten verlieben musste.
 

„Tut mir leid,“ stotterte Makoto und wollte dem schlafenden König neben ihm noch mehr sagen, bekam aber plötzlich kein Wort mehr raus, als ihm auf ein mal Tränen übers Gesicht liefen. Takashi konnte ja nichts dafür, aber alles, was er von Makoto wollte, war immer irgendwie zu viel verlangt. Auf Befehl schwul zu werden, war tatsächlich nicht drin, aber so manches Mal hätte Makoto etwas taktvoller, hilfsbereiter sein können. Wie ein echter Freund eben. Nicht wie ein Schmarotzer, der sich nur dann meldete, wenn er Takashi brauchte und herummeckerte, wenn er mal gebraucht wurde. Ja, hätte er Takashi von Anfang an mehr, oder zumindest eine faire Freundschaft gegeben, hätte Takashi sich vielleicht nicht nach mehr gesehnt, sehnt man sich doch immer nach dem Unerreichbaren.
 

Endlich ließ Takashi seine Hand los und rollte sich auf die andere Seite. So, wie er sich im Schlaf immer einrollte, blieb jedes Mal viel Platz für Gesellschaft. So war er eben. Gesellig. Großes Auto, großes Haus, großes Herz – überall da, wo er Leute unterbringen konnte, war immer ein Platz frei. Ob er selbst dabei zu kurz kam? Wohl kaum, denn nie zuvor hatte Makoto Takashi so erbärmlich erlebt, wie seit er in Einzelhaft dahinvegetierte.
 

Makoto stand auf und ging zur Tür. Er erwischte sich dabei, wie seine Beine ihn aus dem Zimmer, den Flur entlang und das Gebäude hinaus tragen wollten und blieb mit einer unnötig großen Bewegung stehen. Dann tat er, wofür er eigentlich den Raum verlassen hatte und sah nach, ob die Luft auf dem Flur rein war. Jemand schien die Treppe hinauf zu kommen und er huschte zurück in den Raum und schloss ab. Wieder an Takashis Bett angekommen, war er richtig froh, dass man ihn die letzten Nächte so gequält hatte, denn der Junge schlief so fest wie nie zuvor, jetzt, wo er in Makotos Gesellschaft und somit in Sicherheit war. Ein wenig hinterhältig kam er sich schon dabei vor, Takashi in eben dieser „Sicherheit“ so nahe zu kommen, aber er musste es einfach. Als Makoto das graue Hemd, das hier Vorschrift war, über Takashis Kopf zog, nieste dieser im Schlaf. Das Hemd stank und hätte schon länger eine Wäsche gebrauchen können. Was unter dem Hemd zu Vorschein kam, ließ Makoto erstarren. Takashis Rücken war voller blauer Flecken und teilweise waren die nicht gerade klein. An wieder anderen Stellen musste er sich selbst blutig gekratzt haben, was an dem schmutzigen Hemd gelegen haben konnte. Takashi war empfindlich. Vorsichtig holte Makoto nun auch seine Arme aus dem Hemd und warf es an die Tür, um es später in die Wäsche zu geben. An der Türklinke blieb es hängen.
 

Irgendwann begann das Licht, das durch das vergitterte Fenster des Raumes kam, wärmer zu werden. Irgendwo hinter dem Gefängnis musste gerade die Sonne untergehen. Es war ein so schönes Licht, das diesen kalten Raum gleich freundlicher wirken ließ. Makoto öffnete das Fenster um auch etwas frische Luft hereinzulassen. Der sanfte Windstoß, der ihm durchs Haar strich, kitzelte auch Takashi, der sich im Halbschlaf die Nase rieb und langsam die Augen öffnete. Am Fenster sah er Makoto stehen, oder zumindest sah er seine von hinten beleuchtete, fast schwarze Silhouette.
 

„Du bist ja immer noch da,“ murmelte er erleichtert während er sich an der Rückenlehne hochzog, um sich zu setzen, „Hast du nichts anderes zu tun... als mich im Schlaf auszusehen, wie ich sehe..?“

„Ich hab den ganzen Tag frei, Hamaguchi war mir noch was schuldig.“

„Ha, gibt’s den auch noch,“ lachte Takashi. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er den mickrigen Polizisten gelegentlich ziemlich gequält und lächerlichgemacht hatte.

„Ja,“ lachte Makoto, „Ich hab ihn während der Arbeitszeit im Puff erwischt und damit ich das schnell wieder vergesse, übernimmt er heute für mich.“

„Und was hast du da gemacht?“

„Sei ruhig, schlaf weiter.“

„Mako-chan,“ sagte Takashi plötzlich mit ernster Miene, „Ist schon gut. Du musst dir keine Vorwürfe machen.“

„Vorwürfe?“

„Ich kenn dich lang genug um es dir anzusehen. Du machst dir doch Vorwürfe, weil du mich hierher gebracht hast.“

„...“

„Brauchst du nicht,“ lächelte er traurig, „Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Aber ehrlichgesagt, so auf Kyoichi einzuschlagen, hat mich irgendwie mächtig erleichtert.“

„Das hat’s doch schon immer, und nicht nur bei Kyoichi.“

„Auf ihn einzuschlagen und zu wissen, dass der sich bald nicht mehr bewegen wird. Makoto, auch wenn wir Freunde sind, das Gesetz gilt auch für mich. Ich sitz hier schon ganz richtig. Also hör auf, dir wegen mir ’n Kopf zu machen. Ich komm schon klar damit.“

Makoto sah ihn wehmütig an. „Das sieht man. Erst find ich dich schreiend in deiner Pisse angekettet, heute liegst du ohnmächtig, halbverhungert und von Wunden übersäht auf dem Boden. Du kommst wirklich wunderbar klar.“

„So wird mit Typen wie mir halt umgegangen,“ grinste Takashi selbstironisch. „Nur weil du mich magst, krieg ich noch keine Sonderbehandlung.“

Als er das „du mich magst“ aussprach, hörte es sich für einen kurzen Moment an, als hätte er einen Kloß im Hals.

„Trotzdem,“ seufzte Makoto, „Tu mir den Gefallen und benimm dich, ich will dich nicht wieder so sehen. Wenn du dir das selbst nicht wert bist, tu’s für... äh, Jessie.“

„...äh, Jessie...?“ wiederholte Takashi forschend und sah Makoto fragend an.

„Für mich, du scheiß Idiot,“ fuhr Makoto ihn an, „Tu’s für mich! Da, da hast du’s! Gott nee, bist du mal wieder lästig, ey!!“

„Hmmm, Mako-chan ist aber plötzlich verlegen!“

„Halt die Klappe.“
 

Klatsch bekam er Makotos Handrücken an den Kopf. Takashi grinste, wobei er mehr aussah wie ein Hund, der die Zähne bleckte als wie ein lustig grinsender Bengel. Er liebte es einfach, Makoto solche kleinen Emotionsausbrüche zu entlocken und er konnte diese Aufheiterung gut gebrauchen. Noch mehr liebte Takashi es, ihn seinetwegen verlegen zu sehen. Insgeheim wusste er, dass seine Gedanken und Gefühle für Makoto eine Art Strohhalm waren, an den er sich klammerte. Das war schon immer so gewesen, seit sie sich kannten. Makoto war zwar ohnehin sichtlich größer und kräftiger als Takashi, doch irgendwie war er in Takashis Erinnerung immer noch großer. Eine Art Festung, hinter der er sich verstecken konnte, ein Fels in der Brandung, der immer standfest zu ihm hielt. Na ja, meistens. Und gelegentlich eine verständnisvolle Klagemauer, an der er alles auslassen konnte.
 

Noch eine ganze Weile schwiegen sie sich betreten an, bis Takashi bemerkte, dass kein Licht von draußen mehr hereinkam.
 

„Solltest du nicht bald nach hause gehen?“

„Hm? Ah... schon, is aber kein Problem. Kann auch noch hier bleiben.“

„Was war eigentlich mit dem Arzt? Nix geworden?“

Makoto seufzte. „Nein, nix. Ich hab das Gefühl, der wollte nicht mal wirklich zuhören. Kaum hab ich gesagt, wer du bist, war’s das.“

„Ich bin berühmt!“

„Wenn’s dich glücklich macht, bitte...“
 

Für einen Sekundenbruchteil glaubte Makoto zu sehen, wie Takashi das Gesicht verzog. Er wusste, dass auch für Makoto irgendwann die Besuchszeit vorbei sein würde. Auch in Uniform war es äußerst ungewöhnlich, Besuch bei den Gefangenen übernachten zu lassen. Nur konnte Takashi sich nicht entscheiden, was leichter fiel: es für heute schnell und schmerzlos enden zu lassen oder noch eine Weile diese Betretenheit ertragen? Jene Betretenheit führte seinen Blick auf seinen Schoß und zu seiner noch immer verkabelten rechten Hand und seine Linke begann, mit der Spritze und dem daran montierten Schlauch zu spielen.
 

„Lass das,“ murrte Makoto.

„Mir is langweilig. Und ich hab Hunger. Bist du nicht gekommen, um mich zu unterhalten?“
 

Makoto musterte Takashi mit verschränkten Armen und ging zum Bett. Er schien stabil zu sein, sollte auch ohne den Tropf auskommen. Er nahm Takashis noch immer ziemlich kalte Hand und wollte gerade vorsichtig die Spritze herausziehen, als er plötzlich eine andere Hand im Genick spürte, die ihn an den Haaren packte und herunter auf die Matratze riss. Von der Spritze konnte er nur noch einen Widerstand spüren als ob sie auf etwas hartes traf, dann verschwand sie irgendwo zwischen seinem Bauch und Takashis Hand. Mit der anderen Hand hielt Takashi Makoto noch immer im Genick und drückte ihn allmählich immer weiter runter bis er fast auf ihm drauflag.
 

„Hey, spinnst du oder was is los??“ schrie Makoto, „Was, wenn ich dir jetzt die Spritze durch den Knochen gerammt hätte, hä?!“

„Mir doch egal,“ flüsterte Takashi, wie er die umgeknickte Nadel in seiner Hand völlig zu ignorieren schien. „Diese Nadel ist nicht mein Problem, oder?“
 

Das konnte Makoto nur bestätigen, die Nadel war das geringste Problem. Er lag quer über Takashi, der ihn mit einem ziemlich groben Nackengriff über sich festhielt. Für solche Sachen schien er immer genug Kraft zu haben, auch, wenn er nicht mal mehr stehen konnte. Übung macht den Meister und so hat auch Takashi über die Jahre gelernt, dass Makoto doch noch ein bisschen Taktgefühl oder zumindest eine gewisse Angst vor ihm hatte und, wenngleich er nicht direkt nachgab, ab einem gewissen Punkt nicht mehr deutlich abweisend reagieren konnte. Denn Makoto wusste: wenn er sich jetzt losreißen würde, würde er den ohnehin schon gepeinigten Takashi womöglich kränken. Und das nutzte Takashi nun schamlos aus. Ohne den Schmerz in der rechten Hand weiter zu beachten, befreite er nun auch diese und Makoto hatte das Gefühl, von einem Ringer erdrückt zu werden.
 

„Mako-chan,“ flüsterte Takashi in einem etwas unheimlichen Ton in Makotos Ohr, an dem er nun mehr als nah genug war, „findest du es nicht etwas gemein, hier aufzukreuzen und dich mir vor der Nase rumzuwedeln, während ich mit einem Tropf ans Bett gefesselt bin? Wenn du die Leute schon besuchen kommst, dann bring ihnen was mit. Und wenn du schon nichts mitbringst, dann biet dich gefälligst selbst an!“

„Takashi,“ keuchte Makoto, „Du weißt ganz genau, dass das nich drin is!“

„In dir ist vieles nicht drin. Kein Hirn, keine Hilfsbereitschaft, keine Einsicht, dafür aber Yakisoba und Hikaru bis es zu den Ohren rausquillt!“
 

Makoto konnte Takashis feuchten Atem im Gesicht spüren, so nah war er ihm. Selten war ihm eine Situation so unangenehm gewesen und Takashi schien nun auch noch auf sein Gewissen wirken zu wollen und ihn mit seinen Gefühlen zu erpressen. Wäre er doch bloß schon früher gegangen. Er hätte wissen können, dass Takashi sich wieder so etwas einfallen ließe, nur hätte er nie geahnt, dass er so weit gehen würde. Er konnte sein eigenes Herz in seinen Ohren pochen spüren und ihm wurde schwindelig.
 

„Takashi,“ sagte er plötzlich mit resoluter Stimme, nachdem er ein mal tief durchgeatmet hatte, „Lass mich los.“

Keine Antwort.

„Lass mich sofort los oder ich gehe.“

„Versuch’s doch, wenn du kannst,“ flüsterte Takashi zickig zurück und sah ihm herausfordernd in die Augen. „Dann behalt ich mir deine Haare als Souvenir.“

Um seine Worte zu untermauern, packte Takashis linke Hand noch fester zu und Makoto glaubte, seine ganze Kopfhaut würde einreißen.

„Ich kann einiges,“ knurrte Makoto, „Wenn du mich nicht bald loslässt, wirste dein blaues Wunder erleben, Takashi.“

„Das will ich sehen!“ grinste Takashi und mit einem Ruck und einem gezielten Stoß in Makotos Brust, warf er ihn auf den Rücken und saß nun obenauf. Dass er sich dabei die verbogene Spritze aus der Hand riss, schien ihn nicht weiter zu kümmern und er beugte sich zu Makoto hinunter und rammte ihm einen höchst unzarten Kuss auf die Lippen. Makoto machte ein Geräusch, das bei offenem Mund wohl „Scheiße“ gewesen sein könnte, verstummte aber, als Takashi die Gelegenheit dreist ausnutzte und ihm die Zunge in den Mund steckte. Makotos Gesicht war hochrot, er konnte kaum atmen und starrte nur mit riesigen Augen auf dieses blonde Scheusal über ihm, dessen Zunge gerade seine Mundhöhle erforschte. Als die Gänsehaut sich auch unterhalb seiner Leistengegend bemerkbar machte, schien es bei Makoto zu klingeln.
 

„SCHEISSE, HÖR AUF!!“
 

Keiner von beiden wusste so recht, was geschah, als sie beide vom Bett stürzten, wo Makoto schmerzhaft auf der Seite landete und Takashi noch ein Stück über den Boden glitt bis auch eher mit einem verschreckten Blick am Boden lag. Von seinem linken Mundwinkel floss Blut und seine ganze linke Gesichtshälfte schmerzte wie schon lange nicht mehr. Hechelnd sah er auf. Aus seiner Bauchlage konnte er nicht viel ausmachen. Er sah das Bettgestell, dahinter irgendwo den untersten Teil eines Medizinschranks, Fußleisten und daneben die Tür. Zwischen ihm und dem Bett lag der Tropf, der in dem Gerangel umgefallen sein musste, etwas weiter rechts endete auch der Schlauch, an dem eine zerschundene, blutverschmierte Spritze hing. Erst der Anblick dieser Spritze schien Takashi an die vorhergegangenen Momente zu erinnern und er sah langsam zu seiner zitternden rechten Hand hinüber. Als er sah, in welchen Zustand er sie gebracht hatte, bemerkte er erst den Schmerz, der schon die ganze Zeit da gewesen war. An der Stelle, wo die Spritze umgeknickt war, war seine Haut eingerissen und verklumptes Blut quoll heraus.

Sein Blick wanderte von seiner Hand wieder über den Boden, dem er nun wieder genauso nah war, wie heute morgen. Verschwommen konnte er zwei Beine, weiter rechts ein hellblaues Hemd und ganz am Ende seines Blickfeldes, Makotos verstörtes, wütendes und knallrotes Gesicht sehen. Auch er war völlig außer Atem und mied Takashis direkten Blick, fixierte ihn aber dennoch wie ein Büffel, der einen hungrigen Löwen im Auge behalten musste. Erst jetzt erwachte Takashi aus seiner „Eskapade“ und realisierte, was er da eben getan hatte.
 

„Ma... Mako...“

„Das reicht.“
 

Wacklig richtete Makoto sich auf, stolperte, fing sich am Bettgestell ab und hielt sich die Hüfte. Als er wieder zu Atem kam, ließ er das Bett los, ging zur Tür, wo er das Hemd von der Klinke riss und hielt es hoch, ohne sich zu Takashi, der noch immer entgeistert da lag, umzudrehen.
 

„Das wollte ich vorhin in die Wäsche bringen. Weiß nicht, was mich hier so lang aufgehalten hat, ich lass dir ein Neues besorgen. Auf Wiedersehen.“
 

Erst als die Tür mit einem scharfen Geräusch ins Schloss fiel, konnten Takashis Ohren Makotos Worte verwerten. „Auf Wiedersehen“ – dieser formelle Ton war äußerst schmerzhaft in seiner Brust. Sein Mund öffnete sich wie von allein, als ob er etwas sagen wollte und er richtete sich wankend auf indem er sich am Griff der Schublade eines Medizinschränkchens hochzog. Noch immer verwirrt von seinem eigenen Handeln und von Hunger und Durst geschwächt, torkelte er zur Tür und aus dem Zimmer, den Flur hinunter. Er konnte Makotos Schritte im Treppenhaus hören. Sie waren schwer, aber schnell. So schwer, dass sie Takashi selbst zu verlangsamen schienen und so schnell, dass sie sich immer mehr von ihm entfernten. In seinem Zustand konnte er Makoto nicht einholen.
 

„Makoto,“ rief er schweratmig die Treppe hinunter, ohne ihn sehen zu können. „Makoto, warte!“
 

Alles um ihn herum begann, sich zu drehen und ein kalter Schweiß brach in seinem Gesicht aus. Alles wurde unscharf, dumpf und hell und ihm wurde schlecht. Dabei konnte er Makoto keine anderthalb Stockwerke tiefer die Treppen absteigen hören! Er musste es einfach schaffen, er musste ihn einholen. Er beugte sich übers Geländer um Makoto orten zu können, sah tatsächlich seine Schulter und seine Hand auf dem Geländer. Er war nur wenige Stufen vom Erdgeschoss und damit vom Ausgang und von seinem Dienstwagen entfernt. All das registrierte Takashis immer leichter werdender Kopf nur noch sporadisch. Ein paar Stufen schaffte er noch, bis er schließlich wie betäubt zusammenbrach, mit den Knien auf der Treppenkante aufschlug und die letzten Stufen bis zum ersten Stock hinunterstürzte, wo er halb ohnmächtig und mit blutenden Knien liegen blieb. Schemenhaft konnte er weiter unten Makoto durch die Glastür gehen sehen. Nicht ein einziges Mal drehte er sich um. Die blutenden Beine auf der Treppe und der von blauen Flecken übersäte Oberkörper im Gang, fielen Takashi erneut die feuchten Augen zu. In den letzten Sekunden, in denen er noch bei Bewusstsein war, hoffte er, sie würden sich nie wieder öffnen.



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